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BGH - Entscheidung vom 03.01.2020

AnwZ (Brfg) 26/19

Normen:
BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7

BGH, Beschluss vom 03.01.2020 - Aktenzeichen AnwZ (Brfg) 26/19

DRsp Nr. 2020/1955

Widerruf der Zulassung eines Rechtsanwalts zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls i.R.v. Vollstreckungsmaßnahmen

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das am 14. Dezember 2018 verkündete Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Normenkette:

BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7 ;

Gründe

I.

Der Kläger ist seit 1967 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 23. Februar 2018 widerrief die Beklagte die Zulassung des Klägers wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ). Die hiergegen gerichtete Klage hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Der Kläger beantragt nunmehr die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.

Mit Beschluss des Landgerichts H. vom 6. August 2019 wurde Rechtsanwalt F. D. zum Betreuer des Klägers bestellt. Sein Aufgabenkreis umfasst auch die Vertretung bei gerichtlichen Verfahren. Er hat mit Schriftsatz vom 1. November 2019 in der Sache Stellung genommen.

II.

1. Der Antrag ist nach § 112e Satz 2 BRAO , § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Der Kläger wird gemäß § 112e Satz 2 BRAO , §§ 125 Abs. 1 Satz 1, 62 Abs. 4 VwGO , § 53 ZPO im Verfahren wirksam durch seinen Betreuer vertreten, nachdem dieser durch seine inhaltliche Stellungnahme in das Verfahren eingetreten ist und dieses damit für den Kläger fortführt.

2. Der Antrag bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO ist nicht gegeben (vgl. § 112e Satz 2 BRAO , § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO ).

a) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ). Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. nur Senat, Beschluss vom 4. März 2019 - AnwZ (Brfg) 47/18, juris Rn. 3). Zweifel an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen füllen den Zulassungsgrund dann nicht aus, wenn sie nicht die Richtigkeit des Ergebnisses erfassen (vgl. nur Senat, Beschluss vom 7. März 2019 AnwZ (Brfg) 66/18, juris Rn. 5).

Entsprechende Zweifel vermag der Kläger nicht darzulegen. Das Urteil des Anwaltsgerichtshofs steht im Einklang mit der Senatsrechtsprechung.

a) Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens, also auf den Erlass des Widerspruchsbescheids oder - wenn das grundsätzlich vorgeschriebene Vorverfahren entbehrlich ist - auf den Ausspruch der Widerrufsverfügung abzustellen; die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 4. März 2019 - AnwZ (Brfg) 47/18, juris Rn. 4 und vom 7. Dezember 2018 - AnwZ (Brfg) 55/18, juris Rn. 5; jeweils mwN).

b) Im maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheids befand sich der Kläger in Vermögensverfall.

Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und er außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind Schuldtitel und Vollstreckungsmaßnahmen, die sich gegen den Rechtsanwalt richten. Gibt es Beweisanzeichen wie offene Forderungen, Titel und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, welche den Schluss auf den Eintritt des Vermögensverfalls zulassen, kann der betroffene Rechtsanwalt diesen Schluss nur dadurch entkräften, dass er umfassend darlegt, welche Forderungen im maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids gegen ihn bestanden haben und wie er sie - bezogen auf diesen Zeitpunkt - zurückführen oder anderweitig regulieren wollte (vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 4. März 2019 - AnwZ (Brfg) 47/18, juris Rn. 5 und vom 12. Dezember 2018 - AnwZ (Brfg) 65/18, juris Rn. 4). An einer solchen umfassenden und schlüssigen Darlegung fehlt es.

Die Feststellung des Anwaltsgerichtshofs, wonach zum Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung jedenfalls titulierte und in der Zwangsvollstreckung befindliche Forderungen von 311.883,12 Euro gegen den Kläger bestanden, wird im Zulassungsantrag nicht in Frage gestellt. Ohne Erfolg beruft sich der Kläger darauf, dass den Forderungen erhebliches Immobilienvermögen gegenüberstehe. Diese pauschale Behauptung genügt - wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend festgestellt hat - schon nicht, um etwaiges Immobilienvermögen berücksichtigen zu können. Vermögenswerte können zudem nur dann von Bedeutung sein, wenn sie liquide sind (vgl. nur Senat, Beschluss vom 4. März 2019 - AnwZ (Brfg) 47/18, juris Rn. 6). Immobilienvermögen ist dementsprechend nur von Relevanz, wenn es dem Betroffenen zum maßgeblichen Zeitpunkt des Zulassungswiderrufs als liquider Vermögenswert zur Tilgung seiner Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden hat (vgl. Senat, Beschluss vom 29. April 2019 - AnwZ (Brfg) 21/19, juris Rn. 8). Dies ist nicht ersichtlich. Soweit der Betreuer hierzu ohnehin unsubstantiiert und nicht prüfbar - vorträgt, dass eine Immobilie, an der der Kläger mit einem hälftigen Anteil beteiligt war, zwischenzeitlich im Wege der Teilungsversteigerung zu einem Preis von 430.000 Euro versteigert wurde, ist dies für das vorliegende Verfahren schon deshalb nicht relevant, da es - wie ausgeführt - auf den Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung ankommt.

c) Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers ist mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines Vermögensverfalls folgt, kann die Gefährdung im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt hierfür die Feststellungslast trifft. Die Annahme einer derartigen Sondersituation setzt mindestens voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern. Selbst auferlegte Beschränkungen des in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalts sind dagegen grundsätzlich nicht geeignet, eine Gefährdung der Rechtsuchenden auszuschließen (vgl. nur Senat, Beschluss vom 12. Dezember 2018 - AnwZ (Brfg) 65/18, juris Rn. 7). Tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Gefährdung zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheids ausnahmsweise nicht bestand, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Es kommt dabei weder darauf an, ob der Kläger etwaige Mandanten über die Verfahren betreffend den Widerruf seiner Zulassung aufklärt noch darauf, ob der Kläger derzeit Mandanten berät oder Fremdgelder einnimmt (vgl. Senat, Beschluss vom 4. März 2019 - AnwZ (Brfg) 82/18, juris Rn. 6 ff.).

3. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ) hat der Kläger nicht dargelegt. Dieser Zulassungsgrund ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. nur Senat, Beschluss vom 5. April 2019 - AnwZ (Brfg) 2/19, juris Rn. 13 mwN). Diese Voraussetzungen sind vom Beschwerdeführer darzulegen. Insbesondere muss begründet werden, warum ein korrigierendes Eingreifen des Bundesgerichtshofs erforderlich ist (vgl. nur Senat, Beschluss vom 5. April 2019, aaO). Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen des Klägers zum Vorliegen von grundsätzlicher Bedeutung, das für die Entscheidung schon nicht erheblich ist, nicht.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO , § 154 Abs. 2 VwGO , die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO .

Vorinstanz: AnwGH Nordrhein-Westfalen, vom 14.12.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 1 AGH 7/18