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BGH - Entscheidung vom 31.03.2020

X ZB 12/18

Normen:
PatG § 100 Abs. 3 Nr. 3
GG Art. 103 Abs. 1

BGH, Beschluss vom 31.03.2020 - Aktenzeichen X ZB 12/18

DRsp Nr. 2020/6284

Patentfähigkeit eines Hilfsrahmens zur Verlagerung des Fahrer- und Fahrgastplatzes bei kleinen Lkw und Wohnmobilen mit selbsttragender Karosserie; Prüfung einer Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 9. Senats (Technischen Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 23. Juli 2018 wird zurückgewiesen.

Normenkette:

PatG § 100 Abs. 3 Nr. 3 ; GG Art. 103 Abs. 1 ;

Gründe

I. Der Anmelder begehrt mit der in der Offenlegungsschrift 10 2010 047 342 veröffentlichten Patentanmeldung Schutz für einen Hilfsrahmen zur Verlagerung des Fahrer- und Fahrgastplatzes bei kleinen Lkw und Wohnmobilen mit selbsttragender Karosserie. Anspruch 1, auf den sich sechs weitere Ansprüche zurückbeziehen, lautet wie folgt:

"Ein neu ausgebildetes Führerhaus und Fahrgastzelle bei einem PKW, Kleintransporter oder Wohnmobil auf Basisfahrzeuge mit selbsttragender Karosserie (selbsttragend zumindest im Triebkopfbereich) und der Anordnung: Sitze hinter dem Motor und der Vorderachse (wie z.B.: Fiat Ducato, Peugeot Boxer, Ford Transit), dadurch gekennzeichnet, dass diese neue Fahrgastzelle als eine zusätzliche Hilfsrahmenkonstruktion auf dem Triebkopf (Ausführung: Führerhaus oder Windlauf) aufgebaut ist."

Das Patentamt hat die Anmeldung zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit seiner nicht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Anmelder sein Begehren weiter.

II. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil der nicht an eine Zulassung gebundene Rechtsbeschwerdegrund des § 100 Abs. 3 Nr. 3 PatG geltend gemacht wird, und auch im Übrigen zulässig. In der Sache hat sie indes keinen Erfolg.

1. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Ein Führerhaus oder eine Fahrgastzelle mit den beanspruchten Merkmalen habe sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergeben. Am Anmeldetag sei in Fachkreisen allgemein bekannt gewesen, dass handelsübliche Windläufe durch Auf- oder Umbau zu einem Wohnmobil umgerüstet werden könnten. Eine solche Umrüstung stelle den Fachmann grundsätzlich vor das Problem, den vorgegebenen Raum optimal zu nutzen, und zwar unter der Randbedingung, dass die durch den Windlauf wegen dessen selbsttragender Karosserie vorgegebene Struktur nicht oder nur sehr aufwendig abgeändert werden könne. Eine Anregung, hier mehr Raum als üblich zu erlangen, habe dem Fachmann das Gebrauchsmuster 89 09 745 (D2) gegeben. Dieses offenbare ein Wohnmobil mit selbsttragender Karosserie, bei dem der Fahrerraum auf einer Hilfsrahmenkonstruktion aufgebaut sei. Für den nach einer verbesserten Raumausnutzung strebenden Fachmann habe es nahegelegen, dieses Vorbild aufzugreifen und eine Fahrgastzelle mit einer solchen Hilfsrahmenkonstruktion auch bei einem Umbau eines Windlaufs zu einem Wohnmobil vorzusehen. Der vom Anmelder angeführte Umstand, dass D2 keinen Windlauf zeige, möge zwar dazu führen, dass der Gegenstand von Anspruch 1 neu sei. D2 habe aber unmittelbaren Anlass gegeben, die darin offenbarte Konstruktion auch für einen Windlauf in Betracht zu ziehen.

2. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand.

a) Die Rechtsbeschwerde macht geltend, das Patentgericht habe bei der Prüfung, ob der Gegenstand von Patentanspruch 1 dem Fachmann durch D2 nahegelegt gewesen sei, den Vortrag des Anmelders zum Offenbarungsgehalt dieser Entgegenhaltung und zum Kern der erfindungsgemäßen Lehre übergangen. Es habe sich nicht damit auseinandergesetzt, dass D2 eine Veränderung der Sitzposition und die Schaffung zusätzlichen Stauraums lediglich innerhalb des durch die Karosserie vorgegebenen Rahmens ermögliche und damit nicht das der Streitanmeldung zugrundeliegende technische Problem betreffe, über den konstruktionsbedingt begrenzten Raum hinaus Möglichkeiten für Umbauten zur Verfügung zu stellen.

Diese Rüge ist unbegründet.

aa) Der Anspruch auf rechtliches Gehör gibt jedem Verfahrensbeteiligten das Recht, sich zu dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt zu äußern und dem Gericht seine Auffassung zu den erheblichen Rechtsfragen darzulegen. Das Gericht ist verpflichtet, das tatsächliche und rechtliche Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und auf seine sachlich-rechtliche und verfahrensrechtliche Entscheidungserheblichkeit zu prüfen (BGH, Beschluss vom 28. November 2012 - X ZB 6/11, GRUR 2013, 318 Rn. 9 - Sorbitol). Art. 103 Abs. 1 GG ist verletzt, wenn im Einzelfall deutlich wird, dass Vorbringen überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, ohne dass es verpflichtet wäre, sich in den Gründen seiner Entscheidung mit jedem Vorbringen ausdrücklich zu befassen. Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von besonderer Bedeutung ist, nicht ein, so lässt dies auf eine Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (BGH, Beschluss vom 27. Juni 2007 - X ZB 6/05, BGHZ 173, 47 Rn. 31 - Informationsübermittlungsverfahren II; Beschluss vom 24. Juli 2007 - X ZB 17/05, GRUR 2007, 996 Rn. 11 - Angussvorrichtung für Spritzgießwerkzeuge).

bb) Ausgehend von diesem Maßstab ist Art. 103 Abs. 1 GG im Streitfall nicht verletzt.

Die von der Rechtsbeschwerde als Kern des Vortrags bezeichnete Argumentation, bei dem in D2 offenbarten Fahrzeug könne der durch eine selbsttragende Karosserie vorgegebene Raum nicht vergrößert werden, stützt sich auf den Umstand, dass bei einem Basisfahrzeug, wie es dem in D2 offenbarten Fahrzeug zugrunde liegt, das Führerhaus in die selbsttragende Karosserie einbezogen ist und deshalb nicht oder nur mit großem Aufwand verändert werden kann.

Dieser Umstand stünde den vom Patentgericht angestellten Erwägungen nur dann zwingend entgegen, wenn der Fachmann einen Rahmen der in D2 offenbarten Art nur für solche Basisfahrzeuge in Betracht gezogen hätte, nicht aber für Windläufe, bei denen die selbsttragende Karosserie lediglich die wichtigsten Fahrzeugkomponenten wie Motor, Getriebe, Antriebsstrang, Vorderachse und Bedieneinheiten umfasst und deshalb mehr Spielraum zur Ausgestaltung des Führerhauses besteht.

Das Patentgericht hat seine Entscheidung indes gerade auf die Erwägung gestützt, dass der Fachmann Anlass hatte, die in D2 offenbarte Konstruktion mit einem Hilfsrahmen auch für Windläufe in Betracht zu ziehen. Ausgehend davon brauchte sich das Patentgericht mit der als übergangen gerügten Argumentation nicht näher zu beschäftigen, weil diese auf einer Prämisse beruht, die es als unzutreffend angesehen hat. Ob diese Beurteilung inhaltlich zutrifft, ist im Zusammenhang mit Art. 103 Abs. 1 GG nicht zu prüfen.

3. Die Rechtsbeschwerde rügt, aus D2 ergebe sich das hier beanspruchte Führerhaus nicht in naheliegender Weise.

Damit ist weder eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 ZPO noch ein sonstiger Grund aufgezeigt, auf den eine nicht zugelassene Rechtsbeschwerde gemäß § 100 Abs. 3 PatG gestützt werden darf.

Unabhängig davon hat das Patentgericht ohnehin nicht angenommen, der beanspruchte Gegenstand sei ausgehend von D2 nahegelegt. Als maßgeblichen Ausgangspunkt hat es vielmehr einen Windlauf angenommen, wie er im Stand der Technik üblich war.

III. Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich erachtet (§ 107 Abs. 1 PatG ).

Vorinstanz: BPatG, vom 23.07.2018 - Vorinstanzaktenzeichen (pat) 25/16