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BGH - Entscheidung vom 27.05.2020

VIII ZR 58/19

Normen:
ZPO § 543 Abs. 2 S. 1

BGH, Beschluss vom 27.05.2020 - Aktenzeichen VIII ZR 58/19

DRsp Nr. 2020/11729

Voraussetzungen für die Zulassung der Revision; Unzulässigkeit der Beschränkung der Revision auf einzelne Rechtsfragen oder Anspruchselemente; Berücksichtigung der fehlenden Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung

Die Geltendmachung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten ist dem Grunde nach berechtigt, wenn der beklagte Vermieter seine Pflicht, von seinem Mieter nur die höchstzulässige Miete zu verlangen, pflichtwidrig und schuldhaft verletzt und deshalb Anlass zur Klage gegeben hat. Der dem Mieter insoweit zunächst zustehende Anspruch auf Freistellung wandelt sich durch die Abtretung an ein Inkassodienstleister, der insoweit nicht gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz verstößt, in einen Zahlungsanspruch um.

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin - Zivilkammer 66 - vom 13. Februar 2019 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 22. März 2019 durch einstimmigen Beschluss nach § 552a ZPO zurückzuweisen.

Normenkette:

ZPO § 543 Abs. 2 S. 1;

Gründe

Die Revision ist zwar zulässig. Der Senat ist jedoch einstimmig davon überzeugt, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen und die Revision auch in der Sache keine Aussicht auf Erfolg hat.

1. Die Revision ist uneingeschränkt zulässig. Das Berufungsurteil unterliegt - wie die Revision zu Recht geltend macht - in vollem Umfang der Überprüfung durch das Revisionsgericht. Das Berufungsgericht hat die Zulassung zwar beschränkt auf die Frage zugelassen, "ob die hier verfahrensgegenständliche Tätigkeit der Klägerin keinen Verstoß gegen die Vorschriften des RDG beinhaltet, der zur Nichtigkeit der von ihr geschlossenen Rechtsgeschäfte nach § 134 BGB führt". Diese Beschränkung ist unwirksam. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Zulassung der Revision zwar auf einen tatsächlich und rechtlich selbstständigen und abtrennbaren Teil des Gesamtstreitstoffs beschränkt werden, auf den auch die Partei selbst ihre Revision beschränken könnte, nicht aber auf einzelne Rechtsfragen oder Anspruchselemente (vgl. etwa Senatsurteil vom 24. Oktober 2018 - VIII ZR 66/17, NJW 2019, 292 Rn. 22, insoweit in BGHZ nicht abgedruckt, mwN). Bei der vom Berufungsgericht aufgeworfenen Rechtsfrage handelt es sich lediglich um eine einzelne Rechtsfrage, die zudem ein bloßes Element der geltend gemachten Ansprüche bildet. Vorliegend ist daher von einer unbeschränkten Zulassung der Revision auszugehen.

2. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO ). Maßgeblich ist insoweit der Zeitpunkt der Entscheidung des Revisionsgerichts (BGH, Beschlüsse vom 13. August 2015 - III ZR 380/14, juris Rn. 7, und vom 1. März 2010 - II ZR 13/09, NJW-RR 2010, 955 Rn. 3).

Die von dem Berufungsgericht aufgeworfene Frage, die Grund für die Zulassung der Revision war, ist zwischenzeitlich ebenso höchstrichterlich geklärt wie alle sonstigen sich in der vorliegenden Konstellation stellenden Grundsatzfragen (vgl. Senatsurteile vom 27. November 2019 - VIII ZR 285/18, NJW 2020, 208 , zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt, und vom 8. April 2020 - VIII ZR 130/19, WM 2020, 991 ). Geklärt ist insbesondere für die hier in Rede stehenden Tätigkeiten der Klägerin, dass die von ihr erbrachten Inkassodienstleistungen nicht gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz verstoßen, die in diesem Zusammenhang erfolgten Abtretungen der Forderungen des Mieters nicht - wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot - gemäß § 134 BGB nichtig sind und die Klägerin somit im gerichtlichen Verfahren aktivlegitimiert ist. Auch die von der Revision aufgeworfenen Fragen, ob die Abtretungserklärungen, die in gleicher Form auch den vom Senat bereits entschiedenen Parallelfällen zu Grunde lagen, wegen mangelnder Bestimmtheit oder wegen eines Abtretungsausschlusses nach § 399 Alt. 1 BGB unwirksam sind, sind höchstrichterlich geklärt (Senatsurteil vom 8. April 2020 - VIII ZR 130/19, aaO Rn. 75 ff.).

3. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.

a) Die Revision ist nicht bereits deshalb begründet, weil das Berufungsgericht die Berufung nicht als unzulässig verworfen hat. Denn zu Recht hat das Berufungsgericht die Berufung der Klägerin nicht gemäß § 522 Abs. 1 Satz 2, § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO mit der Begründung als unzulässig verworfen, die Berufungsbegründung bezeichne die Umstände nicht, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergebe. Die vorbezeichneten Anforderungen sind entgegen der Ansicht der Revision gewahrt. Die Rechtsmittelschrift lässt erkennen, aus welchen tatsächlichen und rechtlichen Gründen die Klägerin das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg vom 6. Juni 2018 für unrichtig gehalten hat, und teilt zur Darlegung der Fehlerhaftigkeit die Umstände mit, die das vorgenannte Urteil aus ihrer Sicht in Frage stellen (zu diesen Anforderungen vgl. Senatsbeschluss vom 13. Juni 2017 - VIII ZB 7/16, juris Rn. 12 mwN; siehe auch Senatsurteil vom 29. April 2020 - VIII ZR 31/18, unter II 1 b, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).

Zwar reicht es insoweit nicht aus, der Auffassung des Erstgerichts mit einem Verweis auf das Vorbringen erster Instanz entgegenzutreten (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 11. Februar 2020 - VI ZB 54/19, NJW-RR 2020, 503 Rn. 5 mwN). In Anbetracht der auf wenige Zeilen beschränkten und die Komplexität der entscheidungserheblichen Rechtsfrage nahezu vollständig übergehenden Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils führt das Festhalten der Klägerin an ihrer in diesem Urteil zurückgewiesenen Rechtsansicht jedoch nicht zur Unzulässigkeit der Berufung, auch wenn die Berufungsbegründung lediglich auf die bereits in erster Instanz (ausführlich) vorgetragenen rechtlichen Argumente Bezug nimmt, ohne diese ausdrücklich zu wiederholen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Juni 2018 - I ZB 57/17, NJW 2018, 2894 Rn. 10; vom 26. Juli 2007 - VII ZR 197/06, NJW 2007, 3070 Rn. 3; jeweils mwN). Auch verweist die Berufungsbegründung zusätzlich auf ein nach Erlass des angefochtenen erstinstanzlichen Urteils ergangenes (rechtskräftiges) Urteil einer anderen Berufungszivilkammer des Landgerichts Berlin, welche die Beurteilung des hier angefochtenen amtsgerichtlichen Urteils in Frage stellt und die von der Klägerin vertretene Rechtsansicht (mit eingehender Begründung) untermauert.

b) Das Berufungsgericht hat auch zutreffend und im Einklang mit der zwischenzeitlich ergangenen Senatsrechtsprechung die Aktivlegitimation der Klägerin bejaht. Die Abtretung der geltend gemachten Ansprüche an die Klägerin war wirksam. Die von der Klägerin entfalteten Tätigkeiten waren durch die ihr nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 , § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG erteilte Befugnis zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen (noch) gedeckt und verstießen daher nicht gegen das gesetzliche Verbot des § 3 RDG , so dass eine Nichtigkeit der erfolgten Abtretungen nach § 134 BGB zu verneinen ist. Die Abtretung der geltend gemachten Ansprüche war auch nicht wegen eines Abtretungsausschlusses nach § 399 Alt. 1 BGB , aufgrund mangelnder Bestimmtheit oder wegen eines Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Auf die grundlegenden Entscheidungen des Senats, die auch auf sämtliche von der Revision gegen die Aktivlegitimation der Klägerin vorgebrachten Argumente eingehen, wird verwiesen (Senatsurteile vom 27. November 2019 - VIII ZR 285/18, aaO, und vom 8. April 2020 - VIII ZR 130/19, aaO).

c) Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht ausgehend von der wirksamen Abtretung der Ansprüche an die Klägerin einen Anspruch auf Erteilung der begehrten Auskunft nach § 556g Abs. 3 BGB sowie einen Anspruch auf Rückzahlung anteiliger Miete in Höhe von 126,07 € für August 2017 aus § 556g Abs. 1 Satz 3 BGB bejaht. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zu den kalkulatorischen Grundlagen der zulässigen Miethöhe sowie zur Höhe des Rückzahlungsanspruchs werden von der Revision nicht in Frage gestellt.

d) Es ist zudem nicht rechtsfehlerhaft, dass das Berufungsgericht der Klägerin auch vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 482,49 € zugesprochen hat. Der Anspruch der Klägerin ergibt sich aus § 280 Abs. 1 , § 249 Abs. 1 , §§ 257 , 398 BGB , § 4 Abs. 5 RDGEG und ist dem Grunde nach deshalb berechtigt, weil der beklagte Vermieter seine aus § 556d Abs. 1 BGB folgende Pflicht, von seinem Mieter nur die höchstzulässige Miete zu verlangen, pflichtwidrig und schuldhaft verletzt und deshalb Anlass dazu gegeben hat, Ansprüche aus § 556g Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 BGB geltend zu machen. Der dem Mieter insoweit zunächst zustehende Anspruch auf Freistellung nach § 257 BGB hat sich durch die Abtretung an die Klägerin in einen Zahlungsanspruch umgewandelt.

Ohne Erfolg beanstandet die Revision, die vom Berufungsgericht zuerkannten vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten seien überhöht, weil sie unter anderem die von der Klägerin vorgerichtlich begehrte Feststellung berücksichtigten, die zwischen den Mietvertragsparteien getroffene Abrede zur Miethöhe sei unwirksam. Zwar ist ein solcher Hauptanspruch nicht Verfahrensgegenstand geworden, dies steht dem Erstattungsanspruch der Klägerin jedoch nicht entgegen. Denn die vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten der Klägerin sind, soweit sie nicht auf die streitgegenständliche Hauptforderung angefallen sind, keine Nebenforderung, sondern ihrerseits Hauptforderung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Februar 2009 - VI ZB 60/07, VersR 2009, 806 Rn. 5 f.; vom 21. September 2010 - VIII ZB 39/09, juris Rn. 5; jeweils mwN).

Entgegen der Auffassung der Revision ist der Anspruch auch nicht deswegen entfallen oder gemindert, weil die Einschaltung der Klägerin nicht erforderlich im Sinne von § 249 BGB gewesen wäre oder der Mieter gegen seine Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB verstoßen hätte. Die Einschaltung der Klägerin war aus Sicht des Mieters zur Wahrung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig (vgl. BGH, Urteil vom 15. November 2011 - VI ZR 4/11, NJW 2012, 601 Rn. 14; zu vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten BGH, Urteil vom 10. Januar 2006 - VI ZR 43/05, NJW 2006, 1065 Rn. 5). Der Mieter war entgegen der Ansicht der Revision nicht gehalten, nach Nutzung des von der Klägerin angebotenen Mietpreisrechners auf deren Beauftragung zu verzichten, selbst an den Beklagten heranzutreten und - bei einer ablehnenden Antwort - direkt Klage zu erheben. Er durfte sich vielmehr vorgerichtlich der Hilfe der Klägerin bedienen. Es kommt nicht darauf an, ob - wie die Revision meint - die Einschaltung eines Inkassounternehmens nicht erfolgversprechend und somit unzweckmäßig ist, wenn der Schuldner von vornherein zahlungsunwillig ist. Denn eine solche Fallkonstellation lag hier nicht vor. Im Zeitpunkt der Beauftragung der Klägerin war eine gerichtliche Geltendmachung nicht möglich, sondern es bedurfte noch weiterer vorgeschalteter Handlungen, deren Durchführung die Klägerin als registrierte Inkassodienstleisterin nach den oben genannten Entscheidungen des Senats (Urteile vom 27. November 2019 - VIII ZR 285/18, aaO, und vom 8. April 2020 - VIII ZR 130/19, aaO) übernehmen durfte und die der Mieter schon wegen der Komplexität der Materie auch unter den Gesichtspunkten der Erforderlichkeit und der Schadensminderungspflicht nicht selbst vornehmen musste. Insbesondere war noch eine qualifizierte Rüge nach § 556g Abs. 2 BGB zu erheben. Zudem lag noch keine Auskunft des Vermieters über die in § 556g Abs. 3 BGB genannten Tatsachen vor. Auch zu deren Einholung konnte und durfte die Klägerin eingeschaltet werden. Abgesehen davon war im Zeitpunkt der Beauftragung der Klägerin noch nicht ersichtlich, ob und inwieweit eine Klageerhebung erforderlich sein würde. Dies konnte sich erst aus der Reaktion des Vermieters auf die Geltendmachung der Auskunftsansprüche sowie die Erhebung der Rüge ergeben.

e) Eine Aussetzung des Verfahrens nach § 148 ZPO analog kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil das Bundesverfassungsgericht mit Nichtannahmebeschluss vom 18. Juli 2019 (NJW 2019, 3054 ) die von der Revision in Bezug genommene Vorlage des Landgerichts Berlin vom 7. Dezember 2017 ( 67 S 218/17, NZM 2018, 118 ) sowie die weitere Vorlage vom 12. April 2018 ( 67 S 328/17, WuM 2018, 414 ) für unzulässig erklärt hat.

4. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses.

Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.

Vorinstanz: AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg, vom 06.06.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 25 C 284/17
Vorinstanz: LG Berlin, vom 13.02.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 66 S 131/18