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BGH - Entscheidung vom 03.03.2020

EnVR 27/18

Normen:
EnWG § 21 Abs. 2
GasNEV § 7 Abs. 5

BGH, Beschluss vom 03.03.2020 - Aktenzeichen EnVR 27/18

DRsp Nr. 2020/5493

Festsetzung des Eigenkapitalzinssatzes zur Bestimmung der Erlösobergrenze für die Betreiber von Elektrizitätsnetzen und Gasversorgungsnetzen für die dritte Regulierungsperiode für Neuanlagen und Altanlagen hinsichtlich Erhöhung

1. Die Regulierungsbehörde ist nicht generell gehalten, die theoretische Bandbreite, die sich aufgrund der einzelnen Entscheidungsmöglichkeiten bei der Anwendung der CAPM-Methode ergibt, zu ermitteln und aus diesem Bereich im Wege einer abstrakten Gesamtabwägung einen Wert auszuwählen. 2. Die Auswahlentscheidung der Regulierungsbehörde kann von Rechts wegen nur dann beanstandet werden, wenn sich feststellen lässt, dass der gewählte methodische Ansatz von vornherein ungeeignet ist, die Funktion zu erfüllen, die ihm im Rahmen des zugrunde gelegten Modells zukommt, oder dass ein anderes methodisches Vorgehen dem von der Regulierungsbehörde gewählten Vorbringen so deutlich überlegen ist, dass die Auswahl einer anderen Methode nicht mehr als mit den gesetzlichen Vorgaben vereinbar angesehen werden kann.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Bundesnetzagentur wird der Beschluss des 3. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 22. März 2018 aufgehoben.

Die Beschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss der Bundesnetzagentur vom 5. Oktober 2016 wird zurückgewiesen.

Die Betroffene trägt die Kosten beider Rechtsmittelinstanzen einschließlich der notwendigen Auslagen der Bundesnetzagentur.

Der Gegenstandswert für die Rechtsmittelinstanzen wird auf 50.000 Euro festgesetzt.

Normenkette:

EnWG § 21 Abs. 2 ; GasNEV § 7 Abs. 5;

Gründe

I. Die Bundesnetzagentur hat mit zwei im Wesentlichen inhaltsgleichen Beschlüssen vom 5. Oktober 2016 (BK4-16-160 und BK4-16-161) den Eigenkapitalzinssatz zur Bestimmung der Erlösobergrenze für die Betreiber von Elektrizitäts- und Gasversorgungsnetzen für die dritte Regulierungsperiode für Neuanlagen auf 6,91% und für Altanlagen auf 5,12% (jeweils vor Steuer) festgelegt. Bei einem Steuerfaktor von 1,225 liegt dabei dem Eigenkapitalzinssatz für Neuanlagen ein Zinssatz von 5,64% nach Steuern zugrunde, der sich aus einem risikolosen Zinssatz von 2,49% und einem Zuschlag zur Abdeckung betriebsspezifischer unternehmerischer Wagnisse von 3,15% zusammensetzt. Der Wagniszuschlag errechnet sich in dieser Höhe aus dem Produkt einer Marktrisikoprämie von 3,8% und einem Risikofaktor für Betreiber von Elektrizitäts- oder Gasversorgungsnetzen (Betafaktor) von 0,83.

Die Betroffene, die ein Gasverteilernetz betreibt, und eine große Anzahl von weiteren Netzbetreibern haben die Beschlüsse mit der Beschwerde angegriffen und die Festsetzung eines höheren Zinssatzes angestrebt. Das Beschwerdegericht hat 29 Verfahren als Pilotverfahren verhandelt und nach Einholung eines schriftlichen Gutachtens und mündlicher Anhörung der gerichtlichen Sachverständigen entschieden. In den weitgehend wortgleichen Beschlüssen (vgl. etwa RdE 2018, 264 ) hat es die angefochtenen Festlegungen aufgehoben und die Bundesnetzagentur zur Neubescheidung verpflichtet.

Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde, der die Betroffene entgegentritt, strebt die Bundesnetzagentur weiterhin die Zurückweisung der Beschwerde an.

II. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet und führt zur Zurückweisung der Beschwerde.

Der Senat hat bereits in zwei anderen Verfahren entschieden, dass die angefochtenen Festlegungen der Bundesnetzagentur entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden sind (BGH, Beschlüsse vom 9. Juli 2019 - EnVR 41/18, ZNER 2019, 431 ; EnVR 52/18, RdE 2019, 456 - Eigenkapitalzinssatz II). Das Vorbringen der Rechtsbeschwerdeerwiderung führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

1. Der Senat hat den tatrichterlichen Feststellungen des Beschwerdegerichts entnommen, dass die Auswahl des Capital Asset Pricing Model (CAPM) und die Heranziehung der historischen Datenreihen von Dimson, Marsh und Staunton (DMS) zur Ermittlung der Marktrisikoprämie im Ansatz nicht zu beanstanden ist (BGH, RdE 2019, 456 Rn. 40). Die von der Rechtsbeschwerdeerwiderung hiergegen erhobenen Einwendungen sind unbegründet.

a) Die vom Senat herangezogenen Feststellungen zur grundsätzlichen Geeignetheit der ausgewählten Methode werden nicht dadurch in Frage gestellt, dass das Beschwerdegericht die angefochtene Festlegung im Ergebnis als rechtswidrig angesehen hat.

Das Beschwerdegericht ist zu der Beurteilung gelangt, dass die Bundesnetzagentur das Modell und die Datenreihen fehlerhaft angewendet hat, weil aufgrund einer historischen Sondersituation eine Korrektur der als Mittelwert zwischen dem arithmetischen (4,4%) und dem geometrischen Mittel (3,2%) der jährlichen Vergangenheitswerte mit 3,8% angenommenen Marktrisikoprämie geboten sei.

Diese Erwägung betrifft nicht die grundlegende Methodenwahl, sondern die Frage, ob zusätzliche Maßnahmen zur Plausibilisierung oder Korrektur der damit gefundenen Ergebnisse erforderlich sind. Ihr ist entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeerwiderung nicht zu entnehmen, dass das Beschwerdegericht die grundsätzliche Methodenwahl nur für den Fall als rechtmäßig angesehen hat, dass die vom Beschwerdegericht für notwendig erachteten Korrekturen erfolgen. Das Beschwerdegericht hat die Frage der Methodenwahl und die Frage der Notwendigkeit von Korrekturen vielmehr zutreffend getrennt erörtert und beantwortet, weil es nicht selbst die geeignete Methode zu finden, sondern zunächst zu prüfen hatte, ob die von der Regulierungsbehörde gewählte Methode grundsätzlich ungeeignet oder einer anderen Methode greifbar unterlegen ist. Beides hat das Beschwerdegericht mit ausführlicher Begründung und gestützt auf die Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen rechtsfehlerfrei verneint.

b) Aus den Ausführungen des Beschwerdegerichts zu der Frage, inwieweit sich die von ihm festgestellte Sondersituation in den DMS-Daten niedergeschlagen hat, ergibt sich keine abweichende Beurteilung.

Das Beschwerdegericht hat festgestellt, dass die Entwicklung der letzten Jahre in dem sich über 115 Jahre erstreckenden DMS-Datensatz nahezu keinen Niederschlag gefunden hat.

Diese Feststellung vermag, wie der Senat bereits an anderer Stelle ausgeführt hat, die grundsätzliche Eignung der DMS-Daten zur Bestimmung der Marktrisikoprämie nicht in Frage zu stellen, weil ein auf langfristigen Datenreihen beruhender Durchschnittswert kurzfristig auftretende Sondereffekte naturgemäß nur in verhältnismäßig geringem Umfang widerspiegelt (BGH, RdE 2019, 456 Rn. 49).

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeerwiderung steht die in diesem Zusammenhang angestellte Erwägung des Senats, dass die Entwicklungen der letzten Jahre in den DMS-Daten durchaus gewissen Niederschlag gefunden haben (BGH, RdE 2019, 456 Rn. 50), in Einklang mit den Feststellungen des Beschwerdegerichts. Sie bringt zum Ausdruck, dass die Daten aus neuerer Zeit ebenfalls in die DMS-Daten eingeflossen sind und sich damit auf die daraus abgeleiteten Ergebnisse auswirken. Der Umstand, dass dies aufgrund des großen Betrachtungszeitraums nur zu einer geringen Veränderung der Durchschnittswerte führt, lässt die Heranziehung dieser Werte aus den genannten Gründen nicht als rechtsfehlerhaft erscheinen.

c) Dass die DMS-Daten um einzelne Werte aus dem Zeitraum der Hyperinflation in Deutschland und Österreich in den Jahren 1921 bis 1923 bereinigt worden sind, führt ebenfalls nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

Diese Korrektur vermag entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeerwiderung keine Zweifel daran zu begründen, dass die DMS-Daten als Indikator für die tatsächliche Marktentwicklung grundsätzlich geeignet sind. Vielmehr ist offenkundig, dass eine inflationäre Entwicklung, die dazu führt, dass eine Landeswährung innerhalb von kürzester Zeit praktisch wertlos ist, qualitativ anders zu bewerten ist als der Umstand, dass sich die Rendite für Anleihen aufgrund eines Kursanstiegs älterer Wertpapiere über einen gewissen Zeitraum hinweg um einige Prozentpunkte von der Entwicklung der Rendite für Aktien abweicht.

2. Der Senat hat den Umstand, dass der der Ermittlung der Marktrisikoprämie zugrunde gelegte DMS-Datensatz Daten aus China, Russland und Österreich enthält, als rechtlich unbedenklich angesehen (BGH, RdE 2019, 456 Rn. 62). Die von der Rechtsbeschwerdeerwiderung erhobenen Einwendungen führen auch insoweit nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

Wie der Senat bereits näher dargelegt hat, stellt der Umstand, dass die historische Entwicklung in den im Datensatz berücksichtigten Ländern unterschiedlich verlaufen ist, für sich gesehen keinen zwingenden Grund dar, einzelne Länder unberücksichtigt zu lassen. Gegen die Einbeziehung eines Landes kann zwar unter bestimmten Umständen sprechen, dass Daten nur für einen wesentlich geringeren Zeitraum zur Verfügung stehen als für die übrigen Länder. Auch insoweit bedarf es jedoch konkreter Anhaltspunkte dafür, dass sich diese Besonderheit in relevanter und methodisch zu beanstandender Weise auf das Ergebnis auswirkt (BGH, RdE 2019, 456 Rn. 64 f.).

Solche Anhaltspunkte ergeben sich aus dem von der Rechtsbeschwerdeerwiderung aufgezeigten Tatsachenvorbringen nicht. Diesem ist nur zu entnehmen, dass die Daten für China und Russland nur einen Zeitraum von 70 bzw. 40 Jahren abdecken, nicht aber, dass die Einbeziehung dieser Daten die Ermittlung der Marktrisikoprämie damit in methodisch fehlerhafter Weise beeinflusst. Feststellungen, die eine solche Annahme tragen könnten, hat das Beschwerdegericht nicht getroffen. Es meint unter Bezugnahme auf die Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen, die Einbeziehung dieser Länder führe angesichts der historischen Brüche aus Weltkriegen und Revolutionen zu nicht sachgerechten Verzerrungen der Datengrundlage, die auch nicht zur Vermeidung eines "Survivorship-Bias" geboten seien; eine händische Korrektur dieses Effekts sei durchaus möglich. Muss jedoch eine sich über die letzten 115 Jahre erstreckende Datenreihe historische Brüche aus Weltkriegen und Revolutionen ohnehin angemessen berücksichtigen, wie bereits im Zusammenhang mit der Inflation der 1920er Jahre erörtert, genügt es für eine Überschreitung des methodischen Beurteilungsspielraums der Regulierungsbehörde nicht, dass es auch möglich gewesen sein mag, dies in anderer Weise zu tun und auf die letzte Erweiterung der DMS-Datenreihe zu verzichten.

3. Ohne Rechtsfehler ist das Beschwerdegericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Heranziehung der DMS-Daten aus Rechtsgründen nicht deshalb zu beanstanden ist, weil Deutschland darin unterrepräsentiert wäre.

a) Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts ist es aus fachlicher Sicht grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn die Gewichtung der Daten aus verschiedenen Ländern anhand der Marktkapitalisierung erfolgt.

Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung der Bundesnetzagentur, die den DMS-Daten zugrundeliegende Gewichtung nicht zu verändern, rechtlich nicht zu beanstanden.

b) Die vom Beschwerdegericht referierten Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen, die Heranziehung einer einzigen Datensammlung ohne ergänzende Berücksichtigung anderer Ansätze sei in der derzeitigen Situation erst recht unzureichend, wenn Deutschland in diese Studie nur mit einem Anteil von 3% eingehe, führen entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeerwiderung nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

Diese Erwägungen beruhen auf der Prämisse, dass die vom Beschwerdegericht festgestellte historische Sondersituation ergänzende Maßnahmen zur Überprüfung oder Korrektur der anhand der DMS-Daten ermittelten Ergebnisse zwingend erfordert. Diese Prämisse ist aus den bereits an anderer Stelle dargelegten Gründen unzutreffend.

c) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeerwiderung führt die Vorgabe aus § 7 Abs. 5 Nr. 1 StromNEV, wonach die Verhältnisse auf den nationalen und internationalen Kapitalmärkten zu berücksichtigen sind, nicht dazu, dass die Daten aus Deutschland sowohl gesondert als auch als Teil der internationalen Daten zu berücksichtigen wären. Aus der Bezugnahme auf nationale und internationale Märkte ergibt sich vielmehr, dass die Verhältnisse in Deutschland und die Verhältnisse im Ausland grundsätzlich gleichermaßen heranzuziehen sind. Hinsichtlich der Art und Weise, in der dies geschieht, steht der Regulierungsbehörde ein Spielraum zu.

4. Rechtsfehlerhaft hat das Beschwerdegericht die Bundesnetzagentur für verpflichtet erachtet, bei der Bestimmung der Marktrisikoprämie weitere Indikatoren für den angemessenen Wert zu berücksichtigen oder eine Plausibilitätskontrolle durchzuführen.

a) Wie der Senat schon mehrfach entschieden hat, ist die Regulierungsbehörde nicht generell gehalten, die theoretische Bandbreite, die sich aufgrund der einzelnen Entscheidungsmöglichkeiten bei der Anwendung der CAPM-Methode ergibt, zu ermitteln und aus diesem Bereich im Wege einer abstrakten Gesamtabwägung einen Wert auszuwählen. Erst recht ist es nicht die Aufgabe einer gerichtlichen Überprüfung, eine von der Regulierungsbehörde in Ausübung eines ihr zustehenden Spielraums getroffene Auswahlentscheidung durch eine alternative Modellierung zu ergänzen oder zu ersetzen (BGH, RdE 2019, 456 Rn. 43).

Die Entscheidung der Regulierungsbehörde ist allerdings nur dann rechtsfehlerfrei, wenn sie sich anerkannter wissenschaftlicher Methoden bedient und diese in Einklang mit den Vorgaben aus § 21 Abs. 2 EnWG und § 7 Abs. 5 GasNEV anwendet und wenn keine konkreten Anhaltspunkte dafür feststellbar sind, dass die sich hieraus ergebende Höhe der Eigenkapitalverzinsung gleichwohl das Ziel einer angemessenen, wettbewerbsfähigen und risikoangepassten Verzinsung des eingesetzten Kapitals verfehlt (BGH, RdE 2019, 456 Rn. 44).

b) In Anwendung dieser Grundsätze ist der Senat in den bereits ergangenen Entscheidungen zu dem Ergebnis gelangt, dass weder die vom Beschwerdegericht als historisch einmalig eingeschätzte besondere Situation auf den Finanzmärkten noch sonstige Umstände konkrete Anhaltspunkte begründen, die eine zusätzliche Plausibilisierung der auf der Grundlage von CAPM und DMS-Daten ermittelten Werte erforderlich machen (BGH, RdE 2019, 456 Rn. 45).

Hieran hält der Senat auch im Lichte der von der Rechtsbeschwerdeerwiderung erhobenen Einwendungen fest.

aa) Der Umstand, dass das Beschwerdegericht nicht nur eine Plausibilisierung als rechtlich erforderlich angesehen hat, sondern auch die Berücksichtigung zusätzlicher, für eine Erhöhung des Wagniszuschlags sprechender Indikatoren, führt entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeerwiderung nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

Der Senat hat seine Beurteilung auf die Erwägung gestützt, dass sich aus den Feststellungen des Beschwerdegerichts keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die von der Bundesnetzagentur gewählte Methode nicht geeignet ist, auch den Auswirkungen, die sich aus der festgestellten Sondersituation ergeben, auf die zu erwartende Marktrisikoprämie angemessen Rechnung zu tragen (BGH, RdE 2019, 456 Rn. 48 ff.). Hieraus ergibt sich nicht nur, dass eine zusätzliche Plausibilisierung der auf diesem Weg gefundenen Ergebnisse nicht erforderlich war, sondern auch, dass die Bundesnetzagentur aus Rechtsgründen nicht gehalten war, zusätzliche Indikatoren zu berücksichtigen oder sich am oberen Ende eines in Frage kommenden Wertebereichs zu orientieren.

bb) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeerwiderung nimmt der Senat damit keine Tatsachenwürdigung vor. Vielmehr geht es darum, den Bereich der tatrichterlichen Überprüfung und Würdigung in der gebotenen Weise von dem Spielraum abzugrenzen, der der Regulierungsbehörde bei der Ausfüllung der Zielvorgaben aus § 7 Abs. 5 StromNEV zusteht.

Die Bundesnetzagentur ist nicht schon dann gehalten, eine bestimmte Methode oder Vorgehensweise zu wählen, wenn dies durch plausible wissenschaftliche Erwägungen nahegelegt wird. Zu ihren zentralen Aufgaben und Befugnissen gehört es vielmehr, zwischen verschiedenen in Betracht kommenden Ansätzen eine den Vorgaben und dem Zweck der einschlägigen Rechtsvorschriften entsprechende Auswahl zu treffen. Angesichts des in vielen Beziehungen abstrakten Charakters der in § 7 Abs. 5 StromNEV normierten Vorgaben, der Vielzahl und Komplexität der Gesichtspunkte, denen danach Rechnung zu tragen ist, und des Umstandes, dass die vorgegebenen Ziele in vielen Beziehungen gegenläufig sein können, tritt bei dieser Auswahl eine Vielzahl von Fragen auf, die nicht exakt im Sinne von "richtig oder falsch", sondern nur durch eine wertende Auswahlentscheidung beantwortet werden können. Dies hat zur Folge, dass es in der Regel nicht nur einen einzigen Zinssatz gibt, der den Vorgaben von § 7 Abs. 5 StromNEV entspricht (BGH, Beschluss vom 27. Januar 2015 - EnVR 39/13, N&R 2015, 165 Rn. 18 - Thyssengas GmbH). Die Auswahlentscheidung der Regulierungsbehörde kann deshalb von Rechts wegen nur dann beanstandet werden, wenn sich feststellen lässt, dass der gewählte methodische Ansatz von vornherein ungeeignet ist, die Funktion zu erfüllen, die ihm im Rahmen des zugrunde gelegten Modells zukommt, oder dass ein anderes methodisches Vorgehen unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände, wie insbesondere seiner Eignung für die Zwecke der Ermittlung der zu bestimmenden Endgröße, der Verfügbarkeit der benötigten Datengrundlage, des zu ihrer Feststellung erforderlichen Aufwands und der Präzision und Belastbarkeit der mit diesem methodischen Vorgehen erzielbaren Ergebnisse, dem von der Regulierungsbehörde gewählten Vorbringen so deutlich überlegen ist, dass die Auswahl einer anderen Methode nicht mehr als mit den gesetzlichen Vorgaben vereinbar angesehen werden kann (BGH, N&R 2015, 165 Rn. 26).

Im Streitfall ergeben sich aus den Feststellungen des Beschwerdegerichts keine Umstände, die es in diesem Sinne als zwingend erscheinen lassen, die als solche nicht zu beanstandende Vorgehensweise nach CAPM unter Heranziehung der nicht-modifizierten DMS-Datenreihen durch Berücksichtigung weiterer Indikatoren oder durch Plausibilisierung anhand anderer Methoden zu ergänzen. Aus dem Umstand, dass die gerichtlichen Sachverständigen solche Maßnahmen als erforderlich bezeichnet haben, konnte und durfte das Beschwerdegericht zwar rechtsfehlerfrei ableiten, dass dies ebenfalls einen zulässigen Weg dargestellt hätte, um zu einem den Vorgaben von § 7 Abs. 5 StromNEV entsprechenden Ergebnis zu gelangen. Seine Feststellungen tragen aber nicht die Schlussfolgerung, dass diese Vorgehensweise der an langfristigen Durchschnittswerten orientierten Vorgehensweise der Bundesnetzagentur so deutlich überlegen ist, dass diese als rechtswidrig anzusehen wäre.

Insbesondere hat das Beschwerdegericht, das sich mit möglichen anderen Methoden zur Ermittlung der Marktrisikoprämie ausführlich befasst hat, diese gerade wegen derjenigen gegenwartsbezogenen Effekte als nicht überlegen angesehen, welche zur Folge haben, dass sich als Ergebnis der Abschätzung eine höhere Marktrisikoprämie ergibt als bei Anwendung des CAPM mit den DMS-Datenreihen. Ebenso wenig wie diese zu erwartende Ergebnisdiskrepanz dazu führen kann, die Anwendung einer dieser anderen Methoden für zwingend zu halten, kann sie eine Methodenmischung oder eine Korrektur des in fehlerfreier Anwendung des geeigneten methodischen Ansatzes gewonnenen Ergebnisses gebieten.

c) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeerwiderung führt diese Beurteilung nicht dazu, dass der sowohl nach Art. 19 Abs. 4 GG als auch nach Unionsrecht gebotene effektive Rechtsschutz ausgehöhlt wird.

Wie auch die Rechtsbeschwerdeerwiderung im Ansatz nicht verkennt und detailliert darlegt, kommt der Regulierungsbehörde ein hohes Maß an Unabhängigkeit zu. Diese - unionsrechtlich gebotene und verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende - Stellung und der Umstand, dass sich die komplexen Ziele der Netzentgeltregulierung nicht in allen Beziehungen im Voraus durch abstrakte normative Vorgaben erreichen lassen, bringen es mit sich, dass der Regulierungsbehörde zumindest in gewissen Bereichen ein Ermessens- oder Beurteilungsspielraum eingeräumt wird. Dieser Spielraum muss zwar durch rechtliche Vorgaben so weit begrenzt sein, dass eine effektive gerichtliche Überprüfung möglich ist. Er darf aber seinerseits nicht dadurch ausgehöhlt werden, dass die Auswahl zwischen mehreren den normativen Vorgaben entsprechenden Regulierungsmöglichkeiten letztlich bei den Gerichten liegt und das Gericht mithin nicht die Regulierungsentscheidung überprüft, sondern diese selbst trifft.

Die insoweit gegenläufigen Anforderungen der Unabhängigkeit und des effektiven Rechtsschutzes müssen deshalb in Einklang gebracht werden, und zwar dergestalt, dass ein gerichtlicher Eingriff nur insoweit erfolgt, als die Regulierungsbehörde die ihr eingeräumten Spielräume überschritten oder in einer mit den einschlägigen rechtlichen Vorgaben nicht zu vereinbarenden Weise ausgefüllt hat. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall aus den oben aufgezeigten Gründen nicht erfüllt.

d) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeerwiderung hat die Bundesnetzagentur die Auswahl ihrer Vorgehensweise hinreichend begründet.

Die Bundesnetzagentur hat in der angefochtenen Festlegung dargelegt, weshalb sie sich trotz abweichender Forderungen für die Bildung von Mittelwerten auf der Grundlage der langjährigen DMS-Datenreihen entschieden hat. Diese Begründung ist zwar knapp gehalten. Sie lässt aber die wesentlichen Gründe erkennen, auf denen die getroffene Auswahl beruht, und wird den sich unter dem Aspekt des effektiven Rechtsschutzes ergebenden Anforderungen des nationalen und des Unionsrechts gerecht.

5. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeerwiderung ist eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nicht veranlasst.

a) Die Frage, ob Vorschriften der Richtlinie 2009/72/EG oder der Charta der Grundrechte eine Reduktion der gerichtlichen Kontrolldichte im Hinblick auf die Ermessensfreiheit erlauben, ist, soweit sie für die Entscheidung des Streitfalls von Bedeutung ist, bereits geklärt.

Wie auch die Rechtsbeschwerdeerwiderung im Ansatz zutreffend darlegt, ist unionsrechtlich anerkannt, dass die Entscheidung einer unabhängigen Regulierungsbehörde, der in bestimmten Beziehungen Entscheidungsspielräume eingeräumt sind, nicht in allen Einzelheiten der gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Über dieses anerkanntermaßen notwendige Maß hinaus ist die gerichtliche Kontrolldichte auch im Streitfall nicht eingeschränkt.

b) Die Frage, ob eine bestimmte tatrichterlich festgestellte Kapitalmarktsituation aus Rechtsgründen die Berücksichtigung zusätzlicher Indikatoren für eine angemessene Eigenkapitalverzinsung oder eine zusätzliche Plausibilisierung eines mittels einer geeigneten Methode fehlerfrei gewonnenen Ergebnisses der Abschätzung der Marktrisikoprämie erfordert, hängt von den Besonderheiten der jeweiligen Fallgestaltung ab. Ihre Beurteilung anhand der unionsrechtlichen und innerstaatlichen Vorgaben unterliegt deshalb den Gerichten der Mitgliedstaaten.

c) Die Frage, ob die Regulierungsbehörde aufzeigen muss, warum eine von ihr festgelegte Methode ein historisch niedriges Zinsniveau angemessen berücksichtigt, ist für die Entscheidung des Streitfalls nicht erheblich. Wie bereits oben aufgezeigt wurde, genügt die angefochtene Festlegung den insoweit bestehenden Begründungserfordernissen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 Satz 2 EnWG , die Festsetzung des Gegenstandswerts auf § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GKG und § 3 ZPO .

Verkündet am: 3. März 2020

Vorinstanz: OLG Düsseldorf, vom 22.03.2018 - Vorinstanzaktenzeichen VI-3 Kart 195/16 (V)