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BSG - Entscheidung vom 10.11.2020

B 3 KR 29/20 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3

BSG, Beschluss vom 10.11.2020 - Aktenzeichen B 3 KR 29/20 B

DRsp Nr. 2020/18499

Anspruch auf Krankengeld Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Rüge einer Gehörsverletzung

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm zur Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 11. Mai 2020 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im vorbezeichneten Beschluss wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ;

Gründe

I

Das LSG hat durch den angefochtenen Beschluss vom 11.5.2020 festgestellt, dass die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG durch die fingierte Rücknahme der Berufung erledigt ist.

Zur Begründung hat es ausgeführt: Das SG habe die Klage auf Zahlung von Krankengeld ab 25.12.2008 abgewiesen und der Kläger habe hiergegen rechtzeitig Berufung eingelegt, jedoch das Berufungsverfahren nicht betrieben. Mit Schreiben des Gerichts vom 11.9.2019 sei er unter Hinweis auf die Rücknahmefiktion nach § 156 Abs 2 SGG und Setzung einer Dreimonatsfrist aufgefordert worden, die Berufung zu begründen. Dieses Schreiben sei ihm ausweislich der Postzustellungsurkunde am 14.9.2019 zugestellt worden. Mit Beschluss vom 17.12.2019 habe der Senatsvorsitzende nach § 156 Abs 2 SGG deklaratorisch festgestellt, dass die Berufung als zurückgenommen gelte. Auf das gegen diesen Beschluss eingelegte Rechtsmittel des Klägers sei das Verfahren als Streit über die Wirksamkeit der fingierten Berufungsrücknahme und Fortsetzung des Berufungsverfahrens weiterzuführen gewesen. Insoweit sei die Berufung zwar zulässig, aber unbegründet. Entgegen der Auffassung des Klägers komme es für den Beginn der Dreimonatsfrist auf das in der Postzustellungsurkunde beurkundete Zustellungsdatum 14.9.2019 an, weshalb die Frist am 16.12.2019 (Montag) geendet habe und die am 18.12.2019 eingegangene Berufungsbegründung verspätet sei. Das Vorbringen des Klägers, das Schreiben des Gerichts vom 11.9.2019 sei ihm ausweislich der Vermerke auf dem Briefumschlag erst am 19.9.2019 zugegangen, weshalb die Dreimonatsfrist erst am 19.12.2019 geendet habe, sei unerheblich. Mit der in der Postzustellungsurkunde ausgewiesenen Einlegung des gerichtlichen Schreibens vom 11.9.2019 in einen zur Wohnung gehörenden Briefkasten gelte das Schreiben nach § 63 Abs 2 Satz 1 SGG iVm § 180 Satz 2 ZPO am 14.9.2019 als zugestellt. Hierbei handele es sich um eine unwiderlegbare Vermutung.

Gegen die Nichtzulassung der Revision durch das LSG im vorgenannten Beschluss hat der Kläger selbst Beschwerde eingelegt sowie Prozesskostenhilfe (PKH) und Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt. Er beruft sich auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und einen Verfahrensmangel 160 Abs 2 Nr 1 und 3 SGG ).

II

Dem PKH-Antrag ist nicht stattzugeben. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet; das ist hier nicht der Fall. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter 73 Abs 4 SGG ) in der Lage wäre, die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in der Entscheidung des LSG erfolgreich zu begründen. Da der Kläger keinen Anspruch auf Bewilligung von PKH hat, ist auch sein Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts abzulehnen 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 ZPO ).

1. Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat(Nr 1), die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2)oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Ein solcher Zulassungsgrund ist weder nach dem Vorbringen des Klägers noch nach summarischer Prüfung des Streitstoffs aufgrund des Inhalts der beigezogenen Verfahrensakte ersichtlich. Das bloße Geltendmachen der inhaltlichen Unrichtigkeit der LSG-Entscheidung führt nicht zur Zulassung der Revision (vgl zB BSG Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 15, stRspr).

a) Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) ist nicht gegeben. Sie ist nur dann anzunehmen, wenn eine Rechtsfrage aufgeworfen wird, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Es ist nicht erkennbar, dass sich wegen der hier streitigen Frage nach den Rechtswirkungen einer Postzustellungsurkunde mit Blick auf die hierzu bereits vorliegende Rechtsprechung Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen (vgl zur Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten, zum Zustellungsvermerk und zur Zustellungsurkunde sowie zur Führung eines Gegenbeweises durch den Zustellungsadressaten - jeweils mwN - Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 13. Aufl 2020, § 63 RdNr 14 ff und 19 ff mwN auch zur Rspr).

b) Es ist auch nicht erkennbar, dass die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abweicht, weshalb eine Divergenzrüge keine Aussicht auf Erfolg verspricht 160 Abs 2 Nr 2 SGG ). Insbesondere hat das LSG keinen abstrakten Rechtssatz formuliert, mit dem es einem abstrakten Rechtssatz des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG im Grundsätzlichen widersprochen hat.

c) Schließlich ist nicht erkennbar, dass der Kläger mit Erfolg einen Verfahrensmangel geltend machen könnte, auf dem die angefochtene Entscheidung des LSG beruhen kann 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG ). Insbesondere steht die Entscheidung des LSG durch Beschluss im Einklang mit den Vorgaben des § 153 Abs 4 SGG (vgl dazu Keller, aaO, § RdNr und § RdNr 6).

Soweit der Kläger eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör rügt, zielt diese Rüge letztlich darauf, dass das LSG seinem Vorbringen zum Zugang des gerichtlichen Schreibens vom 11.9.2019 statt am 14.9.2019 erst am 19.9.2019 nicht gefolgt sei und deshalb die Berufungsbegründung vom 18.12.2019 als verspätet gewertet habe. Damit, dass das Gericht einem zur Kenntnis genommenem Vorbringen nicht gefolgt sei, lässt sich indes eine Gehörsverletzung von vornherein nicht begründen. Denn der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet nur, dass die Beteiligten "gehört", nicht jedoch auch "erhört" werden (vgl nur BSG Beschluss vom 3.6.2020 - B 3 KR 36/19 B - juris RdNr 40).

2. Die vom Kläger selbst eingelegte Beschwerde entspricht nicht den zwingenden gesetzlichen Formvorschriften und ist deshalb als unzulässig zu verwerfen 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 Satz 2 SGG ).

3. Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Bayern, vom 11.05.2020 - Vorinstanzaktenzeichen L 4 KR 315/19
Vorinstanz: LSG Bayern, vom 17.12.2019 - Vorinstanzaktenzeichen L 4 KR 315/19
Vorinstanz: SG München, vom 31.01.2019 - Vorinstanzaktenzeichen S 18 KR 322/16