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BGH - Entscheidung vom 23.04.2020

I ZR 28/19

Normen:
ZPO § 45 Abs. 1

BGH, Beschluss vom 23.04.2020 - Aktenzeichen I ZR 28/19

DRsp Nr. 2020/9120

Verwerfung des Ablehnungsgesuchs gegen die am Verfahren beteiligten Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit als unzulässig

Ein Ablehnungsgesuch, das rein formal betrachtet zwar eine Begründung für eine angebliche Befangenheit enthält, dessen Begründung aber aus zwingenden rechtlichen Gründen ein Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens oder das Verhalten der abgelehnten Richterinnen und Richter nicht erfordert, ist zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit grundsätzlich ungeeignet und steht einem von vornherein unzulässigen Ablehnungsgesuch ohne Angabe eines Ablehnungsgrunds gleich.

Tenor

Das Ablehnungsgesuch der Klägerin gegen den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Koch, den Richter Prof. Dr. Schaffert, die Richterinnen Pohl und Dr. Schmaltz und den Richter Odörfer wird als unzulässig verworfen.

Die Gegenvorstellung der Klägerin gegen den Beschluss des Senats vom 20. Februar 2020 wird als unzulässig verworfen.

Normenkette:

ZPO § 45 Abs. 1 ;

Gründe

I. Der Senat hat mit Beschluss vom 12. September 2019 den Antrag der 1 Klägerin, ihr einen Notanwalt zur Wahrung ihrer Rechte im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 5. Zivilsenats des Kammergerichts vom 29. Januar 2019 beizuordnen, abgelehnt und die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im vorbezeichneten Urteil zurückgewiesen.

Mit Beschluss vom 20. Februar 2020 hat der Senat die gegen die Ablehnung des Antrags auf Beiordnung eines Notanwalts im Beschluss vom 12. September 2019 gerichtete Anhörungsrüge mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig verworfen. Aufgrund der rechtskräftigen Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde sei die Anhörungsrüge mit dem Ziel, das Verfahren auf Beiordnung eines Notanwalts fortzuführen, objektiv sinnlos.

Mit Schreiben vom 30. Oktober 2019 hat die Klägerin Erinnerung gegen den Kostenansatz des Bundesgerichtshofs erhoben; die Entscheidung darüber ist zurückgestellt worden.

Mit Schreiben vom 23. März 2020 hat die Klägerin Gegenvorstellung gegen den Senatsbeschluss vom 20. Februar 2020 erhoben und die an diesem Beschluss beteiligten Senatsmitglieder wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.

II. Das Ablehnungsgesuch ist unzulässig. Der Senat ist unter Mitwirkung der abgelehnten Richterinnen und Richter zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch berufen.

1. Abweichend vom Wortlaut des § 45 Abs. 1 ZPO kann der Spruchkörper ausnahmsweise in ursprünglicher Besetzung unter Mitwirkung der abgelehnten Richterinnen und Richter über unzulässige Ablehnungsgesuche entscheiden. Voraussetzung dafür ist, dass es sich um gänzlich untaugliche oder rechtsmissbräuchliche Ablehnungsgesuche handelt. Ist das der Fall, gerät eine Selbstentscheidung nicht mit der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG in Konflikt, weil die Prüfung keine Beurteilung des eigenen Verhaltens der abgelehnten Richterinnen und Richter voraussetzt und deshalb keine Entscheidung in eigener Sache ist. Ein vereinfachtes Ablehnungsverfahren soll indes nur echte Formalentscheidungen ermöglichen. Völlige Ungeeignetheit ist demnach anzunehmen, wenn für eine Verwerfung als unzulässig jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens entbehrlich ist. Über eine bloß formale Prüfung hinaus dürfen sich die abgelehnten Richterinnen und Richter nicht durch Mitwirkung an einer näheren inhaltlichen Prüfung der Ablehnungsgründe zu Richterinnen und Richtern in eigener Sache machen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Juni 2015 - 1 BvR 1288/14, juris Rn. 15 und 17 mwN).

Ein Ablehnungsgesuch, das - rein formal betrachtet - zwar eine Begründung für eine angebliche Befangenheit enthält, dessen Begründung aber aus zwingenden rechtlichen Gründen - ohne nähere sachliche Prüfung und losgelöst von den konkreten Umständen des Einzelfalls - ein Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens oder das Verhalten der abgelehnten Richterinnen und Richter nicht erfordert, ist zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit grundsätzlich ungeeignet und steht einem von vornherein unzulässigen Ablehnungsgesuch ohne Angabe eines Ablehnungsgrunds gleich (st. Rspr.; vgl. BVerfG, NJW 2005, 3410 , 3412 [juris Rn. 57]; BGH, Beschluss vom 28. August 2018 - VIII ZR 127/17, juris Rn. 3 mwN).

2. Danach ist das Ablehnungsgesuch unter Mitwirkung der abgelehnten 8 Richterinnen und Richter als unzulässig zu verwerfen.

a) Das Ablehnungsgesuch ist allerdings nicht bereits deswegen unzuläs9 sig, weil die Beschwerdeinstanz durch den Senatsbeschluss vom 20. Februar 2020 beendet wäre und durch die unzulässige Gegenvorstellung (dazu unter III) nicht wiederauflebt (vgl. BGH, Beschluss vom 30. August 2016 - I ZB 10/15, juris Rn. 2). Weiterhin anhängig ist die Erinnerung gegen den Kostenansatz, über die gemäß § 1 Abs. 5 , § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG die Einzelrichterin des Senats zu entscheiden hat (vgl. Elzer, FD-ZVR 2018, 411709 ).

b) Das Ablehnungsgesuch ist aber unzulässig, weil objektive Gründe, die 10 geeignet erscheinen könnten, vom Standpunkt der Klägerin bei vernünftiger Betrachtung aller Umstände die Befürchtung zu wecken, die abgelehnten Richterinnen und Richter hätten der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenübergestanden, mit dem Ablehnungsgesuch nicht aufgezeigt oder sonst erkennbar sind. Vielmehr war die von der Klägerin erhobene Anhörungsrüge mangels Rechtsschutzbedürfnisses offensichtlich unzulässig. Jede andere Richterin und jeder andere Richter hätte deshalb in der gegebenen Verfahrenslage allein schon angesichts des fehlenden Wertungsspielraums zwingend zu demselben Ergebnis wie die von der Klägerin abgelehnten Richterinnen und Richter gelangen und die Anhörungsrüge als unzulässig verwerfen müssen, ohne dass sie darüber hinaus auf den Gegenstand des Verfahrens hätten eingehen müssen oder dass es sonst einer inhaltlichen Betrachtung der Umstände des Einzelfalls bedurft hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juni 2019 - VIII ZB 7/19, VIII ZB 9/19, juris Rn. 8).

III. Die Gegenvorstellung ist unzulässig. Der eine Anhörungsrüge nach 11 § 321a ZPO zurückweisende Beschluss ist nach § 321a Abs. 4 Satz 4 ZPO unanfechtbar. Für eine Gegenvorstellung ist daher kein Raum (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2015 - VIII ZR 249/14, juris Rn. 1 mwN).

Vorinstanz: LG Berlin, vom 19.11.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 16 O 632/11
Vorinstanz: KG, vom 29.01.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 5 U 111/17
Vorinstanz: KG, vom 29.01.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 5 U 161/13