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BGH - Entscheidung vom 24.03.2020

XIII ZB 62/19

Normen:
AufenthG a.F. § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 2
AufenthG a.F. § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 2
AufenthG a.F. § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 2

Fundstellen:
FGPrax 2020, 193

BGH, Beschluss vom 24.03.2020 - Aktenzeichen XIII ZB 62/19

DRsp Nr. 2020/7428

Begründung eines Wechsel des Aufenthaltsorts im Sinne des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AufenthG a.F. bei einem der Ausländerbehörde nicht angezeigten Umzug des ausreisepflichtigen Ausländers innerhalb der Unterkunft

a) Ein der Ausländerbehörde nicht angezeigter Umzug des ausreisepflichtigen Ausländers innerhalb der Unterkunft kann einen Wechsel des Aufenthaltsorts im Sinne des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AufenthG aF begründen, wenn dadurch die Erreichbarkeit des Ausländers für die Ausländerbehörde zur Durchführung der Abschiebung nicht mehr gewährleistet ist.b) Einer auf diesen Fall zugeschnittenen Belehrung durch die Ausländerbehörde bedarf es nicht, wenn die Ausländerbehörde auf die Anzeigepflicht nach § 50 Abs. 4 AufenthG und die einschneidenden Folgen ihrer Verletzung in einer für den Ausländer verständlichen Sprache hingewiesen hat.c) Aus der Gültigkeitsdauer einer Grenzübertrittsbescheinigung oder dem in ihr genannten Datum der Ausreise lässt sich nicht ohne Weiteres darauf schließen, dass die zuständige Behörde mit der Erteilung dieser Bescheinigung eine bereits abgelaufene Ausreisefrist im Sinne des § 50 Abs. 2 AufenthG entsprechend der Gültigkeitsdauer oder bis zu dem genannten Ausreisedatum verlängert oder neu angeordnet hat.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig vom 7. Dezember 2018 wird auf Kosten der Betroffenen zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Normenkette:

AufenthG a.F. § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 ;

Gründe

I. Die Betroffene, eine montenegrinische Staatsangehörige, reiste erstmals im Jahr 2014 in das Bundesgebiet ein. Ihren Asylantrag lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit bestandskräftigem Bescheid vom 10. Dezember 2014 als offensichtlich unbegründet ab und forderte sie auf, das Bundesgebiet innerhalb einer Woche zu verlassen. Gleichzeitig wurde ihr die Abschiebung angedroht für den Fall, dass sie der Ausreisepflicht nicht freiwillig nachkäme. Die Betroffene reiste daraufhin aus dem Bundesgebiet aus.

Im August 2017 reiste sie erneut in das Bundesgebiet ein. Nachdem die Betroffene erklärt hatte, im Inland um Schutz nachzusuchen, wies die zuständige Ausländerbehörde ihr ein Zimmer in der niedersächsischen Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber zu. Für die Zwecke der Durchführung des Asylverfahrens wurde ihr eine auf das Land Niedersachsen beschränkte Duldung erteilt. Am 11. September 2017 wies die beteiligte Behörde die Betroffene - in einer ihr verständlichen Sprache sowie unter Hinweis auf die Rechtsfolge des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AufenthG in der bis zum 20. August 2019 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) - auf die Pflicht hin, jeden Wohnungswechsel der zuständigen Ausländerbehörde vorab anzuzeigen. Ihren Asylfolgeantrag lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit bestandskräftigem Bescheid vom 20. September 2017 als unzulässig ab. Die Abschiebung wurde ihr nicht erneut angedroht.

Nachdem die Betroffene im Rahmen einer persönlichen Anhörung am 29. November 2017 erklärt hatte, freiwillig ausreisen zu wollen, stellte die beteiligte Behörde ihr eine bis zum 8. Januar 2018 gültige Grenzübertrittsbescheinigung aus. Die Internationale Organisation für Migration sagte der Betroffenen die Übernahme der Kosten für den Flug nach Montenegro sowie die Auszahlung eines Handgelds zu. Die Ausreise der Betroffenen war daraufhin für den 13. Dezember 2017 vorgesehen. Einer Vorladung zur Übergabe des Handgeldes am 11. Dezember 2017 leistete die Betroffene keine Folge. Bei der daraufhin veranlassten Nachschau stellten Mitarbeiter der beteiligten Behörde fest, dass die Betroffene das ihr zugewiesene Zimmer in der Unterkunft verlassen hatte und dieses nicht mehr bewohnte. Die beteiligte Behörde schrieb die Betroffene umgehend zur Fahndung aus. Am 27. Dezember 2017 sprach sie beim Sozialamt vor, um Asylbewerberleistungen in Empfang zu nehmen.

Auf die daraufhin veranlasste Festnahme ordnete das Amtsgericht am selben Tag auf Antrag der beteiligten Behörde die Haft zur Sicherung der Abschiebung bis zum 23. Januar 2018 an. Im Rahmen der amtsgerichtlichen Anhörung gab die Betroffene an, ihr Zimmer Ende November 2017 verlassen zu haben und in das Zimmer einer Freundin in einem anderen Gebäude der Unterkunft gezogen zu sein. Den nach ihrer Abschiebung am 10. Januar 2018 gestellten Antrag auf Feststellung, dass die Haftanordnung sie in ihren Rechten verletzt habe, hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde, der die beteiligte Behörde entgegentritt, verfolgt die Betroffene ihren Feststellungsantrag weiter.

II. Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Beschwerdegericht hat zutreffend angenommen, dass die Anordnung der Abschiebungshaft die Betroffene nicht in ihren Rechten verletzt hat.

1. Das Beschwerdegericht hat, soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Belang, zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Die Haftanordnung des Amtsgerichts sei zu Recht ergangen. Einer erneuten Androhung der Abschiebung habe es gemäß § 71 Abs. 5 AsylG nicht bedurft, da der Betroffenen diese bereits im Bescheid vom 10. Dezember 2014 angedroht worden sei. Die Voraussetzungen des Haftgrundes des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AufenthG aF hätten vorgelegen. Die der Betroffenen gesetzte Ausreisefrist sei bereits im Jahre 2015 abgelaufen. Sie habe ihren Aufenthaltsort danach ohne Mitteilung an die Ausländerbehörde gewechselt. Auf Grund der Größe der Flüchtlingsunterkunft sei der Ausländerbehörde der Aufenthaltsort der Betroffenen nicht mehr bekannt gewesen, nachdem diese innerhalb der Unterkunft in ein anderes Haus umgezogen sei.

2. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Rechtsbeschwerdestand.

a) Die Voraussetzungen für die Anordnung der Abschiebungshaft waren gegeben. Das Beschwerdegericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass der Betroffenen weder die Abschiebung erneut angedroht noch ihr eine erneute Frist zur Ausreise gesetzt werden musste, nachdem dies bereits mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 10. Dezember 2014 erfolgt war. Nach § 71 Abs. 5 AsylG bedarf es, wenn ein Ausländer einen Folgeantrag stellt, zum Vollzug der Abschiebung weder einer erneuten Fristsetzung noch einer erneuten Abschiebungsandrohung, sofern - wie hier - eine nach Stellung des früheren Asylantrags ergangene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist. Dies gilt nach § 71 Abs. 6 Satz 1 AsylG selbst dann, wenn der Ausländer - wie hier - zwischenzeitlich das Bundesgebiet verlassen hat. Die Androhung war auch nicht verbraucht (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 11. Januar 2018 - V ZB 62/17, juris Rn. 12), weil die Ausländerbehörde die im Erstbescheid angedrohte Abschiebung noch nicht vollzogen hatte und die Betroffene auch nicht freiwillig ausgereist war.

b) Es lag auch der Haftgrund des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AufenthGaF vor.

aa) Nach dieser Vorschrift ist ein Ausländer zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort gewechselt hat, ohne der Ausländerbehörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist. Der nicht angezeigte Aufenthaltswechsel begründet danach die Vermutung, dass die Abschiebung ohne die Inhaftnahme erschwert oder vereitelt wird. Aus diesem Grund hat die Ausländerbehörde dem Betroffenen in der Regel die Meldepflicht und die einschneidenden Folgen ihrer Verletzung durch einen Hinweis in einer für ihn verständlichen Sprache deutlich vor Augen zu führen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 9. Februar 2011 - V ZB 16/11, juris Rn. 8; vom 19. Mai 2011 - V ZB 36/11, FGPrax 2011, 254 Rn. 10; vom 23. Mai 2019 - V ZB 236/17, juris Rn. 11). Bei der Anwendung der Vorschrift ist zudem der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, der in Ausnahmefällen dazu führt, dass die Vermutung widerlegt werden kann (BVerfG, InfAuslR 1994, 342 , 344 zu § 57 Abs. 2 AuslG ). Will sich der Ausländer offensichtlich nicht der Abschiebung entziehen, ist der nicht angezeigte Aufenthaltswechsel allein kein ausreichender Haftgrund (BVerfG, InfAuslR 1994, 342/344; BGH, FGPrax 2011, 254 Rn. 10; Beschluss vom 20. Oktober 2010 - V ZB 33/15, InfAuslR 2017, 60 Rn. 11).

bb) Nach diesen Maßstäben hat das Beschwerdegericht die Voraussetzungen des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AufenthG aF mit Recht als erfüllt angesehen. Die Betroffene hat ihren Aufenthaltsort gewechselt und nach Ablauf der Ausreisefrist versäumt, die Ausländerbehörde darüber in Kenntnis zu setzen.

(1) Die Wohnung des zur Ausreise verpflichteten Ausländers ist im Hinblick auf dessen Anzeigepflichten nach § 50 Abs. 4 AufenthG ein Aufenthaltsort im Sinne des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AufenthG . Danach war das der Betroffenen in der Unterkunft zugewiesene Zimmer ihr ursprünglicher - der Ausländerbehörde bekannter - Aufenthaltsort.

(2) Diesen Aufenthaltsort hat die Betroffene ohne Mitteilung an die Ausländerbehörde gewechselt, indem sie das ihr zugewiesene Zimmer in der Flüchtlingsunterkunft Ende November 2017 verließ, in das Zimmer einer anderen Bewohnerin in einem anderen Gebäude der Unterkunft zog und sich über mehrere Wochen dort aufhielt.

(a) Wann ein Ausländer seinen Aufenthaltsort wechselt, lässt sich nicht allgemein, sondern nur nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AufenthG aF beantworten. Der in dieser Vorschrift geregelte Haftgrund soll die Abschiebung eines Ausländers erleichtern, wenn dieser nach Verstreichen der Ausreisefrist untergetaucht ist. Maßgeblich ist danach, ob der neue Aufenthaltsort der Ausländerbehörde nicht bekannt und der Ausländer für sie unerreichbar ist. Unter diesem Blickwinkel ist es gleichgültig, ob der Ausländer seinen neuen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen SchengenStaat oder an einem anderen Ort im Bundesgebiet genommen hat. In all diesen Fällen kann die Ausländerbehörde mit ihm keinen Kontakt aufnehmen und nicht feststellen, ob er seiner Ausreisepflicht nachgekommen ist oder noch nachkommen wird (vgl. BGH, InfAuslR 2017, 60 Rn. 10; OLG Düsseldorf, InfAuslR 2000, 451 , 452; Hailbronner, AuslR [Oktober 2015], § 62 AufenthG Rn. 122; s.a. die Gesetzesbegründung zu dem insoweit gleichlautenden § 2 Abs. 14 Nr. 1 AufenthG in der bis zum 20. August 2019 geltenden Fassung, BTDrucks. 18/4097, S. 32).

(b) Danach hängt es von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere von der Größe und räumlichen Gestaltung der Flüchtlingsunterkunft ab, ob bei einem Umzug innerhalb einer Unterkunft die Erreichbarkeit des Ausländers nicht mehr gewährleistet ist. Befindet sich eine Flüchtlingsunterkunft - wie hier auf einem weitläufigen Gelände, auf dem viele große, in mehrere Bereiche aufgeteilte Gebäude stehen, in denen die Zimmer der Bewohner liegen, so dass die Situation mit Straßenzügen vergleichbar ist, in denen sich mehrere Wohnblöcke befinden, so ist unter Zugrundelegung der vorgenannten Maßstäbe bei einem Umzug eines Ausländers in ein in einem anderen Haus belegenes und zudem einem anderen Bewohner zugewiesenes Zimmer ein Wechsel des Aufenthaltsorts im Sinne des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AufenthG aF gegeben, auch wenn sich der Ausländer - wie nach den getroffenen Feststellungen hier - nach dem Umzug noch immer in derselben Flüchtlingsunterkunft aufhält. Auf Grund der Größe und räumlichen Gestaltung der Unterkunft war die Betroffene - ohne entsprechende Anzeige an die Ausländerbehörde - nach dem Verlassen des ihr zugewiesenen Zimmers für die Ausländerbehörde nicht mehr ohne Weiteres erreichbar. Soweit die Rechtsbeschwerde geltend macht, es sei Sache der Ausländerbehörde, einen Überblick über ihre Aufnahmeeinrichtung zu behalten, verkennt sie die Bedeutung der dem ausreisepflichtigen Ausländer obliegenden Mitteilungspflichten nach § 50 Abs. 4 AufenthG .

(3) Die Frist zur Ausreise der Betroffenen war bereits abgelaufen, als sie ihren Aufenthaltsort gewechselt hatte, ohne dies - wie es der Haftgrund des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AufenthG aF voraussetzt - der beteiligten Behörde anzuzeigen. Mit Bescheid vom 10. Dezember 2014 war der Betroffenen eine zweiwöchige Ausreisefrist gesetzt worden. Einer erneuten Fristsetzung bedurfte es nach § 71 Abs. 5 , § 71 Abs. 6 Satz 1 AsylG nicht.

Soweit die Rechtsbeschwerde rügt, die Ausreisefrist sei bei Anordnung der Haft noch nicht abgelaufen gewesen, verhilft ihr dies nicht zum Erfolg. Das Beschwerdegericht hat angenommen, dass die Grenzübertrittsbescheinigung, die die beteiligte Behörde der Betroffenen anlässlich der von ihr beabsichtigten freiwilligen Ausreise ausgestellt hatte, keine neue Ausreisefrist im Sinne des § 50 Abs. 2 AufenthG , auf den § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AufenthG aF verweist, begründete. Diese tatrichterliche Würdigung ist nicht zu beanstanden.

Zwar steht es der zuständigen Behörde grundsätzlich frei, eine Ausreisefrist im Zuge der Ausstellung einer Grenzübertrittsbescheinigung zu verlängern oder in Abänderung einer bereits gesetzten und abgelaufenen Ausreisefrist neu anzuordnen. Zwingend ist dies jedoch nicht. Dies folgt aus Sinn und Zweck einer Grenzübertrittsbescheinigung, die nach Nr. 50.4.1.4. der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz (vom 26. Oktober 2009, GMBl. S. 878) dazu dient, in der Form eines amtlichen Vordrucks den Nachweis über die freiwillige Ausreise des Ausländers innerhalb der Ausreisefrist nach § 50 Abs. 2 AufenthG zu erbringen. Sie knüpft inhaltlich an die Ausweisungsverfügung und die darin angeordnete Ausreisefrist an, hat aber typischerweise keinen eigenständigen, die aufenthaltsrechtliche Stellung eines Ausländers regelnden Charakter (vgl. BayVGH, Beschlüsse vom 26. November 2018 - 19 CE 17.2453, juris Rn. 17; vom 7. Oktober 2015 - 19 CE 15.2197, juris Rn. 8). Soweit die Grenzübertrittsbescheinigung den vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer auch vor einer Inhaftnahme zum Zwecke der Abschiebung bis zum Ablauf des Ausreisedatums schützen will (vgl. BayVGH, Beschluss vom 20. Mai 2019 - 10 CE 19.829, juris Rn. 17), beschränkt sich diese Wirkung von vornherein auf die Durchführung der freiwilligen Ausreise.

Vor diesem Hintergrund ist das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass die beteiligte Behörde mit der Angabe eines Ausreisedatums in der Grenzübertrittsbescheinigung keine Regelung über die nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AufenthG aF maßgebliche Ausreisefrist im Sinne des § 50 Abs. 2 AufenthG getroffen hat. Diese war nach den ebenso rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts vielmehr bereits im Jahr 2015 abgelaufen.

Das Beschwerdegericht hat damit zutreffend berücksichtigt, dass sich die Betroffene bereiterklärte, mit einem von dritter Seite finanzierten Flug in ihr Heimatland Montenegro zurückzukehren, nachdem die ihr gesetzte Ausreisefrist verstrichen war und sie die Ausreise noch nicht selbst vollzogen hatte. In diesem Zusammenhang war ihr die Grenzübertrittsbescheinigung allein deshalb ausgestellt worden, weil sie die Erfüllung ihrer Ausreisepflicht durch diese freiwillige Rückkehr in ihr Heimatland anders nicht hätte nachweisen können. Aus dem Umstand, dass die Behörde die Gültigkeit der nur zu diesem Zweck erteilten Grenzübertrittsbescheinigung großzügig bemessen hat, kann nicht ohne weiteres geschlossen werden, dass die Behörde damit die bereits abgelaufene Ausreisefrist im Sinne des § 50 Abs. 2 AufenthG verlängern wollte, insbesondere nicht für den Fall, dass die Betroffene doch nicht freiwillig in ihr Heimatland zurückkehrte. Nachdem die Betroffene den für sie gebuchten Flug nicht in Anspruch genommen und damit zu erkennen gegeben hatte, dass sie nicht freiwillig zurückkehren will, konnte die Grenzübertrittsbescheinigung ihren Zweck nicht mehr erreichen.

(4) Die Betroffene hatte zudem Kenntnis von ihrer Pflicht, den Wechsel des Aufenthaltsorts gegenüber der Ausländerbehörde anzuzeigen. Die Ausländerbehörde hat der ihr obliegenden Hinweispflicht genügt, indem sie die Betroffene am 11. September 2017 in einer ihr verständlichen Sprache auf ihre Anzeigepflicht, die mit einem Unterlassen der Anzeige verbundenen Folgen und die Möglichkeit der Anordnung von Abschiebungshaft hingewiesen hat. Eines ausdrücklichen Hinweises darauf, dass auch der Wechsel der Wohnung innerhalb der Unterkunft die Voraussetzungen eines Aufenthaltswechsels erfüllen kann, bedurfte es nicht. Aufgrund der ihr erteilten Hinweise musste der Betroffenen klar sein, dass sie gegenüber der Ausländerbehörde auch einen Zimmerwechsel anzuzeigen hatte, um ihre Erreichbarkeit für die Ausländerbehörde zu gewährleisten.

(5) Schließlich war die Anordnung der Haft nach der insoweit rechtsfehlerfreien Würdigung durch das Berufungsgericht auch verhältnismäßig. Hinreichende Anhaltspunkte für eine Widerlegung der gesetzlichen Vermutung, die Abschiebung werde ohne die Inhaftnahme erschwert oder vereitelt, waren - wie das Beschwerdegericht ohne Rechtsfehler angenommen hat - nicht gegeben. Angesichts der fehlenden Erreichbarkeit der Betroffenen an ihrem neuen, der Ausländerbehörde nicht bekannten Aufenthaltsort sowie vor dem Hintergrund, dass die Betroffene wenige Tage zuvor an der für sie organisierten freiwilligen - und auf ihren Antrag hin kostenfreien - Rückkehr nach Montenegro ohne Angabe von Gründen nicht mitgewirkt hatte, ließen - anders als die Rechtsbeschwerde meint - weder der fortdauernde Aufenthalt der Betroffenen auf dem Gelände der Unterkunft noch ihre Vorsprache beim Sozialamt, die allein dem Ziel diente, Leistungen für Asylbewerber zu beziehen, mit der erforderlichen Deutlichkeit ihren fehlenden Willen erkennen, sich der Abschiebung zu entziehen.

3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen.

Vorinstanz: AG Braunschweig, vom 27.12.2017 - Vorinstanzaktenzeichen XIV 32/17
Vorinstanz: LG Braunschweig, vom 07.12.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 8 T 244/18
Fundstellen
FGPrax 2020, 193