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BGH - Entscheidung vom 03.06.2020

2 StR 428/19

Normen:
StGB § 64 S. 2

Fundstellen:
NStZ-RR 2020, 338

BGH, Beschluss vom 03.06.2020 - Aktenzeichen 2 StR 428/19

DRsp Nr. 2020/12798

Anforderungen an die Anordnung über den Vorwegvollzug von Freiheitsstrafe; Begründung einer konkreten Erfolgsaussicht einer angeordneten Maßregel; Ungeeignetheit einer Substitutionsbehandlung zum Drogenentzug

Tenor

1.

Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 29. Mai 2019, soweit es sie betrifft, im Maßregelausspruch und in der Anordnung über den Vorwegvollzug von Freiheitsstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2.

Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Normenkette:

StGB § 64 S. 2;

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagte wegen schwerer räuberischer Erpressung, besonders schwerer räuberischer Erpressung und wegen Verbrechensverabredung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt, die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und eine Regelung über den Vorwegvollzug getroffen. Zudem hat es Einziehungsentscheidungen getroffen. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Angeklagten führt zur Aufhebung des Maßregelausspruchs und der Anordnung über den Vorwegvollzug von Freiheitsstrafe; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO ).

1. Schuld- und Strafausspruch weisen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten nicht auf. Der Senat sieht keinen Anlass zu einer Schuldspruchberichtigung; er ist im Übrigen trotz eines entsprechenden Antrags des Generalbundesanwalts nicht gehindert, im Beschlussverfahren zu entscheiden, weil es sich insoweit nicht um einen zu Gunsten der Angeklagten wirkenden Antrag handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Mai 2011 - 5 StR 111/11).

3. Hingegen hält der Maßregelausspruch rechtlicher Nachprüfung nicht stand; dies führt zum Entfallen der Anordnung über den Vorwegvollzug von Freiheitsstrafe.

Der Generalbundesanwalt hat hierzu wie folgt ausgeführt:

"1. Nach den Feststellungen des Landgerichts begann die Angeklagte im Zusammenhang mit der Trennung von ihrem ehemaligen Ehemann im Jahr 2004 mit dem Konsum von Heroin (UA S. 20). Nach mehreren Vorstrafen kam sie im Jahr 2011 erstmals in Strafhaft und "erhielt auch eine Rückstellung nach § 35 BtMG , brach die Therapie allerdings ab. Erst ein Jahr später konnte sie eine Therapie weitgehend bewältigen, distanzierte sich aber vom Abstinenzziel und beendete die Therapie vorzeitig, um sich substituieren [zu] lassen". Auch während der Substitution konsumierte sie weiter Heroin. Um an ausreichende Geldmittel zu gelangen, ging sie der Prostitution nach. Die Angeklagte wurde auch im Tatzeitraum täglich mit 10 ml Polamidon substituiert, hatte aber regelmäßig einen Beikonsum von täglich zwei Gramm Heroin (UA S. 21).

2. Angesichts dieser außerordentlich ungünstigen Umstände, die gegen einen mehr als nur kurzfristigen Behandlungserfolg sprechen, ist allein das Fehlen weiterer ungünstiger Faktoren neben der Erklärung der Angeklagten, eine Therapiemaßnahme nach § 64 StGB versuchen zu wollen (UA S. 102), nicht geeignet, eine konkrete Erfolgsaussicht der angeordneten Maßregel im Sinne des § 64 Satz 2 StGB zu begründen (vgl. Senat, Beschluss vom 9. April 2019 - 2 StR 518/18; BeckRS 2019, 10180).

Wenngleich nicht jedes Risiko, dass in einer Entziehungsanstalt ein nachhaltiger Behandlungserfolg nicht erzielt wird, zugleich bedeutet, dass es an einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht fehlt (vgl. BGH, Beschluss vom 22. März 2017 - 3 StR 38/17, NStZ-RR 2017, 283 , 284), hätte es hier, insbesondere im Hinblick auf die in der Vergangenheit gescheiterten Therapien, der eingehenden Darlegung der für eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht sprechenden Gesichtspunkte unter Mitteilung der diesbezüglichen Ausführungen des von der Strafkammer hinzugezogenen psychiatrischen Sachverständigen bedurft (st. Rspr.; vgl. Senat, aaO). Die Strafkammer wäre gehalten gewesen, das Risiko eines Scheiterns der Behandlung - als mehr oder weniger hoch bzw. gering - konkret zu gewichten, um die Behandlungsaussichten nachvollziehbar zu bewerten. Dabei wären in die Beurteilung die im Urteilszeitpunkt gegebenen prognosegünstigen (bekundete Therapiebereitschaft) und auch die prognoseungünstigen Faktoren (insbesondere langjährige Drogenabhängigkeit, mehrfache erfolglose Therapien) einzubeziehen gewesen.

Die danach erforderliche Abwägung kann nicht durch den bloßen Hinweis der Strafkammer auf die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen ersetzt werden (vgl. Senat, Beschluss vom 9. April 2019 - 2 StR 518/18; BeckRS 2019, 10180)."

Dem kann sich der Senat nicht verschließen.

Vorinstanz: LG Kassel, vom 29.05.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 3640 Js 38463/18
Fundstellen
NStZ-RR 2020, 338