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BGH - Entscheidung vom 21.04.2020

II ZR 412/17

Normen:
AktG § 256 Abs. 7

Fundstellen:
AG 2020, 545
NotBZ 2020, 424
WM 2020, 1256
ZIP 2020, 1064
ZInsO 2020, 1312

BGH, Urteil vom 21.04.2020 - Aktenzeichen II ZR 412/17

DRsp Nr. 2020/7072

Klagebefugnis des Insolvenzverwalters im Rahmen einer Nichtigkeitsklage nach § 256 Abs. 7 AktG ; Vorliegen des für die Klagebefugnis erforderlichen Massebezugs; Anwendbarkeit des Grundsatzes der Doppelvertretung auf Klagen zur Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 9. November 2017 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Normenkette:

AktG § 256 Abs. 7 ;

Tatbestand

Die Klägerin ist Insolvenzverwalterin in dem am 31. Januar 2014 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der beklagten Aktiengesellschaft.

Alleinige Aktionärin der Beklagten ist die F. KGaA, über deren Vermögen am 1. April 2014 gleichfalls das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Zwischen beiden Gesellschaften bestand seit 2005 ein Gewinnabführungsvertrag. Geschäftsgegenstand der Beklagten war insbesondere das Vermitteln von Immobilien und Versicherungen aller Art sowie der An- und Verkauf von Versicherungen und Immobilien.

Der Jahresabschluss der Beklagten zum 31. Dezember 2010 wurde vom Streithelfer erstellt und durch gemeinsamen Beschluss des Vorstands und des Aufsichtsrats am 18. April 2011 festgestellt. Am 25. Mai 2011 beschloss die Hauptversammlung unter Bezugnahme auf den Gewinnabführungsvertrag, den im Abschluss als Ergebnis ausgewiesenen Betrag von 80.956.256,60 € an die Alleinaktionärin abzuführen. Der Jahresabschluss wurde im Bundesanzeiger am 30. Dezember 2011 bekanntgemacht.

Im Zuge staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen, die seit Oktober 2013 wegen des Verdachts des Kapitalanlagebetrugs und des Betrugs im Zusammenhang mit der Errichtung und dem Betreiben eines sog. Schneeballsystems geführt wurden, wurden die Vorstandsmitglieder der Beklagten und die Mitglieder des Aufsichtsrats mit Ausnahme des Dr. R. in Untersuchungshaft genommen. Die Hauptversammlung der Beklagten fasste am 5. Dezember 2014 den Beschluss, die - bei der Versammlung abwesenden - Aufsichtsratsmitglieder B. , Bu. und Dr. R. abzuberufen und durch andere Personen zu ersetzen. Der Insolvenzverwalter der Alleinaktionärin unterrichtete die Klägerin hierüber mit E-Mail vom 8. Dezember 2014. Der Abberufungsbeschluss wurde den Aufsichtsratsmitgliedern am 27. und 28. Januar 2015 durch den von der Hauptversammlung hierzu beauftragten Notar, dem auch die Niederschrift der Versammlung oblag, mitgeteilt. Die neu bestellten Aufsichtsratsmitglieder traten ihr Amt spätestens am 27. März 2015 an. Im April 2015 wurde eine neue Liste der Aufsichtsratsmitglieder beim Registergericht eingereicht, das die Einreichung der Liste im Juni 2015 öffentlich bekannt machte.

Die Klägerin hat mit ihrer am 23. Dezember 2014 bei Gericht eingegangenen Klage beantragt, die Nichtigkeit des Jahresabschlusses der Beklagten zum 31. Dezember 2010 und des Gewinnverwendungsbeschlusses der Hauptversammlung vom 25. Mai 2011 festzustellen.

In der Klageschrift sind als Vertreter der Beklagten die damals amtierenden Vorstände sowie die Aufsichtsräte B. , Bu. und Dr. R. angegeben. Die Klageschrift ist den Vorstandsmitgliedern im Januar und Februar 2015 zugestellt worden. Die früheste Zustellung an ein in der Klageschrift angegebenes Aufsichtsratsmitglied ist am 29. Januar 2015 an Dr. R. einen Tag nach Zustellung der Abberufungsmitteilung bewirkt worden.

Nach der Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens hat Rechtsanwalt S. unter dem 13. Februar 2015 die Vertretung der Beklagten und deren Verteidigungsbereitschaft angezeigt. Im Oktober 2015 hat er klargestellt, nur von Dr. R. bevollmächtigt worden zu sein. Mit Schriftsatz vom 17. Februar 2015 hat der in Parallelverfahren tätig gewordene, an diesem Rechtsstreit aber nicht beteiligte Rechtsanwalt H. darauf hingewiesen, dass die in der Klageschrift benannten Aufsichtsratsmitglieder in der Hauptversammlung vom 5. Dezember 2014 abberufen worden seien und die Klagezustellung unwirksam sein dürfte. Diese Mitteilung hat das Landgericht unter anderem der Klägerin zur Kenntnisnahme übersandt. Am 26. Oktober 2016 haben die Parteien vor dem Landgericht rügelos zur Sache verhandelt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da die Nichtigkeit des Jahresabschlusses wegen Ablaufs der Heilungsfrist nach § 256 Abs. 6 Satz 1 AktG nicht mehr geltend gemacht werden könne. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte und der Streithelfer beantragen.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht (OLG Dresden, ZIP 2018, 1069 ) hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die Klägerin sei klagebefugt. Ein Insolvenzverwalter sei berechtigt, eine Nichtigkeitsklage gemäß § 256 Abs. 7 AktG zu erheben, wenn sie sich günstig auf die verwaltete Insolvenzmasse auswirken könne und eine für die Insolvenzmasse günstige Zielrichtung habe. Diese Voraussetzung sei hier erfüllt. Lägen die geltend gemachten Bewertungsfehler vor, entfielen die Grundlage für die Gewinnabführung zugunsten der F. KGaA sowie die handelsbilanzrechtliche Anknüpfung für sonstige mit der Ergebnisausweisung verbundene finanzielle Folgebelastungen. Ein gesondertes Nichtigkeitsfeststellungsinteresse oder ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis seien nicht erforderlich. Auch führe die parallel verfolgte Feststellung der Rückzahlungsansprüche zur Insolvenztabelle nicht zur Unzulässigkeit der Nichtigkeitsklage wegen Rechtsmissbrauchs.

Des Weiteren sei die Beklagte die richtige Klagegegnerin (§ 246 Abs. 2 Satz 1 AktG ). Sie werde auch bei Bilanznichtigkeitsklagen des Insolvenzverwalters gemäß dem Grundsatz der Doppelvertretung von Vorstand und Aufsichtsrat vertreten (§ 246 Abs. 2 Satz 2 AktG ).

Die Klage sei rechtshängig geworden. An die damaligen Vorstandsmitglieder sei sie vor deren Abberufung ordnungsgemäß zugestellt worden. Soweit es an der Klagezustellung an mindestens ein amtierendes Aufsichtsratsmitglied fehle, sei der darin etwa liegende Mangel gemäß § 295 Abs. 1 ZPO ex nunc geheilt worden, da die Prozessbevollmächtigte der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 26. Oktober 2016 vor dem Landgericht bewusst rügelos verhandelt habe.

Die Klage sei aber abzuweisen, weil die von der Klägerin geltend gemachten Nichtigkeitsgründe infolge Fristablaufs nach § 256 Abs. 6 Satz 1 AktG nicht mehr geltend gemacht werden könnten. Die hier maßgebende Frist sei drei Jahre nach der Veröffentlichung des Jahresabschlusses, mithin am 30. Dezember 2014 abgelaufen. Die am 23. Dezember 2014 eingereichte Klage habe keine Fristverlängerung gemäß § 256 Abs. 6 Satz 2 AktG bewirkt, da sie nicht "demnächst" im Sinne von § 167 ZPO zugestellt worden sei.

Die erforderliche Zustellung der Klageschrift an zumindest ein amtierendes Aufsichtsratsmitglied lasse sich nicht feststellen. Die ehemaligen Aufsichtsräte B. , Bu. und Dr. R. seien im Zeitpunkt des jeweiligen Zugangs der Klageschrift bereits wirksam abberufen gewesen. Ihre Mitgliedschaft im Aufsichtsrat sei mit der jeweiligen Mitteilung des wirksam gefassten Abberufungsbeschlusses erloschen. Unschädlich sei, dass die Mitteilung nicht vom Vorstand, sondern von der Hauptversammlung durch Beauftragung des protokollierenden Notars veranlasst worden sei.

Die Klägerin müsse sich das Erlöschen der Organstellung entgegenhalten lassen; sie könne sich nicht darauf berufen, dass sie unter Rechtsscheingesichtspunkten auf einen Fortbestand des Amtes der abberufenen Aufsichtsräte habe vertrauen dürfen. Insbesondere könne sie sich nicht auf einen durch die zum Handelsregister eingereichte Liste der Aufsichtsratsmitglieder erzeugten Rechtsschein stützen. Ein Gutglaubensschutz lasse sich insoweit weder aus § 15 HGB noch aus § 171 Abs. 2 BGB ableiten.

Zwar werde in der Literatur vertreten, dass die Vertretungsmacht ausgeschiedener Aufsichtsratsmitglieder entsprechend § 171 Abs. 2 BGB bis zur Bekanntmachung der Änderung durch Einreichung einer aktualisierten Liste zugunsten gutgläubiger Dritter als fortbestehend gelte. Wollte man dem folgen, gehöre die Klägerin indes als Insolvenzverwalterin angesichts ihrer umfassenden Verwaltungsrechte und ihrer Befugnisse zur Auskunftseinholung nicht zu dem geschützten Personenkreis. Zudem habe sie schon nicht dargetan, dass sie die Liste der Aufsichtsratsmitglieder bei Einreichung der Klage oder bis zu den vom Landgericht veranlassten Zustellversuchen eingesehen und darauf gründend Vertrauen in Anspruch genommen habe.

Unabhängig davon habe die Klägerin auch aufgrund der Gesamtumstände nicht darauf vertrauen dürfen, dass die Klage an noch amtierende Aufsichtsratsmitglieder zugestellt werde. Sie habe über greifbare Erkenntnisse verfügt, wonach etwa zum Handelsregister eingereichte Aufsichtsratslisten nicht mehr den realen Tatsachen entsprochen hätten. Über den Abberufungsbeschluss vom 5. Dezember 2014 sei die Klägerin bereits durch die E-Mail des Insolvenzverwalters der Alleinaktionärin vom 8. Dezember 2014 informiert worden. Die dort enthaltene Aussage, dass die notwendigen Zustellungen "jetzt veranlasst" würden, habe verdeutlicht, dass die Bekanntgabe der Abberufungsentscheidung unmittelbar bevorstehe. Die abschließende Ankündigung in der E-Mail, wonach die Klägerin informiert gehalten werde, sei hingegen bei fortschreitender Zeit nur begrenzt geeignet gewesen, ein Vertrauen in den Fortbestand bisheriger Aufsichtsratsmandate zu begründen, zumal die Klägerin auch auf die Möglichkeit von Rückfragen verwiesen worden sei. Durch den vom Landgericht übermittelten Schriftsatz des Rechtsanwalts H. vom 17. Februar 2015 sei sodann ein bei Klageeinreichung etwa noch bestehendes Vertrauen darauf zerstört worden, dass die Aufsichtsratsmitglieder bei Klagezustellung noch amtierten und gegebenenfalls vorliegende Aufsichtsratslisten noch den zutreffenden Sachstand abbildeten. An die Vertretungsanzeige des Rechtsanwalts S. vom 13. Februar 2015 und dessen nachfolgendes Prozessverhalten könne demgegenüber kein beachtlicher Vertrauenstatbestand angeknüpft werden.

Eine vorübergehende Vakanz des Aufsichtsrats im Zeitraum zwischen der Mitteilung des Abberufungsbeschlusses an die bisherigen Mitglieder und dem Amtsantritt der neuen Aufsichtsräte habe nicht dazu geführt, dass die Bilanznichtigkeitsklage abweichend von der gesetzlichen Regelung in § 246 Abs. 2 Satz 2 AktG an den Vorstand allein wirksam hätte zugestellt werden können. Für eine analoge Anwendung des § 78 Abs. 1 Satz 2 AktG auf den "umgekehrten" Fall des Fehlens eines Aufsichtsrats sei in Ermangelung einer planwidrigen Regelungslücke kein Raum.

Die Heilung des Zustellungsmangels durch rügelose Verhandlung am 26. Oktober 2016 sei nicht mehr "demnächst" im Sinne von § 167 ZPO erfolgt und wirke daher nicht auf den Zeitpunkt der Anhängigkeit zurück. Die eingetretene erhebliche Verzögerung sei - jedenfalls auch - der Klägerin anzulasten. Ihr sei vorzuhalten, dass sie ab Bekanntwerden begründeter Zweifel an einer wirksamen Klagezustellung im Februar 2015 über einen mehrmonatigen Zeitraum bis zum 22. Oktober 2015 untätig geblieben sei. Ob die Klägerin überdies am 28. Januar 2015 von einer Mitarbeiterin des Insolvenzverwalters der F. KGaA über den Vollzug der Aufsichtsratsabberufung informiert worden sei, wie die Beklagte behaupte, könne offenbleiben.

II. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Die Abweisung der Klage kann nicht auf einen Fristablauf nach § 256 Abs. 6 Satz 1 AktG gestützt werden, da die am 29. Januar 2015 an Dr. R. als Mitglied des Aufsichtsrats bewirkte Zustellung der Klageschrift auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen entsprechend § 171 Abs. 2 BGB i.V.m. § 106 AktG wirksam ist.

1. Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings die Klagebefugnis der Klägerin bejaht.

a) Eine Nichtigkeitsfeststellungsklage nach § 256 Abs. 7 Satz 1, § 249 Abs. 1 Satz 1 AktG kann gemäß dem Wortlaut der Vorschriften - in Abgrenzung zur allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO - grundsätzlich von den Aktionären, dem Vorstand sowie einzelnen Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern erhoben werden. Nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ist aber - ebenso wie im Fall einer Beschlussanfechtungsklage nach § 243 Abs. 1 , § 245 AktG (Noack/Zetzsche in KK- AktG , 3. Aufl., § 245 Rn. 145; Hüffer/Schäfer in MünchKommAktG, 4. Aufl., § 245 Rn. 71; Dörr in Spindler/Stilz, AktG , 4. Aufl., § 245 Rn. 47; Drescher in Henssler/Strohn, GesR, 4. Aufl., § 245 Rn. 14) - auch der Insolvenzverwalter klagebefugt, soweit die angestrebte Nichtigkeitsfeststellung des Jahresabschlusses die Insolvenzmasse betrifft (OLG Dresden, ZIP 2017, 2003 , 2004; Hüffer/Koch, AktG , 14. Aufl., § 256 Rn. 31; Rölike in Spindler/Stilz, AktG , 4. Aufl., § 256 Rn. 80; Bezzenberger in Großkomm. AktG , 4. Aufl., § 256 Rn. 227; KK-AktG/Arnold, 3. Aufl., § 256 Rn. 86; Schulz in Bürgers/Körber, AktG , 4. Aufl., § 256 Rn. 20; Uhlenbruck/Hirte, InsO , 15. Aufl., § 11 Rn. 140; HambKomm-InsO/Kuleisa, 7. Aufl., § 80 Rn. 33; H.-F. Müller, Der Verband in der Insolvenz, 2002, S. 211 f.; Bange, ZInsO 2006, 519 ; Haase, DB 1977, 241 , 243 f.; für eine Klagebefugnis des Insolvenzverwalters auch bei fehlendem Massebezug: Schwab in K. Schmidt/Lutter, AktG , 3. Aufl., § 256 Rn. 40; Heidel/Heidel, AktG , 5. Aufl., § 256 Rn. 41). Demgegenüber lässt sich den vom Streithelfer angeführten Literaturstellen (Heidel/Heidel, AktG , 4. Aufl., § 256 Rn. 41; Wachter/Früchtl, AktG , 3. Aufl., § 256 Rn. 16; Hölters/Waclawik, AktG , 3. Aufl., § 256 Rn. 38) keine die Klagebefugnis des Insolvenzverwalters ablehnende Aussage entnehmen.

aa) Die Befugnis zur Erhebung einer Nichtigkeitsklage folgt aus der Rechtsstellung des Insolvenzverwalters. Er hat für die Rechtmäßigkeit des Korporationshandelns zu sorgen, soweit er den hierzu grundsätzlich berufenen Vorstand (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juni 2015 - II ZR 142/14, BGHZ 206, 143 Rn. 45) aus dessen Aufgabenbereich verdrängt. Die Nichtigkeitsklage des § 256 Abs. 7 AktG dient nicht in erster Linie der Durchsetzung persönlicher Vorteile, sondern der Rechtskontrolle der Rechnungslegung im übergreifenden Interesse an einem zutreffenden Jahresabschluss (vgl. Schwab in K. Schmidt/Lutter, AktG , 3. Aufl., § 256 Rn. 40; MünchKommAktG/Koch, 4. Aufl., § 256 Rn. 2; Rölike in Spindler/Stilz, AktG , 4. Aufl., § 256 Rn. 2). Im Rahmen seines Aufgabenbereichs übernimmt der Insolvenzverwalter auch die grundsätzlich dem Vorstand obliegende Legalitätskontrolle.

Zu den Pflichten des Insolvenzverwalters gehört es, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu bewahren und ordnungsgemäß zu verwalten. Diese Pflicht hat sich am gesetzlichen Leitbild des ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters auszurichten, welches an die handels- und gesellschaftsrechtlichen Sorgfaltsanforderungen angelehnt ist (§ 347 Abs. 1 HGB , § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG , § 34 Abs. 1 Satz 1 GenG , § 43 Abs. 1 GmbHG ), aber den Besonderheiten des Insolvenzverfahrens Rechnung zu tragen hat (BGH, Urteil vom 26. Juni 2014 - IX ZR 162/13, ZIP 2014, 1448 Rn. 11 ff.; Urteil vom 16. März 2017 - IX ZR 253/15, BGHZ 214, 220 Rn. 12). Mithin ist auch der Insolvenzverwalter verpflichtet, die rechtlichen Pflichten und Vorgaben der Rechtsordnung wie ein Gesellschaftsorgan einzuhalten, soweit ein Bezug zur Insolvenzmasse besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2010 - 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288 Rn. 37). Ohnehin hat er dafür zu sorgen, dass die Bücher über die in seine Amtszeit fallenden Vorgänge richtig geführt werden.

Da sich der Jahresabschluss auf eine Vielzahl von Personen auswirkt, besteht grundsätzlich ein berechtigtes Interesse des Insolvenzverwalters an einer gerichtlichen Feststellung seiner Nichtigkeit, die gegenüber allen Betroffenen wirkt. Soweit einer Nichtigkeitsfeststellungsklage stattgegeben wird, wirkt das rechtskräftige Urteil gegen alle Aktionäre und Verwaltungsmitglieder (§ 256 Abs. 7 Satz 1, § 249 Abs. 1 Satz 1, § 248 Abs. 1 Satz 1 AktG ) und weitergehend gegen jedermann (BGH, Urteil vom 17. Februar 1997 - II ZR 41/96, BGHZ 134, 364 , 366; Urteil vom 13. Oktober 2008 - II ZR 112/07, ZIP 2008, 2215 Rn. 8). Die Rechtsstellung des Insolvenzverwalters beinhaltet die Aufgabe, die Interessen der insolventen Gesellschaft gegenüber sämtlichen Schuldnern und Gläubigern zu vertreten und erfordert daher eine Klagebefugnis für die Nichtigkeitsklage (H.-F. Müller, Der Verband in der Insolvenz, 2002, S. 211 f.).

bb) Die Klagebefugnis des Insolvenzverwalters besteht allerdings nur, soweit die Fehlerhaftigkeit des Jahresabschlusses die Insolvenzmasse betrifft (Hüffer/Koch, AktG , 14. Aufl., § 256 Rn. 31; Rölike in Spindler/Stilz, AktG , 4. Aufl., § 256 Rn. 80; Uhlenbruck/Hirte, InsO , 15. Aufl., § 11 Rn. 140; Haase, DB 1977, 241 , 243 f.; vgl. auch OLG Dresden, ZIP 2017, 2003 , 2004; aA Schwab in K. Schmidt/Lutter, AktG , 3. Aufl., § 256 Rn. 40; Heidel/Heidel, AktG , 5. Aufl., § 256 Rn. 41). Dies folgt aus der Ableitung der Klagebefugnis des Verwalters aus seiner auf die Insolvenzmasse bezogenen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis. Die Organe einer juristischen Person bleiben nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehen und nehmen weiterhin die Kompetenzen wahr, die nicht die Insolvenzmasse betreffen (BGH, Beschluss vom 26. November 2019 - II ZB 21/17, ZIP 2020, 266 Rn. 37).

Die derart eingegrenzte Klagebefugnis des Insolvenzverwalters entspricht spiegelbildlich der Passivlegitimation des Insolvenzverwalters gemäß den in der Rechtsprechung des Senats entwickelten Grundsätzen zur Unterbrechungswirkung einer Insolvenzeröffnung über das Vermögen der Gesellschaft bei aktienrechtlichen Beschlussmängelklagen. Eine Unterbrechung nach § 240 Satz 1 ZPO tritt nur ein, wenn der Insolvenzverwalter zur Rechtsverteidigung berufen ist, weil durch den angegriffenen Beschluss Ansprüche der Masse begründet werden oder Verbindlichkeiten wegfallen. Der Insolvenzverwalter darf hingegen nicht gezwungen werden, im Prozess einen für die Masse nachteiligen Beschluss zu verteidigen (BGH, Urteil vom 19. Juli 2011 - II ZR 246/09, BGHZ 190, 291 Rn. 9 mwN).

In Entsprechung hierzu ist eine zur Klagebefugnis des Insolvenzverwalters im Rahmen einer Nichtigkeitsklage nach § 256 Abs. 7 AktG führende Betroffenheit der Insolvenzmasse anzunehmen, wenn die beanstandeten Mängel des Jahresabschlusses nachteilige Auswirkungen auf die Insolvenzmasse haben, der klagende Insolvenzverwalter mithin den angegriffenen Jahresabschluss durch einen für die Masse günstigeren Jahresabschluss ersetzen möchte (vgl. Bezzenberger in Großkomm. AktG , 4. Aufl., § 256 Rn. 227 bei Fn. 577; Haase, DB 1977, 241 , 243 f.). Eine ausreichende Massebetroffenheit ist jedenfalls dann gegeben, wenn auf dem angegriffenen Jahresabschluss zivilrechtliche oder steuerrechtliche Verbindlichkeiten beruhen, die zu einer Verringerung der Masse führen und die Klage der dauerhaften Beseitigung oder Verminderung dieser Verbindlichkeiten dient.

b) Nach diesen Maßgaben ist die Klägerin als Insolvenzverwalterin klagebefugt, da eine Betroffenheit der Insolvenzmasse zu bejahen ist. Käme es zu einer gegenüber jedermann rechtswirksamen Nichtigkeitsfeststellung des Jahresabschlusses, wären dessen Gewinnausweisungen hinfällig und die damit verbundenen Folgebelastungen für die Masse, die in der Gewinnabführung, -ausschüttung oder dem Zahlen von Steuern liegen können, würden unterbleiben (vgl. OLG Dresden, ZIP 2017, 2003 , 2004 f.).

Der hiergegen gerichtete Einwand des Streithelfers, eine Bilanznichtigkeitsklage könne sich auf die Insolvenzmasse nicht auswirken, wenn der beanstandete Jahresabschluss ohnehin nichtig sei, ist unberechtigt. Es entspricht dem Wesen der Nichtigkeitsfeststellungsklage, dass sich ein zusprechendes Urteil nicht gestaltend auf die bestehende Rechtslage auswirkt; gleichwohl erkennt der Gesetzgeber ein Bedürfnis an einer gerichtlichen Nichtigkeitsfeststellung an. Für die Klagebefugnis des Insolvenzverwalters genügt es daher, dass die gegenüber jedermann verbindlich festzustellende Nichtigkeit des Jahresabschlusses für die Insolvenzmasse günstig ist.

2. Der Klägerin kann entgegen der Auffassung des Streithelfers ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses nicht abgesprochen werden.

a) Ein besonderes Rechtsschutzinteresse oder Feststellungsinteresse ist für die Erhebung einer Nichtigkeitsklage nach § 256 Abs. 7 AktG nicht erforderlich. Bei einem Vorstandsmitglied oder Aktionär ergibt sich ein ausreichendes Nichtigkeitsfeststellungsinteresse schon aus der korporationsrechtlichen Beziehung bzw. Mitgliedschaft (vgl. BGH, Urteil vom 25. Februar 1965 - II ZR 287/63, BGHZ 43, 261 , 265; Hüffer/Koch, AktG , 14. Aufl., § 249 Rn. 11 mwN). Klagt ein Insolvenzverwalter auf Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft, über deren zur Masse gehörendes Vermögen er verwaltungs- und verfügungsbefugt ist, ergibt sich sein Feststellungsinteresse aus der ihm eingeräumten Rechtsstellung. Er verdrängt die Organe der Aktiengesellschaft, namentlich den Vorstand hinsichtlich der Buchführung, der Aufstellung und Feststellung des Jahresabschlusses sowie der diesbezüglichen Legalitätskontrolle. Soweit seine gesellschaftsrechtlichen Befugnisse reichen, steht er kraft seines Amtes in einer gleichsam korporationsrechtlichen Beziehung zur Gesellschaft. In Ansehung seiner Klagebefugnis für Beschlussmängelklagen und Klagen nach § 256 Abs. 7 AktG tritt er an die Stelle des Vorstandes (vgl. Noack/Zetzsche in KK- AktG , 3. Aufl., § 245 Rn. 145; Hüffer/Schäfer in MünchKommAktG, 4. Aufl., § 245 Rn. 71; Dörr in Spindler/Stilz, AktG , 4. Aufl., § 245 Rn. 47; Drescher in Henssler/Strohn, GesR, 4. Aufl., § 245 AktG Rn. 14; Bezzenberger in Großkomm. AktG , 4. Aufl., § 256 Rn. 227 bei Fn. 577) und hat ebenso wenig wie dieser ein besonderes Nichtigkeitsfeststellungsinteresse nachzuweisen.

b) Das Rechtsschutzinteresse des Insolvenzverwalters an einer Nichtigkeitsfeststellungsklage gemäß § 256 Abs. 7 AktG entfällt nicht durch die Möglichkeit, die Nichtigkeit auf andere Weise geltend zu machen (§ 256 Abs. 7 Satz 1, § 249 Abs. 1 Satz 2 AktG ) und auch nicht dadurch, dass der Insolvenzverwalter den Jahresabschluss ggf. selbst korrigieren oder neu aufstellen könnte.

Derartige Maßnahmen kämen der Wirkung einer erfolgreichen Nichtigkeitsfeststellungsklage nicht gleich. Eine bloße Fehlerkorrektur durch den Insolvenzverwalter ließe den festgestellten Jahresabschluss im Übrigen unberührt, könnte bereits entstandene Gewinnansprüche nicht beseitigen und wäre überdies dem möglichen Einwand ausgesetzt, in Wahrheit leide nicht der frühere, sondern der korrigierte Abschluss an wesentlichen Mängeln. Auch mit einer ggf. möglichen Ersetzung des festgestellten Jahresabschlusses ohne vorherige verbindliche Klärung der Fehlerhaftigkeit und Nichtigkeit jenes Abschlusses setzte sich der Insolvenzverwalter selbst der Gefahr einer gegen den neuen Abschluss gerichteten Nichtigkeitsklage aus. Zudem ließe auch die bloße Ersetzung des Abschlusses die auf einem Gewinnverwendungsbeschluss beruhenden Gewinnauszahlungsansprüche nicht entfallen.

c) Die Klägerin kann auch nicht auf die in einem weiteren Rechtsstreit zur Insolvenztabelle geltend gemachten Rückzahlungsansprüche wegen abgeführter Gewinne verwiesen werden. Zwar verfolgt die Klägerin in jenem Prozess im Ergebnis wirtschaftlich das gleiche Ziel wie mit der Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses und des Gewinnverwendungsbeschlusses und ist dort die Wirksamkeit des beanstandeten Jahresabschlusses und des darauf beruhenden Gewinnverwendungsbeschlusses als Vorfrage zu klären. Die Nichtigkeit des Abschlusses kann in dem weiteren Verfahren aber nicht mit Wirkung gegen jedermann festgestellt werden. Das Rechtsschutzinteresse der Klägerin bleibt schon wegen der institutionellen Schutzrichtung der Nichtigkeitsklage, die über das wirtschaftliche Interesse hinausreicht, erhalten.

3. Weiter zutreffend hat das Berufungsgericht die Passivlegitimation der beklagten Aktiengesellschaft angenommen.

a) Die Nichtigkeitsklage ist gemäß § 256 Abs. 7 Satz 1, § 249 Abs. 1 Satz 1 AktG im Ausgangspunkt gegen die Gesellschaft zu richten. Daran ändert sich durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft grundsätzlich nichts, da diese die Partei- und Prozessfähigkeit der Schuldnerin unberührt lässt (BGH, Urteil vom 26. Januar 2006 - IX ZR 282/03, ZInsO 2006, 260 Rn. 6). Nur soweit der Gegenstand der Klage die der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters unterliegende Insolvenzmasse betrifft, ist die Nichtigkeitsklage gegen den Verwalter als Partei kraft Amtes zu erheben. Daraus folgt, dass die Gesellschaft gegenüber Klagen passivlegitimiert bleibt, die im Erfolgsfall zu Vorteilen für die Masse führen oder masseneutral sind. Der Insolvenzverwalter darf nicht zu einer für die Masse nachteiligen Rechtsverteidigung gezwungen werden (BGH, Urteil vom 19. Juli 2011 - II ZR 246/09, BGHZ 190, 291 Rn. 9; Beschluss vom 21. November 2005 - II ZR 79/04, ZIP 2006, 368 Rn. 2; OLG Dresden, ZIP 2017, 2003 , 2005; anders noch OLG München, ZIP 2010, 2369 , 2370).

b) Danach ergibt sich im Streitfall die Passivlegitimation der Beklagten aus den gleichen Gründen, aus denen die Klägerin als Insolvenzverwalterin klagebefugt ist. Da die Klage auf eine Mehrung der Masse abzielt, ist die Verteidigung gegen diese Klage Sache der Gesellschaft. Der Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters zur Rechtsverteidigung gegen die von der Insolvenzverwalterin erhobene Klage bedarf es nicht.

4. Das angefochtene Urteil kann aber keinen Bestand haben, weil das Berufungsgericht auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen zu Unrecht angenommen hat, dass die von der Klägerin dargelegten Nichtigkeitsgründe infolge Fristablaufs nach § 256 Abs. 6 Satz 1 AktG nicht mehr geltend gemacht werden können.

a) Wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend angenommen hat, kann die Nichtigkeit eines Jahresabschlusses gemäß § 256 Abs. 6 Satz 1 AktG nach Ablauf einer Frist von drei Jahren seit der in § 325 HGB vorgeschriebenen Bekanntmachung im Bundesanzeiger nicht mehr geltend gemacht werden, wenn diese - wie vorliegend - auf die Nichtigkeitsgründe in § 256 Abs. 1 Nr. 1 , Abs. 4 , Abs. 5 AktG gestützt wird. Dementsprechend begann der Lauf der Frist mit der Veröffentlichung des Jahresabschlusses zum 31. Dezember 2010 im Bundesanzeiger am 30. Dezember 2011 und endete mit Ablauf des 30. Dezember 2014, sofern eine rechtzeitige Klageerhebung nicht gemäß § 256 Abs. 6 Satz 2 AktG zu einer Fristverlängerung geführt hat.

b) Nach den bisher getroffenen Feststellungen ist von einer wirksamen Zustellung der Klageschrift im Januar 2015 auszugehen.

aa) Die Klageschrift war an Vorstand und Aufsichtsrat der Beklagten zuzustellen, wobei gemäß § 170 Abs. 3 ZPO die Zustellung an jeweils ein Mitglied des zur Vertretung berufenen Organs genügte (vgl. BGH, Urteil vom 10. März 1960 - II ZR 56/59, BGHZ 32, 114 , 119; Urteil vom 16. Februar 2009 - II ZR 185/07, BGHZ 180, 9 Rn. 51 - Kirch/Deutsche Bank).

(1) Zutreffend hat das Berufungsgericht den Grundsatz der Doppelvertretung auf Klagen zur Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses für anwendbar gehalten.

Nach § 246 Abs. 2 Satz 2, § 249 Abs. 1 AktG wird die Aktiengesellschaft sowohl bei Anfechtungsklagen als auch bei Nichtigkeitsklagen gegen Hauptversammlungsbeschlüsse durch Vorstand und Aufsichtsrat vertreten. Daraus folgt nach ständiger Rechtsprechung des Senats, dass die Klage an beide Organe der Aktiengesellschaft zugestellt werden muss und dass sie nicht ordnungsgemäß erhoben ist, wenn nur an eines der beiden Organe zugestellt wird (BGH, Urteil vom 13. April 1992 - II ZR 105/91, AG 1992, 265 , 266 mwN). Nichts Anderes gilt für die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses, da § 256 Abs. 7 Satz 1 AktG auf § 249 AktG verweist.

(2) Die in § 246 Abs. 2 AktG niedergelegten Vertretungsgrundsätze, die als Regelfall Doppelvertretung vorsehen, gelten auch für eine Klage des Insolvenzverwalters auf Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses. Die Klagebefugnis des Insolvenzverwalters ändert nichts an der gesetzlichen Ausgestaltung der Nichtigkeitsfeststellungsklage im Übrigen. Insbesondere bleiben die besonderen Vertretungsregeln für die beklagte Gesellschaft unberührt. Für eine Anwendung der allgemeinen Vertretungsregelung des § 78 Abs. 1 Satz 1 AktG , nach der die Aktiengesellschaft allein vom Vorstand vertreten wird, ist daher entgegen der Annahme der Revision kein Raum.

Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass der Anwendungsbereich des Grundsatzes der Doppelvertretung auf gesellschaftsinterne Auseinandersetzungen und wegen der Einschränkungen gemäß § 246 Abs. 2 Satz 3 AktG im Ergebnis auf Aktionärsklagen beschränkt sei. Der Kreis der Klagebefugten wird im Aktiengesetz unter bestimmten Voraussetzungen auf Dritte erstreckt, die der Gesellschaft nicht als Organ oder Aktionär angehören, so etwa in § 250 Abs. 2 , § 251 Abs. 2 Satz 2 AktG auf Arbeitnehmervertretungen. Auch in diesen Fällen gilt der Grundsatz der Doppelvertretung, da in § 250 Abs. 3 Satz 1 und § 251 Abs. 3 AktG jeweils auf § 246 Abs. 2 AktG verwiesen wird (vgl. Stilz in Spindler/Stilz, AktG , 4. Aufl., § 250 Rn. 24; Hüffer/Koch, AktG , 14. Aufl., § 250 Rn. 14).

Auch der Sinn und Zweck des § 246 Abs. 2 AktG rechtfertigt keine vom Wortlaut der Vorschrift abweichende Einengung ihres Anwendungsbereichs. Die Vertretung der Aktiengesellschaft durch Vorstand und Aufsichtsrat bei Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen dient dazu, Vorstand und Aufsichtsrat unabhängig voneinander Kenntnis von der gegen die Gesellschaft gerichteten Klage zu verschaffen. Beide Organe sollen jeweils eigenständig die Interessen der Gesellschaft wahren können. So soll insbesondere einem den Gesellschaftsinteressen nachteiligen Zusammenwirken des Vorstands mit einem Kläger vorgebeugt werden; das tatsächliche Bestehen einer solchen Gefahr ist aber keine Voraussetzung für die Anwendung der Vorschrift (vgl. statt aller Hüffer/Schäfer in MünchKommAktG, 4. Aufl., § 246 Rn. 55). Die Gründe für die Einbindung des Aufsichtsrats in die Vertretung der Aktiengesellschaft entfallen nicht dadurch, dass der Insolvenzverwalter als Kläger auftritt. Der Verwalter verfolgt zwar - anders als dies etwa bei einem Aktionär der Fall sein kann - keine persönlichen Vermögensinteressen. Gleichwohl ist die Gefahr eines den objektiven Interessen der Gesellschaft abträglichen Zusammenwirkens zwischen Insolvenzverwalter und Vorstand nicht gänzlich ausgeschlossen. Die Einbindung des Aufsichtsrats, der im Regelfall an der Feststellung des Jahresabschlusses beteiligt ist (§ 172 Satz 1 AktG ), dient auch hier der Sicherstellung einer effektiven Interessenvertretung der Gesellschaft.

(3) Die Zustellung einer Bilanznichtigkeitsklage nur an den Vorstand der Aktiengesellschaft ist - wie das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend erkennt - auch nicht ausnahmsweise dann ausreichend, wenn der Aufsichtsrat unbesetzt ist. Die Vorschrift des § 78 Abs. 1 Satz 2 AktG , nach der bei einer Führungslosigkeit der Aktiengesellschaft der Aufsichtsrat passiv vertretungsberechtigt ist, kann auf den umgekehrten Fall eines Fehlens des Aufsichtsrats bei vorhandenem Vorstand nicht analog angewendet werden. Es besteht insoweit keine planwidrige Regelungslücke.

Die Regelung, die mit dem Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008 (BGBl. I S. 2026 ) eingeführt worden ist, zielt auf Missbrauchsvermeidung. Sie soll insbesondere verhindern, dass durch die absichtliche Herbeiführung der Führungslosigkeit der Gesellschaft der Zugang von Willenserklärungen und Zustellungen vereitelt und eine Durchsetzung von Ansprüchen behindert werden können (RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 52). Gegenstand der Regelung ist ein Ausfall des regulären Vertretungsorgans, der durch eine eingeschränkte Ersatzzuständigkeit des - in der Sache grundsätzlich unbefangenen - Aufsichtsrats teilweise kompensiert werden soll.

Demgegenüber ist der Aufsichtsrat nach dem Gesetz nur dann allein oder zusammen mit dem Vorstand vertretungsbefugt, wenn die (alleinige) Vertretung durch den Vorstand unzureichend erscheint oder wegen der Berührung eigener Vorstandsinteressen ausscheidet. Angesichts dieser vom Normalfall des § 78 Abs. 1 Satz 2 AktG erheblich abweichenden Ausgangslage kann nicht bei fehlendem Aufsichtsrat in analoger Anwendung der Vorschrift die Ersatzzuständigkeit des Vorstands angenommen werden.

(4) Die Beklagte wird schließlich nicht in entsprechender Anwendung der für eine Vorstandsklage geltenden Vorschriften (§ 246 Abs. 2 Satz 3, § 249 Abs. 1 Satz 1 AktG ) vom Aufsichtsrat allein vertreten.

Zwar gründet sich die Annahme einer massebezogenen Klagebefugnis des Insolvenzverwalters im Wesentlichen darauf, dass er den Vorstand im Rahmen seiner insolvenzrechtlichen Befugnisse aus dessen Aufgabenbereich verdrängt. Die dem Insolvenzverwalter deshalb einzuräumenden prozessualen Befugnisse erfordern aber keine Ausnahme von der Doppelvertretung gemäß § 246 Abs. 2 Satz 3 AktG . Die Vorschrift dient der Vermeidung von Interessenkollisionen (K. Schmidt in Großkomm. AktG , 4. Aufl., § 246 Rn. 38; Dörr in Spindler/Stilz, AktG , 4. Aufl., § 246 Rn. 30). Die Gefahr einer Interessenkollision besteht bei einer Klage des Insolvenzverwalters nicht, da der Verwalter zwar funktional in der Rolle des Vorstands handelt, aber nicht notwendig dessen Interessen teilt.

bb) Die Klageschrift ist am 29. Januar 2015 dem Vorstandsmitglied K. und später auch den beiden anderen Vorständen zugestellt worden. Die außerdem erforderliche rechtswirksame Zustellung an ein Aufsichtsratsmitglied der Beklagten kann entgegen dem Berufungsurteil nach den bisher getroffenen Feststellungen nicht verneint werden. Die zeitlich erste Zustellung der Klage an einen der in der Klageschrift genannten Aufsichtsräte erfolgte gleichfalls am 29. Januar 2015 an Dr. R. .

(1) Allerdings war Dr. R. , ebenso wie die beiden anderen Aufsichtsratsmitglieder, zu diesem Zeitpunkt bereits wirksam abberufen.

Die Mandatsverhältnisse der Aufsichtsratsmitglieder sind nicht schon mit dem Abberufungsbeschluss der Hauptversammlung vom 5. Dezember 2014, den das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei und im Revisionsverfahren unbeanstandet als wirksam angesehen hat, oder dem Ablauf der Anfechtungsfrist (§ 246 Abs. 1 AktG ) beendet worden. Die Stellung als Aufsichtsratsmitglied wird erst durch die Bekanntgabe des Beschlusses über die Abberufung beendet (MünchKommAktG/Habersack, 5. Aufl., § 103 Rn. 19; Mertens/Cahn in KK- AktG , 3. Aufl., § 103 Rn. 11; Hopt/Roth in Großkomm. AktG , 5. Aufl., § 103 Rn. 25; Spindler in Spindler/Stilz, AktG , 4. Aufl., § 103 Rn. 15; Drygala in K. Schmidt/Lutter, AktG , 3. Aufl., § 103 Rn. 6; Hüffer/Koch, AktG , 14. Aufl., § 103 Rn. 5; Israel in Bürgers/Körber, AktG , 4. Aufl., § 103 Rn. 3; Henssler in Henssler/Strohn, GesR, 4. Aufl., § 103 AktG Rn. 7; aA Natzel, DB 1964, 1180 , 1181). Gegenüber einem bei der Hauptversammlung abwesenden Aufsichtsratsmitglied ist die Bekanntgabe des Abberufungsbeschlusses durch gesonderte Mitteilung zu bewirken. Im Streitfall ist die schriftliche Mitteilung der Abberufung allen Aufsichtsratsmitgliedern spätestens am 28. Januar 2015, mithin vor der Klageschrift, zugegangen.

Dass die Mitteilung nicht vom Vorstand der Beklagten, sondern von dem protokollierenden Notar P. veranlasst worden ist, der von der Hauptversammlung ausdrücklich hierzu beauftragt worden war, hindert die Wirksamkeit der Mitteilung nicht.

(a) Wer die Mitteilung der Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds vorzunehmen hat, ist umstritten. Einigkeit besteht lediglich darüber, dass die nur gelegentliche Kenntniserlangung über die Abberufung, etwa durch eine Pressemeldung oder einen Mitarbeiter des Unternehmens, den Anforderungen an eine das Amt beendende Mitteilung der Abberufung nicht genügt (MünchKommAktG/Habersack, 5. Aufl., § 103 Rn. 19; Hölters/Simons, AktG , 3. Aufl., § 103 Rn. 16). Denn das abberufene Aufsichtsratsmitglied muss sicher wissen, ob es tatsächlich aus allen seinen Pflichten entlassen ist und sämtliche Rechte aus seinem Organschaftsverhältnis verloren hat.

Eine Auffassung im Schrifttum meint, die Mitteilung müsse zwingend durch den Vorstand erfolgen (MünchKommAktG/Habersack, 5. Aufl., § 103 Rn. 19; Spindler in Spindler/Stilz, AktG , 4. Aufl., § 103 Rn. 15; Hüffer/Koch, AktG , 14. Aufl., § 103 Rn. 5; Henssler in Henssler/Strohn, GesR, 4. Aufl., § 103 AktG Rn. 6; E. Vetter in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, 4. Aufl., Rn. 25.57; Gasteyer in Semler/v. Schenck, Der Aufsichtsrat, 2015, § 103 AktG Rn. 21). Andere wollen eine Mitteilung daneben auch durch den Vorsitzenden des Aufsichtsrats zulassen, wenn dieser nicht selbst betroffen ist (Israel in Bürgers/Körber, AktG , § 103 Rn. 3; Schwerdtfeger/Paschke, GesR, 3. Aufl., § 103 Rn. 6). Demgegenüber vertreten wieder andere Stimmen im Schrifttum die Auffassung, eine wirksame Mitteilung könne auch durch jede von der Hauptversammlung bestimmte Person vorgenommen werden (Mertens/Cahn in KK- AktG , 3. Aufl., § 103 Rn. 11; Hopt/Roth in Großkomm. AktG , 5. Aufl., § 103 Rn. 25; Drygala in K. Schmidt/Lutter, AktG , 3. Aufl., § 103 Rn. 6; Hölters/Simons, AktG , 3. Aufl., § 103 Rn. 16; Breuer/Fraune in Heidel, AktG , 5. Aufl., § 103 AktG Rn. 5; MünchHdbGesR IV/Hoffmann-Becking, 4. Aufl., § 30 Rn. 84).

(b) Der letztgenannten Auffassung ist mit der Maßgabe zuzustimmen, dass jedenfalls der mit der Niederschrift gemäß § 130 AktG beauftragte Notar den Beschluss über die Abberufung einem abwesenden Aufsichtsratsmitglied unter Beifügung einer Protokollausfertigung wirksam mitteilen kann, wenn er von der Hauptversammlung hierzu ausdrücklich beauftragt worden ist.

Grundsätzlich obliegt die Mitteilung des Beschlusses dem Vorstand, der für die Umsetzung von Hauptversammlungsbeschlüssen Sorge zu tragen hat und allgemein zur Vertretung der Gesellschaft berufen ist (§ 78 Abs. 1 AktG ). Unmittelbar anwendbar ist § 78 Abs. 1 AktG allerdings nicht, da es um die Kundgabe eines körperschaftlichen Organisationsaktes geht (MünchKommAktG/Habersack, 5. Aufl., § 103 Rn. 19; Mertens/Cahn in KK- AktG , 3. Aufl., § 103 Rn. 11; Hopt/Roth in Großkomm. AktG , 5. Aufl., § 103 Rn. 25; abw. Spindler in Spindler/Stilz, AktG , 4. Aufl., § 103 Rn. 15). Dementsprechend wird der Abberufungsbeschluss gegenüber einem in der Hauptversammlung anwesenden Aufsichtsratsmitglied mit der Feststellung des Beschlussergebnisses wirksam, ohne dass es einer weiteren Handlung oder rechtsgeschäftlichen Erklärung des Vorstands bedarf. Auch die ordnungsgemäße Mitteilung des Abberufungsbeschlusses an ein abwesendes Aufsichtsratsmitglied bedarf keiner zwingend vom Vorstand im Namen der Gesellschaft abzugebenden Willenserklärung. Daher kann auch die Mitteilung des Abberufungsbeschlusses durch eine von der Hauptversammlung hiermit ausdrücklich beauftragte Person für ausreichend erachtet werden, wenn eine zuverlässige Bekanntgabe gewährleistet ist. Ein praktisches Bedürfnis hierfür besteht namentlich dann, wenn der Vorstand, wie es die Umstände im Streitfall nahelegen, zur Übermittlung des Abberufungsbeschlusses ungeeignet erscheint.

Ob es der Hauptversammlung möglich wäre, jede beliebige Person mit der Übermittlung zu betrauen, muss hier nicht entschieden werden. Die berechtigten Interessen des abberufenen Aufsichtsrats an einer rechtssicheren Mitteilung dürfen insoweit nicht außer Betracht bleiben. Tritt ihm jedoch - wie vorliegend - ein Notar entgegen, der in der betreffenden Hauptversammlung mit der Niederschrift betraut war und eine Ausfertigung der Niederschrift beifügt, besteht grundsätzlich keine Veranlassung, an der Zuverlässigkeit der Mitteilung zu zweifeln.

(2) Gleichwohl ist die Klageschrift nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachverhalt am 29. Januar 2015 auch an den Aufsichtsrat wirksam zugestellt worden, da die Klägerin auf den Fortbestand der Aufsichtsratsmitgliedschaft des Dr. R. vertrauen durfte. Denn die im Aufsichtsrat eingetretenen Änderungen waren noch nicht gemäß § 106 AktG durch die Einreichung einer neuen Liste der Mitglieder des Aufsichtsrats, die auch zur Unterrichtung über eine zwischenzeitliche Vakanz geboten sein kann (vgl. Hopt/Roth in Großkomm. AktG , 5. Aufl., § 106 Rn. 22 mwN auch zur Gegenansicht), bekanntgemacht worden.

Der gute Glaube in den Fortbestand der Aufsichtsratsmandate wird allerdings nicht durch § 15 HGB geschützt. Denn die Bestellung und Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern ist, wie das Berufungsgericht zutreffend und von der Revision unbeanstandet ausgeführt hat, keine in das Handelsregister einzutragende Tatsache. Soweit die Voraussetzungen des § 15 HGB nicht vorliegen, bleibt aber der Rückgriff auf die allgemeine Rechtsscheinhaftung möglich (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2016 - II ZR 314/15, ZIP 2017, 104 Rn. 15 ff.). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann sich die Klägerin nach dem hier zugrunde zu legenden Sachverhalt auf eine entsprechende Anwendung von § 171 Abs. 2 BGB i.V.m. § 106 AktG stützen.

(a) Nach § 171 Abs. 2 BGB bleibt die durch besondere Mitteilung an einen Dritten oder durch öffentliche Bekanntmachung kundgegebene Vertretungsmacht eines Bevollmächtigten bestehen, bis sie in derselben Weise widerrufen wird. Geschützt wird jeder gutgläubige Dritte, der bei Vornahme des Rechtsgeschäfts Kenntnis vom Kundgabeakt hat (vgl. BGH, Urteil vom 27. Mai 2008 - XI ZR 149/07, ZIP 2008, 1417 Rn. 19; MünchKommBGB/Schubert, 8. Aufl., § 171 Rn. 13).

Diese Vorschrift ist im Hinblick auf den durch Bekanntmachungen nach § 106 AktG erzeugten Rechtsschein entsprechend anzuwenden mit der Folge, dass die Vertretungsmacht eines in der zum Handelsregister eingereichten Liste verzeichneten Aufsichtsrats gegenüber gutgläubigen Dritten nach der Amtsbeendigung bis zur Aktualisierung der Liste bestehen bleibt (vgl. MünchKommAktG/Habersack, 5. Aufl., § 106 Rn. 13; Hopt/Roth in Großkomm. AktG , 5. Aufl., § 106 Rn. 31; siehe auch Spindler in Spindler/Stilz, AktG , 4. Aufl., § 106 Rn. 2; Hölters/Simons, AktG , 3. Aufl., § 106 Rn. 8; Gasteyer in Semler/v. Schenck, Der Aufsichtsrat, 2015, § 103 AktG Rn. 23; Wachter, AG 2016, 776 , 782 f.). Dem Anwendungsbereich unterfallen - nicht anders als bei § 15 HGB (RGZ 127, 98 , 99; Hopt in Baumbach/Hopt, HGB , 39. Aufl., § 15 Rn. 8; Staub/Koch, HGB , 5. Aufl., § 15 Rn. 28) - auch Prozesshandlungen und insbesondere die Erhebung einer Klage durch Zustellung der Klageschrift gemäß § 253 Abs. 1 ZPO (vgl. MünchKommAktG/Habersack, 5. Aufl., § 106 Rn. 13; Hopt/Roth in Großkomm. AktG , 5. Aufl., § 106 Rn. 31).

(b) Die Klägerin gehört zum geschützten Personenkreis, da sie in entsprechender Anwendung des § 171 BGB als Dritte anzusehen ist. In die Bestellung und Abberufung von Mitgliedern des Aufsichtsrats ist sie als Insolvenzverwalterin über das Vermögen der Beklagten nicht eingebunden. Sie kann auch nicht (amtierenden) Vorstandsmitgliedern gleichgestellt werden, die nach zutreffender Ansicht nicht als Dritte gelten können (Hopt/Roth in Großkomm. AktG , 5. Aufl., § 106 Rn. 31). Die Aufgaben des Vorstands, dem insbesondere die Einberufung der Hauptversammlung (§ 121 Abs. 2 Satz 1 AktG ) und die Einreichung aktualisierter Listen nach § 106 AktG obliegt, schließen seine Schutzbedürftigkeit aus. Demgegenüber stehen dem Insolvenzverwalter zwar Auskunftsrechte zu (§ 97 Abs. 1 , § 101 Abs. 1 InsO ), die ihn, wie dem Berufungsgericht zuzugeben ist, in die Lage versetzen, innergesellschaftliche Organisationsmaßnahmen in Erfahrung zu bringen. Gleichwohl ist eine stets dem aktuellen Stand entsprechende Kenntnis des Insolvenzverwalters nicht funktionsbedingt vorgegeben, sondern von den Informationen durch die Gesellschaftsorgane abhängig. Dies genügt nicht, um ihn vom Schutzbereich der Rechtsscheinhaftung von vornherein auszunehmen. Soweit der Insolvenzverwalter Veränderungen im Aufsichtsrat kennt oder kennen muss, kann er sich entsprechend § 173 BGB ohnehin nicht auf die zum Handelsregister eingereichte Liste der Aufsichtsratsmitglieder berufen.

(c) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann der Klägerin - unbeschadet der von der Revision insoweit erhobenen Verfahrensrügen - nicht entgegengehalten werden, sie habe eine Einsichtnahme in die zum Handelsregister eingereichte Liste der Aufsichtsratsmitglieder nicht dargetan.

Die entsprechende Anwendung des § 171 Abs. 2 BGB setzt zwar voraus, dass derjenige, der sich auf den Rechtsscheintatbestand beruft, Kenntnis von der Kundgebung hat. Das Berufungsgericht hat aber nicht ausreichend berücksichtigt, dass diese Kenntnis nach dem Vollzug der Kundgabe vermutet wird (Staudinger/Schilken, BGB , Neubearb. 2019, § 171 Rn. 13; MünchKommBGB/Schubert, 8. Aufl., § 171 Rn. 13; Palandt/Ellenberger, BGB , 79. Aufl., § 171 Rn. 2). Die Klägerin war daher nicht gehalten, eine vor Klageerhebung vorgenommene Einsicht in die zum Registerordner genommene Liste der Aufsichtsratsmitglieder darzutun.

Die Einsichtnahme in die Liste ist keine notwendige Voraussetzung für die Annahme einer Kundgabe gegenüber der Klägerin. Nach § 171 BGB kann die Kundgebung durch besondere Mitteilung an einen bestimmten Dritten oder durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen. Die Aufnahme der Liste in den Registerordner erfüllt die Voraussetzungen der öffentlichen Bekanntmachung; einer besonderen Mitteilung an die Klägerin, die ggf. darin gesehen werden könnte, dass die Liste tatsächlich eingesehen wird, bedurfte es daneben nicht.

Die öffentliche Bekanntmachung gemäß § 171 BGB setzt eine Kundgabe der betreffenden Tatsache an einen nicht begrenzten Personenkreis voraus und kann insbesondere durch Zeitungsanzeigen oder Aushänge, aber auch durch eine Eintragung im Handelsregister bewirkt werden (Staudinger/Schilken, BGB , Neubearb. 2019, § 171 Rn. 8; MünchKommBGB/Schubert, 8. Aufl., § 171 Rn. 11 f.; Palandt/Ellenberger, BGB , 79. Aufl., § 171 Rn. 2). Die Aufnahme der Liste der Mitglieder des Aufsichtsrats in den Registerordner erfüllt diese Voraussetzungen ebenfalls, auch wenn § 106 Halbsatz 2 AktG die durch das Registergericht nach § 10 HGB vorzunehmende Bekanntmachung nicht auf die Liste selbst, sondern nur auf den Hinweis auf ihre Einreichung bezieht. Für die Annahme einer öffentlichen Bekanntmachung nach § 171 BGB maßgebend und ausreichend ist die gemäß § 9 Abs. 1 HGB jedermann eröffnete Möglichkeit, die Liste, auch elektronisch, einsehen zu können (vgl. MünchKommAktG/Habersack, 5. Aufl., § 106 Rn. 12).

(d) Das Berufungsgericht hat auch nicht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Klägerin der Vollzug des Abberufungsbeschlusses und damit die vor Klagezustellung eingetretene Beendigung der Aufsichtsratsmandate bekannt war oder bekannt sein musste, was entsprechend § 173 BGB die Berufung auf einen durch die unveränderte Aufsichtsratsliste begründeten Rechtsschein ausschließen würde.

Die Revision rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht in seine Gesamtwürdigung Umstände einbezogen hat, die erst nach dem 29. Januar 2015 eingetreten oder der Klägerin bekannt geworden sind, wie insbesondere das Schreiben des Rechtsanwalts H. vom 17. Februar 2015. Für die entsprechende Anwendung der § 171 Abs. 2 , § 173 BGB ist nur der Kenntnisstand der Klägerin bis zum Zugang der Klageschrift an Dr. R. maßgebend.

Nach § 173 BGB muss der Dritte "bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts" gutgläubig sein. Danach ist im Fall einer passiven Vertretung im Sinne von § 164 Abs. 3 BGB auf den Zugang bei dem Empfangsvertreter abzustellen (Beck-OGK/Deckenbrock, 1. Februar 2020, § 173 BGB Rn. 41; MünchKommBGB/Schubert, 8. Aufl., § 173 Rn. 8; Staudinger/Schilken, BGB , Neubearb. 2019, § 173 Rn. 8). Ist der Dritte zu diesem Zeitpunkt in gutem Glauben, findet § 171 Abs. 2 BGB Anwendung. Im Streitfall ist danach entscheidend, ob die Klägerin beim Zugang der Klageschrift an Dr. R. noch in gutem Glauben war. Wenn dies nicht verneint werden kann, hatte die Vertretungsmacht des Dr. R. als Aufsichtsrat entsprechend § 171 Abs. 2 BGB der Klägerin gegenüber Bestand mit der Folge, dass die Klageschrift wirksam zugestellt worden ist. Spätere Vorgänge konnten daran nichts mehr ändern.

Die vom Berufungsgericht für den Zeitraum bis zum 29. Januar 2015 festgestellten Vorgänge genügten nicht, um den guten Glauben der Klägerin entfallen zu lassen. Danach war die Klägerin zwar durch die E-Mail des Insolvenzverwalters der Alleinaktionärin vom 8. Dezember 2014 über den Abberufungsbeschluss vom 5. Dezember 2014 unterrichtet und hatte möglicherweise auch Anlass zu der Annahme, dass die Abberufung den Aufsichtsräten möglichst bald mitgeteilt werden sollte. Die E-Mail enthielt aber auch die Ankündigung, die Klägerin werde informiert gehalten. Dem Berufungsgericht ist zwar darin Recht zu geben, dass eine solche Ankündigung mit der Zeit an Aussagekraft verlieren kann, wenn erwartbare Informationen ausbleiben. In dem überschaubaren Zeitraum bis zum 29. Januar 2015 hatte die Klägerin indes noch keinen erkennbaren nachhaltigen Grund, der Ankündigung des Insolvenzverwalters der Alleinaktionärin zu misstrauen. Überdies hätte eine Nachfrage der Klägerin etwa zu Beginn des Jahres 2015 keine weiterführenden Erkenntnisse erbracht, da der Notar das Mitteilungsschreiben an die Aufsichtsräte erst unter dem 21. Januar 2015 verfasst hat.

Die Klägerin konnte daher bis zum 29. Januar 2015 davon ausgehen, dass sie über die Zustellung der Abberufungsmitteilungen, die in der E-Mail vom 8. Dezember 2014 als der nächste vorzunehmende Schritt bereits angesprochen worden war, zeitnah unterrichtet werde. Nachdem sie keine entsprechende Mitteilung erhalten hatte, durfte sie annehmen, dass die Abberufung der Aufsichtsräte noch nicht umgesetzt worden war.

c) Ist somit von einer wirksamen Zustellung der Klageschrift am 29. Januar 2015 auszugehen, sind die Voraussetzungen für eine Verlängerung der eigentlich am 30. Dezember 2014 endenden Heilungsfrist gemäß § 256 Abs. 6 Satz 2 AktG erfüllt. Die Zustellung der am 23. Dezember 2014 eingereichten Klageschrift ist "demnächst" erfolgt und wirkt daher auf den Zeitpunkt des Klageeingangs zurück (§ 167 ZPO ). Die Klägerin hat den nach vorläufiger Streitwertfestsetzung mit Verfügung vom 6. Januar 2015 angeforderten Gerichtskostenvorschuss am 15. Januar 2015 eingezahlt. Nicht nur geringfügige Verzögerungen der Klagezustellung, die die Klägerin hätte vermeiden können, sind danach nicht zu erkennen.

5. Da die Bilanznichtigkeitsklage auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht wegen Fristablaufs abgewiesen werden kann, erweist sich zugleich auch die Abweisung der gegen den Gewinnverwendungsbeschluss vom 25. Mai 2011 gerichteten Nichtigkeitsklage als rechtsfehlerhaft (vgl. § 253 Abs. 1 Satz 2 AktG ).

III. Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO ). Da die Sache noch nicht zur Endentscheidung reif ist, wird sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, zurückverwiesen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 und 3 ZPO ). Das Berufungsgericht wird sich zunächst mit dem von ihm so verstandenen Vortrag der Beklagten, die Klägerin sei am 28. Januar 2015 über den Vollzug der Aufsichtsratsabberufung informiert worden, zu befassen und hierüber gegebenenfalls Beweis zu erheben haben.

Von Rechts wegen

Verkündet am: 21. April 2020

Vorinstanz: LG Leipzig, vom 12.04.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 2 HKO 3525/14
Vorinstanz: OLG Dresden, vom 09.11.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 8 U 772/17
Fundstellen
AG 2020, 545
NotBZ 2020, 424
WM 2020, 1256
ZIP 2020, 1064
ZInsO 2020, 1312