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BGH - Entscheidung vom 07.04.2020

XIII ZB 54/19

Normen:
AufenthG § 15 Abs. 5 S. 1
AufenthG § 106 Abs. 2
FamFG § 417 Abs. 2 S. 2

BGH, Beschluss vom 07.04.2020 - Aktenzeichen XIII ZB 54/19

DRsp Nr. 2020/6791

Beschwerde eines ägyptischen Staatsangehörigen gegen die Verlängerung seiner Zurückweisungshaft um sechs Wochen; Anforderungen an die Begründung zur Verlängerung der Zurückweisungshaft

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Landshut vom 15. Oktober 2018 aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Erding vom 21. August 2018 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden der Bundesrepublik Deutschland auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Normenkette:

AufenthG § 15 Abs. 5 S. 1; AufenthG § 106 Abs. 2 ; FamFG § 417 Abs. 2 S. 2;

Gründe

I. Der Betroffene, ein ägyptischer - nach eigenen Angaben syrischer - Staatsangehöriger, beabsichtigte am 24. Juli 2018 aus Casablanca kommend über den Münchener Flughafen ohne gültige Ausweispapiere in das Bundesgebiet einzureisen. Die beteiligte Behörde verweigerte ihm mit Bescheid vom 25. Juli 2018 gemäß Art. 14 Schengener Grenzkodex in Verbindung mit § 15 AufenthG die Einreise. Einen am selben Tag gestellten Antrag der beteiligten Behörde auf vorläufige Anordnung von Zurückweisungshaft lehnte das Amtsgericht Erding ab, nachdem der Betroffene im Verlauf seiner persönlichen Anhörung erklärt hatte, Asyl beantragen zu wollen. Nach erneuter Befragung zu den Beweggründen seiner Einreise gelangte die beteiligte Behörde zu der Auffassung, dass kein Asylgesuch des Betroffenen vorliege. Auf ihren Antrag vom 26. Juli 2018 ordnete das Amtsgericht mit Beschluss vom selben Tag im Wege einer einstweiligen Anordnung Haft zur Sicherung der Zurückweisung bis zum 27. Juli 2018 an. Eine für den 26. Juli 2018 geplante Zurückweisung scheiterte, da der Betroffene auf dem Weg zum Flugzeug seinen Kopf gegen einen Türrahmen stieß und sich anschließend zu Boden fallen ließ. In der Folge ordnete das Amtsgericht auf Antrag der beteiligten Behörde mit Beschluss vom 27. Juli 2018 Haft zur Sicherung der Zurückweisung des Betroffenen bis zum 23. August 2018 an.

Auf Antrag der beteiligten Behörde vom 14. August 2018 hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 21. August 2018 die Verlängerung der Zurückweisungshaft bis zum 4. Oktober 2018 angeordnet. Die hiergegen vom Betroffenen eingelegte Beschwerde, mit der er nach Ablauf des Haftzeitraums noch die Feststellung der Verletzung seiner Rechte begehrt, hat das Landgericht durch Beschluss vom 15. Oktober 2018 zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die beteiligte Behörde beantragt, verfolgt der Betroffene seinen Feststellungsantrag weiter.

II. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Die Anordnung des Amtsgerichts, die Zurückweisungshaft des Betroffenen bis zum 4. Oktober 2018 zu verlängern, hat den Betroffenen - entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts - in seinen Rechten verletzt.

1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Belang - im Wesentlichen ausgeführt: Das Amtsgericht habe die Zurückweisungshaft zu Recht bis zum 4. Oktober 2018 verlängert. Der Haftantrag sei zulässig gewesen. Er habe umfassende und ausreichende Angaben zur Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung und ihrer erforderlichen Dauer enthalten.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Haftantrag war unzulässig.

a) Die Anordnung von Zurückweisungshaft ist nach § 15 Abs. 5 Satz 1, § 106 Abs. 2 AufenthG nur zulässig, wenn der Haftantrag der beteiligten Behörde den in § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG bestimmten gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht (BGH, Beschlüsse vom 20. September 2017 - V ZB 118/17, NVwZ 2018, 349 Rn. 6, und vom 12. April 2018 - V ZB 162/17, InfAuslR 2018, 335 Rn. 6). Wird von der beteiligten Behörde für die Organisation der Rückführung des Betroffenen mit Sicherheitsbegleitung ein längerer Zeitraum als sechs Wochen für erforderlich gehalten, bedarf es einer auf den konkreten Fall bezogenen Begründung, die den benötigten Zeitraum und die daraus folgende notwendige Haftdauer erklärt, etwa durch Angaben zu Terminen und zur Frequenz nutzbarer Flugverbindungen und zur Buchungslage sowie zur Anzahl erforderlicher Begleitpersonen und zur insoweit bestehenden Personalsituation (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. September 2018 - V ZB 4/17, InfAuslR 2019, 23 Rn. 11, vom 4. Juli 2019 - V ZB 173/18, juris Rn. 8, und vom 12. Februar 2020 - XIII ZB 16/19, juris Rn. 10).

b) Diesen Maßstäben genügt der Haftantrag der beteiligten Behörde nicht. Soweit diese ausführt, dass eine Verlängerung der Zurückweisungshaft von sechs Wochen erforderlich sei, um die weiteren innerdienstlichen Voraussetzungen zur Durchführung der Zurückweisung vorzubereiten, weil Planung und Organisation der Rückführung aufgrund der - wegen der Sommer- und Ferienzeit - zu verzeichnenden Knappheit an Rückführungskräften und verfügbaren Sitzplätzen "einiger Zeit" bedürften, handelt es sich um pauschale Angaben, die den erforderlichen Bezug zum konkreten Fall nicht erkennen lassen. Den Ausführungen lässt sich nicht entnehmen, welche notwendigen Maßnahmen für die Zurückweisung bereits erfolgt sind, welche innerhalb des für erforderlich gehaltenen Verlängerungszeitraums noch durchzuführen sind und welchen Zeitraum diese voraussichtlich in Anspruch nehmen werden. Insbesondere lassen die Ausführungen nicht mit der gebotenen Deutlichkeit erkennen, weshalb Rückführungspersonal und Passagierplatz für den Betroffenen erst innerhalb einer Frist von weiteren sechs Wochen zur Verfügung stehen würden; der bloße Hinweis auf ein nicht näher bezeichnetes Ende der Sommer- und Ferienzeit genügt dafür nicht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach den Ausführungen der beteiligten Behörde der Rückführung nach Marokko keine formalen oder rechtlichen Hürden entgegenstanden und für den Betroffenen bereits Zurückweisungshaft von vier Wochen angeordnet war, in denen Maßnahmen zur Organisation der Rückführung bereits unternommen werden konnten.

c) Dieser Begründungsmangel ist nicht geheilt worden. Mängel des Haftantrags können zwar behoben werden, wenn die Behörde von sich ausoder auf richterlichen Hinweis ihre Darlegungen ergänzt und dadurch die Lücken in ihrem Haftantrag schließt oder indem der Haftrichter selbst die Voraussetzungen zur Durchführbarkeit der Zurückweisung des Ausländers und zu der dafür erforderlichen Haftdauer in seiner Entscheidung feststellt (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juli 2014 - V ZB 80/13, juris Rn. 21 ff.). Zwingende weitere Voraussetzung für eine Heilung ist in einem solchen Fall jedoch, dass der Betroffene zu den ergänzenden Angaben persönlich angehört wird (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Februar 2016 - V ZB 24/14, juris Rn. 9; Beschluss vom 25. Januar 2018 - V ZB 201/17, juris Rn. 8). Es kann offen bleiben, ob die ergänzenden Ausführungen der beteiligten Behörde im Beschwerdeverfahren für die Darlegung der erforderlichen Haftdauer ausreichend sind. Der Betroffene ist hierzu jedenfalls nicht persönlich angehört worden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2 , § 83 Abs. 2 FamFG . Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG .

Vorinstanz: AG Erding, vom 21.08.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 1 XIV 157/18
Vorinstanz: LG Landshut, vom 15.10.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 64 T 2644/18 64 T 2654/18