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BGH - Entscheidung vom 30.04.2020

StB 17/17

Normen:
HmbSOG § 13 Abs. 1 Nr. 2

BGH, Beschluss vom 30.04.2020 - Aktenzeichen StB 17/17

DRsp Nr. 2020/8416

Rechtsschutz gegen eine Ingewahrsamnahme im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel in Hamburg im Juli 2017

Wurde ein im Rahmen des G20-Gipfels 2017 gerichtlich angeordneter Gewahrsam nicht vollzogen, da der Betroffene bereits nach der Ausgangsentscheidung des Gerichts freigelassen worden und seitdem nicht mehr erreichbar war, so kann die Anordnung der Freiheitsentziehung kein berechtigtes Feststellungsinteresse begründen. Anders als in den Fällen der so genannten Vorratshaft bestand für den Betroffenen nach Erledigung der angefochtenen Entscheidung nicht mehr die Gefahr eines unberechtigten Vollzugs des Gewahrsams, da dessen Dauer auf einen bestimmten Zeitraum mit einem konkret datierten Endzeitpunkt festgelegt war.

Tenor

1.

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 3. Juli 2017 wird verworfen.

2.

Der Betroffene hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

3.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Normenkette:

HmbSOG § 13 Abs. 1 Nr. 2;

Gründe

I.

1. Der Betroffene ist am 22. Juni 2017 in H. im Vorfeld des dort am 7. und 8. Juli 2017 abgehaltenen Treffens der Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20-Gipfel) in polizeilichen Gewahrsam genommen worden.

Den Antrag der beteiligten Behörde, ihm gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 2 HmbSOG die Freiheit bis zum 2. Juli 2017, 12:00 Uhr, zu entziehen, hat das Amtsgericht Hamburg am 23. Juni 2017 zurückgewiesen. Daraufhin ist der Betroffene aus dem Gewahrsam entlassen worden. Im Nachgang hat die beteiligte Behörde ein Aufenthaltsverbot nach § 12b Abs. 2 HmbSOG gegen ihn ausgesprochen und eine Meldeauflage gemäß § 3 Abs. 1 HmbSOG verhängt.

Auf die Beschwerde der beteiligten Behörde hat das Landgericht Hamburg mit Beschluss vom 3. Juli 2017 zum einen deren Antrag auf Feststellung, dass die beim Amtsgericht beantragte Fortdauer der Ingewahrsamnahme berechtigt gewesen wäre, mangels Feststellungsinteresses zurückgewiesen. Zum anderen hat es auf weiteren Antrag der beteiligten Behörde die Freiheitsentziehung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 2 SOG bis längstens zum 9. Juli 2017, 18:00 Uhr, gegen den Betroffenen angeordnet. Die Anordnung ist in der Folgezeit jedoch nicht vollzogen worden, da der Betroffene nach seiner Entlassung aus dem Gewahrsam am 23. Juni 2017 nicht mehr erreichbar war.

2. Mit seiner Rechtsbeschwerde wendet sich der Betroffene gegen den Beschluss des Landgerichts. Er beantragt,

die Entscheidung, soweit sie zu seinem Nachteil ergangen ist, aufzuheben und festzustellen, dass die Anordnung des Gewahrsams ihn in seinen Rechten verletzt habe.

II.

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist unzulässig.

Sein Antrag ist dahin auszulegen, dass er allein auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der vom Beschwerdegericht angeordneten Freiheitsentziehung gerichtet ist; dem "weiteren" Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Beschlusses kommt daneben keine eigenständige Bedeutung zu (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 9. Juni 2011 - V ZB 26/11, juris Rn. 5). Für das so zu verstehende Begehren mangelt es dem Betroffenen an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis; es ergibt sich insbesondere nicht aus § 62 FamFG .

1. Insoweit gilt:

a) Die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde richtet sich nach den Vorschriften der §§ 70 ff. FamFG , weil nach der im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 2 VwGO abdrängenden Sonderzuweisung des § 13a Abs. 2 Satz 2 HmbSOG für das Verfahren über den Gewahrsam gemäß § 13 HmbSOG das Buch 7 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ( FamFG ) in der jeweils geltenden Fassung heranzuziehen ist. In diesem Buch, welches das Verfahren in bundesrechtlich angeordneten Freiheitsentziehungen zum Gegenstand hat, sind zwar die Rechtsmittel - mit Ausnahme der ergänzenden Vorschrift des § 429 FamFG - nicht gesondert geregelt. Indes finden die §§ 70 ff. FamFG als - im Buch 1 enthaltene - allgemeine Vorschriften Anwendung auf die in den weiteren Büchern normierten Verfahren (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. September 2016 - StB 26/16, NStZ-RR 2017, 24 ; vom 19. April 2018 - StB 5/18, NStZ-RR 2018, 262 f.; ferner Prütting/Helms/Drews, FamFG , 4. Aufl., § 429 Rn. 1; Grotkopp in Bahrenfuss, FamFG , 3. Aufl., § 429 Rn. 16).

b) Voraussetzung für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde gemäß §§ 70 ff. FamFG ist, dass der Rechtsmittelführer ein Rechtsschutzbedürfnis hat. Dies ist der Fall, wenn er durch die angefochtene Entscheidung beschwert ist und die Beseitigung der Beschwer erstrebt. Bezieht sich das Rechtsmittel auf einen Verfahrensgegenstand, der sich in der Hauptsache zwischenzeitlich erledigt hat, ist das Rechtsschutzbedürfnis grundsätzlich zu verneinen, weil mit der Erledigung regelmäßig die Beschwer entfällt und das Rechtsmittel nur noch der Klärung einer ansonsten nicht bedeutsamen Rechtsfrage dienen würde (s. Bork/Jacoby/Schwab/Müther, FamFG , 3. Aufl., § 62 Rn. 1). Der Rechtsmittelführer erhielte durch die Entscheidung des angerufenen Gerichts lediglich noch Auskunft über die Rechtslage, ohne dass damit eine wirksame Regelung der tatsächlichen Verhältnisse getroffen werden könnte (vgl. BT-Drucks. 16/6308, S. 205). In Anbetracht dessen ist das Rechtsschutzbedürfnis in solchen Fällen nur ausnahmsweise gegeben, wenn die Voraussetzungen des § 62 FamFG erfüllt sind.

aa) Mit der Regelung des § 62 FamFG hat der Gesetzgeber die frühere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum nachträglichen Rechtsschutz in Freiheitsentziehungssachen aufgegriffen (vgl. BT-Drucks. 16/6308, S. 205; BVerfG, Beschluss vom 5. Dezember 2001 - 2 BvR 527/99 u.a., BVerfGE 104, 220 , 231 ff.). Nach Absatz 1 kann im Fall der Erledigung der Hauptsache ausnahmsweise nachträglich auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung angetragen werden, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat. Nach Absatz 2 besteht ein solches Interesse, falls entweder ein schwerwiegender Grundrechtseingriff vorliegt oder eine Wiederholung konkret zu erwarten ist.

bb) Ein schwerwiegender Grundrechtseingriff ist grundsätzlich gegeben, wenn die Freiheit des Betroffenen beeinträchtigt ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Dezember 2001 - 2 BvR 527/99 u.a., BVerfGE 104, 220 , 232 f.; Haußleiter/Heidebach, FamFG , 2. Aufl., § 429 Rn. 14; Keidel/Göbel, FamFG , 20. Aufl., § 62 Rn. 22). Allerdings besteht ein berechtigtes Feststellungsinteresse mit Blick auf die geforderte Schwere der Grundrechtsverletzung nach ständiger Rechtsprechung und der im Schrifttum vorherrschenden Auffassung nur dann, wenn durch die angefochtene Entscheidung tatsächlich in die Freiheit des Betroffenen eingegriffen wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. August 2012 - V ZB 255/11, juris Rn. 5; vom 7. Februar 2019 - V ZB 216/17, juris Rn. 6 f., jeweils mwN; Keidel/Göbel, FamFG , 20. Aufl., § 62 Rn. 20; Prütting/Helms/Drews, FamFG , 4. Aufl., § 429 Rn. 8, jeweils mwN). Dies ist regelmäßig der Fall, wenn ihm die Freiheit entzogen wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Dezember 2001 - 2 BvR 527/99 u.a., BVerfGE 104, 220 , 233 ff.). Demgegenüber liegt allein in der Anordnung einer solchen Maßnahme ohne anschließenden Vollzug - etwa weil der Betroffene in dem von der Haftanordnung erfassten Zeitraum aus anderen Gründen (z.B. Straf- oder Untersuchungshaft) inhaftiert war (vgl. BGH, Beschluss vom 30. August 2012 - V ZB 255/11, juris Rn. 5) oder sich nicht (mehr) in Haft befand (BGH, Beschlüsse vom 11. Oktober 2012 - V ZB 154/11, juris Rn. 16; vom 7. Februar 2019 - V ZB 216/17, juris Rn. 6 f.) - grundsätzlich kein tiefgreifender Grundrechtseingriff (vgl. Keidel/Göbel, FamFG , 20. Aufl., § 62 Rn. 20; Prütting/Helms/Drews, FamFG , 4. Aufl., § 429 Rn. 8; jeweils mwN). Nur ausnahmsweise begründet die nicht vollzogene Anordnung der Freiheitsentziehung ein berechtigtes Feststellungsinteresse, wenn nämlich der Betroffene bereits durch sie beschwert ist. Dies ist etwa beim Versuch seiner Festnahme auf Grund der Anordnung anzunehmen (vgl. KG, Beschluss vom 30. September 2008 - 1 W 225/07, juris Rn. 7 [Rehabilitierungsinteresse und Wiederholungsgefahr]), sowie ferner im Fall der so genannten Vorratshaft, bei der dem Betroffenen der Vollzug der Anordnung trotz deren rechtlicher Unwirksamkeit droht (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom 1. April und 9. Juni 2011 - V ZB 26/11, juris; vom 20. Oktober 2016 - V ZB 167/14, juris Rn. 13).

cc) Der Anwendungsbereich des § 62 FamFG erstreckt sich auch auf die Rechtsbeschwerde in Freiheitsentziehungssachen nach § 13 HmbSOG.

(1) Zwar ist § 62 FamFG gesetzessystematisch in den Regelungen über die Beschwerde verortet und stellt seinem Wortlaut nach nur auf dieses Rechtsmittel ab; jedoch ist die Vorschrift auf die Rechtsbeschwerde entsprechend anzuwenden. Das gilt nicht nur, wenn sich die Hauptsache zwischen Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeentscheidung erledigt hat, sondern auch dann, wenn die Erledigung bereits zuvor eingetreten war (s. BGH, Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, NVwZ 2010, 726 , 727; Bork/Jacoby/Schwab/Müther, FamFG , 3. Aufl., § 62 Rn. 10).

(2) Die weitergehende Regelung des § 13a Abs. 2 Satz 3 HmbSOG, der zufolge im Fall einer - wie hier - nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 HmbSOG beantragten Freiheitsentziehung das Beschwerdeverfahren auch nach Fortfall der Beschwer stets zulässig ist (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 21. Mai 1997 - 2 Wx 16/97, NJW 1998, 2231 ), steht der Anwendung des § 62 FamFG auf die Rechtsbeschwerde nicht entgegen. § 13a Abs. 2 Satz 3 HmbSOG modifiziert die Zulässigkeitsvoraussetzungen im Rechtsmittelverfahren lediglich für die Beschwerde, nicht aber für die Rechtsbeschwerde.

(a) Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Norm, die nur die "Beschwerde" benennt.

(b) Daneben ist nicht ersichtlich, dass nach dem Willen des Landesgesetzgebers die Rechtsbeschwerde von dieser Vorschrift umfasst sein soll. Die Regelung wurde mit dem vierten Gesetz zur Änderung des Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Hamburg vom 20. Juni 1996 (HmbGVBl. S. 150) befristet auf vier Jahre geschaffen; mit dem fünften Gesetz zur Änderung des Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Hamburg vom 18. Juli 2001 (HmbGVBl. S. 217) wurde die zeitliche Begrenzung aufgehoben. Bei Verabschiedung dieser Gesetze richtete sich die abdrängende Sonderzuweisung des § 13a Abs. 2 Satz 2 HmbSOG auf das damals gültige Gesetz über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen ( FEVG ), das als Rechtsmittel gegen nach § 13a Abs. 1 HmbSOG ergangene richterliche Entscheidungen die sofortige Beschwerde gemäß § 7 FEVG i.V.m. §§ 19 ff. des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ( FGG ) - zum Landgericht - und die sofortige weitere Beschwerde nach §§ 27 ff. FGG - zum Oberlandesgericht - vorsah (vgl. Beaucamp/Ettemeyer/Rogosch/Stammer, Hamburger Sicherheits- und Ordnungsrecht, 2. Aufl., § 13a Rn. 10). Durch die in den Gesetzesmaterialien als "nicht systemgerecht" bezeichnete Regelung des § 13a Abs. 2 Satz 3 HmbSOG wollte der Landesgesetzgeber "Neuland betreten"; mit dem Verzicht auf das Erfordernis der Beschwer verfolgte er das Ziel, dass die "Rechtsprechung des Amtsgerichts durch die Rechtsprechung des Landgerichts und gegebenenfalls die des Hanseatischen Oberlandesgerichts vereinheitlicht wird" (Bürgerschafts-Drucks. 15/5177, S. 5).

Anlässlich der Abschaffung des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen ( FEVG ) und des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ( FGG ) sowie der Einführung des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ( FamFG ), das als statthaftes Rechtsmittel gegen Beschwerdeentscheidungen anstelle der sofortigen weiteren Beschwerde zum Oberlandesgericht nunmehr die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof vorsieht, hat der Landesgesetzgeber keine Anpassung des § 13a Abs. 2 Satz 3 HmbSOG vorgenommen, sondern lediglich die abdrängende Sonderzuweisung in § 13a Abs. 2 Satz 2 HmbSOG mit Blick auf Buch 7 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit redaktionell geändert (vgl. Bürgerschafts-Drucks. 20/1923, S. 8, 23). Daraus kann nicht geschlossen werden, dass § 13a Abs. 2 Satz 3 HmbSOG nun sowohl die Beschwerde nach §§ 58 ff. FamFG als auch die Rechtsbeschwerde gemäß §§ 70 ff. FamFG erfassen soll. Wäre dies der Wille des Landesgesetzgebers gewesen, wäre zu erwarten gewesen, dass er eine entsprechende Regelung getroffen hätte. Denn es lag für ihn auf der Hand, dass die Rechtsbeschwerde nicht ohne weiteres mit der vormaligen sofortigen weiteren Beschwerde nach dem Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gleichgesetzt werden kann (vgl. Zimmermann, Das neue FamFG , Rn. 183; ferner Kroiß/Seiler, Das neue FamFG , § 4 Rn. 57). Im Einzelnen:

Mit der Ersetzung der sofortigen weiteren Beschwerde durch die Rechtsbeschwerde hat der Bundesgesetzgeber das Rechtsmittelwesen substanziell reformiert. Den beiden Rechtsmitteln liegen verschiedene Zwecksetzungen zugrunde, mit der Folge, dass die jeweiligen Vorschriften unterschiedliche Anforderungen an die Zulässigkeit stellen und abweichende gerichtliche Zuständigkeiten begründen. Während die sofortige weitere Beschwerde gemäß §§ 27 ff. FGG den Beteiligten eine Nachprüfung der Rechtsanwendung in jedem Einzelfall durch das Oberlandesgericht eröffnete, soll die Rechtsbeschwerde die bundesweite Vereinheitlichung und Fortbildung des Rechts durch den Bundesgerichtshof gewährleisten (s. BT-Drucks. 16/6308, S. 167, 209). Dementsprechend war die sofortige weitere Beschwerde zulassungsfrei ausgestaltet und kannte - mit Ausnahme der Regelung in § 29 Abs. 1 Satz 2 FGG - keinen Anwaltszwang. Die Rechtsbeschwerde ist hingegen - unbeschadet des § 70 Abs. 3 FamFG - grundsätzlich nur statthaft, wenn sie aus einem der in § 70 Abs. 2 FamFG geregelten Gründe zugelassen worden ist, und erfordert nach § 10 Abs. 4 Satz 1 FamFG die Vertretung durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt. Mit der Reform des Rechtsmittelwesens wollte der Bundesgesetzgeber bewusst eine "Funktionsdifferenzierung" zwischen den allein auf den Einzelfall bezogenen Entscheidungen der Amts- und Landgerichte auf der einen sowie den über den Einzelfall hinauswirkenden Entscheidungen des Bundesgerichtshofs über Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf der anderen Seite erreichen (BT-Drucks. 16/6308, S. 209).

(c) Das vom Landesgesetzgeber angeführte Ziel des § 13a Abs. 2 Satz 3 HmbSOG, eine Vereinheitlichung der amtsgerichtlichen Rechtsprechung innerhalb Hamburgs herbeizuführen (vgl. Bürgerschafts-Drucks. 15/5177, S. 5), spricht daher nicht für eine Erstreckung der Regelung auf die Rechtsbeschwerde. Während nämlich der Bundesgerichtshof als Rechtsbeschwerdegericht über Grundsatzfragen zu befinden hat und nicht die Konsistenz der Rechtsanwendung in jedem Einzelfall kontrolliert, wird in Hamburg eine einheitliche Rechtsprechung schon dadurch gewährleistet, dass nur ein Gericht, das Landgericht Hamburg, zur Entscheidung über Beschwerden nach §§ 58 ff. FamFG berufen ist. Das gilt umso mehr, als in Verfahren über den Gewahrsam gemäß § 13 HmbSOG bereits erstinstanzlich die ausschließliche örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Hamburg besteht (§ 13a Abs. 2 Satz 1 HmbSOG).

(d) Nach alledem scheidet eine "korrigierende" Auslegung des unter der Geltung des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen und des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit erlassenen § 13a Abs. 2 Satz 3 HmbSOG mit Blick auf das nunmehr geltende Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit aus (vgl. auch BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2010 - StB 21/10, NStZ-RR 2011, 154 , 155).

2. Bei Anwendung der aufgezeigten rechtlichen Maßstäbe hat der Betroffene für das hiesige Rechtsbeschwerdeverfahren kein Rechtsschutzbedürfnis. Es fehlt an einem berechtigten Feststellungsinteresse gemäß § 62 Abs. 1 FamFG .

a) Ein schwerwiegender Grundrechtseingriff im Sinne des § 62 Abs. 2 Nr. 1 FamFG ist nicht gegeben. Das Recht des Betroffenen auf Freiheit ist hier nicht beeinträchtigt. Der Betroffene hat keinen Freiheitsentzug auf Grund der angefochtenen Entscheidung erlitten. Der vom Landgericht angeordnete Gewahrsam wurde nicht vollzogen, da der Betroffene bereits nach der Ausgangsentscheidung des Amtsgerichts freigelassen worden und seitdem nicht mehr erreichbar war. Es handelt sich auch nicht um eine Fallgestaltung, in der ausnahmsweise bereits die Anordnung der Freiheitsentziehung ein berechtigtes Feststellungsinteresse begründen kann. Anders als in den Fällen der so genannten Vorratshaft bestand für den Betroffenen nach Erledigung der angefochtenen Entscheidung nicht mehr die Gefahr eines unberechtigten Vollzugs des Gewahrsams, da dessen Dauer auf einen bestimmten Zeitraum mit einem konkret datierten Endzeitpunkt festgelegt war. Überdies knüpften an die Anordnung des Gewahrsams auch keine sonstigen Folgen an, die geeignet waren, ein Rehabilitationsinteresse des Betroffenen auszulösen; insbesondere wurde kein Versuch der Festnahme unternommen. Der Umstand, dass im Anschluss an die Entscheidung des Amtsgerichts ein Aufenthaltsverbot und eine Meldeauflage gegen den Betroffenen verhängt wurden, ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich, da diese Maßnahmen von der beteiligten Behörde außerhalb des Freiheitsentziehungsverfahrens nach §§ 13 , 13a HmbSOG i.V.m. §§ 415 ff. FamFG auf Grund der speziellen Vorschriften des Hamburgischen Sicherheits- und Ordnungsrechts ergriffen wurden.

b) Es liegt auch keine konkrete Wiederholungsgefahr im Sinne des § 62 Abs. 2 Nr. 2 FamFG vor. Gleichartige Entscheidungen des Landgerichts sind künftig nicht zu erwarten. Die Anordnung des Gewahrsams gegen den Betroffenen erging vielmehr in einer einzigartigen Ausnahmesituation. Sie diente dem Zweck, die Gefahr unmittelbar bevorstehender Straftaten des Betroffenen im Zusammenhang mit Protestaktionen gegen den am 7. und 8. Juli 2017 in H. ausgerichteten G20-Gipfel zu unterbinden (§ 13a Abs. 1 Nr. 2 HmbSOG).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG , die Festsetzung des Gegenstandswerts des Rechtsbeschwerdeverfahrens auf § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG .

Vorinstanz: LG Hamburg, vom 03.07.2017