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BSG - Entscheidung vom 21.07.2020

B 13 R 9/20 BH

Normen:
SGG § 64 Abs. 2
SGG § 67
SGG § 73a Abs. 1 S. 1
SGG § 160a Abs. 1 S. 2
ZPO § 114
ZPO § 117 Abs. 2
ZPO § 117 Abs. 3
ZPO § 117 Abs. 4

BSG, Beschluss vom 21.07.2020 - Aktenzeichen B 13 R 9/20 BH

DRsp Nr. 2020/12657

Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahren Eingang des Antrags und der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach Ablauf der Beschwerdefrist Keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei einer Erkrankung

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in die Frist für die Beantragung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 5. Februar 2020 wird abgelehnt.

Der Antrag der Klägerin, ihr für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Normenkette:

SGG § 64 Abs. 2 ; SGG § 67 ; SGG § 73a Abs. 1 S. 1; SGG § 160a Abs. 1 S. 2; ZPO § 114 ; ZPO § 117 Abs. 2 ; ZPO § 117 Abs. 3 ; ZPO § 117 Abs. 4 ;

Gründe

Die Klägerin hat mit einem von ihrem Ehemann in Vollmacht unterzeichneten, am 16.4.2020 beim BSG eingegangenen und vorab per einfacher E-Mail übermittelten Schreiben vom 10.4.2020 für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem ihr am 14.2.2020 zugestellten Beschluss des Bayerischen LSG vom 5.2.2020 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) und sinngemäß die Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt. Gleichzeitig hat sie die "Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse" vorgelegt und wegen der versäumten Antragsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

Der Antrag der Klägerin auf PKH ist abzulehnen.

Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Für die Bewilligung von PKH und die damit verbundene Beiordnung eines Rechtsanwalts zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens gegen die Nichtzulassung der Revision ist nach der Rechtsprechung des BSG und der anderen obersten Gerichtshöfe des Bundes Voraussetzung, dass der (grundsätzlich formlose) Antrag auf PKH und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem dafür vorgeschriebenen Erklärungsformular 117 Abs 2 bis 4 ZPO ) bis zum Ablauf der Beschwerdefrist eingereicht werden.

Diesen Anforderungen ist die Klägerin nicht nachgekommen. Die Beschwerdefrist endete einen Monat nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung, also am 16.3.2020 160a Abs 1 Satz 2, § 64 Abs 2 SGG ). Der Antrag auf PKH und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sind jedoch erst am 16.4.2020 - mithin verspätet - beim BSG eingegangen. Auf die Formunwirksamkeit der Vorabübermittlung per einfacher, den nach § 65a SGG geltenden Anforderungen an die wirksame Einreichung elektronischer Dokumente nicht genügender E-Mail kommt es vorliegend nicht an. Auch die am 14.4.2020 eingegangene E-Mail der Klägerin bzw ihres von ihr bevollmächtigten Ehemannes war bereits um fast einen Monat verspätet.

Der Klägerin ist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die versäumte Antragsfrist zu gewähren. Nach § 67 SGG ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Solche Umstände hat die Klägerin mit ihrem Wiedereinsetzungsantrag nicht dargelegt.

Als Hinderungsgrund beruft sich die Klägerin zunächst auf eine "seit über 4 Wochen" bestehende schwere Durchfallerkrankung und legt Nachweise in Form von Fotografien dreier Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor. Allerdings wird darin - soweit lesbar - eine Arbeitsunfähigkeit erstmalig am 23.3.2020 für die Zeit vom 20.3.2020 bis 27.3.2020 bescheinigt. Zu Beginn des bescheinigten Zeitraums war die Beschwerdefrist jedoch bereits abgelaufen. Die Erkrankung ist mithin nicht geeignet, die Säumnis zu entschuldigen. Dies gilt auch, soweit sich die Klägerin darauf beruft, zu einer besonderen Risikogruppe zu gehören und wegen der besonderen Häufigkeit von SARS- Cov2-Infektionen an ihrem Wohnort R. an der Antragstellung bei einem Rechtspfleger des Amtsgerichts gehindert gewesen zu sein. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass Krankheit Verschulden nur dann ausschließt, wenn sie den Beteiligten nicht nur daran hindert selbst zu handeln, sondern auch daran, einen anderen mit der Antragstellung zu beauftragen (vgl BVerfG <Kammer> Beschluss vom 17.7.2007 - 2 BvR 1164/07 - juris RdNr 2; BSG Beschluss vom 17.5.2016 - B 13 R 67/16 B - juris RdNr 6; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 13. Aufl 2020, § 67 RdNr 7c mwN). Dass sie - unterstellt, die Durchfallerkrankung hätte bereits früher begonnen - durch ihre Erkrankung oder durch die Pandemielage in R. daran gehindert gewesen wäre, zB ihren Ehemann zu beauftragen, das Formular für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beim Amtsgericht, im Schreibwarenhandel oder - wie in den Erläuterungen zur PKH am Ende des angefochtenen Beschlusses ebenfalls angegeben - über das Internetportal des BSG zu beschaffen und ihren Antrag fristgerecht auf dem Postweg zu übermitteln, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Hierfür bestehen auch keine Anhaltspunkte, zumal der Antrag - wenn auch verspätet - tatsächlich durch den von der Klägerin hierzu bevollmächtigten Ehemann übermittelt wurde.

Da der Klägerin keine PKH zusteht, entfällt auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts (vgl § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 ZPO ).

Vorinstanz: LSG Bayern, vom 05.02.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 6 R 505/18
Vorinstanz: SG München, vom 14.06.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 56 R 2259/16