Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BSG - Entscheidung vom 22.09.2020

B 13 R 54/19 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1
SGB VI § 74 S. 4
SGB VI § 263 Abs. 3

BSG, Beschluss vom 22.09.2020 - Aktenzeichen B 13 R 54/19 B

DRsp Nr. 2020/16891

Bewilligung einer höheren Altersrente für schwerbehinderte Menschen unter Berücksichtigung von Zeiten einer Schulausbildung Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25. Januar 2019 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ; SGB VI § 74 S. 4; SGB VI § 263 Abs. 3 ;

Gründe

I

Das LSG Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 25.1.2019 den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Bewilligung einer höheren Altersrente für schwerbehinderte Menschen unter Berücksichtigung von Zeiten der Schulausbildung bei der Gesamtleistungsbewertung abgelehnt. Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt, die sie mit Schriftsatz vom 30.4.2019 begründet hat.

II

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen. Die Beschwerdebegründung vom 30.4.2019 genügt nicht der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Form. Die Klägerin hat darin den allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) nicht in der gesetzlich vorgesehenen Weise dargelegt. Der Senat lässt daher dahinstehen, ob die Beschwerdebegründung zudem nicht den Begründungsanforderungen des § 160a Abs 2 Satz 1 SGG entspricht, weil die jetzige Bevollmächtigte der Klägerin darin zumindest in Teilen lediglich die Ausführungen des - vor dem BSG nicht postulationsfähigen - früheren Bevollmächtigten der Klägerin wörtlich wiederholt (vgl dazu, dass es an einer ordnungsgemäßen Beschwerdebegründung fehlt, soweit der Prozessbevollmächtigte sich ohne erkennbare eigene Prüfung den Inhalt von Unterlagen zu eigen macht, die ein nicht postulationsfähiger Beteiligter gefertigt hat, zuletzt etwa Senatsbeschluss vom 16.7.2020 - B 13 R 240/19 B - juris RdNr 6; Senatsbeschluss vom 17.4.2019 - B 13 R 84/18 B - juris RdNr 6 mwN).

Wird mit der Nichtzulassungsbeschwerde die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG geltend gemacht, muss der Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten ist (Klärungsfähigkeit). In der Beschwerdebegründung ist deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und der Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (stRspr; vgl zuletzt etwa Senatsbeschluss vom 8.8.2019 - B 13 R 289/18 B - juris RdNr 9 mwN; vgl auch BVerfG <Kammer> Beschluss vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7 RdNr 8; ferner Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 14 ff mwN).

Die Klägerin formuliert die Frage:

"Sind die Vorschriften der §§ 74 Abs. 4 (Anm.: gemeint ist § 74 Satz 4), 263 Abs. 3 Satz 4 SGB VI zur Bewertung der Schulausbildung im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung verfassungswidrig, weil sie gegen Art. 14 , Art. 3 und Art 20 Abs. 3 GG verstoßen, und steht der Klägerin deswegen ein Recht auf Zubilligung weiterer Entgeltpunkte zur Bemessung ihres Rentenanspruchs zu?"

Dabei verfehlt sie die Anforderung an die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der aufgeworfenen Frage schon deshalb, weil sie in der Beschwerdebegründung den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht genügend darstellt. Ihre Angaben dazu beschränken sich auf die Mitteilung, sie habe die Zeiten der Schulausbildung vom 10.2.1970 bis zum 14.9.1972 "nicht bewertet bekommen"; es seien insoweit keine Entgeltpunkte vergeben worden. Die Klägerin zeigt damit allenfalls ansatzweise auf, welche Tatsachen das LSG zu den zurückgelegten Zeiten und deren rentenrechtlicher Berücksichtigung und Bewertung durch die Beklagte festgestellt hat. Die Wiedergabe des der angegriffenen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalts ist jedoch Mindestvoraussetzung für eine Entscheidung über eine Nichtzulassungsbeschwerde, weil es dem Revisionsgericht andernfalls unmöglich ist, sich - wie erforderlich - ohne Studium der Gerichts- und Verwaltungsakten allein aufgrund des Vortrags des Beschwerdeführers ein Bild über den Streitgegenstand und rechtliche wie tatsächliche Streitpunkte zu machen (zuletzt etwa Senatsbeschluss vom 8.4.2020 - B 13 R 3/20 B - juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 23.7.2007 - B 13/4 R 381/06 B - juris RdNr 7; Senatsbeschluss vom 26.6.2006 - B 13 R 153/06 B - juris RdNr 9). Gerade der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung verlangt die Wiedergabe des streiterheblichen Sachverhalts, weil insbesondere die Klärungsfähigkeit einer aufgeworfenen Rechtsfrage ohne Umschreibung des Streitgegenstands und des Sachverhalts nicht beurteilt werden kann (Senatsbeschluss vom 8.4.2020 - B 13 R 3/20 B - juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 23.7.2007 - B 13/4 R 381/06 B - juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 21.6.1999 - B 7 AL 228/98 B - juris RdNr 10 f mwN).

Unabhängig davon hat die Klägerin die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG erforderlichen Weise dargelegt. Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, wenn ihre Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder höchstrichterlich bereits geklärt ist (zuletzt etwa Senatsbeschluss vom 8.4.2020 - B 13 R 80/18 B - juris RdNr 9 mwN). So ist es hier. Wie die Klägerin selbst einräumt, hat der erkennende Senat bereits entschieden, dass die Begrenzung des Gesamtleistungswerts für Anrechnungszeiten wegen Schul- und Hochschulausbildung durch § 74 Satz 4 iVm § 263 Abs 3 SGB VI (jeweils idF des RVNG vom 21.7.2004) mit dem GG vereinbar ist; die Regelungen verstoßen weder gegen Art 14 Abs 1 noch gegen Art 3 Abs 1 GG oder das Sozialstaatsprinzip (Senatsurteil vom 19.4.2011 - B 13 R 55/10 R - juris RdNr 26 ff). Das BVerfG hat die dagegen und gegen Parallelenscheidungen des BSG gerichteten Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG <Kammer> Beschluss vom 18.5.2016 - 1 BvR 2217/11 ua - juris). Der Klägerin hätte es daher oblegen darzulegen, dass und warum die von ihr aufgeworfene Rechtsfrage erneut klärungsbedürftig geworden sei. Hierzu wären Ausführungen dazu erforderlich gewesen, dass und mit welchen Gründen der höchstrichterlichen Rechtsauffassung zu § 74 Satz 4 iVm § 263 Abs 3 SGB VI in der Rechtsprechung oder in der Literatur widersprochen worden sei, oder dass sich völlig neue, nicht erwogene Gesichtspunkte ergeben hätten, die eine andere Beurteilung nahelegen könnten (vgl zu den Darlegungsanforderungen bei einer behaupteten erneuten Klärungsfähigkeit zB BSG Beschluss vom 2.8.2018 - B 10 ÜG 7/18 B - juris RdNr 8 mwN; BSG Beschluss vom 25.9.1975 - 12 BJ 94/75 - SozR 1500 § 160a Nr 13, juris RdNr 6; ferner Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 14g mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung in keiner Weise gerecht. Die Klägerin begründet die nach ihrem Dafürhalten bestehende (erneute) Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage letztlich nur damit, dass mit der Entscheidung des BSG vom 19.4.2011 "kein Einverständnis besteht". Hierzu legt sie ausführlich ihren eigenen Standpunkt dar, wobei sie den rechtlichen Erwägungen des BSG im Wesentlichen ihre sozialpolitische Sicht auf das Regelwerk entgegenhält. Abweichende Auffassungen im Schrifttum oder der Rechtsprechung oder bisher nicht berücksichtigte, eine andere Bewertung ermöglichende rechtliche Gesichtspunkte legt sie nicht dar. Allein die Darstellung einer bestimmten eigenen Bewertung der aufgeworfenen Rechtsfrage und pauschale Ablehnung der Rechtsauffassung des BSG reichen nicht aus, um die erneute Klärungsbedürftigkeit einer höchstrichterlich bereits entschiedenen Rechtsfrage darzulegen ( BSG Beschluss vom 9.1.2019 - B 14 AS 72/18 B - juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 20.6.2003 - B 4 RA 208/02 B - juris RdNr 8).

Dass die Klägerin das Berufungsurteil inhaltlich für unzutreffend hält, kann nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; zuletzt etwa BSG Beschluss vom 27.5.2020 - B 1 KR 8/19 B - juris RdNr 7; Senatsbeschluss vom 22.7.2020 - B 13 R 173/19 B - juris RdNr 5 mwN).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 25.01.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 4 R 918/18
Vorinstanz: SG Freiburg, vom 20.02.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 6 R 4674/17