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BGH - Entscheidung vom 26.02.2020

VII ZR 166/19

Normen:
GG Art. 103 Abs. 1

Fundstellen:
BauR 2020, 1035
NJW-RR 2020, 593
NZBau 2020, 293
ZfBR 2020, 362

BGH, Beschluss vom 26.02.2020 - Aktenzeichen VII ZR 166/19

DRsp Nr. 2020/4387

Prüfung des Vorliegens eines Gehörsverstoßes im Rahmen einer Klage auf Zahlung von Restwerklohn

Da die Handhabung der Substantiierungsanforderungen durch das Gericht dieselben einschneidenden Folgen hat wie die Anwendung von Präklusionsvorschriften, verletzt die Nichtberücksichtigung eines Bestreitens wegen mangelnder Substantiierung Art. 103 Abs. 1 GG bereits dann, wenn dies in offenkundig unrichtiger Weise geschieht. Dies ist der Fall, wenn das Gericht das Bestreiten der klagenden Partei für nicht ausreichend substantiiert erachtet, aber tatsächlich ein einfaches Bestreiten dieser Partei ausreichend ist.

Tenor

Der Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision wird teilweise stattgegeben.

Das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe in Freiburg vom 12. Juli 2019 wird gemäß § 544 Abs. 9 ZPO im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Offenburg vom 20. Juli 2018 in Höhe von 16.440,07 € nebst anteiligen Zinsen wegen Mehraufwandsabzugs (Positionen A.13.11.000.001, A.13.11.000.002, A.13.11.000.003 und A.13.11.000.004) zurückgewiesen worden ist.

Im Übrigen wird die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem genannten Urteil zurückgewiesen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Streitwert: bis 25.000 €;

des stattgebenden Teils: 16.440,07 €.

Normenkette:

GG Art. 103 Abs. 1 ;

Gründe

I.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Zahlung von Restwerklohn.

Für den Neubau einer Produktionsstätte in B. beauftragte die Beklagte mit Werkvertrag vom 28. März 2014 die Klägerin als Subunternehmerin mit Elektroinstallationsarbeiten.

Die Klägerin verlangt als "Teilanspruch aus einer weitergehenden Werklohnforderung" Zahlung von Werklohn. Die Beklagte macht verschiedene Abzüge geltend. Der ursprünglich auf Zahlung von 129.686,43 € gerichtete Rechtsstreit wurde von den Parteien in erster Instanz wegen eines Einbehalts für Raffstores übereinstimmend in Höhe von 70.465 € für erledigt erklärt.

Das Landgericht hat die Beklagte unter Klageabweisung im Übrigen verurteilt, an die Klägerin weitere 39.205,63 € nebst Zinsen zu bezahlen. Dabei hat es den von der Beklagten geltend gemachten Abzug "verschuldeter Mehraufwand anderer Unternehmer" für teilweise begründet erachtet.

Gegen dieses Urteil haben sowohl die Klägerin als auch die Beklagte Berufung eingelegt. Dabei hat die Klägerin ihren Klageanspruch über den vom Landgericht zuerkannten Betrag hinaus in Höhe von 16.440,07 € nebst Zinsen weiterverfolgt, wobei sie geltend gemacht hat, dass vier von der Beklagten in Abzug gebrachte Positionen wegen verschuldeten Mehraufwands anderer Unternehmer (Position A.13.11.000.001 (1.095 €); Position A.13.11.000.002 (6.340,04 €); Position A.13.11.000.003 (7.621,52 €); Position A.13.11.000.004 (1.383,51 €)) zu Unrecht anerkannt worden seien. Hierbei handelt es sich um nach Darstellung der Beklagten durch Mitarbeiter der Klägerin verursachte Verschmutzungen von Wänden, Böden und Decken, die Reinigungs- und Reparaturarbeiten durch Drittunternehmen erforderlich gemacht haben.

Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das Urteil des Landgerichts unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 10.075 € nebst Zinsen zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin. Sie beantragt, die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Berufungsgerichts zuzulassen, soweit die Klage auch in Höhe von 22.795,21 € - Mehraufwand anderer Unternehmer (16.440,07 €), Bauumlage (6.355,07 €) - nebst anteiligen Zinsen abgewiesen wurde.

II.

1. Das Berufungsgericht hat bezüglich der vom Landgericht zugunsten der Beklagten berücksichtigten Abzugspositionen in Höhe von insgesamt 16.440,07 € im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Das Landgericht habe zu Recht und mit zutreffender rechtlicher Begründung wegen Schadensersatzansprüchen der Beklagten aus § 280 Abs. 1 BGB die Position A.13.11.000.001 in Höhe von 1.095 €, die Position A.13.11.000.002 in Höhe von 6.340,04 €, die Position A.13.11.000.003 in Höhe von 7.621,52 € sowie die Position A.13.11.000.004 in Höhe von 1.383,51 €, damit insgesamt Abzugspositionen der Beklagten in Höhe von 16.440,07 €, wegen verschuldeten Mehraufwands anderer Unternehmer berücksichtigt.

Zu Recht habe das Landgericht das Bestreiten der Klägerin nach Erteilung entsprechender Hinweise als nicht ausreichend substantiiert angesehen. Das Berufungsvorbringen der Klägerin, das wiederum nur in pauschalen, auf das erstinstanzliche Vorbringen verweisenden Ausführungen bestehe, rechtfertige keine andere Entscheidung.

Die Beklagte habe in erster Instanz die mit den ersten vier Positionen der Anlage B 29 geltend gemachten Reinigungs- und Ausbesserungskosten im Schriftsatz vom 21. März 2016 unter Vorlage des dazugehörigen Schriftwechsels, der Kostenzusammenstellungen und Rapportzettel detailliert dargelegt und im Einzelnen unter Beweis gestellt. Diesen Vortrag habe die Klägerin im Schriftsatz vom 20. Mai 2016 nur ganz pauschal und substanzlos bestritten. Die Beklagte habe ihren Vortrag mit Schriftsatz vom 27. Januar 2017 weiter vertieft und durch Vorlage von Lichtbildern ergänzt. Das Landgericht habe die Klägerin mit Beschluss vom 16. Juni 2017 in der Folge darauf hingewiesen, dass nicht klar sei, inwiefern dieser detaillierte Vortrag bestritten werde. Daraufhin habe die Klägerin mit Schriftsatz vom 14. August 2017 wiederum die vier Positionen jeweils nur pauschal bestritten und konkreten Sachvortrag eingefordert, ohne in irgendeiner Weise auf den bereits erfolgten sehr konkreten und sehr ausführlichen Sachvortrag der Beklagten und die vorgelegten Rapporte und Lichtbilder einzugehen. Zu Recht habe das Landgericht die Klägerin mit Verfügung vom 8. Dezember 2017 darauf hingewiesen, dass ihr Bestreiten zu den vier Positionen nicht ausreichend sei.

Auf diesen eindeutigen Hinweis hin habe die Klägerin mit Schriftsatz vom 12. Februar 2018 zunächst nur allgemein auf die Beweisverpflichtung der Beklagten und die fehlende Nachbesserungsmöglichkeit ihrerseits verwiesen und sodann wiederum nicht substantiiert bestritten, dass die Klägerin die den vier Positionen zugrundeliegenden behaupteten Verschmutzungen und Beschädigungen verursacht habe.

2. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat teilweise Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 9 ZPO insoweit zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, als das Berufungsgericht die Abweisung der Klage in Höhe von 16.440,07 € nebst anteiligen Zinsen wegen Mehraufwandsabzugs (Positionen A.13.11.000.001, A.13.11.000.002, A.13.11.000.003 und A.13.11.000.004) bestätigt hat, und in diesem Umfang zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist insoweit begründet, weil das Berufungsgericht den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör dadurch in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat, dass es das Bestreiten der Klägerin bezüglich Grund und Höhe des Mehraufwands gemäß den Positionen A.13.11.000.001, A.13.11.000.002, A.13.11.000.003 und A.13.11.000.004 als nicht ausreichend substantiiert erachtet hat.

a) Da die Handhabung der Substantiierungsanforderungen durch das Gericht dieselben einschneidenden Folgen hat wie die Anwendung von Präklusionsvorschriften, verletzt die Nichtberücksichtigung eines Bestreitens wegen mangelnder Substantiierung Art. 103 Abs. 1 GG bereits dann, wenn dies - wie hier - in offenkundig unrichtiger Weise geschieht (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Mai 2010 - VIII ZR 212/07 Rn. 10, NJW-RR 2010, 1217 ).

b) Im Streitfall ist es offenkundig unrichtig, dass das Berufungsgericht das Bestreiten der Klägerin für nicht ausreichend substantiiert erachtet hat. Denn nach § 138 Abs. 2 ZPO genügte hier unter Berücksichtigung des Beklagtenvortrags ein einfaches Bestreiten der Klägerin.

Die Klägerin hat bestritten, dass ihre Monteure bei der Montage Deckenplatten verschmutzt hätten und diese deshalb hätten ausgewechselt werden müssen. Sie hat weiterhin bestritten, dass ihre Monteure am 10. November 2014 Kratzer am Zwischenpodest hinterlassen und sich Anweisungen der Beklagten widersetzt hätten. Sie hat ferner bestritten, dass ihre Mitarbeiter Bauschutt auf den Boden und auf die Waschtische hätten fallen lassen sowie scharfkantige Werkzeuge ohne Schutz auf dem farbigen Boden abgelegt hätten. Außerdem hat sie bestritten, dass die in der Bildersammlung vorgelegten Bilder über beschädigte Decken, verschmutzte Böden und Wände sowie sonstige Verschmutzungen auf ein Fehlverhalten ihrer Monteure zurückgingen. Schließlich hat sie bestritten, die Trockenbaueckwinkel und eine fertige Wand beschädigt zu haben und dass von ihren Mitarbeitern in den Räumen 6.001, 6.002 und 6.005 Lampenaufhängungen neunmal von unten in die tragenden BiPlattenunterzüge gebohrt worden seien. Dieses in der Sache sogar substantiierte Bestreiten durfte das Berufungsgericht nicht unberücksichtigt lassen.

c) Auf dem genannten Gehörsverstoß beruht das angefochtene Urteil auch, soweit die Abweisung der Klage in Höhe von 16.440,07 € nebst anteiligen Zinsen wegen Mehraufwandsabzugs (Positionen A.13.11.000.001, A.13.11.000.002, A.13.11.000.003 und A.13.11.000.004) bestätigt worden ist. Denn es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht insoweit zu einem für die Klägerin günstigeren Ergebnis gelangt wäre, wenn es das betreffende Bestreiten für ausreichend substantiiert erachtet hätte.

3. Soweit die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem angefochtenen Urteil des Berufungsgerichts im Übrigen zurückgewiesen worden ist, wird von einer Begründung abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist (§ 544 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO ).

Vorinstanz: LG Offenburg, vom 20.07.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 2 O 260/17
Vorinstanz: OLG Karlsruhe, vom 12.07.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 4 U 166/18
Fundstellen
BauR 2020, 1035
NJW-RR 2020, 593
NZBau 2020, 293
ZfBR 2020, 362