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BGH - Entscheidung vom 12.05.2020

X ZB 5/18

Normen:
GebrMG § 18 Abs. 4
PatG § 100 Abs. 3 Nr. 3

BGH, Beschluss vom 12.05.2020 - Aktenzeichen X ZB 5/18

DRsp Nr. 2020/8323

Rechtsbeschwerde wegen der Verletzung rechtlichen Gehörs im Rechtsstreit um ein Gebrauchsmuster

Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist verletzt, wenn im Einzelfall deutlich wird, dass Vorbringen überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Nur wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von besonderer Bedeutung ist, nicht eingeht, lässt dies auf eine Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war. Ob die Bewertung des Patentgerichts zu einer technischen Lösung tatsächlich und rechtlich zutrifft, ist im Rahmen eines zulassungsfreien Rechtsbeschwerdeverfahrens nicht zu überprüfen.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 35. Senats (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 27. Februar 2018 wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.

Normenkette:

GebrMG § 18 Abs. 4 ; PatG § 100 Abs. 3 Nr. 3 ;

Gründe

I. Die Antragsgegnerin ist Inhaberin des mittlerweile durch Zeitablauf erloschenen Gebrauchsmusters 20 2008 018 219. Das Schutzrecht ist aus der europäischen Patentanmeldung 2 308 280 (Abzweigungsanmeldung) abgezweigt worden. Die Abzweigungsanmeldung ist eine Teilanmeldung aus der europäischen Patentanmeldung 2 157 846 (Stammanmeldung), die auf die internationale Anmeldung WO 2008/156419 (Ursprungsanmeldung) zurückgeht. Die Ursprungsanmeldung stammt vom 17. Juni 2008 und nimmt wie das Gebrauchsmuster die Priorität einer schwedischen Anmeldung vom 20. Juni 2007 in Anspruch.

Schutzanspruch 1 des Gebrauchsmusters hat folgenden Wortlaut:

"Streuanordnung (14), ausgebildet um hinter einem Strohhäcksler eines Mähdreschers (1) angeordnet zu werden, wobei die Streuanordnung zwei Streugebläse und ein Streuelement (14) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass das Streuelement keilförmig ist, im Wesentlichen zwischen und stromabwärts von den zwei Streugebläsen angeordnet ist, und schwenkbar zwischen einer ersten und einer zweiten äußeren Position ist, wobei das Streuelement angeordnet ist, um zwischen der ersten und zweiten äußeren Position zu oszillieren."

Die Antragstellerin, die von der Antragsgegnerin wegen Verletzung des Gebrauchsmusters gerichtlich in Anspruch genommen wird, hat beantragt, das Gebrauchsmuster wegen unzulässiger Erweiterung und fehlender Schutzfähigkeit zu löschen. Das Patentamt hat das Gebrauchsmuster gelöscht, soweit dessen Gegenstand über die Fassung eines von der Antragsgegnerin gestellten Hilfsantrags hinausgegangen ist.

Auf die hiergegen von der Antragsgegnerin eingelegte Beschwerde hat das Patentgericht den Beschluss des Patentamts aufgehoben und den Löschungsantrag sowie die Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen.

Mit ihrer vom Patentgericht nicht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin das Ziel einer gerichtlichen Feststellung der Unwirksamkeit des Gebrauchsmusters weiter. Die Antragsgegnerin tritt dem entgegen.

II. Das Rechtsmittel ist statthaft, da mit der Rechtsbeschwerde der eine Zulassung nicht voraussetzenden Grund der Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 18 Abs. 4 GebrMG i.V.m. § 100 Abs. 3 Nr. 3 PatG ) geltend gemacht wird, und auch sonst zulässig, aber nicht begründet. Das Recht der Antragstellerin auf rechtliches Gehör ist nicht verletzt worden.

1. Die Rechtsbeschwerde sieht einen Gehörsverstoß darin, dass sich das Patentgericht nicht hinreichend mit den Argumenten der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes auseinandergesetzt habe, wonach der Gegenstand des aus der Abzweigungsanmeldung hervorgegangenen europäischen Patents über den Inhalt der Ursprungsanmeldung hinausgehe.

Diese Rüge ist nicht begründet.

a) Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG ) ist verletzt, wenn im Einzelfall deutlich wird, dass Vorbringen überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Dabei ist aber grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, ohne dass es verpflichtet wäre, sich in den Gründen seiner Entscheidung mit jedem Vorbringen ausdrücklich zu befassen. Nur wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von besonderer Bedeutung ist, nicht eingeht, lässt dies auf eine Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (ständige Rechtsprechung: etwa BVerfG, Beschluss vom 26. November 2008 - 1 BvR 670/08, NJW 2009, 1584 Rn. 14; BGH, Beschluss vom 24. Juli 2007 - X ZB 17/05, GRUR 2007, 996 Rn. 11 - Angussvorrichtung für Spritzgießwerkzeuge; Beschluss vom 28. November 2011 - X ZB 6/11 GRUR 2013, 318 Rn. 9 - Sorbitol).

b) Der angefochtene Beschluss hält einer Überprüfung anhand dieses Maßstabs stand.

aa) Das Patentgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung aus11 geführt, nach dem Hauptanspruch der Ursprungsanmeldung werde zwar das Zusammenspiel zwischen Strohhäcksler und Streugebläse durch ein Führungselement verbessert, welches das Einbringen des den Häcksler verlassenden Strohs in die Streugebläse durch seine Bewegungsenergie antriebstechnisch unterstütze; der Gegenstand der Abzweigungsanmeldung und des Gebrauchsmusters, deren Ansprüche kein Führungselement mehr vorsähen, seien aber auf einen anderen technischen Sachverhalt gerichtet, der ebenfalls ursprungsoffenbart sei. Für den Fachmann sei ohne weiteres erkennbar gewesen, dass die Art und Weise der Beschickung der Streugebläse mit gehäckseltem Stroh durch das Führungselement die Arbeit des stromabwärts der Streugebläse angebrachten schwenkbeweglichen und oszillierenden Streuelements nicht beeinflusse. Zudem sei bereits in der Ursprungsanmeldung hinsichtlich eines Ausführungsbeispiels beschrieben, dass das Streuelement 14 für seine Funktionsweise und Konstruktion nicht von den Streugebläsen 8 abhängig sei (Ursprungsanmeldung S. 12 Z. 31 ff. = Gebrauchsmuster Abs. 41). Darin liege ein klarer Hinweis auf die technologische Eigenständigkeit und Unabhängigkeit dieses Bauteils.

Diese Begründung setzt sich in einer den Erfordernissen von Art. 103 Abs. 1 GG genügenden Weise mit der abweichenden Auffassung der Beschwerdekammer auseinander.

Das Patentgericht hat zur Kenntnis genommen, dass die Beschwerdekammer der genannten Stelle der Ursprungsanmeldung keinen Hinweis auf ein Führungsmittel oder auf die Möglichkeit, ein solches fortzulassen, entnommen und auch sonst eine Streuanordnung ohne Führungselement nicht als in der Ursprungsanmeldung offenbart angesehen hat. Seine Erwägung, die Ursprungsanmeldung offenbarte zwei voneinander unabhängige technische Lösungen, lässt hinreichend deutlich erkennen, weshalb es der Einschätzung der Beschwerdekammer nicht beizutreten vermochte.

bb) Die Rechtsbeschwerde zeigt nicht auf, dass das Patentgericht bei seiner Entscheidung wesentliche Teile der Entscheidung der Beschwerdekammer unberücksichtigt gelassen hat.

(1) Die Beschwerdekammer stützt ihre Beurteilung einer unzulässigen Erweiterung maßgeblich auf die Erwägung, dass das Streugebläse von dem Führungselement zu unterscheiden sei.

Das Patentgericht hat dies nicht übersehen. Es ist lediglich zu einer abweichenden Beurteilung gelangt und hat die wesentlichen Gründe dafür angeführt. Darin liegt keine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG .

(2) Nichts anderes gilt für die Annahme der Beschwerdekammer, zwischen dem Führungselement, den Streugebläsen und der Streuanordnung bestehe eine wichtige Beziehung.

Das Patentgericht hat den Offenbarungsgehalt der Ursprungsanmeldung 18 auch insoweit anders beurteilt. Daraus kann nicht entnommen werden, dass es für die Entscheidung der Beschwerdekammer wesentliche Umstände außer Acht gelassen hat.

2. Die Rechtsbeschwerde rügt, das Patentgericht habe Vorbringen der Antragstellerin nicht berücksichtigt, wonach die sich aus dem Zusammenwirken von Führungselement und Streugebläsen ergebende hohe Geschwindigkeit, mit der das Ernteguthäcksel aus den Streugebläsen abgegeben werde, ohne den gleichzeitigen Einsatz des Streuelements dazu führe, dass die gewünscht hohe Streubreite bei der Abgabe aus den Streugebläsen nicht erreicht werde, das Ernteguthäcksel vielmehr größtenteils mittig nach hinten abgegeben werde, und insoweit ein Synergieeffekt vorliege, der das Streuelement nur in Verbindung mit dem Führungselement sinnvoll mache.

Auch damit wird ein Gehörsverstoß nicht aufgezeigt.

Das Patentgericht hat die Bedeutung des Streuelements für die Erreichung einer gleichmäßigen Ausstreuung des von den Streugebläsen zugeführten gehäckselten Strohs über die gesamte Streubreite in seiner Entscheidung berücksichtigt, darin aber eine von der Verwendung des Führungselements zu unterscheidende technische Lösung gesehen. Ob diese Bewertung tatsächlich und rechtlich zutrifft, ist im Rahmen eines zulassungsfreien Rechtsbeschwerdeverfahrens nicht zu überprüfen.

3. Soweit sich die Rechtsbeschwerde dagegen wendet, dass sich die beiden Lösungen voneinander trennen lassen, zeigt sie keinen entsprechenden Vortrag der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren auf, so dass es schon deshalb an der Darlegung einer Verletzung rechtlichen Gehörs fehlt.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 18 Abs. 4 Satz 2 GebrMG und § 109 Abs. 1 Satz 2 PatG .

III. Eine mündliche Verhandlung erachtet der Senat für nicht erforderlich (§ 18 Abs. 4 Satz 2 GebrMG , § 107 Abs. 1 PatG ).

Vorinstanz: BPatG, vom 27.02.2018 - Vorinstanzaktenzeichen (pat) 404/16