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BSG - Entscheidung vom 30.01.2020

B 2 U 20/18 R

Normen:
SGB VII § 8 Abs. 2 Nr. 1
RVO § 550 Abs. 2
SGB I § 31
GG Art. 20 Abs. 3
SGB VII § 8 Abs. 2 Nr. 1
RVO § 550 Abs. 2
SGB I § 31
GG Art. 20 Abs. 3
SGB VII § 2 Abs. 1 Nr. 1
SGB VII § 8 Abs. 1 S. 1-2
SGB VII § 8 Abs. 2 Nr. 1
SGB I § 2 Abs. 2 Hs. 2
SGB I § 31
SGB I § 38

BSG, Urteil vom 30.01.2020 - Aktenzeichen B 2 U 20/18 R

DRsp Nr. 2020/8130

Anerkennung eines Wegeunfalls in der gesetzlichen Unfallversicherung auf dem Weg von einem sogenannten dritten Ort – hier von der Wohnung eines Freundes Keine Erforderlichkeit eines mathematischen oder wertenden Angemessenheitsvergleich der Wegstrecken nach der Verkehrsanschauung oder etwaiger betriebsdienlicher Motive für den Aufenthalt am dritten Ort oder einer Betrachtung des erforderlichen Zeitaufwandes zur Bewältigung der verschiedenen Wege und deren Beschaffenheit bzw. Zustandes, des benutzten Verkehrsmittels oder des erhöhten, verminderten bzw. annähernd gleichwertigen Unfallrisikos

Das objektive Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von einem dritten Ort steht bei einer entsprechenden subjektiven Handlungstendenz unter dem Schutz der Wegeunfallversicherung, wenn der Aufenthalt an diesem dritten Ort länger als zwei Stunden dauert, ohne dass es auf den Zweck des Aufenthalts am dritten Ort oder die Angemessenheit der Entfernung ankommt.

Auf die Revision des Klägers werden die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. Mai 2018 und des Sozialgerichts Koblenz vom 26. September 2017 sowie der Bescheid der Beklagten vom 25. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2016 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, das Ereignis vom 14. Oktober 2015 als Arbeitsunfall festzustellen.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten aller Rechtszüge zu erstatten.

Normenkette:

SGB VII § 2 Abs. 1 Nr. 1 ; SGB VII § 8 Abs. 1 S. 1-2; SGB VII § 8 Abs. 2 Nr. 1 ; SGB I § 2 Abs. 2 Hs. 2; SGB I § 31 ; SGB I § 38 ;

Gründe:

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger am 14.10.2015 einen versicherten Wegeunfall erlitten hat.

Der Kläger war bei einer gemeinnützigen GmbH (gGmbH) in N. in der Personenbeförderung tätig. Er wohnte in dem 4,3 km von der Arbeitsstätte entfernten B. . Der Kläger holte als Fahrer am frühen Morgen Teilnehmer an Maßnahmen zu Hause ab und brachte sie zu seinem Arbeitgeber. Diese Tätigkeit beendete er regelmäßig um 9 Uhr. Ab 15.30 Uhr holte er die Teilnehmer wieder von dort ab und brachte sie nach Hause. Am 14.10.2015 beendete der Kläger seinen morgendlichen Dienst gegen 9 Uhr. Danach hielt er sich bis zum Beginn seines Nachmittagsdienstes bei einem Freund in K. auf. Am Nachmittag fuhr er mit seinem Motorrad in Richtung seiner Arbeitsstätte in N., um dort seinen Dienst als Fahrer aufzunehmen. Der von seinem Freund aus angetretene Weg zur Arbeitsstätte betrug 15,7 km. Auf diesem Weg erlitt er einen Verkehrsunfall und zog sich Verletzungen zu.

Die Beklagte lehnte die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall ab, weil der Kläger den Unfall nicht auf einem versicherten Weg von seiner Wohnung zur Arbeitsstätte, sondern auf einem unversicherten, von seinem Freund aus angetretenen Weg erlitten habe (Bescheid vom 25.1.2016 und Widerspruchsbescheid vom 12.5.2016).

Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 26.9.2017) und das LSG die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 7.5.2018). Zur Begründung hat das LSG ua ausgeführt, der Kläger habe sich zum Zeitpunkt des Unfalls nicht auf einem versicherten Weg befunden, weil die Wegstrecke von seinem Freund zur Arbeitsstätte mehr als dreimal so lang wie der Weg von seiner Wohnung zur Arbeitsstätte gewesen sei und er bei seinem Freund eigenwirtschaftliche Verrichtungen getätigt habe. Sei der Weg vom dritten Ort unverhältnismäßig länger als von der Wohnung zum Ort der Tätigkeit, werde die erheblich längere Wegstrecke grundsätzlich nicht durch die beabsichtigte oder beendete betriebliche Tätigkeit geprägt, sondern durch die eigenwirtschaftliche Verrichtung am dritten Ort.

Der Kläger rügt mit seiner Revision die Verletzung des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII . Nach der Rechtsprechung des BSG sei für den Versicherungsschutz auf einem Weg von einem sog dritten Ort zur Arbeitsstätte nicht allein die Länge der jeweiligen Wegstrecken, sondern auch die Umstände des jeweiligen Einzelfalls von Bedeutung.

Der Kläger beantragt,

die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. Mai 2018 und des Sozialgerichts Koblenz vom 26. September 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Ereignis vom 14. Oktober 2015 als Arbeitsunfall festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II

Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Zu Unrecht hat das LSG die Berufung zurückgewiesen und das SG die Klage abgewiesen. Die vom Kläger zulässig erhobene kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (vgl § 54 Abs 1 Satz 1, § 56 SGG ) ist begründet, denn der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 25.1.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.5.2016 (§ 95 SGG ) ist rechtswidrig. Der Kläger hat am 14.5.2015 einen in der gesetzlichen Unfallversicherung gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII versicherten Wegeunfall erlitten, weshalb er gegen die Beklagte einen Anspruch auf Feststellung des Ereignisses vom 14.10.2015 als Arbeitsunfall hat.

Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2 , 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Versicherte Tätigkeit ist auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit (§ 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII ). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII ). Ein Arbeitsunfall setzt mithin voraus, dass die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis geführt (Unfallkausalität) und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität; stRspr, BSG zB Urteile vom 19.6.2018 - B 2 U 2/17 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 46 RdNr 13; vom 30.3.2017 - B 2 U 15/15 R - NZS 2017, 625 = NJW 2017, 2858 ; vom 5.7.2016 - B 2 U 19/14 R - BSGE 121, 297 = SozR 4-2700 § 2 Nr 36, RdNr 11; vom 4.12.2014 - B 2 U 10/13 R - BSGE 118, 1 = SozR 4-2700 § 2 Nr 32, RdNr 11 und B 2 U 13/13 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 31 RdNr 11; vom 26.6.2014 - B 2 U 4/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 52 RdNr 11; vom 18.6.2013 - B 2 U 10/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 47 RdNr 12; vom 14.11.2013 - B 2 U 15/12 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 27 RdNr 11; vom 15.5.2012 - B 2 U 16/11 R - BSGE 111, 52 = SozR 4-2700 § 2 Nr 21, RdNr 10 mwN; vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 25 f und vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 20). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Kläger hat einen Unfall (dazu 1.) als Versicherter (dazu 2.) infolge einer versicherten Tätigkeit - dem Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach dem Ort der Tätigkeit - erlitten. Das Sichfortbewegen erfolgte mit der (objektivierten) Handlungstendenz, den Ort der versicherten Tätigkeit zu erreichen (dazu 3.). Dabei ist unerheblich, ob der am Unfalltag nachmittags zurückgelegte Weg von der Wohnung des Freundes in K. unter Berücksichtigung aller Umstände in einem angemessenen Verhältnis zu dem Arbeitsweg stand, den der Kläger von seiner Wohnung in B. zu seiner Arbeitsstätte zurücklegte (dazu 4.).

1. Der Kläger hat einen Unfall iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII erlitten, als er nach den unangegriffenen und damit für den Senat gemäß § 163 SGG bindenden Feststellungen des LSG am 14.10.2015 auf dem Weg zu seiner Arbeitsstätte in K. verunglückte und sich dabei Verletzungen zuzog.

2. Im Zeitpunkt dieses Unfalls war er gemäß § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII als Fahrer in der Personenbeförderung bei einer gGmbH beschäftigt und damit grundsätzlich Versicherter in der gesetzlichen Unfallversicherung.

3. Ferner legte der Kläger im Unfallzeitpunkt den unmittelbaren Weg nach dem Ort der Tätigkeit objektiv zurück (a) und seine Handlungstendenz war darauf auch subjektiv ausgerichtet (b).

a) "Weg" ist die Strecke zwischen einem Start- und Zielpunkt. Bei allen (Hin-)Wegen setzt § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII den Ort der versicherten Tätigkeit als Zielpunkt fest ("nach"), lässt aber zugleich den Startpunkt offen, sodass anstelle der Wohnung auch ein anderer (sog "dritter") Ort Ausgangspunkt sein kann, sofern sich der Versicherte an diesem dritten Ort mindestens zwei Stunden aufgehalten hat (vgl BSG Urteile vom 5.7.2016 - B 2 U 16/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 58 RdNr 24 f mwN und vom 5.5.1998 - B 2 U 40/97 R - BSGE 82, 138 , 141 f = SozR 3-2200 § 550 Nr 18 S 73 f; hierzu kritisch Heinz, Unfälle auf Wegen, 25. Jahresarbeitstagung Sozialrecht, Deutsches Anwaltsinstitut eV, 2013, 33, 40 sowie ders, Versicherte und unversicherte Wege in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, Sozialrecht als Menschenrecht 2011, 273, 283). Der Senat hält an dieser Rechtsprechung zur Zwei-Stunden-Grenze bei einem Aufenthalt an einem sog dritten Ort, insbesondere auch aus Gründen der Rechtssicherheit, ausdrücklich fest (vgl BSG Urteil vom 30.1.2020 - B 2 U 19/18 R).

Zwischen dem in jedem Einzelfall zu ermittelnden Startpunkt und dem gesetzlich festgelegten Zielpunkt ist nicht der Weg an sich, sondern dessen Zurücklegen versichert, also der Vorgang des Sichfortbewegens auf der Strecke zwischen beiden Punkten mit der Handlungstendenz, den jeweils versicherten Ort zu erreichen (grundlegend zuletzt BSG Urteile vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 55 RdNr 13 f; vgl auch BSG vom 31.8.2017 - B 2 U 2/16 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 61 RdNr 15; vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 47; vom 25.1.1977 - 2 RU 57/75 - SozR 2200 § 550 Nr 24 S 52 und vom 15.12.1959 - 2 RU 143/57 - BSGE 11, 156 , 157). Dabei steht nur das "Sichfortbewegen" auf dem direkten Weg bzw das Zurücklegen des direkten Weges nach dem Ort der Tätigkeit unter Versicherungsschutz, wie sich aus dem Tatbestandsmerkmal "unmittelbar" in § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII ergibt (zu den sog "Abwegen" vgl BSG Urteil vom 20.12.2016 - B 2 U 16/15 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 60).

Nach den Feststellungen des LSG hatte der Kläger am 14.10.2015 seinen Freund in K. aufgesucht und in dessen Wohnung mit ihm zu Mittag gegessen. Er hatte sich dort nach den auch von der Beklagten nicht mit zulässigen und begründeten Rügen angegriffenen und damit für den Senat bindenden Feststellungen (vgl § 163 SGG ) länger als zwei Stunden aufgehalten, bevor er von diesem Ausgangspunkt aus aufbrach, um seine Arbeitsstätte in N. als Zielpunkt zu erreichen. Dabei verunglückte er bei dem Sichfortbewegen auf dem direkten Weg zwischen diesen beiden Punkten.

b) Diese konkrete, objektiv beobachtbare Verrichtung des Sichfortbewegens auf dem direkten Weg zum Ort der versicherten Tätigkeit führte der Kläger auch subjektiv zu diesem Zweck durch (vgl dazu BSG Urteile vom 31.8.2017 - B 2 U 2/16 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 61 RdNr 19; vom 20.12.2016 - B 2 U 16/15 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 60 RdNr 15; vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 55 RdNr 14 und vom 17.2.2009 - B 2 U 26/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 32 RdNr 11 mwN). Denn er war mit der Handlungstendenz unterwegs, den Ort der versicherten Tätigkeit zu erreichen. Der Versicherungsschutz nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII wird nicht schon dadurch begründet, dass der Versicherte auf dem unmittelbaren Weg zwischen seiner Wohnung und dem Ort der versicherten Tätigkeit verunglückt. Maßgebend für die Beurteilung, ob eine konkrete Verrichtung der grundsätzlich versicherten Fortbewegung dient, ist die objektivierte Handlungstendenz des Versicherten ( BSG Urteile vom 31.8.2017, aaO; vom 20.12.2016, aaO und vom 17.12.2015, aaO, RdNr 14), was bedeutet, dass das objektiv beobachtbare Handeln subjektiv - zumindest auch - auf die Erfüllung des Tatbestands der jeweils versicherten Tätigkeit ausgerichtet sein muss (vgl BSG Urteile vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 31 und vom 26.6.2014 - B 2 U 4/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 52 RdNr 14). Die subjektive Handlungstendenz als von den Tatsachengerichten festzustellende innere Tatsache muss sich mithin im äußeren Verhalten des Handelnden (Verrichtung) widerspiegeln, so wie es objektiv beobachtbar ist (vgl BSG Urteile vom 31.8.2017, aaO und vom 17.12.2015, aaO, RdNr 14 mwN). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Als der Kläger am Unfalltag die Kreuzung, an der er verunglückte, befuhr, diente diese Verrichtung - nach seiner Vorstellung - allein der Fortbewegung auf der Strecke zum Ort der versicherten Tätigkeit, weil er die Wohnung seines Freundes verlassen hatte, um seine Arbeitsstätte in N. aufzusuchen und dort seine versicherte Tätigkeit als Fahrer in der Personenbeförderung aufzunehmen. Diese tatsächlichen Feststellungen zur Handlungstendenz des Klägers im Unfallzeitpunkt sind für den Senat bindend (§ 163 Halbsatz 1 SGG ), weil die Beklagte in Bezug auf diese Feststellung innerer Tatsachen keine zulässigen Revisionsgründe vorgebracht hat (§ 163 Halbsatz 2 SGG ).

Der Kläger hat den Weg auch mit der Handlungstendenz zurückgelegt, die versicherte Tätigkeit am Ort der Tätigkeit aufzunehmen. Soweit das LSG ausführt, der Kläger habe in der Wohnung seines Freundes "ausschließlich eine eigenwirtschaftliche Verrichtung getätigt", könnte der Weg von K. zur Arbeitsstätte zugleich auch dazu gedient haben, den eigenwirtschaftlichen Besuch zu beenden. Zwar läge dann eine sog "gemischte Motivationslage" vor, dh eine objektiv beobachtbare Verrichtung (das Motorradfahren) mit gespaltener subjektiver Handlungstendenz bzw mit zwei subjektiven Zielen: Die Motorradfahrt hätte einerseits dazu gedient, den Ort der versicherten Tätigkeit zu erreichen (betriebliche Handlungstendenz), und andererseits, um den Besuch bei dem Freund zu beenden (privatwirtschaftliche Handlungstendenz). Eine solche Verrichtung mit gespaltener Handlungstendenz steht aber dann im inneren bzw sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit, wenn die konkrete Verrichtung hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn die private Motivation des Handelns entfallen wäre (vgl BSG Urteile vom 26.6.2014 - B 2 U 4/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 52 RdNr 20 ff; vom 9.11.2010 - B 2 U 14/10 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 39 RdNr 24 und vom 12.5.2009 - B 2 U 12/08 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 33 RdNr 1; hierzu Spellbrink, WzS 2011, 351 ). Entscheidend ist also, ob die Verrichtung nach den objektiven Umständen in ihrer konkreten, tatsächlichen Ausgestaltung ihren Grund in der betrieblichen Handlungstendenz findet. Insoweit ist nicht auf Vermutungen über hypothetische Geschehensabläufe außerhalb der konkreten Verrichtung und der objektivierten Handlungstendenzen, sondern nur auf die konkrete Verrichtung selbst abzustellen.

Die Verrichtung, so wie sie durchgeführt wurde, lässt hier objektiv die versicherungsbezogene Handlungstendenz erkennen ( BSG Urteil vom 26.6.2014 - B 2 U 4/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 52 RdNr 20). Denn der Zeitpunkt der Abreise nach dem Mittagessen und die Fahrt in Richtung N. waren durch das betriebliche Erfordernis bestimmt, den nachmittäglichen Dienst als Fahrer in der Personenbeförderung am Ort der Tätigkeit pünktlich zu beginnen. Damit wird deutlich, dass nach den objektiven Umständen die Unfallfahrt im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stand und ihr Gepräge nicht durch die private Motivation des Klägers erhielt, den Besuch bei dem Freund zu beenden. Denkt man das private Motiv (Beendigung des Besuchs) hinweg, so blieb der Kläger am Unfalltag arbeitsrechtlich verpflichtet, seinen Nachmittagsdienst in N. aufzunehmen. Diese arbeitsrechtliche Pflicht konnte er nur erfüllen, wenn er mit dem Motorrad in K. aufbrach, um nach N. zu fahren, sodass die konkrete Fahrt hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn das eigenwirtschaftliche Interesse entfiel, den Besuch zu beenden.

Schließlich besteht nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG (§ 163 SGG ) auch kein Zweifel daran, dass sich der Unfall auch auf dem unmittelbaren Weg zur Arbeitsstätte ereignete. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger von diesem Weg abgewichen wäre oder ihn unterbrochen hätte (vgl zur Unterbrechung des unmittelbaren Wegs durch einen Tankvorgang zuletzt BSG Urteil vom 30.1.2020 - B 2 U 9/18 R - [BSGE und SozR 4 vorgesehen] - "Tanken").

4. Hatte die konkrete Verrichtung ihren Grund in der betrieblichen Handlungstendenz, ist nicht zusätzlich - im Rahmen eines räumlichen Ansatzes - einschränkend zu fordern, dass der Weg zum Ort der Tätigkeit, den der Versicherte nicht von seinem Lebensmittelpunkt (im Sinne eines häuslichen Bereichs) aus angetreten hat, unter Berücksichtigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalles in einem angemessenen Verhältnis zu dem üblichen Weg zwischen dem häuslichen Bereich und dem Ort der Tätigkeit steht (so BSG Urteile vom 3.12.2002 - B 2 U 18/02 R - SozR 3-2700 § 8 Nr 13 RdNr 20 f; vom 2.5.2001 - B 2 U 33/00 R - SozR 3-2700 § 8 Nr 6 RdNr 16 und vom 30.10.1964 - 2 RU 157/63 - BSGE 22, 60 , 62 = SozR Nr 54 zu § 543 RVO aF), weil andernfalls die Prägung des Weges durch die eigenwirtschaftliche Tätigkeit am dritten Ort überwiege ( BSG Urteile vom 2.5.2001 - B 2 U 33/00 R - SozR 3-2700 § 8 Nr 6, vom 4.1.1992 - 2 RU 32/91 - SozR 3-2200 § 550 Nr 5 = juris RdNr 25 und vom 11.10.1973 - 2 RU 1/73 - juris RdNr 17). Der Senat hat diesen räumlichen Ansatz beginnend mit seinem Urteil vom 9.12.2003 ( B 2 U 23/03 R - BSGE 91, 293 = SozR 4-2700 § 8 Nr 3) und bestärkt durch den Nichtannahmebeschlusses des BVerfG vom 30.11.2004 ( 1 BvR 1750/03 - SozR 4-2700 § 8 Nr 8) aufgegeben und stellt seitdem (zuletzt mit Urteilen vom 7.5.2019 - B 2 U 31/17 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 69 - "Briefeinwurf" und vom 31.8.2017 -B2U 11/16 R - SozR 4-2700 §8 Nr 62 - "Metzgereibesuch" und B 2 U 1/16 R - juris - "Brötchenkauf") ausschließlich auf die objektivierte Handlungstendenz ab, die bei "gemischter Motivationslage" (mehrere subjektive Ziele) auch "gespalten" sein kann.

Da der Senat die Frage, ob der Weg von einem sog dritten Ort in einem angemessenen Verhältnis zu dem üblicherweise zurückzulegenden Arbeitsweg stehen muss und ob an den Zweck des Aufenthalts an diesem dritten Ort inhaltliche Anforderungen zu stellen sind, bislang teilweise uneinheitlich behandelt hat, stellt er zur Herstellung von Rechtsanwendungsgleichheit nunmehr ausdrücklich klar (so nun BSG Urteil vom 30.1.2020 - B 2 U 2/18 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen): Es kommt bei einem Unfall auf dem Weg vom dritten Ort weder auf einen mathematischen (dazu BSG Beschluss vom 6.1.2006 - B 2 U 372/05 B - juris RdNr 5) oder wertenden Angemessenheitsvergleich der Wegstrecken nach der Verkehrsanschauung, noch - im Rahmen einer Gesamtschau - auf (etwaige betriebsdienliche) Motive für den Aufenthalt am dritten Ort an ( BSG Urteil vom 2.5.2001 - B 2 U 33/00 R - SozR 3-2700 § 8 Nr 6: Arztbesuch zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit; vgl aber auch BSG Urteil vom 5.7.2016 - B 2 U 16/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 58 RdNr 21: privater Arztbesuch sowie Urteil vom 11.11.2003 - B 2 U 32/02 R - juris RdNr 20: Wochenendaufenthalt eines Schülers bei dem von der Mutter getrennt lebenden Vater). Ebenso unerheblich sind der erforderliche Zeitaufwand zur Bewältigung der verschiedenen Wege (vgl BSG Urteil vom 2.5.2001 - B 2 U 33/00 R - SozR 3-2700 § 8 Nr 6 mwN) und deren Beschaffenheit bzw Zustand ( BSG Urteil vom 3.12.2002 - B 2 U 18/02 R - SozR 3-2700 § 8 Nr 13), das benutzte Verkehrsmittel oder das erhöhte, verminderte bzw annähernd gleichwertige Unfallrisiko (Benz, WzS 2003, 71 , 77; Krasney, SGb 2013, 313 , 315 f; kritisch zum Ganzen auch Ziegler in Becker/Franke/Molkentin, LPK- SGB VII , 5. Aufl 2018, § 8 RdNr 219 ff). Schließlich ist auch unerheblich, ob sich Weglänge und Fahrzeit noch im Rahmen der üblicherweise von Pendlern zurückgelegten Wegstrecke halten (in diesem Sinne wohl BSG Urteil vom 27.7.1989 - 2 RU 10/89 - juris RdNr 21: Weg vom dritten Ort für einen Autofahrer ungewöhnlich lang) oder darüber hinaus gehen.

Entscheidend ist vielmehr, ob der Weg vom dritten Ort zur Arbeitsstätte wesentlich von der subjektiven Handlungstendenz geprägt ist, den Ort der Tätigkeit aufzusuchen und ob dies in den realen Gegebenheiten objektiv eine Stütze findet, dh objektivierbar ist. Die Wegeunfallversicherung setzt in § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII lediglich voraus, dass der Weg im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht und lässt bei den Hinwegen nach dem Ort der Tätigkeit den jeweiligen Startpunkt des versicherten unmittelbaren Weges ausdrücklich offen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass für Wege, die ihren Ausgangs- bzw Endpunkt nicht an einem dritten Ort, sondern im häuslichen Bereich des Versicherten haben, seit jeher keine Entfernungsgrenze gilt. Fand diese Bevorzugung des Weges "zwischen der Wohnung und dem Ort der Tätigkeit" im Wortlaut des § 550 Abs 2 RVO noch einen gewissen Anhaltspunkt, so ist dieser mit dem Außerkrafttreten der Vorschrift zum 1.1.1997 entfallen.

Die Einführung des Zusatzerfordernisses, dass der Weg vom dritten Ort in einem angemessenen Verhältnis zu dem Arbeitsweg stehen müsse, der üblicherweise vom Lebensmittelpunkt aus zurückzulegen ist, ist auch unter Berücksichtigung der juristischen Methodenlehre bedenklich. Der Normtext des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII sieht einen solchen Angemessenheitsvergleich weder expressis verbis noch gewohnheitsrechtlich als ungeschriebenes (negatives) Tatbestandsmerkmal bzw ungeschriebene Ausnahme vor. Der weite Wortlaut des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII ist schließlich auch nicht im Wege teleologischer Reduktion (Restriktion) entsprechend einzuengen (zum Verhältnis von ungeschriebenen Tatbestandsmerkmalen und teleologischer Reduktion BSG Urteil vom 7.5.2019 - B 2 U 27/17 R - juris RdNr 11 mwN [BSGE und SozR 4 vorgesehen]).

Der Wortlaut des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII ist "offen", sodass auf der Grundlage einer Wortlautinterpretation der Weg zum Ort der versicherten Tätigkeit von jedem geographischen Punkt aus angetreten werden kann. Einen wertenden Angemessenheitsvergleich zwischen mehreren Punkten sieht die Vorschrift gerade nicht vor.

Gegen die Existenz des Angemessenheitsvergleichs als ungeschriebenes (negatives) Tatbestandsmerkmal bzw ungeschriebene Ausnahme spricht bereits § 31 SGB I , der über den allgemeinen Vorbehalt des Gesetzes (Art 20 Abs 3 GG ) hinaus bestimmt, dass Rechte in den Sozialleistungsbereichen nur "aufgehoben werden" dürfen, "soweit ein Gesetz es vorschreibt oder zulässt". Mit der insoweit notwendigen "Schriftlichkeit" ist die - gedankliche - Hinzufügung ungeschriebener gesetzlicher Tatbestandsmerkmale zu Lasten Versicherter grundsätzlich unvereinbar (vgl dazu BSG Urteile vom 7.5.2019 - B 2 U 27/17 R - SozR 4-2700 § 67 Nr 1 - juris RdNr 14 [zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen] und vom 29.1.2019 - B 2 U 21/17 R - SozR 4-2700 § 185 Nr 2 - juris RdNr 17 [zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen]; Busse, SGb 2016, 650 , 652). Ob zu den "Gesetzen" iS des § 31 SGB I auch Gewohnheitsrecht zählt oder nur formelle Gesetze gehören, die gesetzgebende Körperschaften in dem verfassungsrechtlich vorgesehenen Gesetzgebungsverfahren erlassen haben (dazu ausführlich Spellbrink in Kasseler Komm zum Sozialversicherungsrecht, SGB I , Stand Dezember 2018, § 31 RdNr 17), kann hier dahinstehen.

Die Senatsrechtsprechung zum Angemessenheitsvergleich war auch noch nicht zu Gewohnheitsrecht erstarkt (vgl im Einzelnen BSG Urteil vom 30.1.2020 - B 2 U 2/18 R). Denn die Rechtsprechung zum Angemessenheitsvergleich ist über lange Zeit nicht unumstritten gewesen (Heinz, Sozialrecht als Menschenrecht 2011, 273 ff; ders, 25. Jahresarbeitstagung Sozialrecht, Deutsches Anwaltsrecht, 2013, 33 ff; Knispel, jurisPR-SozR 4/2019 Anm 3; Ziegler in Becker/Franke/Molkentin, aaO, § 8 RdNr 219 ff). Vielmehr war ihre konkrete Ausgestaltung zugleich immer von gewissen Unsicherheiten begleitet gewesen ( BSG Beschluss vom 6.1.2006 - B 2 U 372/05 B - juris RdNr 5: "keine festen Vorgaben", keine "mathematische Angemessenheitsformel" und Urteil vom 2.5.2001 - B 2 U 33/00 R - SozR 3-2700 § 8 Nr 6 RdNr 16: Beurteilung der Angemessenheit nach der Verkehrsanschauung unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles; Keller in Hauck/Noftz, SGB VII , 06/18, § 8 RdNr 208: "Aus Sicht der Praxis wünschenswert wären konkretere Anhaltspunkte"; Knispel, jurisPR-SozR 4/2019 Anm 3: "Leerformel"; Krasney, SGb 2013, 313 ff). Zudem führt die mit einem Angemessenheitsvergleich verbundene Kasuistik auch zu Gleichheitsproblemen (Art 3 Abs 1 GG ; vgl iE BSG Urteil vom 30.1.2020 - B 2 U 2/18 R), worauf im Übrigen auch das BVerfG im Rahmen geringfügiger Unterbrechungen bei Wegeunfällen bereits hingewiesen hat (BVerfG Kammerbeschluss vom 30.11.2004 - 1 BvR 1750/03 - SozR 4-2700 § 8 Nr 8).

Schließlich ist der weite Wortlaut des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII auch nicht im Rahmen der teleologischen Restriktion auf solche Wege zu reduzieren, die in einem angemessenen Verhältnis zu dem Arbeitsweg stehen, der vom Lebensmittelpunkt aus üblicherweise zurückgelegt wird. Die Methode der teleologischen Reduktion erfordert den Nachweis einer verdeckten (Ausnahme-)Lücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des (Wegeunfall-)Rechts (vgl dazu BSG Urteile vom 7.5.2019 - B 2 U 27/17 R - juris RdNr 24 f [BSGE und SozR 4 vorgesehen] und B 2 U 30/17 R - juris RdNr 29 f sowie vom 28.6.2018 - B 5 R 25/17 R - BSGE 126, 128 = SozR 4-2600 § 51 Nr 2, RdNr 26; grundlegend Urteil vom 4.12.2014 - B 2 U 18/13 R - BSGE 118, 18 = SozR 4-2700 § 101 Nr 2, RdNr 27 ff; vgl auch BVerfG Kammerbeschluss vom 23.5.2016 - 1 BvR 2230/15 und 1 BvR 2231/15 - juris RdNr 54). Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass die auszulegende Vorschrift (§ 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII ) nach ihrem Wortsinn auch Fälle (im Verhältnis zum üblichen Arbeitsweg auch unangemessene Wege von einem sog dritten Ort) erfasst, auf die sie nach den erkennbaren Regelungsabsichten des Normgebers unanwendbar sein soll (BVerwG Urteil vom 7.5.2014 - 4 CN 5.13 - juris RdNr 14), weil die Entstehungsgeschichte und der Sinn und Zweck der Norm sowie der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen gegen eine uneingeschränkte Anwendung sprechen (dazu BSG Urteile vom 7.5.2019 - B 2 U 27/17 R - SozR 4-2700 § 67 Nr 1 - juris RdNr 24 f [zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen] und B 2 U 30/17 R - juris RdNr 29 f sowie vom 4.12.2014 - B 2 U 18/13 R - BSGE 118, 18 = SozR 4-2700 § 101 Nr 2, RdNr 27; vom 19.12.2013 - B 2 U 17/12 R - SozR 4-2700 § 73 Nr 1 RdNr 20 ff und vom 18.8.2011 - B 10 EG 7/10 R - BSGE 109, 42 = SozR 4-7837 § 2 Nr 10, RdNr 27; BVerfG Kammerbeschluss vom 7.4.1997 - 1 BvL 11/96 - NJW 1997, 2230 , 2231; Spellbrink, aaO, § 31 RdNr 25).

Hier ist jedoch eine solche verdeckte Lücke der Norm nicht feststellbar. Der Gesetzgeber hat sich in § 31 SGB I die Änderung und Aufhebung sozialer Rechte ausdrücklich selbst vorbehalten, was sowohl die Feststellung als auch die Ausfüllung etwaiger Lücken einschließt. Damit stärkt er das Prinzip der Rechtssicherheit (Art 20 Abs 3 GG ) in den Sozialleistungsbereichen des SGB, das die strikte Beachtung des geschriebenen Rechts verlangt. § 31 SGB I unterstellt konzeptionell eine "lückenlose Rechtsordnung", aus der jeder Bürger seine Rechtsansprüche (vgl § 38 SGB I ) selbst ablesen kann und der Verwaltung nur eine dienende Funktion zukommt ( BSG Urteile vom 7.5.2019 - B 2 U 27/17 R - SozR 4-2700 § 67 Nr 1 - juris RdNr 24 f [zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen] und B 2 U 30/17 R - juris RdNr 29 f; Spellbrink, aaO, § 31 RdNr 3 unter Hinweis auf Eichenhofer in ders/Wenner, SGB I , 2. Aufl 2018, § 31 RdNr 12 ff). Korrekturen oder Ergänzungen des geschriebenen Rechts kommen somit nur in Betracht, wenn dadurch iS des § 2 Abs 2 Halbsatz 2 SGB I sichergestellt wird, dass die sozialen Rechte des Einzelnen möglichst weitgehend (dh lückenlos) verwirklicht werden (vgl dazu Spellbrink, aaO, § 31 RdNr 25) oder wenn eine Lücke aus verfassungsrechtlichen Gründen geschlossen werden muss (Hillgruber, JZ 1996, 118 , 122). Vorliegend würde die teleologische Reduktion die sozialen Rechte der Versicherten einschränken und die Verfassung gebietet es nicht ansatzweise, Wege von einem dritten Ort von der Wegeunfallversicherung auszuschließen, die im Vergleich zum üblichen Weg vom Lebensmittelpunkt (im Sinne eines häuslichen Bereichs) unangemessen lang sind.

Nach den sich aus dem Gesamtzusammenhang ergebenden Feststellungen war das Sichfortbewegen auf dem versicherten Weg ursächlich für das Unfallereignis. Dieses war ursächlich für seine Gesundheitsschäden. Das Unfallereignis war auch rechtlich wesentlich, denn der Verkehrsunfall war vom Schutzzweck der Norm des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII umfasst. Mit dem Unfall des Klägers auf dem Weg zur Arbeitsstätte verwirklichte sich gerade eine typische Wegegefahr, bei deren Eintritt die Wegeunfallversicherung Schutz bieten soll.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 , 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Rheinland-Pfalz, vom 07.05.2018 - Vorinstanzaktenzeichen L 2 U 197/17
Vorinstanz: SG Koblenz, vom 26.09.2017 - Vorinstanzaktenzeichen S 15 U 138/16