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BGH - Entscheidung vom 13.05.2020

VII ZB 42/19

Normen:
ZPO § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
ZPO § 829 Abs. 1

BGH, Beschluss vom 13.05.2020 - Aktenzeichen VII ZB 42/19

DRsp Nr. 2020/9456

Statthaftigkeit einer Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss bei Zulassung durch das Beschwerdegericht; Erlass eines Überweisungsbeschlusses i.R.d. Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung

Die Anhörungsrüge räumt dem Gericht keine umfassende Abhilfemöglichkeit ein, sondern dient allein der Behebung von Verstößen gegen die grundgesetzliche Garantie des rechtlichen Gehörs. Die unterbliebene Zulassung der Rechtsbeschwerde als solche kann den rechtlichen Anspruch auf rechtliches Gehör nicht verletzen, es sei denn, auf die Zulassungsentscheidung bezogener Vortrag der Parteien ist verfahrensfehlerhaft übergangen worden.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Gläubigers gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Leipzig (Einzelrichter) vom 8. Oktober 2019 in der Fassung des Beschlusses vom 22. Oktober 2019 - Az. 7 T 523/19 - wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

Normenkette:

ZPO § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ; ZPO § 829 Abs. 1 ;

Gründe

I.

Der rechtsbeschwerdeführende Gläubiger begehrt den Erlass eines Überweisungsbeschlusses.

Mit Arrestbefehl vom 13. Juni 2017 - Az. - hat das Landgericht D. wegen einer Geldforderung des Gläubigers in Höhe von 15.549,69 € nebst Zinsen einen dinglichen Arrest in das Vermögen der Schuldnerin, einer Aktiengesellschaft mit Sitz in Liechtenstein, angeordnet und in Vollziehung des Arrestes die Pfändung der angeblichen Forderungen der Schuldnerin gegen eine Vielzahl von Drittschuldnern wegen verschiedener Geldforderungen und anderer Vermögensrechte ausgesprochen. Mit rechtskräftigem Versäumnisurteil des Landgerichts D. vom 31. August 2018 - Az. - ist die Schuldnerin in der Hauptsache zur Zahlung von 15.000 € nebst Zinsen an den Gläubiger verurteilt worden. Aus diesem Urteil betreibt der Gläubiger nunmehr die Zwangsvollstreckung.

Mit Wirkung zum 20. Dezember 2018 ist über das Vermögen der Schuldnerin in Liechtenstein ein Konkursverfahren eröffnet worden.

Am 7. Juni 2019 hat der Gläubiger beim Amtsgericht Leipzig - Vollstreckungsgericht - einen Antrag auf Überweisung gestellt.

Das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - hat den Antrag mit Beschluss vom 26. August 2019 zurückgewiesen. Die Pfändungsentscheidung im Arrestbefehl des Landgerichts D. vom 13. Juni 2017 sei unheilbar nichtig, da sie entgegen § 829 Abs. 1 ZPO die Pfändung ausspreche, ohne den Drittschuldnern zugleich zu verbieten, an die Schuldnerin zu zahlen (Arrestatorium). Das Beschwerdegericht (Einzelrichter) hat die sofortige Beschwerde des Gläubigers mit Beschluss vom 8. Oktober 2019 zurückgewiesen und sich der Rechtsauffassung des Amtsgerichts - Vollstreckungsgericht - angeschlossen, dass die Pfändung im Arrestbefehl vom 13. Juni 2017 mangels Arrestatoriums unwirksam sei. Eine Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde enthält der Beschluss vom 8. Oktober 2019 nicht.

Hiergegen hat der Gläubiger am 17. Oktober 2019 "Gehörsrüge nach § 321a ZPO " erhoben und die Fortsetzung des Verfahrens, insbesondere die Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragt. Zur Begründung hat er ausgeführt, der Vortrag des Gläubigers in seiner Beschwerdebegründung sei vollständig ignoriert worden. In dieser habe er sich auf einen Beschluss des Landgerichts D. vom 18. Juni 2019 - Az. - berufen. Dieser betreffe ein Parallelverfahren, in dem das Landgericht D. eine mit identischem Wortlaut vorgenommene Arrestpfändung für wirksam erachtet habe. Aufgrund der gegenläufigen Beurteilung dieser Frage habe die Sache grundsätzliche Bedeutung.

Das Beschwerdegericht (Einzelrichter) hat daraufhin mit Beschluss vom 22. Oktober 2019 die Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen, da das Landgericht D. den Arrestpfändungsbeschluss für wirksam erachtet habe.

Mit seiner Rechtsbeschwerde begehrt der Gläubiger die Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse und den Erlass des beantragten Überweisungsbeschlusses.

II.

Das Verfahren ist nicht, soweit es hierauf ankommen sollte, nach § 352 Abs. 1 Satz 1 InsO aufgrund der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin in Liechtenstein unterbrochen, wobei in diesem Zusammenhang die Anerkennungsfähigkeit des liechtensteinischen Konkursverfahrens im Inland (vgl. § 343 InsO ) dahinstehen kann. Die prozessunterbrechende Wirkung des § 352 Abs. 1 Satz 1 InsO , der auf im Ausland eröffnete Insolvenzverfahren bezogen ist, geht nicht weiter als die prozessunterbrechende Wirkung des auf im Inland eröffnete Insolvenzverfahren bezogenen § 240 Satz 1 ZPO , dem er nachgebildet ist (vgl. BT-Drucks. 15/16, S. 24; vgl. ferner BGH, Beschluss vom 31. Januar 2019 - I ZB 114/17 Rn. 12, NZI 2019, 423 Kaffeekapsel). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 28. März 2007 - VII ZB 25/05 Rn. 8 ff., BGHZ 172, 16 ; Beschluss vom 12. Dezember 2007 - VII ZB 108/06 Rn. 7, NJW 2008, 918 ) ist § 240 ZPO bei Pfändungsmaßnahmen im Rahmen der Zwangsvollstreckung nicht anwendbar. Ob im Übrigen infolge der Eröffnung des Konkursverfahrens (vgl. Art. 16 Abs. 1 der Liechtensteinischen Konkursordnung ) die Masseverwalterin - als Verfahrenspartei kraft Amtes - anstelle der Schuldnerin Beteiligte des Zwangsvollstreckungsverfahrens geworden ist (vgl. Oberhammer/Schwaighofer in Kindler/Nachmann, Handbuch Insolvenzrecht in Europa, 5. Ergänzungslieferung, Länderbericht Liechtenstein Rn. 172), kann angesichts des Umstands, dass die Rechtsbeschwerde schon mangels Zulässigkeit erfolglos bleiben muss, auf sich beruhen.

III.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht statthaft und daher als unzulässig zu verwerfen.

1. Nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO ist gegen einen Beschluss die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn das Beschwerdegericht sie in dem angefochtenen Beschluss ausdrücklich zugelassen hat, sei es im Tenor oder in den Gründen (BGH, Beschluss vom 29. April 2013 - VII ZB 54/11 Rn. 8 m.w.N., NJW 2013, 2124 ). Diese Voraussetzung liegt nicht vor, da der Beschluss vom 8. Oktober 2019 keinen Ausspruch der Zulassung der Rechtsbeschwerde enthält. Schweigt das Beschwerdegericht zur Frage der Zulassung, ist die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen (BGH, Beschluss vom 12. März 2009 - IX ZB 193/08 Rn. 10, NJW-RR 2009, 1349 ). Dies würde auch dann gelten, wenn das Beschwerdegericht die Möglichkeit der Zulassung gar nicht bedacht hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juni 2016 - IX ZB 92/15 Rn. 3, NJW-RR 2016, 955 ; Beschluss vom 12. März 2009 - IX ZB 193/08 Rn. 7 ff., NJW-RR 2009, 1349 ).

2. Die auf die Anhörungsrüge des Gläubigers nachträglich isoliert ausgesprochene Zulassung der Rechtsbeschwerde bindet den Senat - ungeachtet der fehlenden Zulassungsbefugnis des Einzelrichters (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2018 - VII ZB 45/18 Rn. 9, NJW-RR 2019, 446 ; Beschluss vom 18. September 2018 - VI ZB 34/17 Rn. 5, NJW-RR 2018, 1460 ; Beschluss vom 2. Dezember 2015 - VII ZB 41/15 Rn. 7, jeweils m.w.N.) - entgegen § 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO nicht. Die nachträgliche Zulassung ist unwirksam.

a) Unwirksam ist eine prozessual nicht vorgesehene nachträgliche Zulassungsentscheidung, weil sie die Bindung des Gerichts an seine eigene Entscheidung (§ 318 ZPO ) außer Kraft setzen würde (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2018 - IX ZB 31/18 Rn. 14 f., BGHZ 220, 90 ). Dies gilt auch, wenn das Beschwerdegericht seine Entscheidung, die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen, verfahrensfehlerhaft aufgrund einer Anhörungsrüge nach § 321a ZPO ändert (BGH, Beschluss vom 9. Juni 2016 - IX ZB 92/15 Rn. 4 m.w.N., NJW-RR 2016, 955 ).

Die Anhörungsrüge räumt dem Gericht keine umfassende Abhilfemöglichkeit ein, sondern dient allein der Behebung von Verstößen gegen die grundgesetzliche Garantie des rechtlichen Gehörs. Die unterbliebene Zulassung der Rechtsbeschwerde als solche kann den rechtlichen Anspruch auf rechtliches Gehör nicht verletzen, es sei denn, auf die Zulassungsentscheidung bezogener Vortrag der Parteien ist verfahrensfehlerhaft übergangen worden (vgl. zur Revision: BGH, Urteil vom 4. März 2011 - V ZR 123/10 Rn. 6, NJW 2011, 1516 ). Art. 103 Abs. 1 GG soll sichern, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die auf mangelnder Kenntnisnahme oder Erwägung des Sachvortrags beruhen. Sein Schutzbereich ist auf das von dem Gericht einzuhaltende Verfahren, nicht aber auf die Kontrolle der Entscheidung in der Sache gerichtet (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Februar 2018 - XII ZB 634/17 Rn. 8, NJW-RR 2018, 900 ; zur Revision: Urteil vom 16. September 2014 - VI ZR 55/14 Rn. 9, MDR 2014, 1338 ). Eine nachträgliche Zulassung der Rechtsbeschwerde aufgrund einer Anhörungsrüge gemäß § 321a ZPO ist nur dann ausnahmsweise zulässig, wenn das Beschwerdegericht bei seiner ursprünglichen Entscheidung über die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde bezogen auf die Zulassungsentscheidung das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers verletzt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juni 2016 - IX ZB 92/15 Rn. 4 ff., NJW-RR 2016, 955 ) oder wenn das Verfahren aufgrund eines Gehörsverstoßes gemäß § 321a Abs. 5 ZPO fortgesetzt wird und sich erst aus dem anschließend gewährten rechtlichen Gehör ein Grund für die Zulassung ergibt (vgl. zur Revision: BGH, Urteil vom 1. Dezember 2011 - IX ZR 70/10 Rn. 8, MDR 2012, 245 ).

b) Ein solcher Gehörsverstoß liegt nicht vor.

Es ist weder in dem Beschluss vom 22. Oktober 2019 begründet noch sonst ersichtlich, dass das Beschwerdegericht in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch des Gläubigers auf rechtliches Gehör verletzt hätte. Das Beschwerdegericht hat offensichtlich keinen Vortrag übergangen, der für die Zulassungsentscheidung erheblich war. Es hat sich in seinem Beschluss vom 8. Oktober 2019 mit der zentralen Frage der Beschwerde auseinandergesetzt, ob die im Arrestbefehl des Landgerichts D. vom 13. Juni 2017 ausgesprochene Arrestpfändung wirksam ist und diese verneint, weil das Urteil kein Arrestatorium enthalte. Es hat damit die gleiche Fragestellung wie das Landgericht D. in einem Parallelverfahren zu einer mit identischem Wortlaut vorgenommenen Arrestpfändung thematisiert; diesen Beschluss hatte der Gläubiger seiner Beschwerde als Anlage beigefügt.

Dass das Beschwerdegericht möglicherweise die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erst auf die Anhörungsrüge des Gläubigers erwogen hat, stellt als solchen keinen Gehörsverstoß, sondern allenfalls einen einfachen Verfahrensfehler dar.

3. Das Beschwerdegericht war nicht aus anderen Gründen berechtigt, seine getroffene Entscheidung, die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen, nachträglich abzuändern. Weder hat die Nichtzulassung den Gläubiger willkürlich in seinen Verfahrensgrundrechten verletzt, noch war das Beschwerdegericht berechtigt, seinen verfahrensabschließenden Beschluss zu berichtigen oder um die Zulassung der Rechtsbeschwerde zu ergänzen.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO .

Vorinstanz: AG Leipzig, vom 26.08.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 440 M 10922/19
Vorinstanz: LG Leipzig, vom 08.10.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 7 T 523/19