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BGH - Entscheidung vom 05.05.2020

EnVR 45/19

Normen:
ARegV § 10a Abs. 1 S. 1-2
ARegV § 10a Abs. 2 S. 1 Nr. 1
GasNEV § 6 Abs. 4

BGH, Beschluss vom 05.05.2020 - Aktenzeichen EnVR 45/19

DRsp Nr. 2020/9740

Einbeziehen von Investitionen aus den Jahren zwischen dem Basisjahr (2015) und dem Beginn der dritten Regulierungsperiode (2018) in den Kapitalkostenaufschlag für das Jahr 2018; Anpassung der Erlösobergrenze aufgrund eines genehmigten Kapitalkostenaufschlags auf Antrag eines Betreibers von Gasverteilernetzen

1. Betreiber von Gasverteilernetzen können eine Anpassung der Erlösobergrenze aufgrund eines genehmigten Kapitalkostenaufschlags nach § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, § 10a ARegV gemäß § 34 Abs. 6 Satz 1 ARegV erstmals zum 30. Juni 2017 mit Wirkung auf den 1. Januar 2018 beantragen. Dem Wortlaut dieser Vorschriften kann nichts dafür entnommen werden, in den Jahren 2016 und 2017 entstandene Kapitalkosten in den Kapitalkostenaufschlag für 2018 einzubeziehen. Auch Sinn und Zweck der Regelungen sprechen ebenfalls dafür, den Kapitalkostenaufschlag nicht auf Investitionskosten der zweiten Regulierungsperiode anzuwenden. 2. Für eine analoge Anwendung der Vorschrift des § 10a ARegV auf Kapitalkosten aus den Jahren 2016 und 2017 fehlt es bereits an einer planwidrigen Regelungslücke.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 10. April 2019 wird auf Kosten der Antragstellerin, die auch die notwendigen Auslagen der Bundesnetzagentur zu tragen hat, zurückgewiesen.

Normenkette:

ARegV § 10a Abs. 1 S. 1-2; ARegV § 10a Abs. 2 S. 1 Nr. 1; GasNEV § 6 Abs. 4;

Gründe

A. Die Antragstellerin betreibt ein Gasverteilernetzwerk. Sie beantragte mit Schreiben vom 27. Juni 2017 einen Kapitalkostenaufschlag auf die Erlösobergrenze des Jahres 2018 nach § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 10a ARegV. Mit Beschluss vom 16. Januar 2018 lehnte die Bundesnetzagentur den Antrag ab, soweit die Antragstellerin Kapitalkosten für 2016 und 2017 geltend machte. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen.

Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Die Bundesnetzagentur tritt dem Rechtsmittel entgegen.

B. Das zulässige Rechtsmittel ist unbegründet.

I. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Weder der Wortlaut der § 10a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 ARegV noch die Übergangsvorschriften in § 34 ARegV regelten unmittelbar, ob in den Kapitalkostenaufschlag für das Jahr 2018 auch Investitionen aus den Jahren zwischen dem Basisjahr (2015) und dem Beginn der dritten Regulierungsperiode (2018) einbezogen werden könnten. Der jährliche Genehmigungsturnus lege aber nahe, nur die in der jeweiligen Genehmigungsperiode anfallenden Kapitalkosten zu berücksichtigen. Überdies habe der Verordnungsgeber als Stichtag für den Systemwechsel den Beginn der dritten Regulierungsperiode bestimmt. Ferner führten systematische Erwägungen dazu, Kapitalkosten aus Investitionen der Jahre 2016 und 2017 nicht beim Kapitalkostenaufschlag für 2018 zu berücksichtigen. Anders als in § 34 Abs. 4 Satz 2 ARegV fehle in Absatz 6 dieser Vorschrift eine Erstreckung auf offene Kalenderjahre. Eine Finanzierungslücke entstehe nicht. Der Anreizregulierung liege kein investitionsscharfer Finanzierungsansatz zugrunde; sie solle vielmehr die Wirtschaftlichkeit des Gesamtnetzes sicherstellen. In das für Investitionen der ersten und zweiten Regulierungsperiode verfügbare Budget flössen daher sämtliche positiven Sockeleffekte einschließlich solcher aus Altanlagen ein, die vor Inkrafttreten der Anreizregulierungsverordnung aktiviert worden seien. Dieses Gesamtbudget stehe auch für Investitionen 2016 und 2017 zur Verfügung. Überdies werde nach § 34 Abs. 5 ARegV die Refinanzierung von Investitionen der ersten beiden Regulierungsperioden durch das bisherige Instrumentarium gesichert, ergänzt um eine Aussetzung des Kapitalkostenabzugs für Investitionen der Jahre 2007 bis (im Gassektor) 2015. Auch Sinn und Zweck des Kapitalkostenaufschlags erfordere keine Berücksichtigung der Jahresscheiben 2016 und 2017. Der Systemwechsel führe nicht zu einer strukturellen Verschlechterung der Investitionsbedingungen. Die Anreizregulierung beruhe auf einer Entkoppelung von Kosten und Erlösen; Unschärfen in Form von Unter- und Überdeckungen seien ihr immanent. Umgekehrt führte eine Einbeziehung der Kapitalkosten 2016 und 2017 in den Kapitalkostenaufschlag zu einem strukturellen Vorteil. Soweit der Antragstellerin nach bisherigem Recht ein Erweiterungsfaktor oder eine genehmigte Investitionsmaßnahme zugestanden hätte, ergäben sich keine Nachteile; die Funktion dieser Instrumente übernehme mit Wirkung ab 2018 der Kapitalkostenaufschlag. Danach fehle bereits die für eine analoge Anwendung des § 10a ARegV erforderliche Regelungslücke.

II. Dies hält rechtlicher Nachprüfung stand.

1. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch aus § 10a ARegV auf Berücksichtigung der 2016 und 2017 entstandenen Kapitalkosten im Rahmen des Kapitalkostenaufschlags für 2018.

a) Betreiber von Gasverteilernetzen können eine Anpassung der Erlösobergrenze aufgrund eines genehmigten Kapitalkostenaufschlags nach § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, § 10a ARegV gemäß § 34 Abs. 6 Satz 1 ARegV erstmals zum 30. Juni 2017 mit Wirkung auf den 1. Januar 2018 (§ 4 Abs. 4 Satz 2 ARegV) beantragen. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kann dem Wortlaut dieser Vorschriften nichts dafür entnommen werden, in den Jahren 2016 und 2017 entstandene Kapitalkosten in den Kapitalkostenaufschlag für 2018 einzubeziehen.

aa) Der Kapitalkostenaufschlag wird jahresweise genehmigt. Die Anpassung der Erlösobergrenze kann jährlich zum 30. Juni mit Wirkung zum 1. Januar des Folgejahres beantragt werden (§ 4 Abs. 4 Satz 2 ARegV) und die Genehmigung ist auf dieses Folgejahr beschränkt (§ 10a Abs. 1 Satz 3 ARegV). § 34 Abs. 6 Satz 1 ARegV konkretisiert diese Regelungen dahingehend, dass ein Antrag auf Kapitalkostenaufschlag erstmals zum 30. Juni 2017 gestellt werden kann. Dieser Bestimmung käme kein eigenständiger Regelungsgehalt zu, könnte ihr nicht die materielle Wirkung entnommen werden, dass erstmals Kapitalkosten des Jahres 2018 geltend gemacht werden können. Denn da die Vorschriften zum Kapitalkostenzuschlag ohnehin erst mit Wirkung zum 17. September 2016 in die Anreizregulierungsverordnung eingefügt worden sind, folgt bereits aus § 4 Abs. 4 Satz 2 ARegV, dass die Antragstellung erstmals zum 30. Juni 2017 möglich war.

bb) Abweichendes ergibt sich nicht aus § 10a Abs 2 Satz 1 ARegV. Diese Vorschrift regelt, welche Anlagegüter bei der Berechnung des Kapitalkostenaufschlags berücksichtigt werden, bestimmt aber nicht, für welche Kapitalkosten der Kapitalkostenaufschlag in zeitlicher Hinsicht gewährt werden kann.

Nach § 10a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ARegV werden bei der Berechnung des Kapitalkostenaufschlags die betriebsnotwendigen Anlagegüter berücksichtigt, deren Aktivierung ab dem 1. Januar des Jahres, das auf das Basisjahr der anzupassenden Erlösobergrenze (hier 2015) folgt, stattgefunden hat. Die Regelung erschöpft sich darin anzuordnen, dass die Kapitalkosten für sämtliche Investitionen, die in Jahren nach dem maßgeblichen Basisjahr erfolgten und deshalb keinen Eingang in die Erlösobergrenze der jeweiligen Regulierungsperiode fanden (vgl. § 6 Abs. 1 ARegV), sachlich in den jährlichen Kapitalkostenaufschlag einbezogen werden, soweit sie zeitlich in dem jeweiligen Jahr entstehen. Dies gilt gleichermaßen für Investitionen im Zeitraum zwischen Basisjahr und Beginn der Regulierungsperiode wie für Investitionen während einer laufenden Regulierungsperiode.

So werden beim Kapitalkostenaufschlag für 2018 die in diesem Jahr anfallenden Kapitalkosten für 2016 und 2017 aktivierte (§ 10a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ARegV) sowie für 2018 geplante (§ 10a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ARegV) Investitionen angesetzt, und beim Kapitalkostenaufschlag für 2019 entsprechend die Kapitalkosten für Investitionen in Anlagegüter, die 2016 bis 2018 aktiviert wurden oder deren Aktivierung 2019 erwartet wird. Danach lässt sich der Norm aber nicht entnehmen, dass schon in vergangenen Jahren entstandene Kapitalkosten noch rückwirkend angesetzt werden können.

cc) Dieses Verständnis ergibt sich auch aus § 10a Abs. 3 bis 8 ARegV, die eine jahresscharfe Berechnung vorgeben. Anzusetzen sind gemäß § 10a Abs. 3 ARegV die kalkulatorischen Abschreibungen auf betriebsnotwendiges Anlagevermögen nach § 6 Abs. 4 GasNEV. Diese Abschreibungen erfolgen linear und sind - wie § 6 Abs. 5 Satz 1 GasNEV zeigt - jährlich vorzunehmen. Die kalkulatorische Verzinsung nach § 10a Abs. 4 und 5 ARegV errechnet sich aus den aus Jahresanfangs- und Jahresendbestand gemittelten (§ 7 Abs. 1 Satz 4 GasNEV) und damit jährlichen Restwerten des Anlagevermögens. Ebenso erfolgt der Kapitalkostenabzug als Kehrseite des Kapitalkostenaufschlags nach § 6 Abs. 3 ARegV jahresscharf.

b) Sinn und Zweck der Regelungen sprechen ebenfalls dafür, den Kapitalkostenaufschlag nicht auf Investitionskosten der zweiten Regulierungsperiode anzuwenden.

aa) Mit der Neuregelung sollte zukünftig der Zeitverzug für die kostenscharfe Refinanzierung von Investitionen in Anlagegüter beseitigt werden (vgl. Entwurf der Bundesregierung für die Zweite Verordnung zur Änderung der Anreizregulierungsverordnung, BR-Drucks. 296/16, S. 20 f.). Dabei war mit "zukünftig" der Zeitpunkt des vorgesehenen Systemwechsels, also der Beginn der dritten Regulierungsperiode gemeint. Der bisherige regulierungsperiodenbezogene Budgetansatz bei der Finanzierung von Investitionen sollte durch das neue System eines jährlichen Kapitalkostenabgleichs abgelöst werden (BR-Drucks. 296/16, S. 20, 23). Der Erweiterungsfaktor (§ 10 ARegV) und die Regelungen für (neue) genehmigte Investitionsmaßnahmen (§ 23 ARegV) sind auf Verteilernetzbetreiber dementsprechend erst ab der dritten Regulierungsperiode nicht mehr anwendbar (§ 34 Abs. 7 Satz 1 ARegV). Dies spricht gegen die Annahme, mit der Verordnung sei eine Anwendung der Neuregelung des Kapitalkostenabgleichs schon auf in der zweiten Regulierungsperiode entstandenen Aufwand für Investitionen beabsichtigt.

bb) Die Neuregelung geht vielmehr davon aus, dass die Refinanzierung der Investitionen aus der zweiten Regulierungsperiode grundsätzlich über die Erlösobergrenzenbudgets und deren Anpassungen in den ersten beiden Regulierungsperioden sowie die künftige Anerkennung der Kapitalkosten gesichert ist. Einer Nachholung von Abschreibungen und Verzinsung aus früheren Jahren bedarf es im System des Kapitalkostenaufschlags nicht.

Die Kapitalkosten für Investitionen in Anlagegüter, die während einer laufenden Regulierungsperiode nach einem Basisjahr erfolgen, fließen auf Antrag durch Anpassung der Erlösobergrenze in diese jeweils laufende Regulierungsperiode ein. So können die Netzbetreiber für Investitionen in den Jahren 2020 (dem Basisjahr für die vierte Regulierungsperiode) bis 2022 nach § 10a ARegV einen Kapitalkostenaufschlag während der dann noch laufenden dritten Regulierungsperiode beantragen. Dem steht nicht entgegen, dass 2020 selbst ein Basisjahr ist, denn "Basisjahr der anzupassenden Erlösobergrenze" (§ 10a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ARegV) ist während der dritten Regulierungsperiode - und damit auch für die Jahre 2020 bis 2022 - das Jahr 2015. Investitionen aus 2021 und 2022 werden darüber hinaus mit ihren ab 2023 erwarteten Kapitalkosten beim Kapitalkostenaufschlag während der vierten Regulierungsperiode berücksichtigt, da sie für das Ausgangsniveau des Basisjahrs dieser Regulierungsperiode unberücksichtigt geblieben sind.

Ein Ansatz in Vorjahren entstandener Kapitalkosten (erst) in späteren Jahren würde demgegenüber zu einer Verzerrung bei der zeitlichen Zuordnung von Kapitalkosten führen. Dies stünde in Widerspruch zur Absicht des Verordnungsgebers, jährlich eine Refinanzierung ohne Zeitverzug zu ermöglichen (BR-Drucks. 296/16, S. 20; vgl. für den Kapitalkostenabzug § 6 Abs. 3 Satz 1 und 3 ARegV). Zudem liefe die Antragsfrist nach § 4 Abs. 4 Satz 2 ARegV weitgehend leer, könnten Kapitalkosten aus Vorjahren in Folgejahren angesetzt werden.

Um den Systemübergang zu erleichtern, ist der Kapitalkostenabzug für Investitionen aus den Jahren 2007 bis (im Gassektor) 2015 während der dritten Regulierungsperiode durch § 34 Abs. 5 Satz 1 ARegV ausgesetzt worden (BR-Drucks. 296/16, S. 49). Danach sollen Investitionen von Verteilernetzbetreibern aus der zweiten Regulierungsperiode dem alten Regulierungssystem unterfallen. Eine Differenzierung zwischen Investitionen bis zum Basisjahr der dritten Regulierungsperiode und solchen aus der Zeit nach dem Basisjahr (aber vor Beginn der dritten Regulierungsperiode) wurde nicht vorgenommen.

cc) Die unbestimmte zeitliche Angabe, "zukünftig" könnten Investitionen ohne Zeitverzug kostenscharf refinanziert werden (BR-Drucks. 296/16, S. 20 f.), präzisiert die Verordnung dahingehend, dass bereits Investitionen der Verteilernetzbetreiber in den Jahren 2016 und 2017 für die Bemessungsgrundlage des Kapitalkostenaufschlags berücksichtigt werden. Hätte die bis zum Inkrafttreten der Neuregelung bestehende Rechtslage fortgegolten, hätten die Kosten für 2016 und 2017 aktivierte Anlagegüter, soweit sie nicht beim Erweiterungsfaktor oder als genehmigte Investitionsmaßnahme berücksichtigt werden konnten, hingegen weder 2016 noch 2017 oder während der Dauer der dritten Regulierungsperiode (2018 bis 2022) angesetzt werden können, da diese Investitionen nicht in die Bemessungsgrundlage des Basisjahrs für die dritte Regulierungsperiode (2015) einfließen konnten. Eine Berücksichtigung wäre erst mit Beginn der vierten Regulierungsperiode (2023 bis 2027) möglich gewesen. Durch die Neuregelung werden die Kapitalkosten für 2016 und 2017 aktivierte Anlagegüter jedoch bereits ab 2018 mit den in diesem Jahr entstehenden Kosten berücksichtigt. Soweit nach bisherigem Recht die Gewährung eines Erweiterungsfaktors in Betracht gekommen wäre, übernimmt der Kapitalkostenaufschlag dessen Funktion in der dritten Regulierungsperiode.

dd) Nach Sinn und Zweck der Neuregelung ist es auch nicht deshalb geboten, den Kapitalkostenaufschlag auf während der zweiten Regulierungsperiode in den Jahren 2016 und 2017 entstandene Investitionskosten anzuwenden, weil für in diesen Jahren aktivierte Anlagegüter ab der vierten Regulierungsperiode keine positiven Sockeleffekte mehr entstehen können. Das bisherige Finanzierungssystem der Regulierungsperiode sah keine anlagenscharfe Erstattung von Kapitalkosten vor, so dass positive Sockeleffekte nach der Umstellung auf das System des Kapitalkostenabgleichs, mit dem eine investitionsscharfe Kostenerstattung beabsichtigt war, nicht beizubehalten waren.

(1) Nach altem Recht entstand für den Netzbetreiber zwar bei jeder Investition zunächst ein negativer Sockeleffekt, weil bis zu ihrer Berücksichtigung in der Erlösobergrenze ein Zeitverzug eintrat, der bei in einem Basisjahr aktivierten Wirtschaftsgütern zwei Jahre (nämlich bis zum Beginn der folgenden Regulierungsperiode), im Extremfall - wie unter Rn. 20 beschrieben - aber bis zu sieben Jahre betrug. Erst in der Folgezeit kam dem Netzbetreiber insoweit der positive Sockeleffekt zugute. Dieser entstand generell zum einen dadurch, dass für die kalkulatorische Verzinsung (und die kalkulatorische Gewerbesteuer) während der gesamten Dauer einer Regulierungsperiode die Restwerte im Basisjahr maßgeblich waren, obwohl tatsächlich eine Abschmelzung der Restwerte eintrat. Zum anderen blieb der Ansatz der kalkulatorischen Abschreibung eines Wirtschaftsgutes (nebst Verzinsung) selbst dann für die gesamte Dauer der Regulierungsperiode erhalten, wenn die tatsächliche Nutzungsdauer dieses Wirtschaftsgutes vor Ablauf der Regulierungsperiode endete ("goldenes Ende"). Die Rechtsbeschwerde will daraus ableiten, dass jedes Investitionsgut beide Phasen durchlaufen müsse, denn ein Abschneiden der positiven Sockeleffekte führe zu einer rechtswidrigen Finanzierungslücke.

(2) Der Verordnungsgeber hat bei Einführung der Anreizregulierung den Netzbetreibern aber auch außerhalb des Instruments des Erweiterungsfaktors (§ 10 ARegV) und der Investitionsbudgets oder der genehmigten Investitionsmaßnahme (§ 23 ARegV) ein Budget zur Finanzierung laufender Investitionen zur Verfügung gestellt. Dieses Budget ergab sich insbesondere daraus, dass bei Einführung der Anreizregulierung bereits bestehende Altanlagen in die Erlösobergrenze eingestellt wurden. Die Altanlagen generierten mit Beginn der Anreizregulierung die beschriebenen positiven Sockeleffekte, denen keine vergleichbaren negativen Effekte vorausgegangen waren. Das sich hieraus ergebende Budget ebenso wie Finanzmittel aus dem bis zum 31. Dezember 2013 (vgl. § 34 Abs. 4 ARegV in der bis zum 16. September 2016 geltenden Fassung) gewährten, pauschalierten Investitionszuschlag nach § 25 ARegV standen für eine Finanzierung laufender Investitionen zur Verfügung. Aufgrund der anderweitigen Finanzierung der Investitionen in der ersten und zweiten Regulierungsperiode bestand danach grundsätzlich keine Notwendigkeit, nach einem Systemwechsel positive Sockeleffekte zu ermöglichen oder zu erhalten. Andernfalls wäre den Verteilernetzbetreibern - im Widerspruch zu der gesetzlichen Vorgabe einer kostenorientierten Entgeltbildung - über einen Zeitraum von bis zu sieben Jahren die Vorfinanzierung von Investitionen aufgebürdet worden, zu denen sie gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 EnWG rechtlich verpflichtet sein konnten.

(3) Ein System, das keine positiven Sockeleffekte ermöglicht oder erhält, verstößt nicht gegen das Gebot der Kostenorientierung in § 21a Abs. 4 Satz 5 EnWG i.V.m. § 21 Abs. 2 EnWG oder das unionsrechtliche Gebot zur Erhaltung der Lebensfähigkeit der Netze in Art. 41 Abs. 6 Buchst. a der Erdgasbinnenmarkt-Richtlinie. Es stellt auch keinen rechtlich relevanten Eingriff in geschützte Investitionen oder Renditeerwartungen dar, solange gewährleistet ist, dass die Netzbetreiber - bei einer typisierenden Gesamtbetrachtung - ihre Kosten refinanzieren können und das eingesetzte Kapital angemessen verzinst wird (BGH, Beschluss vom 14. Juli 2015 - EnVR 6/14, RdE 2015, 463 Rn. 37 - GASCADE Gastransport GmbH). Weitergehende Anforderungen lassen sich dem höherrangigen Recht nicht entnehmen. Demgegenüber steht die Sichtweise, der Verordnungsgeber hätte den Netzbetreibern die positiven Sockel sämtlicher Altanlagen überlassen, in Widerspruch zum Regulierungsziel einer preisgünstigen Versorgung der Allgemeinheit mit Energie (§ 1 Abs. 1 EnWG ). Irrelevant ist dabei, ob ein Netzbetreiber das ihm durch die Erlösobergrenze bewilligte Budget tatsächlich für Investitionen eingesetzt hat.

(4) Der Verordnungsgeber hat, gestützt auf den Evaluierungsbericht der Bundesnetzagentur nach § 33 Anreizregulierungsverordnung vom 21. Januar 2015 (S. 156 ff., insb. S. 161, 165 und S. 170 f., und S. 365 f.), der Neuregelung dementsprechend die Annahme zugrunde gelegt, die Refinanzierung der Investitionen während der ersten beiden Regulierungsperioden sei durch die dortigen Finanzierungsinstrumente auskömmlich gewesen (BR-Drucks. 296/16, 20 f. und 49; vgl. auch Sondergutachten der Monopolkommission: Energie 2017: Gezielt vorgehen, Stückwerk vermeiden, BT-Drucks. 18/13680, Tz. 394 ff.). Er hat bei dieser Einschätzung nicht zwischen Ersatz- und Erweiterungsinvestitionen unterschieden und konnte sich auch insoweit auf die Bundesnetzagentur stützen, als diese im Bereich der Erweiterungsinvestitionen zwar Verbesserungsmöglichkeiten gesehen, aber auch dort keinen dringenden umfassenden Handlungsbedarf erkannt hat (vgl. Evaluierungsbericht nach § 33 Anreizregulierungsverordnung, S. 365). Die Notwendigkeit eines Systemwechsels hat der Verordnungsgeber mit einem erhöhten Investitionsbedarf im Zusammenhang mit der Energiewende begründet (BR-Drucks. 296/16, S. 1, 20), der mit den bisherigen Finanzierungsinstrumenten nicht mehr hinreichend gedeckt erschien; hinzu trat das Bestreben, die nur pauschal wirkenden Budgets aus der Erlösobergrenze und dem Erweiterungsfaktor, die folglich zu Über- und Unterdeckungen führten, auf ein kostenscharf wirkendes System umzustellen (BR-Drucks. 296/16, S. 20).

Waren Investitionen der zweiten Regulierungsperiode ausreichend finanziert, besteht keine Veranlassung, Investitionsaufwand von 2016 und 2017 in die Neuregelung einzubeziehen. Soweit gegen die Neuregelung eingewandt wird, der Verordnungsgeber habe verkannt, dass die bisherige Budgetfinanzierung entgegen seiner Annahme jedenfalls für Investitionen aus 2016 und 2017 unzulänglich war, was eine Einbeziehung der Kapitalkosten aus diesen Jahren in den Kapitalkostenaufschlag 2018 erforderlich mache, könnte dies allenfalls eine analoge Anwendung der Regelungen zum Kapitalkostenaufschlag begründen (dazu unter 2).

c) Systematische Erwägungen legen gleichfalls nicht nahe, den Kapitalkostenaufschlag für Investitionskosten der zweiten Regulierungsperiode zu gewähren. Würde man die Neuregelung auf Kapitalkosten 2016 und 2017 anwenden, ergäben sich - wenn auch geringfügige - Überschneidungen mit dem Erweiterungsfaktor, etwa für das Jahr 2017, sofern eine Änderung der maßgeblichen Parameter in der ersten Jahreshälfte 2016 eingetreten wäre (§ 10 Abs. 2 Satz 2 ARegV i.V.m. § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 ARegV), oder mit genehmigten Investitionsmaßnahmen, die im ersten Quartal 2016 für 2017 beantragt wurden (§ 23 Abs. 6 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 ARegV). Ein solches Nebeneinander widerspricht dem Ziel eines klaren Systemwechsels und wird für die dritte Regulierungsperiode nicht nur durch § 34 Abs. 6 ARegV, sondern auch durch die weiteren Übergangsbestimmungen verhindert (Auslaufen des Erweiterungsfaktors; Regelungen zur beschränkten Fortgeltung genehmigter Investitionsmaßnahmen nur für die dritte Regulierungsperiode, § 34 Abs. 7 und Abs. 5 Satz 2 und 3 ARegV).

2. Auch eine analoge Anwendung der Vorschrift des § 10a ARegV auf Kapitalkosten aus den Jahren 2016 und 2017 kommt nicht in Betracht. Es fehlt bereits an einer planwidrigen Regelungslücke.

a) Der Verordnungsgeber hat sich zwar im Rahmen der Neuregelung nicht ausdrücklich mit Investitionen nach dem relevanten Basisjahr, aber vor Beginn der dritten Regulierungsperiode beschäftigt. Er ging aber davon aus, die Refinanzierung der Investitionen der ersten und der Ende 2017 endenden zweiten Regulierungsperiode sei mit den dort gewährten Finanzierungsinstrumenten typischerweise gewährleistet (BR-Drucks. 296/16, S. 20 f. und 49). Dies zeigt, dass er eine Nachholung in 2016 und 2017 angefallener Investitionskosten im Kapitalkostenaufschlag 2018 bewusst abgelehnt hat.

b) Eine analoge Anwendung kann ferner nicht damit begründet werden, der Verordnungsgeber habe verkannt, dass die bisherige Finanzierung über Budgets auch bei Berücksichtigung der Sockel aus Altanlagen unzulänglich gewesen sei, weshalb die Gewährung und Beibehaltung positiver Sockeleffekte auch über die dritte Regulierungsperiode hinaus erforderlich sei. Soweit dafür auf die Begründung des Wirtschaftsausschusses des Bundesrats für eine Verlängerung der Übergangsregelung des § 34 Abs. 5 Satz 1 ARegV auf die vierte Regulierungsperiode (BR-Drucks. 296/1/16, S. 12 f.) Bezug genommen wird, betrifft die Äußerung des Ausschusses schon nicht den Kapitalkostenaufschlag, sondern allein den Kapitalkostenabzug. Zudem konnte sich der Wirtschaftsausschuss mit seiner Forderung nicht durchsetzen. Der Bundesrat hat die Bundesregierung lediglich gebeten zu prüfen, ob die vorgesehene, auf die dritte Regulierungsperiode beschränkte Regelung ausreichend sei, eine vollständige Refinanzierung effizienter Investitionen zu gewährleisten, oder ob sie auf die vierte Regulierungsperiode auszudehnen sei (BR-Drucks. 296/16 (Beschluss), S. 18). Damit sollte die Behauptung der Netzbetreiber überprüft werden, eine Refinanzierung von Investitionen der Jahre 2007 bis 2016, dem relevanten Basisjahr im Strombereich, sei nicht gewährleistet. Diese Behauptung, die in Widerspruch zur Verordnungsbegründung steht, macht sich der Bundesrat in seiner Prüfbitte nicht zu eigen. Auch das zeigt, dass von einer planwidrigen Regelungslücke keine Rede sein kann. Vielmehr hat der Verordnungsgeber insoweit bewusst - und vorbehaltlich einer späteren Überprüfung - von einer Regelung abgesehen.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 EnWG , die Festsetzung des Gegenstandswerts auf § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GKG und § 3 ZPO .

Verkündet am: 5. Mai 2020

Vorinstanz: OLG Düsseldorf, vom 10.04.2019 - Vorinstanzaktenzeichen VI-3 Kart 496/18 [V]