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BGH - Entscheidung vom 18.03.2020

IV ZR 43/19

Normen:
ZPO § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1

Fundstellen:
NJW 2020, 2962
r+s 2020, 397

BGH, Beschluss vom 18.03.2020 - Aktenzeichen IV ZR 43/19

DRsp Nr. 2020/8219

Prüfung des Vorliegens einer Tätigkeit als Rechtsanwalt im Rahmen des Eintritts einer Berufshaftpflichtversicherung

Ob eine vom Versicherungsnehmer aufgrund des Geschäftsbesorgungsvertrages übernommene Tätigkeit vom Versicherungsschutz einer Berufshaftpflichtversicherung erfasst wird, ist in erster Linie durch Auslegung der vereinbarten Versicherungsbedingungen zu ermitteln. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers in dem betreffenden Versicherungszweig - hier eines Rechtsanwalts - ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse an.

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Revision gegen das Urteil des Oberlandesgerichts München - 25. Zivilsenat - vom 25. Januar 2019 nach § 552a ZPO auf Kosten der Klägerin zurückzuweisen.

Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen

eines Monats

Stellung zu nehmen.

Streitwert: 50.834,76 €

Normenkette:

ZPO § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ;

Gründe

I. Die Klägerin macht aus abgetretenem Recht des Versicherungsnehmers Leistungsansprüche in Höhe von 50.834,76 € aus einer Berufshaftpflichtversicherung für Rechtsanwälte geltend. Die Parteien streiten unter anderem darüber, ob der von der Klägerin gegenüb er dem Versicherungsnehmer erhobene Schadensersatzanspruch auf einer versicherten Tätigkeit des Versicherungsnehmers beruht.

In den dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die "VermögensschadenHaftpflichtversicherung von Rechtsanwälten und Patentanwälten (AVB-A)" heißt es unter anderem:

"§ 1 Gegenstand der Versicherung:

Der Versicherer gewährt dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz (Deckung) für den Fall, dass er wegen eines bei der Ausübung beruflicher Tätigkeit ... begangenen Verstoßes von einem anderen auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts für einen Vermögensschaden verantwortlich gemacht wird. ..."

Weiter liegt dem Versicherungsvertrag die "Risikobeschreibung für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Rechtsanwälten (einschließlich des Rechtsanwaltsrisikos von Anwaltsnotaren)" (im Folgenden: RB-RA) zugrunde. Dort ist unter anderem geregelt:

"I. Im Rahmen der dem Vertrag zugrundeliegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen (...) ist versichert die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers aus der gegenüber seinem Auftraggeber freiberuflich ausgeübten Tätigkeit als Rechtsanwalt. Mitversichert ist die Tätigkeit als

1. vorläufiger Insolvenzverwalter, Insolvenzverwalter, Treuhänder nach der Insolvenzordnung , Sachwalter, Konkursverwalter, Vergleichsverwalter, Verwalter nach der Gesamtvollstreckungsordnung, gerichtlich bestellter Liquidator, Zwangsverwalter, Sequester, Gläubigerausschussmitglied und Gläubigerbeiratsmitglied;

2. Testamentsvollstrecker, Nachlasspfleger, Nachlaßverwalter, Vormund, Betreuer, Pfleger, und Beistand;

3. Schiedsrichter;

4. Mediator;

5. Abwickler einer Praxis gemäß § 55 BRAO , Zustellungsbevollmächtigter gemäß § 30 BRAO ;

6. Notarvertreter für die Dauer von 60 Tagen innerhalb eines Versicherungsjahres.

...

Diese Risikobeschreibung zählt die mitversicherten Tätigkeiten abschließend auf.

..."

Der Versicherungsnehmer der Beklagten, ein Rechtsanwalt, war seit dem Jahre 2009 als Treuhänder für deutsche Kunden einer in der Schweiz ansässigen Aktiengesellschaft (nachfolgend: AG) tätig. Dieses Unternehmen befasste sich mit dem Ankauf von Lebensversicherungen, wobei es seinen Kunden für die Abtretung der Ansprüche und Rechte aus deren Lebensversicherungsverträgen entweder die zeitlich verzögerte Zahlung eines Mehrfachen des üblichen Kaufpreises oder eine einmalige Zahlung in Höhe des doppelten Rückkaufswertes nach sechs Jahren versprach. Den Versicherungsnehmer hatte die AG bewusst aufgrund seiner versicherungsrechtlichen Kenntnisse ausgesucht, um ordnungsgemäße Kündigungen der jeweiligen Versicherungsverträge und zutreffende Berechnungen der jeweiligen Rückkaufswerte sicherzustellen. Potentiellen Kunden gegenüber warb sie mit einer sicheren und einfachen Abwicklung durch einen Treuhänder.

Die Klägerin war Versicherungsnehmerin einer Lebensversicherung, die sie an die AG verkaufen wollte. Sie schloss mit dem Versicherungsnehmer im Februar 2010 zwei als "Geschäftsbesorgungsvertrag" und "Abtretungsvertrag" bezeichnete Verträge.

Der "Geschäftsbesorgungsvertrag" enthält unter anderem die folgenden Regelungen:

"§ 1 Präambel

Der Kunde ist Inhaber der ... [in einer Anlage näher bezeichneten] Vermögensanlagen. Er beabsichtigt, eine Neuordnung seiner bisherigen Investitionen vorzunehmen und beauftragt den Treuhänder mit den in § 2 näher beschriebenen Dienstleistungen, welche jedoch nicht die Prüfung, Vermittlung und Beratung hinsichtlich der Neuordnung der bezeichneten Vermögensanlagen umfassen.

§ 2 Dienstleistungen

1. Der Treuhänder wird vom Kunden beauftragt, die ... [näher bezeichneten] Vermögensanlagen zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu kündigen, die Abwicklung der gekündigten Vertragsverhältnisse vorzunehmen, das vom Kunden zu beanspruchende Guthaben entgegenzunehmen und als Treuhänder entsprechend den nachfolgenden Bestimmungen zu verwenden.

2. Um Korrespondenz und Rückfragen der ... Vertragspartner des Kunden zu vermeiden, tritt der Kunde sämtliche Ansprüche bzw. Rechte aus den ... genannten Verträgen an den Treuhänder entsprechend gesonderter Erklärung ab. ... Der Treuhänder hat die Kundengelder getrennt von seinem sonstigen Vermögen auf hierfür eingerichteten Abwicklungskonten zu verwalten und die Konten ausdrücklich als Treuhandkonten zu bezeichnen.

...

4. Der Kunde beauftragt und bevollmächtigt den Treuhänder, in Höhe der aus der Abwicklung der gekündigten Vertragsverhältnisse ... eingehenden Gelder im Namen und für Rechnung des Kunden einen Kaufvertrag/Kaufverträge mit der [AG] ... abzuschließen, und zwar in voller Höhe des Abwicklungsguthabens. Mit der Übermittlung des jeweiligen Kaufvertragsangebots an die [AG] ... erklärt der Treuhänder zugleich die Rückabtretung sämtlicher Rechte und Ansprüche aus den ... genannten Verträgen an den Kunden. Der Kunde erklärt bereits jetzt die Annahme der Rückabtretung. ... Der Treuhänder wird beauftragt, das Abwicklungsguthaben unmittelbar an die [AG] ... zu überweisen und im Kaufvertrag die gewünschte Auszahlung ... zu vereinbaren.

...

§ 3 Vergütung

Der Treuhänder erhält für die in § 2 beschriebene Dienstleistungen ein Entgelt in Höhe von zwei Prozent bezogen auf das Abwicklungsguthaben. ...

§ 4 Haftung des Treuhänders

...

3. ... Der Treuhänder übernimmt keine Haftung für den Eintritt der vom Kunden angestrebten wirtschaftlichen Ziele .

4. Zwischen Treuhänder und Kunde besteht Einvernehmen darüber, dass der Treuhänder keine Haftung für die Bonität der [AG] ... übernimmt. ..."

Der Versicherungsnehmer kündigte den Lebensversicherungsvertrag der Klägerin und bot der AG sodann namens und im Auftrag der Klägerin den Abschluss eines Kaufvertrages über das Versicherungsguthaben an. Die AG nahm das Angebot an. Der Rückkaufswert war mit 53.334,76 € angegeben. Danach erstellte der Versicherungsnehmer der Klägerin eine Abrechnung und teilte mit, dass er den Rückkaufswert vereinbarungsgemäß an die AG ausgekehrt habe. Die AG versprach der Klägerin die Auszahlung von 106.669,52 € nach 72 Monaten.

Im August 2012 untersagte die Schweizer Bankenaufsicht der AG den Vertrieb ihrer Produkte wegen Verstoßes gegen das Schweizer Bankengesetz, löste die AG auf und leitete ein Liquidationsverfahren ein. Im Februar 2013 wurde der Konkurs über das Vermögen der AG eröffnet, von der die Klägerin bislang keine Zahlungen erhielt. Sie verklagte den Versicherungsnehmer auf Schadensersatz. Dieser Rechtsstreit wurde durch einen Vergleich beendet, nach welchem der Versicherungsnehmer seine Freistellungs- und Zahlungsansprüche gegen die Beklagte an die Klägerin abtrat.

Die Beklagte hält sich für leistungsfrei. Die schadenursächliche Tätigkeit des Versicherungsnehmers sei nicht als versicherte anwaltliche Tätigkeit einzustufen. Zudem habe er wissentlich Pflichten verletzt.

Die Klägerin ist der Auffassung, mit dem Versicherungsnehmer einen Anwaltsvertrag geschlossen zu haben. Daraus erwachsende Pflichten habe der Versicherungsnehmer zwar nicht wissentlich aber fahrlässig verletzt, weshalb insoweit Versicherungsschutz aus der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung bestehe. Der Versicherungsnehmer habe die Wirksamkeit des Kaufvertrages mit der AG bei Vertragsschluss nicht geprüft. In Wahrheit sei dieser Vertrag nach § 134 BGB nichtig, da die Klägerin mit der AG faktisch einen gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG erlaubnispflichtigen Darlehensvertrag geschlossen und die AG keine Bankerlaubnis gemäß § 32 Abs. 1 KWG besessen habe. Der Versicherungsnehmer wäre verpflichtet gewesen, sie, die Klägerin, jedenfalls über das Risiko einer möglichen Unwirksamkeit des Vertrages zu informieren. Zudem habe er die Plausibilität des Anlageprodukts der AG nicht überprüft und die Klägerin nicht darüber aufgeklärt, dass das Geschäftsmodell der AG, ein "Schneeball-System", wirtschaftlich nicht tragfähig gewesen sei.

Das Landgericht hat die Klage ab-, das Oberlandesgericht die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

II. Das Berufungsgericht hat die Tätigkeit des Versicherungsnehmers als nicht versichert angesehen. Ob im Einzelfall eine versicherte "Tätigkeit als Rechtsanwalt" im Sinne von I. der RB-RA vorliege, sei anhand der vom Senat im Hinweisbeschluss von 23. September 2015 ( IV ZR 484/14, VersR 2016, 388 ) aufgestellten Maßstäbe zu beurteilen.

Danach beträfen die dem Versicherungsnehmer im Haftpflichtprozess vorgeworfenen Pflichtenverstöße nicht dessen "Tätigkeit als Rechtsanwalt". Der Begriff der "beruflichen Tätigkeit" im Sinne von § 1 Satz 1 der hier vereinbarten AVB-A stehe im Zusammenhang mit der dazu vereinbarten RB-RA. Kein Versicherungsschutz bestehe bei einer - häufig zu beobachtenden - Betrauung des Rechtsanwalts mit Aufgaben, die nicht anwaltstypisch seien.

Für die Abgrenzung könnte man zum einen darauf abstellen, welches Risiko sich verwirklicht habe. Deckungsschutz hätte der Rechtsanwalt dann immer nur, wenn ihm der Fehler bei den spezifisch rechtlichen Elementen des Auftrags unterlaufe, egal ob diese gegenüber den wirtschaftlichen Elementen des Auftrags im Vordergrund stünden oder nur untergeordnet seien.

Die andere Lösung grenzte nach dem Schwerpunkt des Auftrags ab. Danach bestehe Versicherungsschutz nur dann, wenn dieser Schwerpunkt rechtsberatend sei. Nach dieser Betrachtungsweise sei dann jegliche Fehlleistung des Rechtsanwalts im Rahmen des Auftrags versichert, egal ob sie die rechtsberatenden Elemente des Auftrags betreffe.

Nach der Systematik der hier vereinbarten Bedingungen sei am Schwerpunkt des Auftrags anzusetzen. Dafür spreche zum einen, dass die Berufshaftpflichtversicherung des Anwalts keineswegs nur bei spezifisch berufsrechtlichen Risiken greife. Viele anwaltliche Haftungsfälle beruhten auf schlichten Büro- und Organisationsfehlern, wie sie etwa auch anderen Freiberuflern unterlaufen könnten. Die spezifische Tätigkeit eines Anwalts sei auch nicht deutlich schadengeneigter als die anderer vergleichbarer Berufe. Deshalb beruhe die gesetzliche Versicherungspflicht auch nicht auf einer höheren Schadenhäufigkeit, sondern darauf, dass Rechtsanwälte häufig mit sehr hohen Werten und Risiken umgingen, die für die Betroffenen existentiell wichtig seien. Dies spreche dafür, auf den jeweiligen Auftrag abzustellen und nicht d arauf, welches Risiko sich im konkreten Schadenfall verwirklicht habe.

Für diese Abgrenzung spreche weiter, dass die RB-RA auch solche Tätigkeiten in den Versicherungsschutz einbeziehe, die einen ganz überwiegend kaufmännisch-betriebswirtschaftlichen Inhalt hätten, gleichwohl aber zum etablierten Berufsbild des Rechtsanwalts gehörten (z.B. Insolvenzverwalter, Testamentsvollstrecker etc.). Auch hier stehe ersichtlich die Höhe der anvertrauten Werte und damit die Höhe des Schadenrisikos im Vordergrund.

Beim Begriff der "freiberuflich ausgeübten Tätigkeit als Rechtsanwalt" in I. RB-RA handele es sich nicht um eine weite Definition anwaltlicher Tätigkeit, was der Versicherungsnehmer an der nachfolgenden abschließenden Aufzählung mitversicherter Tätigkeiten erkennen könne, die häufig mit anwaltlicher Tätigkeit einhergingen und mittlerweile sogar zum gewandelten Berufsbild des Rechtsanwalts in einem weiteren Sinne gezählt würden. Bei einem weiten Verständnis des Begriffs "Tätigkeit als Rechtsanwalt" hätten diese Tätigkeiten aber nicht gesondert erwähnt werden müssen. Mithin entnehme der Versicherungsnehmer aus der Systematik der RB-RA, dass die versicherte "freiberuflich ausgeübte Tätigkeit als Rechtsanwalt" allein die von unabhängiger Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten geprägte klassische T ätigkeit des Rechtsanwalts meine, wie sie auch in § 3 BRAO beschrieben sei. Dies ergebe sich auch aus der Formulierung "Tätigkeit als Rechtsanwalt" anstelle von "Tätigkeit des Rechtsanwalts".

Überdies ließe sich eine Abgrenzung nach dem verwirklichten Risiko auch nicht mit dem in § 18 AVB-A geregelten Leistungsausschluss für Schäden aus einer kaufmännischen Kalkulations-, Spekulations- und Organisationstätigkeit vereinbaren, der ersichtlich als Korrektiv dazu diene, dass Versicherungsschutz auch dann bestehen könne, wenn der Rechtsanwalt (z.B. als Insolvenzverwalter oder Pfleger) eine schwerpunktmäßig außerhalb der eigentlichen Rechtsberatung liegende Tätigkeit entfalte.

Im Streitfall liege der Schwerpunkt des Vertrages zwischen dem Versicherungsnehmer und der Klägerin in der wirtschaftlichen Durchführung der Kapitalanlage im Rahmen des bereits vorgegebenen Systems . Eine Rechtsberatung sei nach dem Vertragswortlaut nicht vereinbart. Der die Kündigung des Altvertrages - und eine damit etwa im Raum stehende Beratung oder Inkassodienstleistung - betreffende Teil der Tätigkeit gebe dem Treuhand- bzw. Geschäftsbesorgungsvertrag nicht überwiegend das Gepräge eines Anwaltsvertrages, vielmehr liege der Schwerpunkt in der Abwicklung des Altvertrages, der treuhänderischen Entgegennahme des Geldes und der Wiederanlage bei der AG. Im Übrigen beziehe sich die behauptete Pflichtverletzung weder auf die Kündigung des Lebensversicherungsvertrages noch auf eine Inkasso-Tätigkeit.

Im Übrigen "wäre wohl", stellte man stattdessen auf das konkret verwirklichte Risiko ab, ebenfalls keine spezifisch rechtsberatende Tätigkeit anzunehmen. Denn angesichts der Konzeption und der Stellung des - vorgegebenen - Abschlusses innerhalb des Gesamtkonzeptes des Anlagemodells mit den dort vorgesehenen Prüfungs- und Haftungsbeschränkungen habe keine Rechtsberatung "inmitten" gestanden. Vielmehr hätte ebenso ein nicht als Rechtsanwalt zugelassener Dritter tätig werden können. Dass die Klägerin dem Versicherungsnehmer aufgrund seines Berufes möglicherweise besonderes Vertrauen entgegengebracht habe, von dessen besonderer Seriosität als Treuhänder ausgegangen sei und dies ihre Anlageentscheidung beeinflusst haben könne, genüge nicht für die Annahme einer Tätigkeit "als Rechtsanwalt".

Ob eine wissentliche Pflichtverletzung gemäß § 4 Ziff. V der Bedingungen begangen sei, brauche nach allem nicht mehr geprüft zu werden.

Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO ).

III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen indes nicht vor, und das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO ).

1. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO , die das Berufungsgericht hier angenommen hat, kommt einer Rechtssache nicht schon deshalb zu, weil die Entscheidung von der Auslegung einer Klausel in Allgemeinen Versicherungsbedingungen abhängt. Erforderlich ist weiter, dass deren Auslegung über den konkreten Rechtsstreit hinaus in Rechtsprechung und Rechtslehre oder in den beteiligten Verkehrskreisen umstritten ist (Senatsbeschluss vom 13. Mai 2009 - IV ZR 217/08, VersR 2009, 1106 Rn. 2 m.w.N.), die Rechtssache damit eine Rechtsfrage als im konkreten Fall entscheidungserheblich, klärungsbedürftig und klärungsfähig aufwirft und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGH, Beschlüsse vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288 , 291; vom 1. Oktober 2002 - XI ZR 71/02, BGHZ 152, 181 , 190 f.).

Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann, wenn sie vom Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden ist und von ein igen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet wird oder in den beteiligten Verkehrskreisen umstritten ist oder wenn in der Literatur unterschiedliche Meinungen dazu vertreten werden (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Dezember 2003 - IV ZR 319/02, VersR 2004, 225 unter 2 a und b; BGH, Beschluss vom 8. Februar 2010 - II ZR 54/09, NJW-RR 2010, 1047 Rn. 3, jeweils m.w.N.).

2. Danach ist eine grundsätzliche Bedeutung hier nicht gegeben.

Die vom Berufungsgericht zur Begründung der Revisionszulassung aufgeworfene Frage, wie bei der hier maßgeblichen, den Musterbedingungen entsprechenden Bedingungslage versicherte anwaltliche Tätigkeiten von nicht versicherten sonstigen Tätigkeiten eines Rechtsanwalts abzugrenzen seien, ob insbesondere eine solche Abgrenzung nach dem Schwerpunkt des Auftrags/der Tätigkeit oder nach dem Bereich, in dem der Anwalt tätig werde, vorzunehmen sei, ist nicht von grundsätzlicher Natur.

a) Wie der Senat bereits in seinem Hinweisbeschluss vom 23. September 2015 ( IV ZR 484/14, VersR 2016, 388 Rn. 16) zur gleichen Bedingungslage dargelegt hat, kann nur im Einzelfall unter Berücksichtigung einerseits der im Versicherungsvertrag getroffenen Vereinbarungen und andererseits der konkret vom Rechtsanwalt übernommenen Aufgaben beurteilt werden, ob eine versicherte berufliche Tätigkeit im Sinne des § 1 AVB-A in Verbindung mit der RB-RA vorliegt. Einer weitergehenden grundsätzlichen Klärung ist diese Frage nicht zugänglich.

b) Etwas anderes ergibt sich im Streitfall auch nicht darau s, dass das Berufungsgericht meint, es sei insbesondere grundsätzlich zu klären, ob die Abgrenzung nach dem Schwerpunkt des Auftrags/der Tätigkeit erfolgen müsse oder nach dem Bereich, in dem der Anwalt bei der Pflichtverletzung konkret tätig geworden sei. Denn nach der Begründung des Berufungsurteils erweist sich diese Frage als nicht entscheidungserheblich.

Das Berufungsgericht ist nämlich nicht nur im Rahmen der von ihm für geboten erachteten Prüfung, ob der Schwerpunkt des Auftrags des Versicherungsnehmers rechtsberatend sei, zu dem Ergebnis gelangt, dass eine "Tätigkeit als Rechtsanwalt" hier nicht vorgelegen habe, sondern hat ergänzend dargelegt, dass die Prüfung anhand des konkret verwirklichten Risikos ebenfalls keine spezifisch rechtsberatende Tätigkeit ergeben hätte. Zwar erweckt die einleitende Formulierung des Berufungsgerichts, es "wäre wohl" keine spezifisch rechtsberatende Tätigkeit anzunehmen, zunächst den Eindruck, die Frage sei letztlich offengelassen worden, doch ergeben die weiteren Darlegungen, die die Fallumstände im Einzelnen würdigen, dass das Berufungsgericht auch insoweit zu dem Ergebnis gelangt ist, dass keine versicherte Tätigkeit vorlag.

c) Die Revisionszulassung ist auch nicht aufgrund einer Divergenz der angefochtenen Entscheidung zu drei Urteilen des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 15. Dezember 2015 ( 12 U 100/15) und 17. Januar 2017 ( 12 U 160/15 und 12 U 196/15) geboten, in denen der Versicherungsnehmer auf Klagen von Kunden jeweils zu Schadensersatz verurteilt worden ist. Denn das Berufungsgericht hat insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass diese Entscheidungen in Haftpflichtprozessen ergangen sind und die Frage, ob der Versicherungsnehmer anwaltlich tätig war, nicht anhand der hier maßgeblichen Versicherungsbedingungen prüfen.

3. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg, weil das Berufungsgericht die Fallumstände ohne Rechtsfehler dahingehend bewertet hat, dass die Treuhändertätigkeit des Versicherungsnehmers keine nach I. RB-RA versicherte Tätigkeit darstellte.

a) Ob die vom Versicherungsnehmer aufgrund des Geschäftsbesorgungsvertrages übernommene Tätigkeit vom Versicherungsschutz erfasst wird, ist in erster Linie durch Auslegung der vereinbarten Versicherungsbedingungen zu ermitteln.

aa) Diese sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers in dem betreffenden Versicherungszweig - hier eines Rechtsanwalts - ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse an (Senatsurteil vom 23. Juni 1993 - IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83 , 85 und ständig). Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen sind aus sich heraus zu interpretieren. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (Senatsurteil vom 25. Juli 2012 - IV ZR 201/10, VersR 2012, 1149 Rn. 21 m.w.N.; st. Rspr.).

bb) Ein Rechtsanwalt oder Notar als Versicherungsnehmer einer Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Rechtsanwälte (und Notare) erkennt zunächst, dass einerseits der Begriff der versicherten beruflichen Tätigkeit in § 1 AVB-A weit gefasst ist. Allerdings kann andererseits der Revision nicht darin gefolgt werden, dass damit auch jede anwaltliche Tätigkeit erfasst sei, selbst wenn sie nur untergeordnet neben einer wirtschaftlichen Tätigkeit ausgeübt werde. Dem steht entgegen, dass - für einen Rechtsanwalt oder Notar als Versicherungsnehmer erkennbar - das zunächst weit gefasste Leistungsversprechen des § 1 AVB-A durch die Regelungen in I. Nummern 1 bis 6 der RB-RA eine Ergänzung erfährt, die den weiten Begriff der beruflichen Tätigkeit ausfüllt und damit zugleich das Leistungsversprechen konkretisiert und eingrenzt. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer einer Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Rechtsanwälte und Notare kann daher erst der Aufzählung in I. Nummern 1 bis 6 RB-RA entnehmen, welche seiner beruflichen Tätigkeiten dem versprochenen Versiche rungsschutz konkret unterfallen (vgl. Hinweisbeschluss vom 23. September 2015 - IV ZR 484/14, VersR 2016, 388 Rn. 20).

Dabei handelt es sich bei dem in I. RB-RA verwendeten Begriff der "freiberuflich ausgeübten Tätigkeit als Rechtsanwalt" für den Versicherungsnehmer erkennbar nicht um eine weite Definition anwaltlicher Tätigkeit, weil unter den nachfolgenden Nummern 1 bis 6 als mitversichert eine Reihe von Tätigkeiten katalogartig aufgezählt wird, die häufig mit anwaltlicher Tätigkeit einhergehen und deshalb bei einem weiten Verständnis des Begriffes "Tätigkeit als Rechtsanwalt" keiner gesonderten Erwähnung bedürften (vgl. Hinweisbeschluss vom 23. September 2015 - IV ZR 484/14, VersR 2016, 388 Rn. 21). Dieser Systematik kann der durchschnittliche Versicherungsnehmer indes entnehmen, dass die gemäß I. RB-RA versicherte freiberufliche "Tätigkeit als Rechtsanwalt" allein die von unabhängiger Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten geprägte "klassische" Tätigkeit des Rechtsanwalts meint, wie sie auch in § 3 BRAO beschrieben ist (vgl. Hinweisbeschluss vom 23. September 2015 - IV ZR 484/14, VersR 2016, 388 Rn. 21). Darin bestärkt den Versicherungsnehmer auch die Formulierung der "Tätigkeit als Rechtsanwalt" (anstelle von "Tätigkeit des Rechtsanwalts"), womit die RB-RA im Kontext mit der Gegenüberstellung des - abgeschlossenen (vgl. RB-RA a.E.) - Kataloges anderweitiger, mitversicherter Tätigkeiten ebenfalls zum Ausdruck bringt, dass I. RB-RA nur die Kerntätigkeit des Rechtsanwaltsberufs meint (vgl. Hinweisbeschluss vom 23. September 2015 - IV ZR 484/14, VersR 2016, 388 Rn. 21).

b) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht unter Würdigung der Fallumstände, insbesondere der im Geschäftsbesorgungsvertrag beschriebenen Aufgaben des Versicherungsnehmers, angenommen, er habe hier weder eine solche Tätigkeit "als Rechtsanwalt" noch eine der in der RB-RA gesondert genannten mitversicherten Tätigkeiten ausgeübt.

aa) Ohne Erfolgsaussicht beanstandet die Revision, die Frage, ob eine versicherte Tätigkeit im Sinne der RB-RA vorliege, sei entgegen dem Berufungsgericht nicht nach dem Schwerpunkt des erteilten Auftrags, sondern allein danach zu beantworten, ob der schadenstiftende Pflichtenverstoß der klassischen Tätigkeit als Rechtsanwalt zuzuordnen sei.

Auf diese Frage kommt es hier schon deshalb nicht an, weil - wie oben dargelegt - das Berufungsgericht die Tätigkeit des Versicherungsnehmers auch unter dieser Prämisse geprüft und als nicht versichert angesehen hat. Insoweit erschöpft sich die Revision in dem unbehelflichen Versuch, dieser Würdigung der Fallumstände ihre eigene, umfangreiche und vermeintlich bessere Würdigung entgegenzusetzen.

Insbesondere hat das Berufungsgericht entgegen dem Vorwurf der Revision hier nicht das Recht der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt. Es hat vielmehr den Inhalt des Geschäftsbesorgungsvertrages du rchaus zur Kenntnis genommen, allerdings die einzelnen vom Versicherungsnehmer darin übernommenen Aufgaben anders gewichtet als die Revision. Darin liegt kein Gehörsverstoß.

Eine revisionsrechtlich unbeachtliche eigene Würdigung der Fallumstände nimmt die Revision weiter vor, soweit sie geltend macht, die RB-RA diene anderen Zwecken als vom Berufungsgericht angenommen. Die Erwägung des Berufungsgerichts, die Anordnung der Versicherungspflicht und die Regelungen zum Umfang des Versicherungsschutzes beruhe darauf, dass Rechtsanwälte häufig mit sehr hohen Werten und Risiken umgingen, ist vor dem Hintergrund, dass Rechtsanwälte im täglichen Leben eine für den Versicherer nicht überschaubare Vielfalt zusätzlicher Aufgaben übernehmen, der Versicherer das Risiko aber überschaubar halten möchte, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

bb) Es kommt hinzu, dass die Regelungstechnik der RB-RA den durchschnittlichen Versicherungsnehmer in der Annahme bestärkt, es müsse für die Entscheidung, ob eine Tätigkeit versichert sei, die gesamte Tätigkeit in den Blick genommen und als Ganzes bewertet werden. Das ergibt sich daraus, dass die in I. Nummern 1 bis 6 RB-RA aufgezählten mitversicherten Tätigkeiten mittels berufsähnlicher Titulierungen gekennzeichnet sind, die jeweils eine Gesamtheit von Pflichten und Handlungen beschreiben sollen. Der abgeschlossene Katalog so bezeichneter mitversicherter Tätigkeiten wäre überflüssig, käme es stattdessen - wie die Revision meint - bei jeglicher Tätigkeit des Rechtsanwalts für die Frage des Versicherungsschutzes allein darauf an, ob allein die jeweils konkret schadenstiftende Pflichtverletzung - gleichviel in welchen Rahmen sie (auch untergeordnet) eingebettet ist - als anwaltliche Handlung einzustufen ist. Träfe die Auslegung der Revision zu, hätte es für den Klauselverwender nahegelegen, Versicherungsschutz generell zu gewähren, soweit der schadenstiftende Pflichtverstoß bei einer Rechtsberatung oder Prozessvertretung geschieht.

c) Auch aus der Versicherungspflicht nach § 51 Abs. 1 Satz 1 BRAO und dem Sinn der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Rechtsanwälte und Notare folgt kein anderes Ergebnis. Zwar dient die Verpflichtung zur Aufrechterhaltung einer Berufshaftpflichtversicherung vorrangig dem Schutz des rechtssuchenden Publikums (BT-Drucks. 12/4993 S. 31 zu Nr. 22; Senatsurteil vom 21. Juli 2011 - IV ZR 42/10, VersR 2011, 1257 Rn. 27). Das bedeutet aber nicht, dass bei Auslegung des Leistungsversprechens der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung des Rechtsanwalts das von Mandanten dem Rechtsanwalt als solchem entgegengebrachte Vertrauen maßgeblich den Umfang der Deckungspflicht beeinflusst (vgl. dazu Hinweisbeschluss vom 23. September 2015 - IV ZR 484/14, VersR 2016, 388 Rn. 28).

Vorinstanz: LG München I, vom 18.01.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 12 O 3989/17
Vorinstanz: OLG München, vom 25.01.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 25 U 623/18
Fundstellen
NJW 2020, 2962
r+s 2020, 397