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BGH - Entscheidung vom 30.04.2020

I ZB 101/19

Normen:
MarkenG § 8 Abs. 2 Nr. 1
MarkenG § 83 Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 6
GG Art. 103 Abs. 1

BGH, Beschluss vom 30.04.2020 - Aktenzeichen I ZB 101/19

DRsp Nr. 2020/9009

Schutzfähigkeit und Unterscheidungskraft der ins Register eingetragenen Wortmarke "Bro-Secco" hinsichtlich Löschung der Marke auf Antrag; Kenntnisnahme des Vortrags des Markeninhabers durch das Gericht zum Vorliegen einer Markenserie bzgl. Versagung des rechtlichen Gehörs

1. Liegt der behauptete Gehörsverstoß in der Verletzung einer Hinweispflicht, muss die Rüge ausführen, wie die betreffende Partei auf einen entsprechenden Hinweis reagiert hätte, insbesondere was sie im Einzelnen vorgetragen und welche rechtlichen Ausführungen sie in diesem Fall gemacht hätte. 2. Eine Verletzung der Pflicht zur Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union stellt eine Versagung des rechtlichen Gehörs im markenrechtlichen Sinn dar, wenn das Bundespatentgericht entscheidungserhebliches Vorbringen übergangen hat, mit dem der Beschwerdeführer geltend gemacht hat, der Streitfall werfe eine Zweifelsfrage zur Auslegung des Unionsrechts auf, so dass entweder die Rechtsbeschwerde zuzulassen oder die Sache dem Gerichtshof der Europäischen Union vorzulegen sei.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den am 10. Oktober 2019 an Verkündungs Statt zugestellten Beschluss des 26. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Markeninhaberin zurückgewiesen.

Normenkette:

MarkenG § 8 Abs. 2 Nr. 1 ; MarkenG § 83 Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 6 ; GG Art. 103 Abs. 1 ;

Gründe

I. Seit dem 23. August 2004 ist unter der Nummer 304 06 107 die Wortmarke

Bro-Secco

unter anderem für Waren der

Klasse 32: Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke, Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken

Klasse 33: alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)

in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register eingetragen.

Der Antragsteller zu 1 (im Folgenden: Antragsteller) hat - zusammen mit dem am Rechtsbeschwerdeverfahren nicht beteiligten Antragsteller zu 2 - unter dem 12. Oktober 2012 die Löschung der Marke wegen des Bestehens absoluter Schutzhindernisse beantragt. Das Deutsche Patent- und Markenamt hat diesen Antrag mit Beschluss vom 17. Februar 2014 zurückgewiesen. Das Bundespatentgericht hat auf die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers die Löschung der Marke für die genannten Waren mit Ausnahme von Mineralwässern angeordnet (BPatG, Beschluss vom 10. Oktober 2019 - 26 W [pat] 25/14, juris).

Hiergegen richtet sich die nicht zugelassene Rechtsbeschwerde der Markeninhaberin, mit der sie die Versagung rechtlichen Gehörs und einen Begründungsmangel rügt.

II. Das Bundespatentgericht hat angenommen, der Eintragung der angegriffenen Wortmarke "Bro-Secco" habe bereits zum Anmeldezeitpunkt in Bezug auf die Waren "Biere; kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke, Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken" sowie "alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)" das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegengestanden. Die angesprochenen Verkehrskreise fassten sie als geringfügige Abwandlung der bekannten beschreibenden Angabe "Prosecco", nicht aber als betrieblichen Herkunftshinweis auf. Das Eintragungshindernis der fehlenden Unterscheidungskraft habe auch noch bis zum Entscheidungszeitpunkt fortbestanden. Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union bedürfe es nicht.

III. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1. Ihre Statthaftigkeit folgt daraus, dass im Gesetz aufgeführte, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnende Verfahrensmängel gerügt werden. Die Rechtsbeschwerde beruft sich auf eine Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG ) und auf einen Begründungsmangel (§ 83 Abs. 3 Nr. 6 MarkenG ). Diese Rügen hat die Rechtsbeschwerde im Einzelnen begründet. Auf die Frage, ob die erhobenen Rügen durchgreifen, kommt es für die Statthaftigkeit des Rechtsmittels nicht an (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 6. Juli 2017 - I ZB 59/16, GRUR 2018, 111 Rn. 7 = WRP 2018, 197 - PLOMBIR, mwN; Beschluss vom 9. Mai 2018 - I ZB 68/17, MarkenR 2018, 389 Rn. 6; Beschluss vom 17. Oktober 2019 - I ZB 14/19, juris Rn. 5).

2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet, weil die gerügten Verfahrensmängel nicht vorliegen.

a) Das Verfahren vor dem Bundespatentgericht verletzt die Markeninhaberin nicht in ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG , Art. 103 Abs. 1 GG ).

aa) Die Rechtsbeschwerde rügt ohne Erfolg, das Bundespatentgericht sei ohne vorherigen Hinweis von einer zuvor mitgeteilten Rechtsansicht zur Unterscheidungskraft der angegriffenen Marke in Bezug auf die angemeldeten Waren abgewichen.

(1) Die Rechtsbeschwerde macht geltend, das Bundespatentgericht sei nach dem Inhalt seines Hinweises vom 17. Oktober 2017 der Ansicht gewesen, die angesprochenen Verkehrskreise nähmen die angegriffene Marke "Bro-Secco" im Anmeldezeitpunkt als Fantasiebezeichnung und nicht als "Prosecco" wahr. In einem weiteren Hinweis vom 20. Dezember 2018 habe das Bundespatentgericht mitgeteilt, es ziehe in Erwägung, die angegriffene Marke zumindest für die Waren "alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)" als schutzunfähig anzusehen. Mit dem angegriffenen Beschluss habe das Bundespatentgericht sodann die Löschung der Marke mit Ausnahme der Ware "Mineralwässer" für sämtliche angemeldeten Waren der Klasse 32 und 33 angeordnet. Die Markeninhaberin habe ohne einen weiteren Hinweis nicht damit rechnen müssen, dass ihre Marke auch hinsichtlich der Waren "nichtalkoholische Getränke" in Gefahr sei.

(2) Diese Rüge ist bereits nicht ordnungsgemäß erhoben.

Liegt der behauptete Gehörsverstoß in der Verletzung einer Hinweispflicht, muss die Rüge ausführen, wie die betreffende Partei auf einen entsprechenden Hinweis reagiert hätte, insbesondere was sie im Einzelnen vorgetragen und welche rechtlichen Ausführungen sie in diesem Fall gemacht hätte. Denn nur hierdurch wird das Rechtsbeschwerdegericht in die Lage versetzt zu beurteilen, ob die angefochtene Entscheidung auf dem Gehörsverstoß beruht (BGH, Beschluss vom 24. April 2008 - I ZB 72/07, GRUR 2008, 1126 Rn. 12 = WRP 2008, 1550 - Weisse Flotte, mwN).

Die Rechtsbeschwerde führt nicht hinreichend aus, wie die Markeninhaberin auf einen entsprechenden Hinweis reagiert und was sie im Einzelnen vorgetragen hätte. Ihr Hinweis, die Markeninhaberin hätte weiteren vertiefenden Vortrag dazu gehalten, weshalb im Bereich der nicht-alkoholischen Getränke einem sich klanglich an den beschreibenden Begriff "Prosecco" anlehnendes Kennzeichen nicht die Unterscheidungskraft fehle, reicht dafür nicht aus. Ihr Vorbringen, dies liege ohnehin auch auf der Hand, ersetzt einen solchen Vortrag nicht.

(3) Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt auch deshalb nicht vor, weil die Markeninhaberin aus dem beanstandeten zweiten Hinweisbeschluss des Bundespatentgerichts nicht den Schluss ziehen durfte, ihre Marke sei hinsichtlich der Waren "nichtalkoholische Getränke" nicht in Gefahr. Das Bundespatentgericht hat in diesem Beschluss darauf hingewiesen, es ziehe in Erwägung, die angegriffene Marke "zumindest" für die Waren "alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)" als schutzunfähig anzusehen. Es hat damit hinreichend deutlich zu erkennen gegeben, dass der Löschungsantrag nach seiner Auffassung auch in weitergehendem Umfang Erfolg haben könnte.

bb) Eine Versagung des rechtlichen Gehörs liegt auch nicht darin, dass das Bundespatentgericht nicht erwogen hätte, die Sache dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vorzulegen.

(1) Eine Verletzung der Pflicht zur Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV stellt eine Versagung des rechtlichen Gehörs im Sinne des § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG dar, wenn das Bundespatentgericht entscheidungserhebliches Vorbringen übergangen hat, mit dem der Beschwerdeführer geltend gemacht hat, der Streitfall werfe eine Zweifelsfrage zur Auslegung des Unionsrechts auf, so dass entweder die Rechtsbeschwerde gemäß § 83 Abs. 2 MarkenG zuzulassen oder die Sache gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV dem Gerichtshof der Europäischen Union vorzulegen sei (vgl. BGH, Beschluss vom 3. April 2014 - I ZB 6/12, GRUR 2014, 1132 Rn. 19 = WRP 2014, 1320 - Schwarzwälder Schinken; Beschluss vom 9. November 2017 - I ZB 17/17, juris Rn. 20).

(2) Die Rechtsbeschwerde zeigt keinen solchen Gehörsverstoß auf. Das Bundespatentgericht hat die von der Markeninhaberin formulierte Vorlagefrage in dem angefochtenen Beschluss wiedergegeben und außerdem eingehend dargetan, dass es diese Frage durch die Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union "Koninklije KPN Nederland (Postkantoor)" (Urteil vom 12. Februar 2004 - C-363/99, Slg. 2004, 1619 = GRUR 2004, 674 ) und "Campina Melkunie (BIOMILD)" (Urteil vom 12. Februar 2004 - C-265/00, Slg. 2004, 1699 = GRUR 2004, 680 ) als geklärt ansehe. Es hat ausgeführt, dass die vom Gerichtshof der Europäischen Union postulierten Anforderungen an die Schutzfähigkeit von sich aus einem Wort mit mehreren Bestandteilen zusammensetzenden Marken allgemein für alle Wortmarken und damit auch für die angegriffene Marke gelten würden. Soweit die Rechtsbeschwerde ausführt, die Begründung, mit der das Bundespatentgericht eine Vorlagepflicht verneint habe, trage nicht, liegt darin keine schlüssige Behauptung eines Gehörsverstoßes.

cc) Die Rechtsbeschwerde macht ohne Erfolg geltend, das Bundespatentgericht habe den Vortrag der Markeninhaberin zum Vorliegen einer aus der angegriffenen Marke und den weiteren Marken "Bro-Vivre" und "Bro-Seccolo" bestehenden, jeweils das Präfix "Bro" enthaltenden Markenserie nicht hinreichend berücksichtigt. Die Markeninhaberin habe vorgetragen, diese Marken seien nicht nur eingetragen, sondern auch umfangreich benutzt worden.

(1) Das Bundespatentgericht hat angenommen, es könne nicht erwartet werden, dass der Verkehr aus den vorangestellten drei Buchstaben "Bro" sicher auf den mittelständischen Betrieb der Markeninhaberin schließe. Auch könne nicht davon ausgegangen werden, dass dem Verkehr zum Anmeldezeitpunkt im Jahr 2004 die weiteren eingetragenen Wortmarken der Markeninhaberin geläufig gewesen seien.

(2) Aus diesen Ausführungen geht hervor, dass das Bundespatentgericht den Vortrag der Markeninhaberin zum Vorliegen einer Markenserie zur Kenntnis genommen hat. Es hat sich zwar nicht ausdrücklich mit der von der Rechtsbeschwerde hervorgehobenen Behauptung der Markeninhaberin befasst, diese Marken seien umfangreich benutzt worden. Der Vortrag der Markeninhaberin, auf den sich die Rechtsbeschwerde bezieht, erschöpft sich jedoch in dieser Behauptung. Die Markeninhaberin hat sich zur Glaubhaftmachung in diesem Zusammenhang ausschließlich auf Registerauszüge gestützt. Unter diesen Umständen stellt es keinen Gehörsverstoß dar, wenn das Bundespatentgericht feststellt, dass der angesprochene Verkehr die Marken der Markeninhaberin nicht als Serienzeichen erkennt. Dies gilt umso mehr, als die Markeninhaberin in diesem Zusammenhang außerdem vorgetragen hat, der angesprochene Verkehr werde das Präfix "Bro" als englische Kurzform für "Bruder", "Bruderherz" oder "Kumpel" verstehen, und sich hierfür auf den Erfolg der Popgruppe "Bro'Sis" berufen hat.

b) Die angegriffene Entscheidung leidet auch nicht unter einem Begründungsmangel im Sinne von § 83 Abs. 3 Nr. 6 MarkenG .

aa) Die Rechtsbeschwerde rügt, die Beschlussbegründung beruhe in mehrfacher Weise auf bloßen Annahmen, die das Bundespatentgericht nicht belegt habe. Das Bundespatentgericht habe nicht dargelegt, wie es zu seiner Auffassung gelangt sei, dass die Marke sich in Bezug auf die Waren "alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)" in der beschreibenden Angabe erschöpfe, dass für deren Herstellung die Rebsorte "Prosecco" verwendet werde oder dass es sich um italienischen Perl-, Schaum- oder Stillwein handele. Es erschließe sich auch nicht, weshalb die angesprochenen Verkehrskreise bei Bieren davon ausgehen sollten, dass es sich auch bei diesen um "Prosecco" handele. Das Bundespatentgericht habe nicht mitgeteilt, wie es zu seiner Auffassung gelangt sei, die angesprochenen Verkehrskreise würden die Marke in diesem Kontext als Hinweis auf ein aromatisiertes Mischgetränk oder als Hinweis auf die besondere Spritzigkeit des Biergetränks auffassen. Dies gelte auch für seine Auffassung, die Klagemarke werde als ein Sachhinweis auf ein Mixgetränk oder Getränkepräparat mit dem Saft oder dem Aroma der Prosecco-Traube oder mit spritzig perlenden, Schaumwein ähnlichen Eigenschaften verstanden.

bb) Der von der Rechtsbeschwerde geltend gemachte Begründungsmangel liegt nicht vor.

(1) Die Vorschrift des § 83 Abs. 3 Nr. 6 MarkenG soll allein den Anspruch der Beteiligten auf Mitteilung der Gründe sichern, aus denen ihr Rechtsbegehren keinen Erfolg hat. Es kommt deshalb nur darauf an, ob erkennbar ist, welcher Grund für die Entscheidung maßgebend gewesen ist; dies kann auch bei lückenhafter und unvollständiger Begründung der Fall sein. Nicht entscheidend ist, ob die Beurteilung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht fehlerfrei ist. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Entscheidungsgründe nach § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG in Verbindung mit § 313 Abs. 3 ZPO nur eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen enthalten müssen. Dem Erfordernis einer Begründung ist daher schon dann genügt, wenn die Entscheidung zu jedem selbständigen Angriffs- und Verteidigungsmittel Stellung nimmt (BGH, MarkenR 2018, 389 Rn. 18, mwN).

(2) Danach liegt kein Begründungsmangel vor. Das Bundespatentgericht hat mit den von der Rechtsbeschwerde beanstandeten Passagen des angefochtenen Beschlusses begründet, weshalb seiner Ansicht nach das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG vorliegt. Soweit sich die Rechtsbeschwerde der Sache nach gegen die sachliche Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung wendet, steht diese hier nicht zur Überprüfung.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 Abs. 2 Satz 1 MarkenG .

Vorinstanz: BPatG, vom 10.10.2019 - Vorinstanzaktenzeichen (pat) 25/14