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BFH - Entscheidung vom 17.06.2020

X R 26/18

Normen:
EStG § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1
GewStG § 2 Abs. 1
EStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
GewStG § 2 Abs. 1
EStG § 15 Abs. 2 S. 1

Fundstellen:
BB 2021, 22
BFH/NV 2021, 314
wistra 2021, 80

BFH, Urteil vom 17.06.2020 - Aktenzeichen X R 26/18

DRsp Nr. 2020/18469

Gewerblichkeit des Internet-Handels

NV: Ein gewerblicher (Internet–)Handel wird betrieben, wenn planmäßig Gegenstände in Wiederveräußerungsabsicht angekauft und wieder verkauft werden. Es ist nicht entscheidend, ob die Tätigkeit ihrem Gesamtbild nach derjenigen eines (in jeglicher Hinsicht) optimierenden Händlers entspricht.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 19.07.2018 – 2 K 1835/16 aufgehoben.

Die Sache wird an den zuständigen Vollsenat des Hessischen Finanzgerichts zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Normenkette:

EStG § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 , Abs. 2 Satz 1; GewStG § 2 Abs. 1 ;

Gründe

I.  Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) kaufte in den Streitjahren 2009 bis 2013 Gegenstände aus Haushaltsauflösungen an und bot sie auf eBay in Form von Versteigerungen zum Verkauf an. Dazu legte sie vier eBay-Konten an und eröffnete zwei Girokonten. Steuererklärungen gab sie nicht ab. Eine Steuerfahndungsprüfung des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt —FA—) ergab folgende Zahlen: 
Jahr  Auktionen  Einnahmen 
2009  577  40.030,42 € 
2010  1 057  77.831,27 € 
2011  628  95.212,97 € 
2012  554  90.557,23 € 
2013  260  78.467,17 € 

Das FA erließ entsprechende Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbescheide, in denen die Betriebsausgaben in Höhe von 30 % der Einnahmen geschätzt wurden. Die Klägerin erhob nach erfolglosem Vorverfahren Klage. Die Klage hatte teilweise Erfolg (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2019, 777 ). Das Finanzgericht (FG) entschied, die Einnahmen seien zu Recht dem Grunde nach der Einkommen- und Gewerbesteuer unterworfen worden. Die Klägerin habe nicht nur privates Vermögen veräußert, sondern sei nach Würdigung der gesamten Umstände wie eine typische Einzelhändlerin aufgetreten. Dafür spreche u.a. die Anzahl der über viele Jahre getätigten Verkäufe und der Aufwand. Sie habe An- und Verkäufe mit auf Güterumschlag gerichteter Absicht getätigt und sei dauerhaft am Markt als Anbieter verschiedener Güter aufgetreten. In Anbetracht der Tatsache, dass die Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen (vgl. FG Köln, Urteil vom 04.03.2015 – 14 K 188/13, EFG 2015, 1103 , und Niedersächsisches FG, Beschluss vom 26.05.2010 – 4 V 210/09, juris) den Ansatz von Betriebsausgaben mit Werten von 40 % bzw. 80 % des Nettoumsatzes für angemessen befunden habe, sei eine Schätzung der Ausgaben von 60 % des Nettoumsatzes gerechtfertigt.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin insbesondere die Verletzung materiellen Rechts. Die Klägerin sei nicht als Händlerin anzusehen, da sie weder ein Konzept noch eine Organisation noch Vorkenntnisse im Handel habe. Sie kaufe gelegentlich aus Haushaltsauflösungen und verkaufe die Gegenstände wieder über eBay für ein Mindestgebot von 1 €. Es sei wie bei einer Lotterie unsicher, ob Gewinne entstünden. Zahlreiche Gegenstände verkaufe sie deutlich unter Einkaufswert, andere werfe sie einfach weg. Sie habe auch nichts dafür getan, die Gegenstände gewinnbringend zu veräußern (z.B. Mindestpreise, Werbung, besondere Darstellung der Gegenstände, Auswahl gutgehender Gegenstände) und jedenfalls per Saldo keinen Gewinn erzielt. Ihr Ziel sei der Nervenkitzel bzw. die Spannung gewesen, zu welchem Preis die Gegenstände gekauft würden. Für sie sei es Zeitvertreib bzw. Hobby bzw. Liebhaberei gewesen. Bei eBay sei sie nur private Kundin gewesen. Das FG habe auch nicht dargelegt, wann die Gewerblichkeit begonnen habe bzw. geendet sei. Es müsse zunächst das Bestehen eines Gewerbebetriebs festgestellt werden, bevor mangels ordnungsgemäßer Buchführung zur Schätzung übergegangen werden könne. Zudem habe das FG keine anerkannte Schätzungsmethode gewählt. Eine Betriebsausgabenquote von 60 % des Nettoumsatzes sei willkürlich. Der Schätzungsbescheid sei nichtig.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das angefochtene Urteil, die Einspruchsentscheidung vom 12.09.2016 sowie die Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbescheide für die Jahre 2009 bis 2013 vom 20.05.2016 aufzuheben,

hilfsweise die Zurückverweisung an einen anderen Senat des FG.

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Es schließt sich der Auffassung des FG an, das die Betriebsausgaben angemessen geschätzt habe. Die Kosten für Zeitungen, Fahrten, Einkauf von Gegenständen, Porto, Verpackung und eBay-Gebühren seien im Einzelnen nicht zu ermitteln gewesen. Die Klägerin habe keine Gewinnermittlung eingereicht und keine Aufzeichnungen geführt. Es sei nicht zwingend, dass die Klägerin die Versandkosten getragen habe. Mit dem Begriff "Nettoumsatz" sei der erzielte Erlös abzüglich der an das FA zu zahlenden Umsatzsteuer gemeint.

II.

Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den zuständigen Vollsenat des FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).

Die Klgerin war nicht lediglich vermgensverwaltend, sondern als gewerbliche Hndlerin ttig (dazu unten 1.). Dies gilt fr smtliche Streitjahre (unten 2.). Sie handelte auch mit Gewinnerzielungsabsicht (unten 3.). FA und FG waren dem Grunde nach zur Schtzung befugt (unten 4.). Allerdings hat das FG die Hhe der von ihm vorgenommenen Schtzung der Betriebsausgaben nicht ausreichend begrndet, was einen materiellen Rechtsfehler der vorinstanzlichen Entscheidung darstellt, der zur Zurckverweisung fhrt (unten 5.). Das vom FG im ersten Rechtsgang vom Einzelrichter entschiedene Verfahren ist an den dortigen Vollsenat zurckzuverweisen (unten 6.).

1. Die Wrdigung des FG, die Klgerin habe nicht nur privates Vermgen veruert, sondern sei im Streitfall als gewerbliche Hndlerin aufgetreten, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

a) Einknfte aus Gewerbebetrieb sind nach 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes ( EStG ) Einknfte aus gewerblichen Unternehmen. Ein Gewerbebetrieb ist nach 15 Abs. 2 Satz 1 EStG eine selbstndige nachhaltige Bettigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt. Der Gewerbesteuer unterliegt nach 2 Abs. 1 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes ( GewStG ) jeder stehende Gewerbebetrieb. Darunter ist nach 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG ein gewerbliches Unternehmen i.S. des EStG zu verstehen. Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal nach dem EStG bzw. GewStG ist, dass die Bettigung ber den Rahmen einer privaten Vermgensverwaltung hinausgeht (Beschluss des Groen Senats des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 25.06.1984 – GrS 4/82, BFHE 141, 405 , BStBl II 1984, 751 ). Die Grenze von der privaten Vermgensverwaltung zum Gewerbebetrieb wird berschritten, wenn die Ausnutzung substantieller Vermgenswerte durch Umschichtung gegenber der Nutzung von Vermgen i.S. einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten entscheidend in den Vordergrund tritt (vgl. Beschluss des Groen Senats des BFH vom 10.12.2001 – GrS 1/98, BFHE 197, 240 , BStBl II 2002, 291 ).

aa) In Zweifelsfllen ist magebend, ob die Ttigkeit, soll sie gewerblich sein, dem Bild entspricht, das nach der Verkehrsanschauung einen Gewerbebetrieb ausmacht und einer privaten Vermgensverwaltung fremd ist (vgl. Beschlsse des Groen Senats des BFH vom 03.07.1995 – GrS 1/93, BFHE 178, 86 , BStBl II 1995, 617 , und in BFHE 197, 240 , BStBl II 2002, 291 ). Es ist auf das Gesamtbild der Verhltnisse und die Verkehrsanschauung abzustellen. Die einzelnen Umstnde sind zu gewichten und gegeneinander abzuwgen (Senatsurteile vom 02.09.2008 – X R 14/07, BFH/NV 2008, 2012 ; vom 28.11.2007 – X R 24/06, BFH/NV 2008, 774 , und vom 09.04.2003 – X R 21/00, BFHE 201, 525 , BStBl II 2003, 520 ). Ob eine Ttigkeit noch der Vermgensverwaltung zuzuordnen ist, lsst sich nicht fr alle Wirtschaftsgter und Bettigungen nach einheitlichen Mastben beurteilen. Vielmehr sind die jeweiligen artspezifischen Besonderheiten zu beachten. Es entspricht (vgl. nur Senatsurteile in BFH/NV 2008, 2012 , und in BFH/NV 2008, 774 ) langjhriger und gefestigter Rechtsprechung, das "Bild des Gewerbebetriebs" durch Orientierung an unmittelbar der Lebenswirklichkeit entlehnten Berufsbildern zu konturieren (Senatsurteil vom 30.07.2003 – X R 7/99, BFHE 204, 419 , BStBl II 2004, 408 ). Eine Wrdigung des Gesamtbildes erfordert es, dass je nach Berufsbild und der jeweiligen artspezifischen Besonderheiten —auf den konkreten Einzelfall abgestimmt— verschiedene Kriterien (auch der Anzahl nach) bercksichtigt und gewichtet werden. Dem widersprche ein festgelegter Kriterienkatalog.

bb) Diese Grundstze gengen den verfassungsrechtlichen Anforderungen; Gegenteiliges hat die Klgerin nicht substantiiert vorgetragen. Eine Orientierung an unmittelbar der Lebenswirklichkeit entlehnten Berufsbildern ermglicht es, unter Wahrung der aus Grnden der Rechtsstaatlichkeit zu gewhrleistenden Tatbestandsbestimmtheit der Entwicklung der Verhltnisse und den damit einhergehenden Vernderungen der jeweils einschlgigen Berufsbilder einerseits und der Anschauung ber die Vermgensverwaltung Rechnung zu tragen (vgl. Senatsurteil in BFHE 201, 525 , BStBl II 2003, 520 , unter Bezugnahme auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 20.05.1996 – 1 BvR 21/96, Neue Juristische Wochenschrift 1996, 2644 , und BFH-Urteil vom 15.03.2005 – X R 39/03, BFHE 209, 320 , BStBl II 2005, 817 ).

cc) Eine typische gewerbliche Ttigkeit ist der Handel. Seit jeher wird "der Handel" umschrieben als "die der Vermittlung des Gterumlaufs zugewendete Erwerbsttigkeit". Zu seinem Wesen gehrt der Kauf oder die sonstige Anschaffung von Sachen zum Zwecke der Weiterveruerung in gleichem Zustand oder nach weiterer Be- oder Verarbeitung (Senatsurteil vom 25.07.2001 – X R 55/97, BFHE 195, 402 , BStBl II 2001, 809 , unter II.2.b). Typischerweise ist der Handel durch die wiederholte Anschaffung und Veruerung von Wirtschaftsgtern i.S. eines marktmigen Umschlags von Sachwerten gekennzeichnet (vgl. BFH-Urteil vom 14.09.2017 – IV R 34/15, BFH/NV 2018, 24 , Rz 30). Der Steuerpflichtige verhlt sich demnach wie ein Hndler, wenn er planmig und auf Dauer mit auf Gterumschlag gerichteter Absicht ttig geworden ist. Der planmige An- und Verkauf ist dem Bereich des Handels zuzuordnen und deshalb gewerblich (BFH-Beschluss vom 04.07.2002 – IV B 44/02, BFH/NV 2002, 1559 ).

b) Die vom FG vorgenommene Wrdigung des Gesamtbildes, dass es sich vorliegend um ein hndlertypisches Verhalten handle, ist vom erkennenden Senat nicht zu beanstanden. Der tatschlichen Wrdigung der Einzelheiten durch die Tatsacheninstanz kommt besondere Bedeutung zu. Der BFH prft dabei nur, ob dem FG bei der tatschlichen Wrdigung Rechtsverste unterlaufen sind. Eine Bindung ist gegeben, sofern die Wrdigung mglich war und das FG weder gegen Denkgesetze verstoen noch wesentliche Umstnde vernachlssigt hat. Ob ebenso gut ein anderes Ergebnis der Wrdigung vertretbar gewesen wre, ist nicht entscheidend (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 27.01.2011 – V R 21/09, BFHE 233, 77 , BStBl II 2011, 524 ).

aa) Ersichtlich hat das FG nicht allein auf die Dauer und die Anzahl bzw. Hhe der Verkufe abgestellt. Vielmehr hat es im besonderen Mae den planmigen An- und Verkauf gewrdigt. Wird ein solcher wie im Streitfall betrieben und liegt schon beim Ankauf Wiederveruerungsabsicht vor, ist die Grenze der privaten Vermgensverwaltung berschritten. Eindeutig steht die Ausnutzung substantieller Vermgenswerte durch Umschichtung im Vordergrund. In den —ausweislich der Feststellungen des FG andauernden und wiederholten— An- und Verkufen der Klgerin ist ein planmiges Vorgehen zu sehen. Sie kaufte in systematischer Art und Weise einerseits bei Haushaltsauflsungen Gegenstnde an und bot andererseits die hierbei erworbenen Gegenstnde ber die Internetplattform eBay wieder zum Verkauf an.

bb) Dass die Klgerin —wie sie vorbringt— Spa an der Versteigerung der Gegenstnde hatte, ist auch nicht als Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten anzusehen. Nicht der Gegenstand selbst bereitete der Klgerin den Nervenkitzel bzw. die Spannung, sondern der Verkaufsprozess. Der "Spa am Handeln" ist kein taugliches Kriterium zur Abgrenzung des gewerblichen Handels von einer privaten Vermgensverwaltung, zumal auch ein gewerblicher Hndler (oftmals) Freude an der Ausfhrung seiner Ttigkeit haben wird.

cc) Für das FG war erkennbar nicht mehr entscheidend, dass die Klägerin nach eigenem Vortrag kein darüber hinausgehendes Konzept hatte (z.B. Auswahl gut gehender Gegenstände), keine Mindestpreise setzte, keine Vorkenntnisse im Handel bzw. im Trödel hatte und weitere aus ihrer Sicht für einen gewerblichen Händler typische Kriterien fehlten. Der Senat kann nicht erkennen, dass das FG wesentliche Umstände vernachlässigt hat. Für die Zuordnung zur Gewerblichkeit ist im Streitfall nicht entscheidend, dass die Klägerin möglicherweise ihr geschäftliches Auftreten nicht in jeder Hinsicht optimiert hat (z.B. fehlende Beschränkung auf den Handel mit ausgewählten, gutgehenden Gegenständen oder Verzicht auf die parallele Nutzung mehrerer Handelsplattformen). Denn die Voraussetzungen des Idealtypus des Gewerbetreibenden müssen nicht erfüllt sein. Es kann auch nicht entscheidend sein, ob der Steuerpflichtige seinen eBay-Handel als Gewerbe anmeldet oder ob er bei eBay als gewerblicher Händler eingeordnet wird. Andernfalls hätte es der Steuerpflichtige bzw. eBay in der Hand, über die steuerlich relevante Frage der Gewerblichkeit zu bestimmen.

dd) Gegenteiliges kann auch nicht der hchstrichterlichen Rechtsprechung zum Wertpapierhandel entnommen werden. Der nachhaltige An- sowie Verkauf von Wertpapieren ist im Rahmen einer Gesamtwrdigung nicht mit dem nachhaltigen An- und Verkauf von Gebrauchsgegenstnden vergleichbar. Das Bild eines Wertpapierhndlers entspricht nicht demjenigen eines Hndlers von Gebrauchsgegenstnden. Es ist demzufolge durchaus mglich, dass der Zahl und dem Umfang der einzelnen Transaktionen fr die Wrdigung, ob die Ttigkeit eines Wertpapierhndlers vorliegt, erheblich weniger Bedeutung zukommt (vgl. Senatsurteile in BFH/NV 2008, 2012 , und vom 20.12.2000 – X R 1/97, BFHE 194, 198 , BStBl II 2001, 706 ) als der Zahl und dem Umfang der Verkufe fr die Wrdigung der Aktivitten eines Hndlers von Gebrauchsgegenstnden. Whrend der Kauf und Verkauf von Wertpapieren als Anlageform von privatem Vermgen fr eine private Vermgensverwaltung nicht ungewhnlich ist, ist dies der marktmige Umschlag von Gebrauchsgegenstnden hingegen schon.

2. Die Klgerin hat weder substantiiert vorgetragen, aus welchen Grnden vorliegend zunchst nur eine gelegentliche Bettigung vorgelegen haben soll noch weshalb ihre gewerbliche Ttigkeit vorzeitig beendet worden sein sollte. Das FG hat fr alle Streitjahre —mangels (vorgetragener) besonderer Umstnde— einheitlich die tatbestandlichen Voraussetzungen des 15 Abs. 2 Satz 1 EStG und des 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG geprft. Besondere Umstnde, die eine Differenzierung in zeitlicher Hinsicht rechtfertigen wrden, sind fr den Senat nicht erkennbar.

3. Das FG hat das Vorliegen der Gewinnerzielungsabsicht —wenn auch lediglich behauptend— zu Recht bejaht, da die Klgerin nach der berzeugung des FG tatschliche Gewinne erzielt hatte. Gewinne sind ein kaum zu widerlegendes Indiz dafr, dass auch die Absicht bestand, solche zu erzielen (z.B. BFH-Urteil vom 09.03.2017 – VI R 86/14, BFHE 257, 561 , BStBl II 2017, 981 , Rz 22). Dies gilt selbst bei Ttigkeiten mit einer Nhe zum Hobbybereich (BFH-Urteil vom 19.07.1990 – IV R 82/89, BFHE 161, 144 , BStBl II 1991, 333 , unter 3.b), was vorliegend noch nicht einmal der Fall ist.

4. FA und FG waren dem Grunde nach zur Schtzung befugt. Die Klgerin hat keine Aufzeichnungen gefhrt, weil sie angenommen hatte, hierzu nicht verpflichtet zu sein. Indes ist hchstrichterlich anerkannt, dass eine vom Steuerpflichtigen vorgenommene Eigenqualifikation seiner Handlungen rechtlich unbeachtlich ist, sofern diese nicht durch die tatschlichen Gegebenheiten gedeckt ist (Senatsbeschluss vom 16.09.2008 – X B 158/07, BFH/NV 2008, 2024 , m.w.N.). Zudem ist allein auf die Ttigkeit des Steuerpflichtigen und nicht auf dessen Kenntnisse und persnliche Fhigkeiten abzustellen (Senatsurteil vom 09.03.2016 – X R 9/13, BFHE 253, 299 , BStBl II 2016, 815 ).

5. Die vom FG gegebene Begrndung fr die von ihm vorgenommene Schtzung der Hhe der Betriebsausgaben ist nicht ausreichend.

a) Nach stndiger Rechtsprechung mssen die gewonnenen Schtzergebnisse schlssig, wirtschaftlich mglich und vernnftig sein (vgl. z.B. Senatsurteil vom 20.03.2017 – X R 11/16, BFHE 258, 272 , BStBl II 2017, 992 ). Daher sind einerseits alle mglichen Anhaltspunkte, u.a. auch das Vorbringen des Steuerpflichtigen oder eine an sich fehlerhafte Buchfhrung, zu beachten und alle Mglichkeiten auszuschpfen, um im Rahmen des der Finanzbehrde bzw. dem FG Zumutbaren die Besteuerungsgrundlagen wenigstens teilweise zu ermitteln. Auf der anderen Seite ist auch das Ma der Verletzung der dem Steuerpflichtigen obliegenden Mitwirkungspflichten zu bercksichtigen (vgl. z.B. nur Senatsbeschluss vom 26.02.2018 – X B 53/17, BFH/NV 2018, 820 ). Fr die Revisionsinstanz —beschrnkt auf die berprfung von Rechtsfehlern— muss es mglich sein, die Schtzung nachvollziehen zu knnen, um zu berprfen, ob das FG bei der Tatsachenfeststellung und der Beweiswrdigung nach sachfremden Erwgungen oder willkrlich verfahren ist. Das FG hat darzulegen, wie und dass es seine berzeugung in rechtlich zulssiger und einwandfreier Weise gewonnen hat (vgl. Senatsurteile in BFHE 258, 272 , BStBl II 2017, 992 , und vom 16.09.2015 – X R 43/12, BFHE 251, 37 , BStBl II 2016, 48 ).

b) Die Klgerin hat ihre Mitwirkungspflichten erheblich verletzt, da sie weder Aufzeichnungen gefhrt noch Belege aufbewahrt hat. Dennoch wird das FG in seinem Urteil den dargestellten Anforderungen an die Ausschpfung der nach Aktenlage vorhandenen Mglichkeiten nicht gerecht.

aa) Es ist nicht darauf eingegangen, ob bzw. weshalb die Besteuerungsgrundlagen anhand der vorliegenden Kontenbelege nicht wenigstens teilweise htten ermittelt werden knnen oder ob bzw. in welcher Hhe/mit welcher Pauschale es einzelne Kostengruppen (wie z.B. fr Zeitungen, fr Fahrten, fr eBay-Gebhren, fr Porto und Verpackung) im Rahmen seiner griffweisen Schtzung htte bercksichtigen knnen.

(1) Den Girokonten der Klgerin kann mglicherweise die Hhe betrieblich veranlasster Kosten entnommen werden: eBay–Gebhren und Kosten fr die dauerhafte Schaltung der Zeitungsannoncen. Gegebenenfalls knnen auch die Posten Telefon und Tanken ausgewertet werden.

(2) Ebenso dürften Rückzahlungen im Rahmen von Rückabwicklungen anhand der Kontenbelege individuell ermittelt werden können. Diese hat das FA (und infolgedessen wohl auch das FG) —entgegen dem Vortrag der Klägerin— zwar bei den betrieblich veranlassten Kosten (vgl. zum Meinungsstand, ob es sich bei Rückzahlungen im Rahmen einer Rückabwicklung um negative Einnahmen oder Betriebsausgaben handelt: Stapperfend in Herrmann/Heuer/Raupach, § 4 EStG Rz 765) berücksichtigt, aber eben nur griffweise im Rahmen der vorgenommenen Gesamtschätzung (vgl. Blatt 24 des Sonderbandes).

(3) Mglicherweise knnen (berschlgig) die Versand- und Verpackungskosten berechnet werden. Es knnte beispielsweise anhand der in den Kontenbelegen benannten Verkaufsgegenstnde auf die Kosten fr die erforderliche Versandart (Warensendung, Paket usw.) und fr das Verpackungsmaterial geschlossen werden. Es geht aus Blatt 24 des Sonderbandes hervor, dass das FA bei der Ermittlung des Gesamtumsatzes "ausschlielich Kontozugnge" bercksichtigt hat. Auch im Falle einer Vereinbarung, dass die Kunden die Versand- und Verpackungskosten zustzlich zum Gebotspreis bezahlen mussten, wre es realittsfremd, wenn diese nicht zusammen mit dem Gebotspreis berwiesen worden wren und damit in den Kontozugngen enthalten sind. Wie die Kufer diese Kosten auf andere Weise bezahlt haben sollen, msste das FG —geht es nicht davon aus— gesondert begrnden.

bb) Erst nachrangig und uerst hilfsweise drfte das FG erwgen, fr eine griffweise Schtzung die von anderen Finanzgerichten gefundenen Ergebnisse heranzuziehen. Dabei wre aber in einem ersten Schritt zu prfen, ob die Entscheidungen der anderen Gerichte berhaupt zu vergleichbaren Sachverhaltsgestaltungen ergangen sind (z.B. hinsichtlich der angebotenen Produktgruppen und der Struktur der angefallenen Aufwendungen). In einem zweiten Schritt msste das FG darauf eingehen, ob die Schtzungserwgungen der anderen Gerichte ihrerseits einer Rechtmigkeitsberprfung standhalten.

All diese Prfungen hat das FG unterlassen. Es erlutert auch nicht, weshalb es gerade den Mittelwert der Schtzungen der beiden anderen Finanzgerichte ansetzt. Zu Recht weist die Klgerin im brigen darauf hin, dass in dem vom FG herangezogenen Beschluss des Niederschsischen FG vom 26.05.2010 – 4 V 210/09 neben der griffweisen Schtzung noch weitere Betriebsausgaben angesetzt worden sind. Auch ist unklar, was das FG mit dem Begriff "Nettoumsatz" meint. Die Klgerin hat in den Streitjahren —soweit ersichtlich— keine Umsatzsteuer ausgewiesen oder an das FA abgefhrt.

c) Allerdings erreicht das Begrndungsdefizit des vorinstanzlichen Urteils vorliegend noch nicht die Schwelle eines Verfahrensmangels nach 119 Nr. 6 FGO , da die Begrndung der Hhe der Schtzung nicht vollstndig fehlt.

Ebenso sind die Schtzungsbescheide des FA nicht nichtig. Hier fhren Begrndungsmngel nicht zur Nichtigkeit, sondern allenfalls zur Anfechtbarkeit (vgl. Senatsurteil vom 15.07.2014 – X R 42/12, BFH/NV 2015, 145 ).

6. Die von der Klgerin beantragte Zurckverweisung an einen anderen Senat des FG ist im Streitfall nicht geboten, da ernstliche Zweifel an dessen Unvoreingenommenheit (vgl. zu den Voraussetzungen: BFH-Urteil vom 04.09.2002 – XI R 67/00, BFHE 200, 1 , BStBl II 2003, 142 ) nicht zu erkennen sind und auch von der Klgerin nicht vorgetragen worden sind. Allein die Fehlerhaftigkeit des FG-Urteils gengt hierfr nicht.

Der vom FG dem Einzelrichter bertragene Rechtsstreit wird allerdings unter Aufhebung des Beschlusses betreffend die bertragung des Streitfalls auf den Einzelrichter an den Vollsenat zurckverwiesen, da die Voraussetzungen des 6 Abs. 1 Nr. 1 FGO im Streitfall nicht gegeben sind (vgl. BFH-Urteile vom 13.12.2018 – III R 13/15, BFH/NV 2019, 1069 , und vom 30.11.2010 – VIII R 19/07, BFH/NV 2011, 449 ).

7. Die bertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf 143 Abs. 2 FGO .

Vorinstanz: FG Hessen, vom 19.07.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 2 K 1835/16
Fundstellen
BB 2021, 22
BFH/NV 2021, 314
wistra 2021, 80