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BSG - Entscheidung vom 01.10.2020

B 13 R 10/20 BH

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1
SGG § 55 Abs. 1 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 01.10.2020 - Aktenzeichen B 13 R 10/20 BH

DRsp Nr. 2020/16882

Einmalig verspätete Auszahlung einer Rente Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Voraussetzungen eines Feststellungsinteresses

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 26. Mai 2020 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines noch zu benennenden Prozessbevollmächtigten zu gewähren, wird abgelehnt.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ; SGG § 55 Abs. 1 Nr. 1 ;

Gründe

I

Das Bayerische LSG hat es mit Urteil vom 26.5.2020 abgelehnt festzustellen, dass die Beklagte rechtswidrig handelte, als sie die Rente des Klägers für Februar 2017 einmalig verspätet auszahlte.

Mit privatschriftlichem Schreiben vom 15.6.2020, das hier am 18.6.2020 eingegangen ist, hat der Kläger unter Vorlage einer Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines noch zu benennenden Prozessbevollmächtigten für das Verfahren einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil beantragt.

II

Der PKH-Antrag des Klägers ist abzulehnen. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Daran fehlt es hier. Das gegen die angefochtene Berufungsentscheidung statthafte und vom Kläger angestrebte Rechtsmittel ist die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision 160a SGG ). Die Revision darf gemäß § 160 Abs 2 SGG nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr ), das angegriffene Urteil von einer Entscheidung des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein bestimmter Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Ein solcher Zulassungsgrund ist nach summarischer Prüfung des Streitstoffs anhand der beigezogenen Akten des LSG und derjenigen der Beklagten auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Klägers nicht ersichtlich. Mit der Ablehnung des PKH-Antrags entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO ).

1. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass ein zur Vertretung vor dem BSG zugelassener Prozessbevollmächtigter (vgl § 73 Abs 4 Satz 1 bis 3 SGG ) erfolgreich geltend machen könnte, der Rechtssache komme eine grundsätzliche Bedeutung iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG zu. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Eine derartige Rechtsfrage stellt sich vorliegend nicht. Es ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz, dass ua eine Feststellungsklage, die wie vorliegend auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses gerichtet ist, ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung voraussetzt (vgl § 55 Abs 1 Nr 1 SGG ). In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, unter welchen Umständen ein solches Feststellungsinteresse in Betracht kommt (vgl etwa BSG Urteil vom 28.8.2007 - B 7/7a AL 16/06 R - SozR 4-1500 § 131 Nr 3 RdNr 11; BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 10/08 R - juris RdNr 10; BSG Urteil vom 21.3.2018 - B 6 KA 44/16 R - SozR 4-2500 § 73b Nr 2 - RdNr 26; jeweils mwN).

Auch aus dem klägerischen Vorbringen ergeben sich keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der Sache. Der Kläger trägt vor allem dazu vor, dass die Beklagte seines Erachtens keinen Grund für eine vorübergehende Zahlungseinstellung gehabt habe. Die darin letztlich liegende Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl etwa BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18; BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; jüngst Senatsbeschluss vom 2.9.2019 - B 13 R 354/18 B - juris RdNr 9).

2. Es spricht ferner nichts dafür, dass ein beim BSG zugelassener Prozessbevollmächtigter mit Erfolg den Zulassungsgrund der Divergenz 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) geltend machen könnte. Die angefochtene Entscheidung des LSG ist nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung abgewichen.

3. Schließlich ist nicht erkennbar, dass ein Verfahrensmangel 160 Abs 2 Nr 3 SGG ), auf dem die Entscheidung des LSG beruhen kann, in zulässiger Weise geltend gemacht werden könnte. Soweit das LSG durch Beschluss vom 31.7.2019 die Berufung dem Berichterstatter übertragen hat, der hierüber zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entschieden hat 153 Abs 5 SGG ), lässt sich dem Akteninhalt zwar nicht entnehmen, dass die Beteiligten vor der Übertragung angehört worden sind. Darin liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs 62 SGG ; Art 103 Abs 1 GG - vgl hierzu etwa BSG Urteil vom 21.9.2017 - B 8 SO 3/16 R - SozR 4-1500 § 153 Nr 16 RdNr 16 f; Senatsurteil vom 20.5.2020 - B 13 R 10/18 R - juris RdNr 11 - auch zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; jeweils mwN). Es kann offenbleiben, ob dieser geheilt worden ist, indem der Kläger sich in Kenntnis des Übertragungsbeschlusses mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt hat, ohne die Übertragung der Berufung auf den Berichterstatter zu beanstanden (zur Möglichkeit, eine in der fehlenden Anhörung vor Erlass des Übertragungsbeschlusses liegende Gehörsverletzung durch rügeloses Einlassen auf eine mündliche Verhandlung zu heilen, vgl BSG Beschluss vom 27.6.2019 - B 11 AL 8/18 R - SozR 4-4300 § 144 Nr 27 RdNr 14; BSG Beschluss vom 4.2.2019 - B 8 SO 21/18 BH - juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 22.7.2020 - B 14 AS 33/19 BH - juris RdNr 5). Es ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass ein Prozessbevollmächtigter erfolgreich vorbringen könnte, die angegriffene Entscheidung des LSG beruhe auf der (möglicherweise nicht geheilten) Gehörsverletzung. Die Möglichkeit, dass ein im Zusammenhang mit dem Übertragungsbeschluss vom 31.7.2019 verhindertes Vorbringen des Klägers den Ausgang des Berufungsverfahrens beeinflusst haben könnte, ist im vorliegenden Einzelfall unter keinem Gesichtspunkt zu erkennen. Es erscheint im Gegenteil ausgeschlossen, dass selbst ohne Übertragung der Berufung auf den Berichterstatter das Verfahren einen für den Kläger günstigeren Ausgang genommen hätte. Der zuständige Senat des LSG in der Besetzung mit allen Berufsrichtern hatte bereits vor Erlass des Übertragungsbeschlusses den im Berufungsverfahren gestellten PKH-Antrag des Klägers mangels hinreichender Erfolgsaussichten abgelehnt (PKH-Beschluss vom 15.7.2019). Es gibt keinen Anhalt dafür, dass er bei einer Entscheidung in der Hauptsache von dieser Rechtsauffassung abgewichen wäre. Insbesondere spricht nichts dafür, dass es in der Folgezeit zu einer wesentlichen Änderung der Sach- oder Rechtslage gekommen ist. Auch der Kläger hat sich nicht mehr zur Sache geäußert.

Ebenso wenig ließe sich als Verfahrensmangel geltend machen, dass das LSG von einer mündlichen Verhandlung abgesehen hat. Hierin ist vorliegend kein Verstoß gegen den Grundsatz der Mündlichkeit 124 Abs 1 SGG ) zu erblicken. Nach § 124 Abs 2 SGG kann im Einverständnis der Beteiligten von einer mündlichen Verhandlung abgesehen und im schriftlichen Verfahren entschieden werden. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 11.5.2020 (Bl 29 der LSG-Prozessakte) sein Einverständnis mit einem solchen Vorgehen erklärt. Trotz seines Zusatzes, er hoffe, ihm entstünden durch seine Einverständniserklärung keine Nachteile, ist seine Einverständniserklärung klar, eindeutig und vorbehaltlos gewesen (vgl zu diesem Erfordernis zuletzt etwa BSG Beschluss vom 30.10.2019 - B 14 AS 258/18 B - juris RdNr 7 mwN). Es spricht auch nichts dafür, dass die Einverständniserklärung wegen einer wesentlichen Änderung der Prozesslage ihre Wirksamkeit verloren haben könnte (vgl dazu BSG Beschluss vom 2.7.2019 - B 2 U 156/18 B - juris RdNr 8 mwN; BSG Beschluss vom 16.7.2019 - B 12 KR 102/18 B - juris RdNr 6).

Vorinstanz: LSG Bayern, vom 26.05.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 14 R 96/19
Vorinstanz: SG Regensburg, vom 22.01.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 9 R 94/18