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BGH - Entscheidung vom 21.04.2020

II ZB 27/19

Normen:
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1

BGH, Beschluss vom 21.04.2020 - Aktenzeichen II ZB 27/19

DRsp Nr. 2020/7838

Antrag des Klägers auf Prozesskostenhilfe; Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsbeschwerde

Eine Prozesspartei kann schon deshalb nicht mit der Bewilligung von Prozesskostenhilfe rechnen, wenn sie innerhalb der Begründungsfrist keine Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst den erforderlichen Anlagen eingereicht oder auf eine früher eingereichte Erklärung Bezug genommen hat.

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Normenkette:

ZPO § 114 Abs. 1 S. 1;

Gründe

I.

Der Kläger war seit 2004 Mitglied und Mieter der beklagten Genossenschaft. Er hat beantragt, einen über seinen Ausschluss gefassten Beschluss "aufzuheben" und festzustellen, dass er weiterhin Mitglied der Beklagten ist. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen das ihm am 13. Juni 2019 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11. Juli 2019 Berufung eingelegt und am Folgetag persönlich Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren beantragt. Den Antrag hat das Berufungsgericht mit Beschluss vom 28. August 2019, dem Kläger zugestellt am 5. September 2019, zurückgewiesen; zugleich hat es den Kläger darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Berufung als unzulässig zu verwerfen, weil die Begründungsfrist abgelaufen sei und Wiedereinsetzung in die Frist mangels Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zum Prozesskostenhilfegesuch nicht gewährt werden könne. Mit Schreiben vom 16. September 2019 hat der Kläger persönlich Wiedereinsetzung und erneut Prozesskostenhilfe unter Beifügung einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beantragt. Mit Beschluss vom 10. Oktober 2019 hat das Berufungsgericht die Berufung mangels fristgerechter Begründung als unzulässig verworfen; Wiedereinsetzung könne nicht gewährt werden, da innerhalb der Frist mangels Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen kein ordnungsgemäßer Prozesskostenhilfeantrag gestellt worden sei. Nunmehr beantragt der Kläger Prozesskostenhilfe für eine Rechtsbeschwerde gegen den Verwerfungsbeschluss.

II.

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ). Die Rechtsbeschwerde, für die der Antragsteller Prozesskostenhilfe beantragt, wäre unzulässig.

Gegen einen Beschluss, mit dem die Berufung gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig verworfen wird, findet gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO die Rechtsbeschwerde statt. Zulässig ist die Rechtsbeschwerde jedoch nur unter den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO . Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist namentlich nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich; insbesondere verletzt der angefochtene Beschluss nicht den Anspruch des Klägers auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip; vgl. BVerfG, NJW 2003, 281 mwN).

Die Berufung des Klägers gegen das klagabweisende Urteil des Amtsgerichts war zu verwerfen, weil sie entgegen § 520 Abs. 2 ZPO nicht begründet worden ist. Zu Recht hat das Berufungsgericht dem Kläger keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt. Der Kläger war nicht ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Frist für die Begründung der Berufung gehindert (§ 233 Satz 1 ZPO ). Einer Partei, die vor Ablauf der Begründungsfrist für ein Rechtsmittel Prozesskostenhilfe beantragt hat, ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sie vernünftigerweise nicht mit der Verweigerung der Prozesskostenhilfe wegen nicht hinreichend nachgewiesener Bedürftigkeit rechnen musste (BGH, Beschluss vom 13. April 2018 - V ZA 4/18, juris Rn. 6; BGH, Beschluss vom 21. August 2018 - VI ZA 20/18, juris Rn. 5) und die versäumte Rechtsmittelbegründung innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist nachholt (§ 236 Abs. 1 , Abs. 2 Satz 2 ZPO ; vgl. BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2017 - IX ZA 29/17, juris Rn. 3).

Der Kläger konnte schon deshalb nicht mit der Bewilligung von Prozesskostenhilfe rechnen, weil er innerhalb der Begründungsfrist keine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst den erforderlichen Anlagen eingereicht (§ 117 Abs. 2 bis 4 ZPO ) oder auf eine früher eingereichte Erklärung Bezug genommen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 21. August 2018 - VI ZA 20/18, juris Rn. 5 mwN).

Der Kläger hat außerdem die Begründung innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist nicht nachgeholt, § 236 Abs. 1 , Abs. 2 Satz 2 ZPO . Die Monatsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO begann mit Mitteilung der Ablehnung von Prozesskostenhilfe (BGH, Beschluss vom 29. Juni 2006 - III ZA 7/06, NJW 2006, 2857 Rn. 4) am 5. September 2019 zzgl. einer Überlegungsfrist von höchstens drei bis vier Tagen (etwa BGH, Beschluss vom 21. August 2018 - VIII ZB 22/18, NJW-RR 2018, 1271 Rn. 11) und lief jedenfalls am 9. Oktober 2019 ab. Unerheblich ist, dass der Kläger innerhalb der Monatsfrist erneut um Prozesskostenhilfe nachgesucht hat. Ein erneuter Antrag auf Prozesskostenhilfe oder eine Gegenvorstellung ersetzen nicht die versäumte Prozesshandlung (BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2017 - IX ZA 29/17, juris Rn. 3).

Das Berufungsgericht hat dabei auch den Anspruch des Klägers auf Gewährung des rechtlichen Gehörs nicht verletzt. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe für ein Rechtsmittelverfahren ist vorab zu bescheiden, um der Partei die Möglichkeit zu eröffnen, das Rechtsmittel nach Ablehnung des Antrags auf eigene Kosten einzulegen und durchzuführen; dies gilt auch dann, wenn die Partei das Rechtsmittel zwar unbedingt eingelegt hat, aber vor Ablauf der Begründungsfrist einen Antrag auf Prozesskostenhilfe stellt (vgl. BVerfG, NJW 2010, 2567 Rn. 18; BGH, Beschluss vom 8. Mai 2007 - VIII ZB 113/06, FamRZ 2007, 1319 Rn. 8; BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2016 - VIII ZB 15/16, NJW-RR 2017, 691 Rn. 8 f. mwN). Das Berufungsgericht hat zunächst mit Beschluss vom 28. August 2019 den Antrag des Klägers auf Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht zurückgewiesen und den Verwerfungsbeschluss erst nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist gefasst.

Vorinstanz: AG Hamburg-St. Georg, vom 11.06.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 925 C 201/18
Vorinstanz: LG Hamburg, vom 10.10.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 332 S 14/19