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BGH - Entscheidung vom 06.05.2020

4 StR 674/19

Normen:
StPO § 244 Abs. 2

BGH, Beschluss vom 06.05.2020 - Aktenzeichen 4 StR 674/19

DRsp Nr. 2020/7725

Beweiswürdigung der Einlassung des Angeklagten hinsichtlich Verdachts der besonders schweren Brandstiftung (hier: Übergießen der Lebensgefährtin mit Benzin und Inbrandsetzung durch Anzünden)

Der Umstand, dass das Tatgericht allein auf der Grundlage der Beobachtung, dass der Angeklagte nach dem Löschen des Feuers ein Feuerzeug in der Hand hatte, nicht auf eine Täterschaft des Angeklagten geschlossen hat, weil es diese mit der Rauchereigenschaft des Angeklagten, aber auch mit der Möglichkeit einer Sicherung des Feuerzeugs beim Tatopfer, das sich nicht ausschließbar selbst anzündete, für vereinbar gehalten hat, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Tenor

1.

Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin gegen das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 12. Juni 2019 werden verworfen.

2.

Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft sowie die dem Angeklagten dadurch und durch die Revision der Nebenklägerin entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.

Die Nebenklägerin trägt die Kosten ihres Rechtsmittels. Die im Revisionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen tragen die Staatskasse und die Nebenklägerin je zur Hälfte.

Normenkette:

StPO § 244 Abs. 2 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen und von einer Adhäsionsentscheidung abgesehen. Mit der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage war ihm zur Last gelegt worden, sich der besonders schweren Brandstiftung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wissentlicher schwerer Körperverletzung schuldig gemacht zu haben, indem er die Nebenklägerin am 16. Juli 2018 in seiner Wohnung mit Benzin übergoss und dieses entzündete, wodurch die Nebenklägerin am ganzen Körper in Brand geriet und Verbrennungen an neunzig Prozent der Hautoberfläche erlitt. Gegen das freisprechende Urteil richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin. Beide Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg.

I.

Die auf eine Beanstandung des Verfahrens und die ausgeführte Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.

1. Die Rüge, die Strafkammer habe gegen § 244 Abs. 2 StPO verstoßen (Aufklärungsrüge), weil sie die abweichenden Einlassungen des Angeklagten vor dem Ermittlungsrichter und bei seiner polizeilichen Einvernahme am 19. Juli 2018 nicht zum Gegenstand der Beweisaufnahme gemacht habe, bleibt ohne Erfolg, weil sich die Strafkammer zu den vermissten Beweiserhebungen nicht gedrängt sehen musste. Die Revision zeigt nicht auf, warum den von ihr behaupteten Tatsachen weiterführende Erkenntnisse zum Tatnachweis entnommen werden können. Die vorgerichtlichen Angaben des Angeklagten unterscheiden sich von seiner Einlassung in der Hauptverhandlung allenfalls in unbeachtlichen Details.

2. Auch die mit der Sachrüge vorgebrachten Einwände vermögen der Revision nicht zum Erfolg zu verhelfen. Der Erörterung bedarf lediglich das Folgende:

a) Anders als die Staatsanwaltschaft meint, brauchte die Einlassung des Angeklagten nicht mehr ausführlich gewürdigt zu werden. Denn nach der Zurückweisung der belastenden Angaben der Nebenklägerin, die wesentlich auf Gründe außerhalb der Einlassung des Angeklagten gestützt worden ist, kam es auf die Frage, ob die dem Tatvorwurf in Abrede stehende Einlassung des Angeklagten für sich genommen glaubhaft ist, nicht mehr an.

b) Gleiches gilt im Ergebnis auch für die Würdigung der Aussage des Zeugen O. . Der Zeuge hat zum konkreten Tatgeschehen keine Angaben machen können. Die auf der Grundlage seiner Beobachtungen (Feuerzeug in der Hand des Angeklagten nach dem Löschen des Feuers) in Betracht kommenden Geschehensalternativen hat die Strafkammer gesehen und bewertet. Dass sie allein auf der Grundlage dieser Beobachtung nicht auf eine Täterschaft des Angeklagten geschlossen hat, weil sie diese mit der Rauchereigenschaft des Angeklagten, aber auch mit der Möglichkeit einer Sicherung des Feuerzeugs beim Tatopfer, das sich nicht ausschließbar selbst anzündete, für vereinbar gehalten hat, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn hierbei handelt es sich - anders als die Staatsanwaltschaft meint - nicht um Sachverhaltsvarianten, für die es keinerlei Anhaltspunkte gibt. Der Angeklagte war nach den Feststellungen Cannabiskonsument und damit Raucher. Er hat angegeben, nach dem Feuerzeug in der Hand der Geschädigten gegriffen zu haben. Soweit der Zeuge O. bekundet hat, er sei davon ausgegangen, dass der Angeklagte die Nebenklägerin in Brand gesetzt habe, weil er nach dem Brandgeschehen ein Feuerzeug in der Hand gehalten habe, ist dies als bloße Schlussfolgerung des Zeugen für den Tatnachweis ohne Bedeutung und bedurfte deshalb keiner Erörterung.

c) Soweit von der Staatsanwaltschaft angeführt wird, die Strafkammer habe zu hohe Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt, weil sie darauf abgestellt habe, dass die Angaben des Zeugen O. zu dem aggressiven Vorgehen des Angeklagten gegen die Geschädigte vor dem Brandgeschehen keine "zwingenden" Schlüsse auf eine Täterschaft des Angeklagten zuließen, trifft dies nicht zu. Denn die Strafkammer hat mit dieser Wendung ersichtlich nur zum Ausdruck gebracht, dass dieser Umstand für sich allein den Schluss auf eine Täterschaft des Angeklagten noch nicht zu begründen vermag. Im Rahmen ihrer abschließenden Gesamtwürdigung hat sie dann weiter dargelegt, dass ihr die Aggressionen des Angeklagten gegenüber der Nebenklägerin im Vorfeld des Brandgeschehens auch im Verbund mit den übrigen Gesichtspunkten nicht für eine Überzeugungsbildung ausreichen.

d) Im Übrigen erschöpfen sich die Ausführungen der Staatsanwaltschaft darin, ihre Beweiswürdigung an die Stelle der Beweiswürdigung der Strafkammer zu setzen. Soweit die Mitteilung der Angaben der Nebenklägerin im Ermittlungsverfahren vermisst wird, fehlt es an der erforderlichen Aufklärungsrüge.

II.

Die zulässige Revision der Nebenklägerin, die sich den Ausführungen der Staatsanwaltschaft angeschlossen hat, bleibt aus den gleichen Gründen erfolglos.

III.

Da sowohl die Revision der Staatsanwaltschaft als auch die der Nebenklägerin erfolglos geblieben sind, hat die Nebenklägerin außer der Revisionsgebühr auch die Hälfte der gerichtlichen Auslagen zu tragen. Die durch die beiden Revisionen verursachten notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen allein der Staatskasse zur Last (§ 473 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 StPO ; vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juli 2016 - 4 StR 253/16 Rn. 15; Urteil vom 6. Dezember 2007 - 3 StR 342/07, NStZ-RR 2008, 146 , 147 mwN).

Vorinstanz: LG Bielefeld, vom 12.06.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 446 Js 235/18 0020 KLs 32/18 Ss 470/19