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BSG - Entscheidung vom 21.08.2020

B 12 R 5/20 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2

BSG, Beschluss vom 21.08.2020 - Aktenzeichen B 12 R 5/20 B

DRsp Nr. 2020/16888

Beitragsnachforderung für Sozialversicherungsbeiträge anlässlich einer Betriebsprüfung Divergenzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 10. Dezember 2019 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 25.008,82 Euro festgesetzt.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2 ;

Gründe

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich die klagende GmbH gegen eine Beitragsnachforderung für den Zeitraum vom 1.1.2009 bis 31.3.2012 anlässlich einer Betriebsprüfung der Beklagten. Mit Bescheid vom 29.7.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.9.2015 forderte die Beklagte Sozialversicherungsbeiträge, Umlagebeiträge und Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 50 521,40 Euro. Das SG Koblenz hat die Bescheide der Beklagten aufgehoben, weil die Beigeladenen zu 1. bis 23. nicht bei der Klägerin sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen seien (Urteil vom 10.1.2017). Der Berufung der Beklagten hat das LSG Rheinland-Pfalz teilweise stattgegeben; die Beigeladenen zu 1. bis 23 seien unter Abwägung aller rechtlichen und tatsächlichen Umstände im streitigen Zeitraum beschäftigt gewesen und hätten grundsätzlich der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung unterlegen. Hinsichtlich der erhobenen Säumniszuschläge sowie einzelner im Tenor bezeichneter Forderungen betreffend die Beigeladenen zu 2., 4., 11., 16., 18. und 20. in Höhe von insgesamt 25 512,58 Euro hat es die Bescheide aufgehoben, im Übrigen die Klage abgewiesen (Urteil vom 10.12.2019). Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG.

II

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG ). Die Klägerin hat entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) und der Divergenz 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

1. Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde liegen. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das Urteil eine höchstrichterliche Entscheidung unrichtig ausgelegt oder das Recht unrichtig angewendet hat, sondern erst, wenn das LSG Kriterien, die eines der in der Norm genannten Gerichte aufgestellt hat, widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Das LSG weicht damit nur dann iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG von einer Entscheidung ua des BSG ab, wenn es einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der der zum selben Gegenstand gemachten und fortbestehenden aktuellen abstrakten Aussage des BSG entgegensteht und dem Berufungsurteil tragend zugrunde liegt. Die Beschwerdebegründung muss deshalb erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz in den genannten höchstrichterlichen Urteilen enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht sowie, dass die Entscheidung hierauf beruhen kann (stRspr; ua BSG Beschluss vom 1.8.2016 - B 12 R 19/15 B - juris RdNr 5).

Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG , der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschlüsse vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN).

Eine solche Abweichung hat die Klägerin nicht dargetan. Sie behauptet eine Divergenz zu dem Urteil des Senats vom 31.3.2017 - B 12 R 7/15 R (BSGE 123, 50 = SozR 4-2400 § 7 Nr 30).

a. Die Klägerin zitiert aus dieser Entscheidung eine Passage zum Unternehmerrisiko (RdNr 42): "Bei reinen Dienstleistungen, die wie - vorliegend - im Wesentlichen nur Know-how sowie Arbeitszeit- und Arbeitsaufwand voraussetzen, ist unternehmerisches Tätigwerden nicht mit größeren Investitionen in Werkzeuge, Arbeitsgeräte oder Arbeitsmaterialien verbunden. Das Fehlen solcher Investitionen ist damit bei reinen Dienstleistungen kein ins Gewicht fallendes Indiz für eine (abhängige) Beschäftigung und gegen unternehmerisches Tätigwerden."

Das LSG habe demgegenüber ausgeführt, dass sich die Statusfeststellung bei Dienstleistungstätigkeiten auf die Prüfung der in § 7 Abs 1 Satz 2 SGB IV herausgestellten Kriterien der Arbeit nach Weisungen und der Eingliederung in einen fremden Betrieb konzentriere. Es habe erklärt: "Dagegen spielt das unternehmerische Risiko, die Verpflichtung, die geschuldete Leistung in Person zu erbringen und auch die eher "arbeitsnehmertypische" Bezahlung nach geleisteten Stunden eine untergeordnete Rolle. Denn all diese Kriterien werden vom BSG als nicht statusrelevant angesehen, weil sie sich bei derartigen Dienstleistungen aus der Natur der Sache ergeben."

Mit diesem Vorbringen hat die Klägerin keine abstrakten widersprechenden Rechtssätze herausgearbeitet. Weder lässt sich aus diesen Sätzen - wie die Klägerin behauptet - ableiten, dass das LSG grundsätzlich nur die Eingliederung in die Betriebsorganisation als einziges rechtliches Kriterium im Sinne des § 7 Abs 1 Satz 2 SGB IV ansehe noch kann dem Urteil des BSG entnommen werden, dass das Fehlen von Investitionen stets entscheidungserheblich sein müsse. Die Klägerin rügt vielmehr im Kern die Subsumtion des LSG im Einzelfall. Eine Abweichung im Grundsätzlichen kann aus dem Ergebnis einer Abwägung aber nicht gefolgert werden.

b. Die Klägerin zitiert außerdem aus der og Entscheidung des BSG (RdNr 50) den Satz: "Die Vereinbarung von Entgelten ist - von gesetzlichen Vergütungsanordnungen abgesehen - Sache der Vertragspartner und Teil der Privatautonomie."

Dem stellt sie als Abweichung die Feststellung des LSG gegenüber, dass es sich bei der Höhe des vereinbarten Stundenlohns um einen arbeitnehmertypischen Lohn handeln würde, der angeblich keine Eigenvorsorge zulasse.

Auch aus diesen beiden Sätzen, deren jeweilige Qualität als Rechtssatz bereits nicht ersichtlich wird, ergibt sich kein erkennbarer Widerspruch im Grundsätzlichen. Die Behauptung der Klägerin, dass die Höhe der Entlohnung nach der Rechtsprechung des BSG nicht als Indiz im Rahmen der Gesamtabwägung nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB IV herangezogen werden dürfe, lässt sich weder aus dem zitierten Satz und erst recht nicht aus dem gesamten Absatz des Urteils vom 31.3.2017 (B 12 R 7/15 R - BSGE 123, 50 = SozR 4-2400 § 7 Nr 30, RdNr 50) ableiten.

c. Soweit die Klägerin einen Verstoß gegen die höchstrichterliche Rechtsprechung darin erkennen will, dass die fehlende Schriftform der Verträge nach Ansicht des LSG eher für eine abhängige Beschäftigung spreche, benennt sie hierfür bereits keinen divergierenden Rechtssatz des BSG . Dass die Rechtsauffassung des LSG "keinerlei Stütze in der höchstrichterlichen Rechtsprechung" finde, reicht zur Behauptung einer Divergenz im Sinne des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG aber nicht aus, sondern betrifft die im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde grundsätzlich unerhebliche Richtigkeit des Urteils.

2. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung durch das Revisionsgericht bedarf (Klärungsbedürftigkeit) und fähig (Klärungsfähigkeit) ist. Mit der Beschwerdebegründung ist daher aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten Norm des Bundesrechts iS des § 162 SGG stellt. Hierzu ist anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums auszuführen, weshalb eine Klärung erforderlich und im angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist. Schließlich ist darzulegen, dass der angestrebten Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende Breitenwirkung zukommt (vgl BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN).

Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Die Klägerin formuliert bereits keine abstrakte Rechtsfrage. Die Bezeichnung einer bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann ( BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN).

Soweit die Klägerin sinngemäß geltend macht, ob auch bei "einfach gelagerten Tätigkeiten" eine Gesamtabwägung vorgenommen werden müsse oder regelmäßig von einer Eingliederung in eine Betriebsorganisation auszugehen sei, setzt sie sich zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit nicht ansatzweise mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 7 SGB IV auseinander.

Auch wenn sie verallgemeinernde Schlussfolgerungen aus der Entscheidung des LSG zieht, rügt sie im Kern letztlich die Richtigkeit der berufungsgerichtlichen Entscheidung. Dass die Klägerin mit der Würdigung des Sachverhalts nicht einverstanden ist oder die angegriffene Entscheidung für rechtsfehlerhaft hält, begründet die Zulassung der Revision aber nicht.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 2 und 3 , § 162 Abs 3 VwGO .

4. Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 52 Abs 1 und Abs 3, § 47 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 sowie § 63 Abs 2 Satz 1 GKG und entspricht der Höhe der noch streitgegenständlichen Beitragsforderung.

Vorinstanz: LSG Rheinland-Pfalz, vom 10.12.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 6 R 62/17
Vorinstanz: SG Koblenz, vom 10.01.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 3 R 774/15