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BGH - Entscheidung vom 05.05.2020

II ZB 22/19

Normen:
ZPO § 574 Abs. 2

BGH, Beschluss vom 05.05.2020 - Aktenzeichen II ZB 22/19

DRsp Nr. 2020/8478

Rechtsbeschwerde gegen die Zurückweisung einer Berufung wegen Nichterreichens der Berufungssumme in einem Verfahren wegen der Zurückweisung von Anträgen zu einem außerordentlichen Verbandstag; Fehlen eines nach § 574 Abs. 2 ZPO erforderlichen Zulassungsgrundes

Soweit die Zulässigkeit einer Berufung vom Wert des Beschwerdegegenstands und das Berufungsgericht diesen zulässiger Weise nach freiem Ermessen festgesetzt hat, beschränkt sich die Prüfungskompetenz des Rechtsbeschwerdegerichts darauf, ob das Berufungsgericht von dem eingeräumten Ermessen rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht hat. Für die Festsetzung der Beschwer ist das wirtschaftliche Interesse des Rechtsmittelklägers an dem Erfolg seines Rechtsmittels maßgebend.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 9. Oktober 2019 wird auf seine Kosten verworfen.

Streitwert: bis zu 600 €.

Normenkette:

ZPO § 574 Abs. 2 ;

Gründe

I.

Der Kläger ist Mitglied des Beklagten. Dieser lud im November 2016 zu einem außerordentlichen Verbandstag für Dezember 2016 ein. Der Kläger reichte zum außerordentlichen Verbandstag verschiedene Anträge ein. Der Beklagte wies diese Anträge zurück mit der Begründung, dass sie auf dem außerordentlichen Verbandstag nicht zulässig gestellt werden könnten. Gleichzeitig wurde auf den Verbandstag im Jahre 2017 verwiesen, in dem die Anträge gestellt werden könnten. Auf dem Verbandstag 2017 stellte der Kläger seine Anträge und sie wurden zur Abstimmung gestellt.

Gegen die Zurückweisung der Anträge zum außerordentlichen Verbandstag hat der Kläger Rechtsmittel beim Rechtsausschuss des Beklagten eingelegt und dafür eine Gebühr in Höhe von 104 € bezahlt. In dem Verfahren vor dem Rechtsausschuss hat der Kläger den Feststellungsantrag gestellt, dass seine Anträge zum außerordentlichen Verbandstag zulässig seien. Die Einladung zum außerordentlichen Verbandstag sei rechtswidrig gewesen und es müsse erneut eingeladen werden. Der Rechtsausschuss des Beklagten hat diese Anträge als unzulässig angesehen und verworfen. Die Kosten sind dem Kläger auferlegt worden. Der Kläger ist darüber belehrt worden, dass gegen diese Entscheidung das Rechtsmittel der Revision zum D. -Rechtsausschuss gegeben sei.

Der Kläger hat daraufhin Klage beim Amtsgericht erhoben und beantragt festzustellen, dass die Entscheidung des Rechtsausschusses des Beklagten nichtig sei, der Beklagte zur Zahlung eines Betrags von 104 € verurteilt werde und festzustellen, dass der Beklagte die Kosten des sportrechtlichen Verfahrens zu tragen habe.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Feststellungsanträge seien unzulässig, weil der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten nicht gegeben sei. Der Kläger habe den verbandsinternen Rechtsweg nicht ausgeschöpft. Aus dem gleichen Grund sei der Zahlungsantrag wegen widersprüchlichen Verhaltens unbegründet.

Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt, die vom Berufungsgericht durch Beschluss als unzulässig verworfen worden ist. Es hat den Streitwert für das Berufungsverfahren auf bis zu 600 € festgesetzt.

Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.

II. Die statthafte (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 , § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO ) sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde des Klägers (§ 575 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 , 3 ZPO ) ist nicht zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO ). Es fehlt an dem nach § 574 Abs. 2 ZPO erforderlichen Zulassungsgrund. Die Rechtsbeschwerde macht unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ) eine Verletzung des Verfahrensgrundrechts auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) geltend. Eine solche Rechtsverletzung liegt jedoch nicht vor.

1. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die Berufung sei unzulässig, weil die Berufungssumme von mehr als 600 € nicht erreicht sei. Die Beschwer aus der Abweisung einer Nichtigkeitsklage betreffend eine Vorentscheidung entspreche derjenigen, die sich für die klagende Partei aus der ihr nachteiligen Entscheidung des Vorprozesses ergebe. Eine konkrete Beschwer für den Kläger aus der Entscheidung des Rechtsausschusses der Beklagten sei nicht ersichtlich. Mit der Anrufung des Rechtsausschusses habe der Kläger eine Aufhebung der Entscheidung des Beklagten erreichen wollen, die seine Anträge für den außerordentlichen Verbandstag betroffen habe. Der Kläger zeige nicht auf, welche konkrete Beschwer sich für ihn aus der Entscheidung des Beklagten weiterhin ergebe. Zum Zeitpunkt der Anhängigkeit der Klage vor dem Amtsgericht sei der in Rede stehende außerordentliche Verbandstag bereits durchgeführt gewesen. Die vom Kläger gestellten Anträge seien auf dem nachfolgenden Verbandstag im Juni 2017 behandelt und zur Abstimmung gestellt worden. Mit Ausnahme der Kostenlast sei mithin nicht ersichtlich, inwieweit der Kläger zum jetzigen Zeitpunkt bzw. zum Zeitpunkt der Anhängigkeit der Klage durch die Entscheidung des Rechtsausschusses (noch) beschwert sei. Die Beschwer sei auch nicht in Anlehnung an § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG mit 5.000 € zu bemessen. Danach komme eine Bemessung nur in Betracht, wenn sich keine genügenden Anhaltspunkte für ein höheres oder geringeres Interesse ergäben. Vorliegend sei schon zum Zeitpunkt der Klageeinreichung eine fortbestehende, über die Kostenlast hinausgehende Beschwer des Klägers durch die Entscheidung des Rechtsausschusses nicht (mehr) ersichtlich und auch vom Kläger nicht dargelegt. Der Kläger sei nicht aus dem Verein ausgeschlossen worden oder dauerhaft von der Wahrnehmung seiner Mitgliederrechte ausgeschlossen worden.

2. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers rechtsfehlerfrei als unzulässig verworfen und den Zugang zum Berufungsverfahren nicht unzumutbar erschwert.

Das Berufungsgericht hat die mit der Berufung geltend gemachte Beschwer des Klägers auf bis zu 600 € festgesetzt und insoweit die Grenzen des ihm nach § 3 ZPO eingeräumten tatrichterlichen Ermessens nicht überschritten.

a) Soweit die Zulässigkeit einer Berufung vom Wert des Beschwerdegegenstands abhängt (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ) und das Berufungsgericht diesen zulässiger Weise nach freiem Ermessen (§ 3 ZPO ) festgesetzt hat, beschränkt sich die Prüfungskompetenz des Rechtsbeschwerdegerichts darauf, ob das Berufungsgericht von dem nach § 3 ZPO eingeräumten Ermessen rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht hat. Für die Festsetzung der Beschwer ist das wirtschaftliche Interesse des Rechtsmittelklägers an dem Erfolg seines Rechtsmittels maßgebend. Dabei ist grundsätzlich auf den unmittelbaren Gegenstand der Entscheidung abzustellen. Der tatsächliche oder rechtliche Einfluss der Entscheidung auf andere Rechtsverhältnisse bleibt außer Betracht (BGH, Beschluss vom 12. März 2019 - II ZB 19/18, juris Rn. 10 f. mwN). In nicht vermögensrechtlichen Streitigkeiten bestimmt sich der Wert der Beschwer des Rechtsmittelklägers nach § 3 ZPO , wobei alle Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Umfang der Sache und ihre Bedeutung für den Rechtsmittelwert zu berücksichtigen sind. Mangels genügender Anhaltspunkte für ein höheres oder geringeres Interesse ist in Anlehnung nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG von dem sich aus dieser Vorschrift ergebenden Wert auszugehen, den der Gesetzgeber für eine durchschnittlich nicht vermögensrechtliche Streitigkeit mit 5.000 € vorgegeben hat (BGH, Beschluss vom 17. November 2015 - II ZB 8/14, WM 2016, 96 Rn. 13).

b) Gemessen hieran ist die Bewertung der Beschwer durch das Berufungsgericht nicht ermessensfehlerhaft. Das Berufungsgericht hat alle maßgeblichen Tatsachen verfahrensfehlerfrei berücksichtigt. Es hat ermessensfehlerfrei berücksichtigt, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Klageerhebung und auch zum Zeitpunkt der Berufungseinlegung (§ 4 Abs. 1 ZPO ) im Hinblick auf die Stellung seiner Anträge zum außerordentlichen Verbandstag nicht mehr beschwert war, da seine Anträge auf dem nachfolgenden Verbandstag behandelt worden waren. Die Rechtsbeschwerde zeigt insoweit keine weitere Beschwer auf.

Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, die Beschwer sei höher anzusetzen, da er mit der Klage habe klären wollen, ob er sich in vergleichbaren Fällen verbandsintern mit dem Antrag an den Rechtsausschuss des Beklagten gegen die Zurückweisung von Anträgen wehren könne. Es gehe also um die grundsätzlich bestehenden satzungsmäßigen Rechte eines Mitglieds, die intern zur Verfügung gestellten Rechtsmittel zu ergreifen.

In dem verbandsinternen Verfahren wie auch im Klageverfahren ist jedoch nicht die Feststellung begehrt worden, dass Anträge, wie sie der Kläger gestellt hatte, im verbandsinternen Rechtsweg zulässig seien. Vielmehr ist die Feststellung der Nichtigkeit der Entscheidung des Rechtsausschusses der Beklagten beantragt worden. Das Rechtsmittel beschränkt sich deswegen auch auf die Beschwer, die aus Rechtsfolgen der Entscheidungen des Rechtsausschusses der Beklagten selbst folgt. Diese Rechtsfolgen betrafen nur die konkret gestellten Anträge des Klägers. Mittelbare Interessen sind bei der Streitwertfestsetzung nicht zu berücksichtigen.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist nicht ein Streitwert von 5.000 € anzusetzen, weil es sich um eine nicht vermögensrechtliche Streitigkeit handele. Das Berufungsgericht hat § 23 Abs. 3 RVG nicht verkannt und die dazu ergangenen Grundsätze der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Beschluss vom 17. November 2015 - II ZB 8/14, WM 2016, 96 ) berücksichtigt. Eine Wertfestsetzung nach dieser Vorschrift in Höhe von 5.000 € kommt nur in Betracht, wenn nicht andere besondere Umstände eine höhere oder niedrigere Wertfestsetzung rechtfertigen. Dies hat das Berufungsgericht angesichts der konkreten Umstände des Einzelfalls angenommen. Rechtsfehler sind insoweit weder ersichtlich noch vom Kläger dargelegt.

Da das Berufungsgericht insgesamt unter Berücksichtigung des Zahlungsantrags in Höhe von 104 € von einem Streitwert von bis zu 600 € ausgegangen ist, kann dahinstehen, ob der Zahlungsantrag nicht gemäß § 4 Abs. 1 ZPO unberücksichtigt zu bleiben hat, da es sich um vorprozessual aufgewandte Kosten zur Verfolgung des Hauptsachebegehrens des Klägers gehandelt hat.

Vorinstanz: AG Duisburg, vom 22.03.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 49 C 3867/17
Vorinstanz: LG Duisburg, vom 09.10.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 7 S 55/18