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BSG - Entscheidung vom 14.12.2020

B 3 P 11/20 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2

BSG, Beschluss vom 14.12.2020 - Aktenzeichen B 3 P 11/20 B

DRsp Nr. 2021/3593

Anspruch auf Zustimmung zur gesonderten Berechnung von betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen für eine vollstationäre Pflegeeinrichtung Divergenzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 26. Mai 2020 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.522,88 Euro festgesetzt.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2 ;

Gründe

I

Das LSG hat den von der Klägerin verfolgten Anspruch auf Zustimmung des beklagten Landes zur gesonderten Berechnung von betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen gegenüber den Bewohnern einer von ihr betriebenen vollstationären Pflegeeinrichtung für das Jahr 2013 abgelehnt. Dem zuletzt nur noch die Höhe der Fremd- und Eigenkapitalzinsen betreffenden Zustimmungsbegehren stehe für die geltend gemachten Fremdkapitalzinsen in Höhe der in 2012 geleisteten Zinszahlungen entgegen, dass nach einem zwischen den Beteiligten in 2013 geschlossenen gerichtlichen Vergleich die Zinszahlungen des Jahres 2012 bereits Grundlage einer Umlage von Investitionskosten gewesen seien und eine doppelte Berechnung dieser Aufwendungen gesetzlich nicht vorgesehen sei. Der Zustimmung zu den geltend gemachten Eigenkapitalzinsen stehe die in 2013 noch geübte und nicht zu beanstandende Verwaltungspraxis des Beklagten entgegen, für die Zinsberechnung auf den Leitzinssatz (Basiszins) der Europäischen Zentralbank zurückzugreifen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG. Sie macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, eine Abweichung des LSG vom BSG und einen Verfahrensmangel geltend.

II

Die Beschwerde der Klägerin ist als unzulässig zu verwerfen 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 SGG ).

Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Eine allgemeine Überprüfung des Rechtsstreits in dem Sinne, ob das LSG in der Sache "richtig" entschieden hat, erfolgt im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht. Keinen der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe hat die Klägerin in der Begründung der Beschwerde schlüssig dargelegt oder bezeichnet 160a Abs 2 Satz 3 SGG ).

1. Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) erfordert die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird (vgl BSG vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11). Die abstrakte Rechtsfrage ist klar zu formulieren, um an ihr die weiteren Voraussetzungen für die Revisionszulassung nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG prüfen zu können (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, IX. Kap, RdNr 181). Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, dass die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird. Daher ist aufzuzeigen, ob und inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet worden sind und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erforderlich erscheint (vgl Krasney/Udsching, aaO, IX. Kap, RdNr 65 f). Es ist aufzuzeigen, dass die Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und die Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (vgl BSG vom 16.12.1993 - 7 BAr 126/93 - SozR 3-1500 § Nr 16). Hierfür ist eine substantielle Auseinandersetzung mit den einschlägigen oberstgerichtlichen Entscheidungen ebenso erforderlich wie die Darlegung, dass sich aus diesen keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage ergeben (vgl BSG vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § Nr 8).

Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Als grundsätzlich klärungsbedürftig erachtet sie die Fragen:

"1. Kann die Zustimmungsbehörde nach § 82 Abs. 3 SGB XI auf eine Regelung des Rahmenvertrages gemäß § 79 SGB XII zurückgreifen, um im Sinne § 82 Abs. 1 Ziffer 1 in Verbindung mit § 82 Abs. 3 , 2. HS SGB XI , Art, Höhe und Laufzeit sowie die Verteilung der gesondert berechenbaren Aufwendungen auf die Pflegebedürftigen hinsichtlich der Formulierung 'einschließlich Kapitalkosten'- in § 82 Absatz 1 Nummer 1 SGB XI zu regeln?

2. Ist die ausschließliche Bezugnahme auf den Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ein geeignetes Kriterium zur näheren Ausgestaltung der Umlage nach § 82 Abs. 3 , 2. HS SGB XI im Hinblick auf Art, Höhe und Laufzeit sowie die Verteilung der gesondert berechenbaren Aufwendungen auf die Pflegebedürftigen, nachdem der Gesetzgeber § 82 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI in der ab dem 28.12.2012 geltenden Fassung um die Formulierung 'einschließlich Kapitalkosten' ergänzt hat, um die Berechnung kalkulatorisch Eigenkapitalzinsen grundsätzlich zu legalisieren?

3. Ist eine landesrechtliche Verwaltungspraxis, zur Ermittlung der Umlagefähigkeit einer Eigenkapitalverzinsung auf den Basiszinssatz der EZB abzustellen, mit den Vorgaben der Art. 2 , 3 , 12 , 14 des Grundgesetzes vereinbar?

4. Ist ein gerichtlicher Vergleichsabschluss zur Regelung eines bestimmten Zeitraumes ohne ausdrückliche Regelung geeignet, die durchgängige Verwaltungspraxis der Heranziehung der Vorjahreswerte zur Ermittlung der zustimmungsfähigen Zinsbeträge gem. § 82 Abs. 3 SGB XI auszuschließen und künftig ausschließlich Beträge des laufenden Wirtschaftsjahres für die Zinsermittlung heranzuziehen?

5. Ist es mit § 82 Abs. 3 SGB XI vereinbar, für die Zinsermittlung auf das laufende, für weitere zustimmungsfähige Kosten aber auf das vorangegangene Wirtschaftsjahr abzustellen? 6. Ist es mit § 82 Absatz 3 SGB XI vereinbar, die tatsächlich gesetzlich vorgegebene Möglichkeit zur Rückführung von Fremdkapital unter Einsatz der per Zustimmungsbescheid bewilligten Abschreibungsbeträge außer Acht zu lassen oder muss die tatsächlich gewährte Rückführungsmöglichkeit in die Berechnung einfließen?"

Hiermit werden nicht abstrakt-generelle Rechtsfragen - zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG ) mit höherrangigem Recht - klar formuliert (vgl zu dieser Anforderung BSG vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - RdNr 7; BSG vom 6.4.2010 - B 5 R 8/10 B - RdNr 10; BSG vom 21.7.2010 - B 5 R 154/10 B - RdNr 10). Vielmehr bleiben die Fragen ganz der Rechtsanwendung im konkreten Einzelfall der Klägerin verhaftet, indem sie sich auf eine bestimmte frühere Verwaltungspraxis des Beklagten und auf die Fortwirkungen eines früheren gerichtlichen Vergleichs zwischen den Beteiligten beziehen.

Soweit die Vereinbarkeit der landesrechtlichen Verwaltungspraxis in 2013 vor Inkrafttreten der Pflegeeinrichtungsverordnung für das Land Sachsen-Anhalt mit Bundesrecht in Rede steht, genügt die sehr knappe Darlegung zum Vorliegen klärungsbedürftiger und durch das BSG klärungsfähiger Rechtsfragen den Anforderungen nicht. Die Beschwerdebegründung lässt insoweit insbesondere nicht erkennen, dass und warum die Rechtsauffassung des LSG, die Ablehnung des Zustimmungsbegehrens für Eigenkapitalzinsen beruhe auf einer nicht mehr geltenden landesrechtlichen Rechtslage zum Zinssatz, die rechtlich nicht zu beanstanden gewesen sei, einer revisionsgerichtlichen Prüfung zu unterziehen sein sollte. Hierfür hätte es ua Darlegungen dazu bedurft, ob die frühere Verwaltungspraxis des Beklagten ihre Fortsetzung in landesrechtlichen Regelungen mehrerer Bundesländer gefunden hat, deren Auslegung und Anwendung Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufzuwerfen vermögen. Zudem fehlt eine Darstellung zu bereits vorliegender und vom LSG auch herangezogener Rechtsprechung des BSG zu den als klärungsbedürftig bezeichneten Fragen, zu der umso mehr Anlass bestanden hat, als mit der Divergenzrüge eine Abweichung des LSG von Rechtsprechung des BSG geltend gemacht wird. Auch fehlt eine Aufbereitung der Rechtsprechung des BVerfG, soweit die Vereinbarkeit der früheren landesrechtlichen Verwaltungspraxis mit dem GG in Rede steht.

Soweit es der Klägerin um Fremdkapitalzinsen in Höhe der in 2012 geleisteten Zinszahlungen geht, fehlen nähere Darlegungen dazu, dass und warum die Fragen nach der Auslegung, den Wirkungen und der Rechtmäßigkeit eines in 2013 zwischen den Beteiligten in einem anderen Ausgangsverfahren vor dem SG Stuttgart geschlossenen gerichtlichen Vergleichs im vorliegend angestrebten Revisionsverfahren beantwortet werden könnten und müssten. Der Beschwerdebegründung lässt sich hierzu insbesondere nicht entnehmen, dass und warum das vom LSG seiner Entscheidung zugrunde gelegte Verständnis vom Inhalt des Vergleichs nicht auch einem Revisionsverfahren zugrunde zu legen sein sollte und so dem Zustimmungsbegehren für Fremdkapitalzinsen in Höhe der in 2012 geleisteten Zinszahlungen von vornherein entgegenstehen würde.

2. Für die Bezeichnung einer Abweichung (Divergenz) ist aufzuzeigen, mit welchem genau bezeichneten entscheidungserheblichen abstrakten Rechtssatz die angefochtene Entscheidung des LSG von welchem ebenfalls genau bezeichneten entscheidungserheblichen abstrakten Rechtssatz des BSG im Grundsätzlichen abweicht. Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG aufgestellt hat, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das LSG diesen Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen vermag die Zulassung der Revision wegen Abweichung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss deshalb erkennen lassen, dass das LSG dem BSG im Grundsätzlichen widersprochen und von den bezeichneten rechtlichen Aussagen des BSG abweichende, dh mit diesen unvereinbare eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat (vgl zB BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34; Krasney/Udsching, aaO, IX. Kap, RdNr 196 mwN).

Diese Voraussetzungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht. Weder werden Rechtssätze des LSG, mit denen es eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat, näher bezeichnet, noch werden Rechtssätze des BSG näher bezeichnet, denen das LSG widersprochen hat. Hierfür genügt nicht der Hinweis auf bestimmte BSG -Entscheidungen ohne Gegenüberstellung einander im Grundsätzlichen widersprechender Rechtssätze von LSG und BSG . Soweit die Beschwerdebegründung ausführt, das LSG habe diese BSG -Entscheidungen zitiert, ohne die Divergenz zu erkennen, genügt auch dies nicht den Anforderungen an die Darlegung einer Divergenz. Für die Annahme einer zwar nicht ausdrücklichen, aber sogenannten sinngemäßen Abweichung des LSG vom BSG bietet die Beschwerdebegründung insoweit keinen hinreichenden Anhaltspunkt (vgl zum sinngemäß aufgestellten, abweichenden Rechtssatz eines LSG und den Begründungsanforderungen insoweit an eine Nichtzulassungsbeschwerde BSG vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 13; BSG vom 26.9.2017 - B 1 KR 37/17 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 37 RdNr 4; vgl auch Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK- SGG , § 160 RdNr 136, Stand 14.10.2020).

3. Die Bezeichnung eines Verfahrensmangels erfordert, dass ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem iS des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG die angefochtene Entscheidung des LSG beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der § 109 SGG (Anhörung eines bestimmten Arztes) und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG ).

Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Soweit die Klägerin als Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes nach § 103 SGG rügt, das LSG habe die Anlagemöglichkeiten am Markt unzureichend ermittelt, fehlt es an der Bezeichnung eines bis zuletzt aufrechterhaltenen Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt sein soll. Ohne eine solche Bezeichnung lässt die Beschwerdebegründung nicht erkennen, wieso das LSG sich zu einer weiteren Sachaufklärung hätte gedrängt sehen müssen (vgl zum Erfordernis des Aufrechterhaltens eines Beweisantrags und den Anforderungen an eine Beschwerdebegründung hierzu Voelzke in jurisPK- SGG , § 160a RdNr 173 f mwN, Stand 14.10.2020).

Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO . Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 47 Abs 1 und 3 , § 52 Abs 1 und 3 Satz 1 GKG und bemisst sich - ausgehend von der zutreffenden Berechnungsweise des LSG - nach dem zuletzt im Berufungsverfahren noch streitigen Differenzbetrag von 2.522,88 Euro [0,18 Euro (6,55 - 6,37) x 350,4 Pflegetage (96 x 365 : 100) x 40 Pflegeplätze].

Vorinstanz: LSG Nordrhein-Westfalen, vom 26.05.2020 - Vorinstanzaktenzeichen L 5 P 38/19
Vorinstanz: SG Dortmund, vom 28.01.2019 - Vorinstanzaktenzeichen S 12 P 396/14