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BGH - Entscheidung vom 09.01.2020

5 StR 529/19

Normen:
StGB § 25 Abs. 2

Fundstellen:
NStZ-RR 2020, 89

BGH, Beschluss vom 09.01.2020 - Aktenzeichen 5 StR 529/19

DRsp Nr. 2020/1762

Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme hinsichtlich Übernahme und Verbringens der Betäubungsmittel in Mietshäuser

Die Übernahme und das Verbringen von Betäubungsmitteln in ein nicht selbst bewohntes Mietshaus ist ohne die tatrichterlichen Feststellungen von dem Angeklagten zurechenbaren Absatzbemühungen stellt kein Handeltreiben mit Betäubungsmitteln dar. Ein täterschaftliches Handeln kann in diesem Fall nicht darauf gestützt werden, dass die Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte dafür ergeben habe, dass der Angeklagte lediglich Gehilfe gewesen sei. Die Schlussfolgerung auf ein Handeltreiben der Angeklagten stellt sich dann als bloße Vermutung dar.

Tenor

Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 29. März 2019 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Normenkette:

StGB § 25 Abs. 2 ;

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen - unter Strafaussetzung zur Bewährung - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt, von der es neun Monate wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung als vollstreckt erklärt hat. Zudem hat es die Einziehung des Wertes des Tatertrages von 14.000 Euro angeordnet. Vom Vorwurf fünf weiterer, gleichgelagerter Betäubungsmittelstraftaten hat es die Angeklagte freigesprochen. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision der Beschwerdeführerin hat mit der Sachrüge Erfolg.

1. Nach den dem Schuldspruch zugrundeliegenden Feststellungen entschloss sich die Angeklagte zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt vor dem 8. Mai 2013, sich durch den gewinnbringenden Verkauf von Marihuana eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle zu verschaffen. Zu diesem Zweck übernahm sie von dem - ihr und ihrem Ehemann freundschaftlich verbundenen - gesondert verfolgten Sc. bei drei Gelegenheiten im Mai und Juni 2013 auf einem Parkplatz eines Supermarktes - in Einkaufstüten verpackt - insgesamt sieben Kilogramm Marihuana mit einem THC-Gehalt von mindestens 6,4 Prozent, die sie jeweils unmittelbar anschließend in ein ihr gehörendes, von den wegen Betäubungsmittelstraftaten gesondert Verurteilten Sc. , Sch. und St. bewohntes Mietshaus brachte. Zum Verbleib der Betäubungsmittel konnte die Strafkammer keine Feststellungen treffen.

2. Die Verurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand, weil die ihr zugrundeliegenden Feststellungen auf einer rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung beruhen.

Zwar ist es allein Sache des Tatgerichts, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Das Revisionsgericht hat dessen Entscheidung daher grundsätzlich hinzunehmen. Seiner Prüfung unterliegt es aber, ob die Urteilsgründe Rechtsfehler enthalten. Diese sind insbesondere dann gegeben, wenn die Beweiswürdigung in sich widersprüchlich, lückenhaft oder unklar ist (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 10. Dezember 1986 - 3 StR 500/86, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2). Im Falle einer Verurteilung liegt ein Rechtsfehler auch dann vor, wenn die Beweiswürdigung nicht auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsichtigen Tatsachengrundlage beruht, so dass die vom Tatgericht gezogene Schlussfolgerung sich nur als Annahme darstellt oder als Vermutung erweist, die letztlich nicht mehr als einen Verdacht zu begründen vermag (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Januar 2018 - 2 StR 238/17, NStZ-RR 2018, 119 ). Gemessen daran begegnet die Beweiswürdigung durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

a) Die Überzeugung der Strafkammer von einem (allein-) täterschaftlichen Handeltreiben der zu den Tatvorwürfen schweigenden Angeklagten beruht nicht auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage. Das Landgericht hat festgestellt, dass die Angeklagte Betäubungsmittel von Sc. übernommen und in eines ihrer - nicht von ihr selbst bewohnten - Mietshäuser gebracht hat. Die Urteilsgründe enthalten aber keine Tatsachen, die den Schluss auf eigene oder der Angeklagten nach § 25 Abs. 2 StGB zurechenbaren Absatzbemühungen ermöglichen würden. Vielmehr stützt die Strafkammer ihre Überzeugung im Ergebnis ausschließlich darauf, dass die Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte dafür ergeben habe, dass die Angeklagte lediglich Gehilfin im Sinne des § 27 StGB gewesen sei. Die Schlussfolgerung auf ein Handeltreiben der Angeklagten stellt sich daher als bloße Vermutung dar. Zudem deutet diese Erwägung auf eine Verkennung der Bedeutung des Zweifelssatzes bei der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme hin (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 15. April 1988 - 3 StR 109/88, BGHR StGB § 25 Abs. 2 Tatinteresse 4).

b) Rechtsfehlerhaft erweist sich die Beweiswürdigung auch hinsichtlich der Feststellung, in den von der Angeklagten vom gesondert verfolgten Sc. übernommenen Einkaufstüten habe sich jeweils ein Kilogramm Marihuana befunden. Sie ist zum einen lückenhaft (a), zum anderen enthält sie Widersprüche (b).

(a) Es stellt eine Lücke dar, dass die Strafkammer das Urteil gegen den gesondert Verurteilten Sc. nicht näher erörtert hat. Abgesehen vom Tenor führt sie lediglich aus, dass sowohl der verurteilende als auch der freisprechende Teil der Entscheidung die verfahrensgegenständlichen Taten betrifft. Dies genügt unter den gegebenen Umständen nicht. Zwar erscheint es nicht fernliegend, dass der Teilfreispruch sich auf keine der hier abgeurteilten Taten bezieht. Überprüft werden kann dies aber auf der Grundlage der Urteilsgründe nicht.

Lückenhaft ist die Beweiswürdigung zudem insoweit, als das Landgericht die Ergebnisse der über einen langen Zeitraum durchgeführten Telekommunikationsüberwachung nicht beweiswürdigend einbezogen hat, obwohl diese nicht mehr als eine Vermutung für die Begehung von Betäubungsmittelstraftaten und insbesondere keinen Anhalt für die Richtigkeit der die Ermittlungen auslösenden Angaben einer Vertrauensperson im Mai 2012 ergeben haben, wonach der freigesprochene mitangeklagte Ehemann der Angeklagten seit Anfang 2012 wöchentlich größere Mengen Marihuana aus den Niederlanden bezogen haben soll.

(b) Für seine Überzeugung, dass sich in den übergebenen Einkaufstüten Marihuana befand, stellt das Landgericht entscheidend darauf ab, dass der gesondert Verfolgte Sc. bei der Übergabe einen Handschuh getragen habe, woraus es den - revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden - Schluss gezogen hat, dieser habe dadurch Spurenübertragungen vermeiden wollen. Dass die Angeklagte die Einkaufstüten hingegen mit bloßen Händen transportierte, erklärt die Strafkammer mit der Auffälligkeit eines jahreszeitlich nicht bedingten Tragens von Handschuhen. Dieser Umstand müsste aber genauso für Sc. gelten. Die Erwägung des Landgerichts, dieses vom Verhalten des gesondert Verfolgten Sc. abweichende Vorgehen der Angeklagten genüge nicht "als Gegenbeweis" ist nicht geeignet, diesen Widerspruch aufzulösen.

Außerdem steht die diesbezügliche Überzeugung der Strafkammer im Widerspruch zu ihrer Begründung des Teilfreispruchs. Insoweit war der Angeklagten vorgeworfen worden, Marihuana von Sc. auch in Kartons übernommen zu haben. Davon konnte sich das Landgericht nicht überzeugen, weil durch die Art der Verpackung nicht erkennbar gewesen sei, welcher Inhalt sich in den Kartons befunden habe. Den Umstand hätte die Strafkammer aber auch hinsichtlich der Einkaufstüten heranziehen müssen, da auch deren Inhalt nicht optisch wahrnehmbar war. Soweit sie in diesem Zusammenhang darauf abstellt, dass sich die Erkennbarkeit des Inhalts bei den Einkaufstüten "anders" als bei den Kartons darstelle, deutet dies zudem darauf hin, dass sie bei der Beweiswürdigung schon das den Feststellungen entsprechende Beweisergebnis für ihre Überzeugungsbildung berücksichtigt haben könnte.

c) Das Urteil beruht auf der rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung (§ 337 Abs. 1 StPO ).

3. Sollte das neue Tatgericht zu einer Verurteilung der Angeklagten gelangen, wird es hinsichtlich einer dann möglichen Einziehungsentscheidung die diesbezüglichen Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts zu beachten haben.

Vorinstanz: LG Leipzig, vom 29.03.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 105 Js 26087/12
Fundstellen
NStZ-RR 2020, 89