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BGH - Entscheidung vom 02.01.2020

AnwZ (Brfg) 69/19

Normen:
BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7

BGH, Beschluss vom 02.01.2020 - Aktenzeichen AnwZ (Brfg) 69/19

DRsp Nr. 2020/2112

Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls; Versäumung der Monatsfrist zur Einreichung des Antrags auf Zulassung der Berufung

Die Gründe, welche die Wiedereinsetzung rechtfertigen, müssen innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist vorgebracht werden. Lediglich erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung geboten gewesen wäre, dürfen noch nach Fristablauf erläutert oder vervollständigt werden.

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das am 19. September 2019 verkündete Urteil des I. Senats des Anwaltsgerichtshofs Berlin wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Normenkette:

BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7 ;

Gründe

I.

Der Kläger wurde im Jahre 1980 im Bezirk der Beklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 22. März 2018 widerrief die Beklagte die Zulassung des Klägers wegen Vermögensverfalls. Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt mit vier Verfahren im Schuldnerverzeichnis eingetragen.

Die Klage des Klägers gegen den Widerrufsbescheid ist erfolglos geblieben. Das Urteil des Anwaltsgerichtshofs ist dem Kläger am 23. September 2019 zugestellt worden. Mit einem am 28. Oktober 2019 beim Anwaltsgerichtshof eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs beantragt. Mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2019, der am 28. Oktober 2019 beim Anwaltsgerichtshof eingegangen und sodann an den Bundesgerichtshof weitergeleitet worden ist, wo er am 11. November 2019 eingegangen ist, beantragt der Kläger Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Einlegung des Zulassungsantrags. Mit Schriftsatz vom 18. November 2019, der am 19. November 2019 beim Bundesgerichtshof eingegangen ist, hat der Kläger die Begründung des Wiedereinsetzungsantrags ergänzt und den Antrag auf Zulassung der Berufung begründet.

II.

1. Der Antrag des Klägers ist nach § 112e Satz 2 BRAO , § 124a Abs. 4 VwGO statthaft. Er ist jedoch unzulässig, weil der Kläger die Monatsfrist zur Einreichung des Antrags auf Zulassung der Berufung gemäß § 112e Satz 2 BRAO , § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO nicht eingehalten hat.

2. Wiedereinsetzung in die versäumte Frist gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO , § 60 VwGO kann dem Kläger nicht gewährt werden. Der Kläger hat nicht innerhalb der Zwei-Wochen-Frist gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO , § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO dargelegt, dass er ohne sein Verschulden gehindert war, die oben genannte Frist zur Einreichung des Zulassungsantrags einzuhalten.

a) Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2019 erklärt, er habe am 27. Oktober 2019 nach Rückkehr von einem Auslandsaufenthalt festgestellt, dass der Zulassungsantrag vom 22. Oktober 2019 nicht an den Anwaltsgerichtshof gefaxt worden sei. Seine Tochter, die juristisch ausgebildet und seit mindestens drei Jahren wie eine Reno-Gehilfin bei ihm tätig sei, habe bisher alle ihr übertragenen Aufgaben zu seiner vollsten Zufriedenheit erfüllt. Wegen eines Krankenhausaufenthalts habe sie erst am 25. Oktober 2019 festgestellt, dass der Faxbericht fehlte. Zur Glaubhaftmachung hat der Kläger eine eidesstattliche Versicherung seiner Tochter beigefügt.

Damit ist ein Wiedereinsetzungsgrund nicht hinreichend dargelegt. Die Versäumung der Monatsfrist, innerhalb derer der Zulassungsantrag beim Anwaltsgerichtshof eingehen muss, beruht auf dem eigenen Verschulden des Klägers. Schon die Qualifikation der Tochter des Klägers, die keine ausgebildete Rechtsanwaltsfachangestellte ist, ist zweifelhaft. Jedenfalls aber fehlt jeder Vortrag zur Ausgangskontrolle. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt ein Rechtsanwalt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob der Schriftsatz vollständig und an das richtige Gericht übermittelt worden ist. Erst danach darf die Frist im Fristenkalender gestrichen werden (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 15. Januar 2019 - XI ZB 20/18, juris Rn. 7). Ob in der Kanzlei des Klägers eine derartige Anweisung bestand und ob deren Einhaltung vom Kläger überprüft worden ist, lässt sich dem Vorbringen des Klägers nicht entnehmen.

b) Mit Schriftsatz vom 18. November 2019, beim Bundesgerichtshof eingegangen am 19. November 2019, hat der Kläger - nach Hinweis auf die genannte ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - sein auf den Wiedereinsetzungsantrag bezogenes Vorbringen dahingehend ergänzt, dass er seine Tochter in den drei Jahren, in denen sie für ihn tätig gewesen sei, mehrfach angewiesen habe, die Faxberichte sofort auf die notwendigen Zugangsdaten hin zu überprüfen. Zur Glaubhaftmachung hat er eine weitere eidesstattliche Versicherung seiner Tochter beigefügt.

Dieses Vorbringen kann nicht berücksichtigt werden, weil es nicht innerhalb der Frist des § 60 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO beim Bundesgerichtshof eingegangen ist. Die Gründe, welche die Wiedereinsetzung rechtfertigen, müssen innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist vorgebracht werden. Lediglich erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO , § 86 Abs. 3 VwGO geboten gewesen wäre, dürfen noch nach Fristablauf erläutert oder vervollständigt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Juli 2017 - III ZB 76/16, NJW 2017, 3309 Rn. 9 mwN). Das Vorbringen im Schriftsatz vom 18. November 2019 war neu. Innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist hat der Kläger nichts dazu vorgetragen, welche Anweisungen er seiner Tochter erteilt hatte und wie die Ausgangskontrolle in seiner Kanzlei beschaffen war. Zur Ausgangskontrolle in der Kanzlei des Klägers hat der Kläger im Übrigen nach wie vor nicht ausreichend vorgetragen.

III.

In der Sache hätte der Zulassungsantrag im Übrigen ebenfalls keinen Erfolg gehabt. Auch ohne dass der Kläger einen Zulassungsgrund benannt hätte, können seine Ausführungen auf Seite 2 des Schriftsatzes vom 18. November 2019 dahingehend verstanden werden, dass Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung geltend machen werden sollen. Ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) bestehen jedoch nicht.

1. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (BGH, Beschluss vom 29. Dezember 2016 - AnwZ (Brfg) 36/16, juris Rn. 3; vom 15. Dezember 2017 - AnwZ (Brfg) 11/17, juris Rn. 3).

2. Daran fehlt es hier. Das Urteil des Anwaltsgerichtshofs steht im Einklang mit der Rechtsprechung des erkennenden Senates.

a) Im maßgeblichen Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff.) befand sich der Kläger in Vermögensverfall. Er war in dem vom Vollstreckungsgericht zu führenden Verzeichnis eingetragen (§ 882b ZPO ). Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wird der Vermögensverfall des Rechtsanwalts dann widerlegbar vermutet. Das gilt nur dann nicht, wenn die den Eintragungen zugrundeliegenden Forderungen im Zeitpunkt des Widerrufs nicht oder nicht mehr bestanden (vgl. BGH, Beschluss vom 26. November 2002 - AnwZ (B) 18/01, NJW 2003, 577 ; vom 16. Oktober 2019 - AnwZ (Brfg) 28/19, juris Rn. 6). Darlegungs- und beweispflichtig ist insoweit der betroffene Rechtsanwalt.

aa) Der Kläger ist schon seiner Darlegungslast nicht nachgekommen. Der Anwaltsgerichtshof hat trotz mangelhaften Vortrags zugunsten des Klägers unterstellt, dass drei der vier Forderungen, welche den Eintragungen im Schuldnerverzeichnis zugrunde lagen, im Zeitpunkt des Widerrufs erledigt gewesen seien. Hinsichtlich der vierten Forderung, der Forderung der i. AG, hat der Kläger in erster Instanz ohne Angabe von Einzelheiten behauptet, eine Absprache mit dem Gläubiger getroffen zu haben (Beweis: Zeuge W. ). In der Begründung des Zulassungsantrags behauptet der Kläger, der Zeuge W. habe versprochen, auf die Vollstreckung zu verzichten. Diesem nach wie vor sehr vagen, nicht mit Einzelheiten zu Zeit und Inhalt der getroffenen Vereinbarung unterlegten Vortrag kann nicht entnommen werden, dass die Forderung der genannten Gläubigerin, die einer der vier Eintragungen im Schuldnerverzeichnis zugrunde lag, bereits im Zeitpunkt des Widerrufsbescheides erledigt war. Ein Beweisantritt vermag den erforderlichen Sachvortrag des Klägers nicht zu ersetzen.

bb) Zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung hat der Rechtsanwalt ein auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufs bezogenes vollständiges und detailliertes Verzeichnis seiner Gläubiger und seiner Verbindlichkeiten vorzulegen und konkret darzulegen, dass seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse nachhaltig geordnet waren (BGH, Beschluss vom 30. Januar 2017 AnwZ (Brfg) 61/16, juris Rn. 4 mwN; vom 21. Dezember 2018 - AnwZ (Brfg) 33/18, juris Rn. 10; st. Rspr.). Das ist hier nicht erfolgt.

b) Der Vermögensverfall des Klägers gefährdet die Interessen der Rechtsuchenden.

aa) Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers ist mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines Vermögensverfalls folgt, kann die Gefährdung im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt hierfür die Feststellungslast trifft. Die Annahme einer derartigen Sondersituation setzt mindestens voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern (BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2017 - AnwZ (Brfg) 11/17, juris Rn. 15; vom 21. Februar 2018 - AnwZ (Brfg) 72/17, juris Rn. 12; vom 5. März 2018 AnwZ (Brfg) 52/17, juris Rn. 8; vom 21. Dezember 2018 - AnwZ (Brfg) 33/18, juris Rn. 12). Selbst auferlegte Beschränkungen des in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalts sind grundsätzlich nicht geeignet, eine Gefährdung der Rechtsuchenden auszuschließen (BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2017, aaO Rn. 17 mwN; vom 21. Dezember 2018, aaO).

bb) Der Kläger verweist darauf, dass er niemals Fremdgeld nicht abgeführt habe. Der ihm vorgeworfene Fall aus dem Jahr 2010 sei auf ein Missverständnis nach Ende seiner damaligen Sozietät mit einem Rechtsanwalt M. K. zurückzuführen. Das mag sein, reicht aber nicht aus.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO , § 154 Abs. 2 VwGO , die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO .

Vorinstanz: AnwGH Berlin, vom 19.09.2019 - Vorinstanzaktenzeichen I AGH 4/18