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BGH - Entscheidung vom 07.04.2020

XIII ZB 28/19

Normen:
FamFG § 417 Abs. 2 S. 2 Nr. 3- 5

BGH, Beschluss vom 07.04.2020 - Aktenzeichen XIII ZB 28/19

DRsp Nr. 2020/6455

Rechtmäßigkeit einer Abschiebungshaft zur Abschiebung eines pakistanischen Staatsangehörigen; Prüfung des Vorliegens eines zulässigen Haftantrags

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Wetzlar vom 3. April 2018 und der Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Limburg an der Lahn vom 4. Mai 2018 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt haben.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden dem Land Hessen auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Normenkette:

FamFG § 417 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 - 5;

Gründe

I. Der Betroffene, ein pakistanischer Staatsangehöriger, reiste am 15. Juni 2013 ohne Papiere in das Bundesgebiet ein. Am 17. Juni 2013 stellte er einen Asylantrag, der mit bestandskräftigem Bescheid vom 11. April 2016 abgelehnt wurde. Er wurde aufgefordert, das Bundesgebiet innerhalb einer Woche zu verlassen. Die Abschiebung nach Pakistan wurde angedroht.

Nachdem sich der Betroffene seit Anfang März 2018 nicht mehr in der ihm zugewiesenen Unterkunft aufgehalten hatte, wurde er nach unbekannt abgemeldet und zur Fahndung ausgeschrieben. Eine für den 28. März 2018 vorgesehene Abschiebung konnte nicht durchgeführt werden.

Nach seiner Festnahme hat das Amtsgericht am 3. April 2018 auf Antrag der beteiligten Behörde Haft zur Sicherung seiner Abschiebung bis zum 11. Mai 2018 angeordnet. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde beantragt der Betroffene die Feststellung, durch die Beschlüsse des Amts- und Landgerichts in seinen Rechten verletzt worden zu sein.

II. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

1. Das Beschwerdegericht meint, die Haft sei zu Recht angeordnet worden. Der Anordnung habe insbesondere ein zulässiger Haftantrag der beteiligten Behörde zugrunde gelegen.

2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Haftanordnung hat den Betroffenen in seinen Rechten verletzt, weil es an einem zulässigen Haftantrag fehlte.

a) Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer, § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Mai 2019 - V ZB 1/19, juris Rn. 10 mwN). Besteht mit dem Zielstaat, in den der Betroffene abgeschoben werden soll, ein Rückübernahmeabkommen, sind die nach diesem durchzuführenden entscheidenden Schritte in dem Haftantrag darzustellen. Ohne solche Angaben ist es dem Richter und dem Betroffenen nicht möglich, die Rechtmäßigkeit der beantragten Haft zu prüfen (BGH, Beschluss vom 15. November 2018 - V ZB 251/17, juris Rn. 7 und 9; Beschluss vom 12. Februar 2020 - XIII ZB 38/19, juris Rn. 10).

b) Der Haftantrag vom 3. April 2018 genügt diesen Anforderungen nicht.

aa) Für die Durchführung der Abschiebung hatte die beteiligte Behörde das Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Islamischen Republik Pakistan über die Rücknahme von Personen ohne Aufenthaltsgenehmigung vom 26. Oktober 2009 (ABl. EU Nr. L 287 S. 52; im Folgenden: Rückübernahmeabkommen) zu beachten. Nach dessen Art. 8 Abs. 3 ist ein Betroffener innerhalb von drei Monaten nach Erteilung der Zustimmung zur Überstellung durch den Zielstaat zu überstellen, wobei diese Frist auf Antrag um die Zeit verlängert werden kann, die für die Beseitigung rechtlicher oder praktischer Hindernisse benötigt wird.

bb) An den hierzu erforderlichen Darlegungen fehlt es, was die Rechtsbeschwerde zu Recht beanstandet. Die Behörde teilt in ihrem Antrag lediglich mit, die Abschiebung sei für die Zeit zwischen dem 7. und dem 10. Mai 2018 geplant und die pakistanischen Behörden hätten ihre Zustimmung zu der Überstellung erteilt. Wann diese Zustimmung erfolgte, wird nicht erwähnt, was jedoch zwingend gewesen wäre. Denn auf der Grundlage der Angaben im Haftantrag kann weder beurteilt werden, ob der für die Abschiebung ins Auge gefasste Zeitraum noch innerhalb der in Art. 8 Abs. 3 Satz 1 des Rückübernahmeabkommens festgelegten Regelfrist von drei Monaten nach Erteilung der Zustimmung durch die Islamische Republik Pakistan durchgeführt werden kann, noch, ob mit der Erteilung einer Verlängerung dieser Frist nach Art. 8 Abs. 3 Satz 2 des Abkommens gerechnet werden kann.

c) Der Mangel des Haftantrags ist nicht, was möglich gewesen wäre (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. Juli 2014 - V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384 Rn. 21-23, vom 20. September 2018 - V ZB 4/17, InfAuslR 2019, 23 Rn. 14 und vom 12. Februar 2020 - XIII ZB 38/19, juris Rn. 13), geheilt worden. Dazu wären ergänzende Angaben der beteiligten Behörde oder entsprechende Feststellungen des Gerichts und eine persönliche Anhörung des Betroffenen (dazu BGH, Beschlüsse vom 21. August 2019 - V ZB 100/18, juris Rn. 7 und vom 12. Februar 2020 - XIII ZB 38/19, juris Rn. 13) erforderlich gewesen. An beidem fehlt es.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2 , § 83 Abs. 2 , § 430 FamFG . Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG .

Im Hinblick auf den Kostenerstattungsanspruch des Betroffenen gegen das Land Hessen hat sich sein Verfahrenskostenhilfeantrag erledigt.

Vorinstanz: AG Wetzlar, vom 03.04.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 62 XIV 11/18
Vorinstanz: LG Limburg, vom 04.05.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 7 T 68/18