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BSG - Entscheidung vom 27.05.2020

B 3 KR 12/20 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3
SGG § 103
SGG § 128 Abs. 1 S. 1

BSG, Beschluss vom 27.05.2020 - Aktenzeichen B 3 KR 12/20 B

DRsp Nr. 2020/10146

Bewilligung von Krankengeld Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Januar 2020 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ; SGG § 103 ; SGG § 128 Abs. 1 S. 1;

Gründe

I

Das LSG Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 22.1.2020 den Anspruch des Klägers auf Bewilligung von Krankengeld über den 18.12.2015 hinaus bis zum 14.11.2016 verneint. Im Wesentlichen hat es ausgeführt, dass zur Überzeugung des Gerichts kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis iS von § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V iVm § 7 Abs 1 SGB IV bestanden habe. Unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des BSG trete Versicherungspflicht nicht ein, wenn - wie hier - die Umstände des Falles ein missbräuchliches Verhalten oder eine Manipulation zu Lasten der Krankenkasse nahelegten. Vorliegend lägen gravierende und nicht hinreichend entkräftete Verdachtsmomente vor. Die Gesamtabwägung dieser Umstände falle zu Lasten des Klägers aus.

Gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und auf Verfahrensmängel 160 Abs 2 Nr 1 und Nr 3 SGG ).

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Kläger die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht formgerecht dargetan hat 160a Abs 2 Satz 3 SGG ). Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59, 65).

Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Der Kläger ist der Ansicht, dass es grundlegender Klärung bedarf, dass ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis auch vorliegen kann, wenn dieses nicht vollschichtig ausgeübt werde. Hierfür komme es auf die Ausgestaltung des Arbeitsvertrages und den Willen der Parteien an. Die unterschiedliche Behandlung beziehungsweise Bewertung des Begriffes "Arbeitnehmer/Beschäftigter" sollte zwischen den Gerichtsbarkeiten einheitlich gehandhabt werden. Jedenfalls sei ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Zeugen (P.) zu Unrecht verneint worden.

Dieser Vortrag entspricht nicht den Anforderungen an die Darlegung einer grundsätzlich bedeutsamen Rechtsfrage. Der Kläger hat es bereits versäumt, eine revisible Norm des Bundesrechts 162 SGG ) zu benennen, deren Auslegung beziehungsweise Anwendung er in einem Revisionsverfahren zur Überprüfung und Klärung durch das Revisionsgericht anstrebt. Der Kläger wirft mit dem Problemkreis auch Tatsachenfragen auf, die der Beweiswürdigung und Feststellung durch das LSG zugänglich sind und die daher auch keine über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfragen darstellen. Ob hier ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis tatsächlich bestanden hat, ist eine Frage der Beweiswürdigung, die im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde von vornherein nicht Gegenstand des Verfahrens sein kann (vgl § 160 Abs 2 Nr Halbsatz 2 iVm § 128 Abs 1 Satz 1 SGG , vgl dazu noch unten 2.).

2. Soweit die Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt wird, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des Verfahrensmangels 160a Abs 2 Satz 3 SGG ) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Wird - wie vorliegend - ein Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht 103 SGG ) gerügt, muss die Beschwerdebegründung hierzu folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zur weiteren Sachaufklärung drängen müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf einer angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme von seinem Standpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (zum Ganzen vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN).

Der Kläger hat nicht aufgezeigt, dass er einen entsprechenden (prozessordnungsgemäßen) Beweisantrag gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG gestellt und bis zuletzt vor dem Berufungsgericht aufrechterhalten habe. Ein anwaltlich vertretener Beteiligter kann nur dann mit der Rüge des Übergehens eines Beweisantrags gehört werden, wenn er diesen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten hat oder das Gericht den Beweisantrag in seinem Urteil wiedergibt (stRspr, vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN). Hierzu trägt der Kläger in seiner Begründung aber selbst vor, dass er die angekündigten Beweisanträge im Schriftsatz vom 10.12.2019 in der mündlichen Verhandlung nicht aufrechterhalten habe. Das Berufungsgericht habe die in das Wissen der benannten Zeugen gestellten Tatsachen als wahr unterstellt. Darin liegt aber keine Darlegung der Verletzung der Amtsermittlungspflicht.

Ein formgerechtes Aufzeigen eines Verfahrensfehlers besteht auch nicht darin, dass der Kläger die "unrichtige Tatsachenbewertung" durch das LSG bemängelt und ausführt, dass er die Beweisanträge aufrechterhalten hätte, wenn er die Tatsachenbewertung des LSG gekannt hätte. Das angefochtene Berufungsurteil beruhe jedenfalls auf Unterstellungen und Mutmaßungen, nicht auf objektiver Tatsachenbewertung.

Mit diesem Vortrag wendet sich der Kläger im Kern gegen eine vermeintliche Verletzung von Beweisregeln durch das LSG. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ausdrücklich nicht auf die Rüge einer fehlerhaften Beweiswürdigung (Verletzung von § 128 Abs 1 Satz 1 SGG ) gestützt werden (vgl näher BSG Beschluss vom 21.1.2020 - B 13 R 287/18 B - juris RdNr ). Im Übrigen gilt, dass die Einschränkungen des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG für die Geltendmachung eines Verfahrensmangels wegen Verletzung der Sachverhaltsermittlung nach § 103 SGG auch nicht durch den Vortrag der vermeintlichen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör bzw des fairen Verfahrens umgangen werden können (vgl BSG Beschluss vom 18.5.2016 - B 5 RS 10/16 B - juris RdNr 8 mwN; BSG Beschluss vom 29.6.2018 - B 13 R 9/16 B - juris RdNr 10).

Der Kläger hat daher eine Gehörsverletzung auch nicht hinreichend schlüssig und nachvollziehbar dargelegt. Denn eine allgemeine Verpflichtung des Gerichts, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Tatsachen- und Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründe zuvor mit den Beteiligten zu erörtern, gibt es nicht. Sie wird weder durch den allgemeinen Anspruch auf rechtliches Gehör aus § 62 SGG bzw Art 103 Abs 1 GG noch durch die Regelungen zu richterlichen Hinweispflichten 106 Abs 1 bzw § 112 Abs 2 Satz 2 SGG ) begründet. Die tatsächliche und rechtliche Würdigung ergibt sich regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung (vgl BSG Beschluss vom 24.1.2018 - B 13 R 377/15 B - juris RdNr 19; BSG Urteil vom 17.4.2013 - B 9 SB 3/12 R - juris RdNr 44).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 22.01.2020 - Vorinstanzaktenzeichen L 5 KR 4515/18
Vorinstanz: SG Reutlingen, vom 17.07.2017 - Vorinstanzaktenzeichen S 6 KR 780/16