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BGH - Entscheidung vom 28.04.2020

AK 11/20

Normen:
StGB § 211 Abs. 2
StPO § 121 Abs. 1
StPO § 122 Abs. 4 S. 2

BGH, Beschluss vom 28.04.2020 - Aktenzeichen AK 11/20

DRsp Nr. 2020/6623

Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über neun Monate hinaus bei Vorwurf eines Mordes

Tenor

Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.

Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.

Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach allgemeinen Grundsätzen zuständigen Gericht übertragen.

Normenkette:

StGB § 211 Abs. 2 ; StPO § 121 Abs. 1 ; StPO § 122 Abs. 4 S. 2;

Gründe

I.

Der Beschuldigte wurde am 15. Juni 2019 vorläufig festgenommen und befindet sich seit 16. Juni 2019 aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Kassel vom 15. Juni 2019 ( 1622 Js 21791/19, richtig wohl vom 16. Juni 2019), ersetzt durch Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 2. Juli 2019 ( 3 BGs 120/19), ununterbrochen in Untersuchungshaft.

Gegenstand des Haftbefehls vom 2. Juli 2019 ist der Vorwurf, der Beschuldigte habe am 1. Juni 2019 den Geschädigten, Dr. L. , heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen getötet (§ 211 Abs. 2 StGB ).

Mit Beschluss vom 15. Januar 2020 ( AK 62/19) hat der Senat die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus angeordnet.

Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat unter dem 14. April 2020 die Vorlage der Akten an den Bundesgerichtshof verfügt, nachdem der Generalbundesanwalt beantragt hatte, die Fortdauer der Untersuchungshaft anzuordnen.

II.

Die Voraussetzungen der Untersuchungshaft auch über neun Monate hinaus liegen vor.

1. Der Beschuldigte ist des ihm zur Last gelegten Mordes weiterhin dringend verdächtig. Wegen der Einzelheiten des Tatvorwurfs sowie der diesen stützenden Beweismittel wird Bezug genommen auf die Beschlüsse des Senats vom 15. Januar 2020 ( AK 62/19, juris Rn. 7 ff.) und vom 3. März 2020 ( AK 63/19, juris Rn. 7 ff.). Die ergänzenden Ermittlungen des Generalbundesanwalts haben den Tatverdacht nicht entkräftet. Vielmehr vertieft ein weiteres molekularbiologisches Gutachten vom 4. März 2020 die bisherige Beweislage.

2. Die Ausführungen in dem Beschluss vom 15. Januar 2020 (dort Rn. 11 ff.) zur rechtlichen Würdigung sowie zur Zuständigkeit des Generalbundesanwalts für die Ermittlungen gelten unvermindert fort. Die Haftgründe der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO ) und der Schwerkriminalität (§ 112 Abs. 3 StPO ) sind aus den im vorgenannten Beschluss (dort Rn. 21 ff.) dargelegten Gründen weiterhin gegeben. Schließlich kann der Zweck der Untersuchungshaft auch im derzeitigen Verfahrensstadium nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen als deren Vollzug erreicht werden (§ 116 StPO ).

3. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über neun Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 , § 122 Abs. 4 Satz 2 StPO ) liegen vor. Die besondere Schwierigkeit und der besondere Umfang des Verfahrens haben ein Urteil bislang noch nicht zugelassen und rechtfertigen den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft. Das Verfahren ist auch nach dem Senatsbeschluss über die Haftfortdauer vom 15. Januar 2020 hinreichend gefördert worden:

In weiteren Vernehmungen vom 8. Januar und 5. Februar 2020 hat der Beschuldigte das Tatgeschehen abweichend von seinen bisherigen Angaben geschildert. Zusammen mit einem Mitbeschuldigten habe er den Geschädigten lediglich einschüchtern wollen, im Rahmen eines dynamischen Geschehens habe sich versehentlich der tödliche Schuss gelöst. Zu dem - aus seiner Sicht falschen Geständnis sei er durch seinen früheren Verteidiger gedrängt worden. Der Generalbundesanwalt hat zur Überprüfung der Plausibilität der neuerlichen Einlassung weitere Ermittlungen, unter anderem die Vernehmung des genannten Verteidigers, eine erneute Tatortsimulation, weitere technische Auswertungen einer Wärmebildkamera und einer "Dashcam" sowie ergänzende Untersuchungen zum Aufenthaltsort des Mitbeschuldigten veranlasst. Unter dem 27. März 2020 hat das Hessische Landeskriminalamt einen umfassenden Abschlussbericht zu den polizeilichen Ermittlungen und staatschutzrelevanten Sachverhalten vorgelegt, das psychiatrische Sachverständigengutachten datiert vom 24. Februar 2020; erst in seiner Vernehmung am 8. Januar 2020 hatte der Beschuldigte seine Bereitschaft zur Mitwirkung an einer Exploration durch den Sachverständigen erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Vorlagebericht des Generalbundesanwalts vom 9. April 2020. Dort ist auch ausgeführt, dass mit der Erstellung der Anklage zeitnah zu rechnen sei.

4. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht nach wie vor nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der jeweiligen Sache und der im Fall einer Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO ).