Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BGH - Entscheidung vom 09.01.2020

AK 61/19

Normen:
StGB § 129a Abs. 1 Nr. 1
StGB § 129b Abs. 1 S. 1-2

Fundstellen:
StV 2020, 402

BGH, Beschluss vom 09.01.2020 - Aktenzeichen AK 61/19

DRsp Nr. 2020/2591

Anordnung der Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus wegen des dringenden Tatverdachts der Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung (hier: IS)

1. Die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus wegen des dringenden Tatverdachts der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung kann angeordnet werden, wenn der Umfang und die Schwierigkeiten der Ermittlungen ein Urteil noch nicht zugelassen haben. 2. Es ist vom Haftgrund der Fluchtgefahr auszugehen, wenn der Angeklagte im Fall seiner Verurteilung eine hohe Freiheitsstrafe zu erwarten hat und er unter Ausnutzung zahlreicher Kontakte im Ausland über Möglichkeiten zur Flucht und zum Untertauchen verfügt, er auf der anderen Seite in Deutschland gefestigte soziale Bindungen nicht hat aufbauen können.

Tenor

Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.

Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.

Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg übertragen.

Normenkette:

StGB § 129a Abs. 1 Nr. 1 ; StGB § 129b Abs. 1 S. 1-2;

Gründe

I.

Der Angeschuldigte ist aufgrund Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 4. Juni 2019 ( 2 BGs 322/19) am 12. Juni 2019 vorläufig festgenommen worden und befindet sich seither ununterbrochen in Untersuchungshaft.

Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Angeschuldigte habe in 15 Fällen die ausländische terroristische Vereinigung "Islamischer Staat" (IS) unterstützt, davon in elf Fällen in Tateinheit mit einem Verstoß gegen ein Bereitstellungsverbot nach § 18 AWG.

Wegen dieser Tatvorwürfe hat der Generalbundesanwalt gegen den Angeschuldigten unter dem Datum des 4. Dezember 2019 Anklage vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg erhoben. Er wirft dem Angeschuldigten nunmehr Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung in 13 Fällen, davon in elf Fällen tateinheitlich mit Verstößen gegen das AWG, vor. Auf Antrag des Generalbundesanwalts hat die Vorsitzende des Strafsenats die Akten dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung im besonderen Haftprüfungsverfahren nach § 121 StPO vorgelegt. Der Generalbundesanwalt beantragt, die Fortdauer der Untersuchungshaft anzuordnen. Der zuständige Strafsenat hat über die Erforderlichkeit der Fortdauer der Untersuchungshaft bisher nicht entschieden.

II.

Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.

1. Der Angeschuldigte ist der ihm im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 4. Juni 2019 vorgeworfenen Straftaten dringend verdächtig.

a) Nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Geschehen auszugehen:

aa) Der IS ist eine Organisation mit militantfundamentalistischer islamischer Ausrichtung, die es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt hatte, einen das Gebiet des heutigen Irak und die historische Region "ash-Sham" - die heutigen Staaten Syrien, Libanon und Jordanien sowie Palästina - umfassenden und auf ihrer Ideologie gründenden "Gottesstaat" unter Geltung der Sharia zu errichten und dazu die schiitisch dominierte Regierung im Irak sowie das Regime des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad zu stürzen. Zivile Opfer nahm und nimmt sie bei ihrem fortgesetzten Kampf in Kauf, weil sie jeden, der sich ihren Ansprüchen entgegenstellt, als "Feind des Islam" begreift; die Tötung solcher "Feinde" oder ihre Einschüchterung durch Gewaltakte sieht die Vereinigung als legitimes Mittel des Kampfes an.

Die Führung der Vereinigung, die sich mit der Ausrufung des "Kalifats" am 29. Juni 2014 aus "Islamischer Staat im Irak und in Großsyrien" (ISIG) in "Islamischer Staat" (IS) umbenannte - wodurch sie von der territorialen Selbstbeschränkung Abstand nahm -, hatte seit 2010 bis zu seiner Tötung im Oktober 2019 Abu Bakr al-Baghdadi inne. Inzwischen wurde ein Nachfolger ernannt. Bei der Ausrufung des Kalifats war al-Baghdadi von seinem Sprecher zum "Kalifen" erklärt worden, dem die Muslime weltweit Gehorsam zu leisten hätten. Dem "Kalifen" unterstehen ein Stellvertreter sowie "Minister" als Verantwortliche für einzelne Bereiche, so ein "Kriegsminister" und ein "Propagandaminister". Zur Führungsebene gehören außerdem beratende "Shura-Räte". Veröffentlichungen werden in der Medienabteilung "Al-Furqan" produziert und über die Medienstelle "al-l'tisam" verbreitet, die dazu einen eigenen Twitter-Kanal und ein Internetforum nutzt. Das auch von den Kampfeinheiten verwendete Symbol der Vereinigung besteht aus dem "Prophetensiegel", einem weißen Oval mit der Inschrift "Allah - Rasul - Muhammad" auf schwarzem Grund, überschrieben mit dem islamischen Glaubensbekenntnis. Die - zeitweilig mehreren tausend - Kämpfer sind dem "Kriegsminister" unterstellt und in lokale Kampfeinheiten mit jeweils einem Kommandeur gegliedert.

Die Vereinigung teilte von ihr besetzte Gebiete in Gouvernements ein und richtete einen Geheimdienstapparat ein; diese Maßnahmen zielten auf die Schaffung totalitärer staatlicher Strukturen. Angehörige der irakischen und syrischen Armee, aber auch in Gegnerschaft zum IS stehender Oppositionsgruppen, ausländische Journalisten und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen sowie Zivilisten, die den Herrschaftsanspruch des IS in Frage stellten, sahen sich Verhaftung, Folter und Hinrichtung ausgesetzt. Filmaufnahmen von besonders grausamen Tötungen wurden mehrfach vom IS zu Zwecken der Einschüchterung veröffentlicht. Darüber hinaus begeht der IS immer wieder Massaker an Teilen der Zivilbevölkerung und außerhalb seines Machtbereichs Terroranschläge. So übernahm er auch für Anschläge in Europa, etwa in Paris, Brüssel, Nizza und Berlin, die Verantwortung.

bb) Der aus dem K. stammende, sich seit seiner Hochzeit im Jahr 2010 mit seiner seit vielen Jahren in Deutschland lebenden Ehefrau hier aufhaltende Angeschuldigte vertrat seit Jahren eine radikal-islamistische Einstellung und symphatisierte mit der Ideologie des IS. In diesem Zusammenhang kam es seit Juli 2015 zu den folgenden Taten:

(1) Im Zeitraum zwischen dem 15. Juli 2016 und dem 28. August 2017 leitete der Angeschuldigte von Deutschland aus in elf Fällen im Wege des "Hawala-Bankings" Geld an den ebenfalls aus dem K. stammenden H. , der zu dieser Zeit in Syrien für den IS kämpfte (Fälle A. 1.-11. des Haftbefehls). Er holte das Geld - insgesamt mehr als 14.000 € -, das ihm in der Regel über den Finanzdienstleister überwiesen worden war, ab und brachte es einem gesondert Verfolgten, der es ihm Rahmen des Hawala-Systems weiterleitete. In den Fällen A. 1.-3. und 5.-7. des Haftbefehls war ihm das Geld - insgesamt über 5.000 € - von B. jeweils aus dem K. übersandt worden, wobei sich im Fall A. 1. des Haftbefehls ein weiterer Geldgeber aus Be. an dem zu überweisenden Betrag beteiligte. Im Fall A. 6. des Haftbefehls steuerte der Angeschuldigte einen Teilbetrag aus eigenen Mitteln bei. In den Fällen A. 4. und 11. des Haftbefehls war ihm das Geld innerhalb Deutschlands überwiesen worden. Auch ließ der Angeschuldigte einen Betrag aus eigenen Beständen an H. weiterleiten (Fall A. 10. des Haftbefehls). Im Fall A. 7. des Haftbefehls war das Geld zu einem größeren Teil (200 €) nicht für H. selbst, sondern für die Familie seines gefallenen Bruders bestimmt. Im Fall A. 8. des Haftbefehls bat H. den Angeschuldigten, ihm zustehende Außenstände (1.000 €) im K. abzuholen und an ihn nach Syrien zu transferieren. Der Angeschuldigte beauftragte daraufhin seine in P. lebende Nichte, die das Geld entgegennahm und es an ihn überwies. Auch dieses Geld leitete er nach Syrien weiter. Im Fall A. 9. des Haftbefehls war dem Angeschuldigten ein Betrag von mehr als 3.000 € von einem Geldgeber aus dem K. überwiesen worden, der es für seine Tochter, deren Mann als IS-Kämpfer gefallen war, bestimmt hatte. Der Angeschuldigte transferierte den Betrag an H. , der es der Familie des Gefallenen übergab.

(2) Im Sommer 2015 unterstützte der Angeschuldigte einen m. Staatsangehörigen, der von M. nach Syrien reiste, um sich dem IS als Kämpfer anzuschließen, indem er ihm während der Reise am 12. und 17. Juli sowie am 2. August 2015 in mehreren Teilbeträgen insgesamt einen Betrag von 500 € zukommen ließ (Fälle A. 12.-14. des Haftbefehls). Dieser erreichte in der Folge Syrien, wo er sich in die Organisation IS einfügte, für diese kämpfte und schließlich auch fiel.

(3) Ebenfalls im Sommer 2015 eröffnete der Angeschuldigte für ein nicht identifiziertes Mitglied des IS, das sich zu diesem Zeitpunkt in Syrien aufhielt, einen Facebook- sowie einen Twitter-Account und unterwies dieses in deren Gebrauch. Jedenfalls auf dem Facebook-Account wurden in der Folge offizielle Verlautbarungen des IS veröffentlicht (Fall A. 15. des Haftbefehls).

b) Der dringende Verdacht der vorstehenden Taten ergibt sich aus den Einlassungen des Angeschuldigten sowie den durch die Ermittlungsbehörden erhobenen Beweisen.

aa) Der Angeschuldigte hat in seinen polizeilichen Einlassungen am 1. und 2. Oktober 2019 die Taten - mit Ausnahme der unter A. 7. des Haftbefehls ausgeführten Transaktion, an die er sich nach seinen Angaben nicht mehr erinnern kann, - eingeräumt. Er hat auch zugegeben, gewusst zu haben, dass es sich bei H. um einen IS-Kämpfer handelte. Ebenso sei ihm bekannt gewesen, dass der in den Fällen A. 12.-14. des Haftbefehls genannte m. Staatsangehörige auf dem Weg nach Syrien war, um sich dem IS anzuschließen. Die Unterstützung des IS-Mitglieds bei der Einrichtung eines Facebook- und Twitter-Accounts (Fall A. 15. des Haftbefehls) sei auf dessen Bitten erfolgt, weil Facebook entsprechende Seiten in der Regel lösche, wenn sie mit einer Rufnummer oder einer IP-Adresse in Syrien eingerichtet würden. Ihm sei auch bekannt, dass auf dem Facebook-Account Propagandavideos und öffentliche Stellungnahmen des IS veröffentlicht worden seien.

bb) Die Angaben des Angeschuldigten werden durch den Inhalt des sichergestellten Chatverkehrs, die Auskünfte der jeweiligen Finanzdienstleister und die Aussagen von Zeugen bestätigt.

(1) In den Fällen A. 1.-11. des Haftbefehls haben die Ermittlungsbehörden die Chatkommunikation des Angeschuldigten insbesondere mit H. sowie mit A. , der das Geld jeweils übernahm und in das sogenannte Hawala-System einstellte, ausgewertet. Diese belegt die im Haftbefehl aufgeführten Transaktionen. Ergänzende Feststellungen zu den genannten Vorwürfen haben sich zudem aus der Sichtung des Chatverkehrs des Angeschuldigten mit den Geldgebern und mit seiner Nichte (Fall A. 8. des Haftbefehls) ergeben. Die dort genannten Beträge stimmen mit den Auskünften der Firma überein, die von den Überweisenden aus dem K. regelmäßig beauftragt worden war. Der in Be. inhaftierte Zeuge Ma. hat ausgesagt, von H. erfahren zu haben, dass der Angeschuldigte in Deutschland Geldtransaktionen für ihn organisiere. Er selbst habe im Fall A. 1. des Haftbefehls ebenfalls Geld an H. schicken lassen. Auch wenn der Chatkommunikation zwischen dem Angeschuldigten und H. nicht in allen Fällen eine ausdrückliche Bestätigung dafür entnommen werden kann, dass das Geld tatsächlich angekommen war, so finden sich doch keinerlei Anhaltspunkte, dass eine der Transaktionen im Einzelfall nicht gelungen wäre. Vielmehr hat H. in den meisten Fällen den Empfang des Geldes bestätigt. Ein Fehlschlag ist dagegen in keinem der Fälle im Chat thematisiert worden. Im Fall A. 4. des Haftbefehls hat der Überweisende, der sich in Deutschland aufhält, bestätigt, dem Angeschuldigten das Geld für H. , bei dem er noch Schulden gehabt habe, überwiesen zu haben. Auch im Fall A. 11. des Haftbefehls hat der Geldgeber als Zeuge eingeräumt, dem Angeschuldigten das Geld zur Weiterleitung an H. überlassen zu haben. Dass es sich bei H. um einen aus dem K. nach Syrien gereisten IS-Kämpfer handelte, hat der Zeuge Ma. (s.o.) bei seiner Vernehmung durch die be. Polizeibehörden ausgesagt. Dies ergibt sich zudem aus einem Behördenzeugnis des Bundesamtes für Verfassungsschutz sowie den Ermittlungen k. Behörden und Presseartikeln in Zeitungen.

(2) Hinsichtlich der drei Überweisungen an den nach Syrien reisenden m. Staatsangehörigen (Fälle A. 12.-14. des Haftbefehls) werden die geständigen Einlassungen des Angeschuldigten durch den Inhalt der zwischen den beiden geführten Chatkommunikation sowie die entsprechenden Auskünfte des Finanzdienstleisters Western Union bestätigt. Den Nachrichten, die der Angeschuldigte mit weiteren Personen austauschte, ist ferner zu entnehmen, dass der m. Staatsangehörige nicht nur in Syrien für den IS kämpfte, sondern dort auch ums Leben kam.

(3) Dass es sich bei der Person, für die der Angeschuldigte den Facebook-Account einrichtete (Fall A. 15. des Haftbefehls), um ein IS-Mitglied handelte, bestätigt der Chatverkehr zwischen dieser und dem Angeschuldigten. Dieser enthält die Absprachen über die Einrichtung des Accounts. Die Auswertung des öffentlich einsehbaren Profils des Facebook-Accounts hat die Weiterverbreitung als "offiziell" gekennzeichneter Nachrichten des IS gezeigt.

cc) Der Angeschuldigte hat seine radikal-islamistische Einstellung sowie seine Zustimmung zur Ideologie des IS eingeräumt. 2017 seien ihm indes Zweifel an der Richtigkeit dieses Gedankengutes gekommen. Seit Anfang 2019 sei er überzeugt, dass es sich beim IS um eine Terrororganisation handele. Die Einstellung des Angeschuldigten erschließt sich aus einer Reihe von Videos und Audiodateien, die auf bei ihm sichergestellten Datenträgern gesichtet werden konnten, sowie aus seinen Äußerungen im Chatverkehr.

dd) Hinsichtlich der ausländischen terroristischen Vereinigung IS ergibt sich der dringende Tatverdacht insbesondere aus mehreren Gutachten des Sachverständigen Dr. S. .

ee) Wegen der weiteren Einzelheiten der den dringenden Tatverdacht gegen den Angeschuldigten begründenden Beweismittel und Indizien wird auf die Darlegungen im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs und im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen der Anklageschrift des Generalbundesanwalts Bezug genommen.

c) Der Angeschuldigte hat sich damit im Sinne eines dringenden Tatverdachts wie folgt strafbar gemacht:

aa) In den Fällen A. 1.-11. des Haftbefehls ist das dem Angeschuldigten vorgeworfene Verhalten jedenfalls als Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland (§ 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2, § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB ) in elf tatmehrheitlichen Fällen zu werten.

(1) Die Organisation IS stellt nach dem derzeitigen Erkenntnisstand eine ausländische terroristische Vereinigung dar, deren Zwecke darauf gerichtet sind, Mord (§ 211 StGB ), Totschlag (§ 212 StGB ) oder Verbrechen nach dem Völkerstrafgesetzbuch zu begehen (§ 129a Abs. 1 Nr. 1 , § 129b Abs. 1 StGB ).

(2) Der Angeschuldigte unterstützte diese Vereinigung.

Unter einem Unterstützen im Sinne von § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB ist nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds zu verstehen, das die innere Organisation der Vereinigung und deren Zusammenhalt unmittelbar fördert, die Realisierung der von ihr geplanten Straftaten - wenngleich nicht unbedingt maßgebend - erleichtert oder sich sonst auf deren Aktionsmöglichkeiten und Zwecksetzung in irgendeiner Weise positiv auswirkt und damit die ihr eigene Gefährlichkeit festigt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 136). Dies kann zum einen dadurch geschehen, dass ein Außenstehender mitgliedschaftliche Betätigungsakte eines Angehörigen der Vereinigung fördert; in diesem Sinne handelt es sich beim Unterstützen um eine zur Täterschaft verselbständigte Beihilfe zur Mitgliedschaft (vgl. etwa BGH, Urteil vom 3. Oktober 1979 - 3 StR 264/79, BGHSt 29, 99 , 101). Zum anderen greift der Begriff des Unterstützens einer Vereinigung über ein im strengeren Sinne des § 27 Abs. 1 StGB auf die Förderung der Tätigkeit eines Vereinigungsmitglieds beschränktes Verständnis hinaus; denn er bezieht sich auch und - wie schon der Wortlaut des Gesetzes zeigt - sogar in erster Linie auf die Vereinigung als solche, ohne dass im konkreten Fall die Aktivität des Nichtmitglieds zu einer einzelnen organisationsbezogenen Tätigkeit eines Organisationsmitglieds hilfreich beitragen muss (vgl. BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 136; Beschluss vom 16. Mai 2007 - AK 6/07, BGHSt 51, 345 Rn. 16 ff.). Erforderlich, aber auch ausreichend ist, wenn die Förderungshandlung an sich konkret wirksam, für die Organisation objektiv nützlich ist und dieser mithin irgendeinen Vorteil bringt; ob der Vorteil genutzt wird und daher etwa eine konkrete, aus der Organisation heraus begangene Straftat oder auch nur eine organisationsbezogene Handlung eines ihrer Mitglieder mitprägt, ist dagegen ohne Belang (vgl. BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 134; Beschlüsse vom 16. Mai 2007 - AK 6/07, BGHSt 51, 345 Rn. 11; vom 27. Oktober 2015 - 3 StR 334/15, BGHR StGB § 129a Abs. 5 Unterstützen 6 Rn. 5). In diesem Sinne muss der Organisation durch die Tathandlung kein messbarer Nutzen entstehen (vgl. BGH, Urteile vom 25. Januar 1984 - 3 StR 526/83, BGHSt 32, 243 , 244; vom 25. Juli 1984 - 3 StR 62/84, BGHSt 33, 16 , 17; Beschluss vom 17. August 2017 - AK 34/17, BGHR StPO § 114 Abs. 2 Nr. 2 Tat 2 Rn. 6). Die Wirksamkeit der Unterstützungsleistung und deren Nützlichkeit müssen indes stets anhand belegter Fakten nachgewiesen sein (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Juli 2013 - AK 13 u. 14/13, BGHSt 58, 318 Rn. 20; vom 19. Oktober 2017 - AK 56/17, juris Rn. 18).

Fördert ein Außenstehender die mitgliedschaftliche Beteiligung eines Mitglieds an der Vereinigung, so bedarf es für die Tathandlung des Unterstützens in der Regel nicht der Feststellung eines noch weitergehenden positiven Effekts der Handlungen des Nichtmitglieds für die Organisation. Da als Folge des Unterstützens ein irgendwie gearteter Vorteil für die Vereinigung ausreicht, liegt es nahe, dass bei einer Tätigkeit, die sich in der Sache als Beihilfe zur Beteiligung eines Mitglieds an der Vereinigung darstellt, grundsätzlich bereits hierin ein ausreichender Nutzen für die Organisation zu sehen ist. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Täter die Erfüllung einer Aufgabe durch ein Mitglied fördert, die diesem von der Vereinigung aufgetragen worden ist, oder es in dessen Entschluss stärkt, die Straftaten zu begehen, die den Zwecken der terroristischen Vereinigung dienen oder ihrer Tätigkeit entsprechen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2017 - StB 18/17, NStZ-RR 2018, 72 , 74 mwN).

Vorliegend sorgte der Angeschuldigte in den Fällen A. 1.-11. des Haftbefehls dafür, dass einem in Syrien kämpfenden IS-Mitglied über die Dauer von mehr als einem Jahr hinweg nicht unbeträchtliche Geldbeträge zugingen. Ob dieser das Geld für sich verwandte oder an die Organisation weitergab, ist zwar nicht geklärt. Doch selbst wenn der Empfänger die Geldbeträge zur Deckung seines Bedarfs - etwa zur Finanzierung seines Lebensunterhaltes - genutzt haben sollte, hätte der Angeschuldigte eine terroristische Vereinigung unterstützt. Eine tatbestandliche Unterstützung der terroristischen Vereinigung gemäß § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB liegt nämlich nach oben dargelegtem Maßstab auch dann vor, wenn der Täter die mitgliedschaftlichen Betätigungsakte eines ihrer Mitglieder fördert. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Mitglied die Handlungen im Auftrag der Vereinigung vornimmt. Der Empfänger der Gelder kämpfte vorliegend für den IS und betätigte sich somit für diesen. Diese Beteiligungshandlungen förderte der Angeschuldigte mit den Geldzuwendungen. Bei diesen handelte es sich zum Teil um vierstellige Beträge, die es ihrem Empfänger erlaubten, sich ohne Einschränkungen dem Kampf für den IS zur Verfügung zu stellen. Bereits darin ist auch ein hinreichender Nutzen für die terroristische Vereinigung IS zu sehen. Somit weisen die Zuwendungen schon nach ihrem Umfang einen spezifischen Bezug zur Tätigkeit und den Zwecken des IS auf. Dies gilt auch, soweit in einzelnen Fällen - etwa in den Fällen A. 4.-7. des Haftbefehls - die Beträge eher geringfügig waren. Durch die sich im Abstand von wenigen Monaten wiederholenden Überweisungen unterstützte der Angeschuldigte ihren Empfänger regelmäßig. Es handelte sich auch bei den eher niedrigen Zuwendungen also nicht um solche, mit denen der Lebensunterhalt des Empfängers sporadisch in nur geringem Umfang sichergestellt werden sollte (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2017 - StB 18/17, NStZ-RR 2018, 72 , 74).

Eine Unterstützung der Organisation IS liegt auch insoweit vor, als der Angeschuldigte in den Fällen A. 7. und 9. des Haftbefehls Geldmittel überwies, die nicht für H. selbst, sondern für die Familien gefallener IS-Kämpfer bestimmt waren. Daraus, dass der Angeschuldigte es dem IS-Mitglied H. ermöglichte, die Familien im Kampf gestorbener "Helden" finanziell zu unterstützen, erwuchs auch der Organisation ein Vorteil, weil dieses Vorgehen deutlich machte, dass der IS die Familien seiner Kämpfer nicht im Stich lässt. Somit weisen auch diese Geldzuwendungen des Angeschuldigten den erforderlichen Organisationsbezug auf.

Ob der Angeschuldigte sich darüber hinaus in den Fällen A. 1.-11. des Haftbefehls zudem der Terrorismusfinanzierung nach § 89c Abs. 1 Nr. 1 StGB schuldig gemacht hat und wie sich das Konkurrenzverhältnis in diesem Fall, in dem sich die Unterstützung der terroristischen Vereinigung in der Zuwendung von Geldern erschöpft, darstellt, kann hier offenbleiben. Dies gilt auch hinsichtlich der Frage, ob sich der Angeschuldigte in den genannten Fällen jeweils tateinheitlich wegen Verstoßes gegen ein Bereitstellungsverbot nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 AWG strafbar gemacht hat.

bb) In den Fällen A. 12.-14. des Haftbefehls ist der Angeschuldigte ebenfalls der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung dringend verdächtig. Der Angeschuldigte unterstützte den m. Staatsangehörigen, der - wie ihm bekannt war - von M. nach Syrien reiste, um sich dort dem IS als Kämpfer anzuschließen, mit drei Geldzahlungen während seiner Reise. Somit war er diesem bei seinem Anschluss an die Organisation behilflich und förderte mithin durch jedenfalls eine Tat die terroristischen Ziele dieser Vereinigung (vgl. BGH, Beschluss vom 8. August 2019 - StB 19/19, juris Rn. 28).

cc) Das Handeln des Angeschuldigten im Fall A. 15. des Haftbefehls erfüllt ebenfalls den Tatbestand der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Indem er dem nicht identifizierten, auf Hilfe außerhalb Syriens angewiesenen Mitglied einen Facebook-Account einrichtete, auf dem dieser Propaganda und offizielle Verlautbarungen des IS verbreitete, unterstützte er diese Person in ihren mitgliedschaftlichen Betätigungen für die Organisation (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Juni 2019 - AK 32/19, juris Rn. 22 mwN).

Deutsches Strafrecht ist anwendbar, weil die Tathandlungen in Deutschland begangen wurden und der Angeschuldigte sich in Deutschland befindet. Die nach § 129b Abs. 1 Sätze 2 und 3 StGB erforderliche Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung liegt vor.

2. Es ist der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO ) gegeben. Der Angeschuldigte hat im Falle seiner Verurteilung mit einer erheblichen Freiheitsstrafe zu rechnen. Dem davon ausgehenden Fluchtanreiz stehen keine hinreichenden fluchthindernden Umstände entgegen. Zwar lebt die Familie des Angeschuldigten in Deutschland, wobei seine Frau schon seit vielen Jahren hier beheimatet ist und seine Kinder in der Bundesrepublik geboren sind. Auch der Angeschuldigte bemühte sich um seine Einbürgerung, wobei das Einbürgerungsverfahren im Hinblick auf die hier erhobenen Vorwürfe zurzeit ruht. Zudem ging er seit seiner Einreise nach Deutschland nahezu durchgängig einer Arbeit nach. Schließlich hat er die Taten eingeräumt und gibt an, inzwischen erkannt zu haben, dass es sich beim IS um eine Terrororganisation handelt. Andererseits war er jahrelang mit der islamistischen Szene verbunden und hat - wie auch die hier erhobenen Vorwürfe zeigen - zahlreiche Kontakte im europäischen und außereuropäischen Ausland. Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass er sich, sollte er in Freiheit gelangen, dem weiteren Strafverfahren durch Flucht entziehen wird. Eine Außervollzugsetzung des Haftbefehls (§ 116 Abs. 1 StPO ) ist unter den gegebenen Umständen nicht erfolgversprechend.

3. Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO ) liegen vor. Nach der Festnahme des Angeschuldigten hat das Landeskriminalamt die bei den Durchsuchungen sichergestellten Datenträger ausgewertet, die allerdings nur in geringem Umfang zur Aufklärung der hier vorgeworfenen Taten beigetragen haben. Diese waren zum Zeitpunkt des Erlasses des Haftbefehls insbesondere durch die Auswertung der bereits früher sichergestellten Chats sowie den Auskünften der Finanzdienstleister und den Aussagen des in Be. inhaftierten Zeugen Ma. weitgehend aufgeklärt. Soweit die Sichtung der sichergestellten Dateien nach der Verhaftung der Aufklärung weiterer dem Angeschuldigten vorgeworfener Taten gedient hat, die insbesondere seine Beteiligung an der Planung und Vorbereitung eines Anschlags in Europa betrafen und hinsichtlich derer das Verfahren inzwischen nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist, vermag dies die Haftfortdauer nicht zu legitimieren. Die Notwendigkeit der Aufklärung weiterer, im Haftbefehl nicht aufgeführter Straftaten stellt keinen wichtigen Grund im Sinne des § 121 Abs. 1 StPO dar, der die Fortdauer der Untersuchungshaft rechtfertigen kann. Der Vollzug der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus ist vielmehr nur zulässig, wenn sich die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein sonstiger wichtiger Grund im Sinne des § 121 Abs. 1 StPO gerade auf die Taten bezieht, die im Haftbefehl aufgeführt sind und deretwegen die Untersuchungshaft vollzogen wird (BVerfG, Beschlüsse vom 28. Januar 1992 - 2 BvR 1754/91, NJW 1992, 1749 , 1750; vom 13. September 2001 - 2 BvR 1286/01 u.a., NStZ 2002, 100 Rn. 3). Allerdings sind eine Reihe von Ermittlungsmaßnahmen nach der Verhaftung des Angeschuldigten auch zur Verifizierung des Verdachts der im Haftbefehl aufgeführten Straftaten durchgeführt worden. So ist noch eine der an den vorgeworfenen Transaktionen unmittelbar beteiligten Personen als Zeuge befragt worden. Auch ist der Zeuge Ma. aufgrund einer europäischen Ermittlungsanordnung in Be. in Anwesenheit von Mitarbeitern deutscher Ermittlungsbehörden am 22. Oktober 2019 erneut vernommen worden. Schließlich ist der Angeschuldigte zu einer ausführlichen Vernehmung durch die Polizei bereit gewesen, die am 1. und 2. Oktober 2019 stattgefunden hat. Danach sind die Ergebnisse aus Rechtshilfeersuchen an den K. , N. und Be. abzuwarten gewesen. Die Finanzermittlungen haben bis November 2019 angedauert. Nachdem am 25. November 2019 mit dem Angeschuldigten erneut ein Vernehmungstermin vereinbart worden war, der von diesem kurzfristig abgesagt worden ist, hat das Landeskriminalamt Schleswig-Holstein die Ermittlungen noch im November 2019 abgeschlossen.

Bereits unter dem Datum des 4. Dezember 2019 hat der Generalbundesanwalt Anklage zum Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg erhoben. Mit Verfügung vom 6. Dezember 2019 hat die Vorsitzende die Zustellung der Anklageschrift an die Verteidiger sowie eine Übersetzung der Anklage veranlasst. Die bis zum 23. Dezember 2019 gewährte Erklärungsfrist nach § 201 StPO ist mittlerweile abgelaufen. Mit einer baldigen Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens nach Rückkunft der Akten ist somit zu rechnen. Die Vorsitzende hat in der Verfügung vom 6. Dezember 2019 eine unter Vorbehalt der Eröffnung des Hauptverfahrens vorzunehmende zeitnahe Terminsabsprache mit den Verteidigern angekündigt. In Anbetracht dessen ist das Verfahren bislang noch mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung geführt worden.

4. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht derzeit nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der im Falle einer Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO ).

Fundstellen
StV 2020, 402