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BFH - Entscheidung vom 25.11.2020

II R 9/19

Normen:
ErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 4, § 13a, § 13b
BewG § 14 Abs. 1, § 158, § 159, § 160, § 164, § 168
AO § 174 Abs. 5
ErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 4
BewG § 168
AO § 174 Abs. 5
ErbStG § 13a
ErbStG § 13b
BewG § 14 Abs. 1
BewG § 158
BewG § 159
BewG § 160
BewG § 164

Fundstellen:
BFH/NV 2021, 873
BStBl II 2021, 491
DStRE 2021, 740
ZEV 2021, 458

BFH, Urteil vom 25.11.2020 - Aktenzeichen II R 9/19

DRsp Nr. 2021/7007

Bestimmung des erbschaftsteuerlich begünstigten land- und forstwirtschaftlichen Vermögens

1. Der Umfang des der Steuerbegünstigung nach §§ 13a, 13b ErbStG a.F. zugänglichen land- und forstwirtschaftlichen Vermögens bestimmt sich nach bewertungsrechtlichen Kriterien. 2. Der bewertungsrechtliche Begriff des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ist tätigkeitsbezogen. 3. Einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb kann auch derjenige unterhalten, dem weder am Grund und Boden noch am Besatz das Eigentum zusteht. 4. Nutzt ein solcher Betriebsinhaber die Betriebsmittel auf Grundlage von Nießbrauchrechten, können diese Rechte zum Wirtschaftsteil seines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs gehören.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 29.11.2018 – 3 K 3014/16 Erb aufgehoben.

Die Sache wird an das Finanzgericht Münster zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Normenkette:

ErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 4 , § 13a , § 13b; BewG § 14 Abs. 1 , § 158 , § 159 , § 160 , § 164 , § 168 ; AO § 174 Abs. 5 ;

Gründe

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Alleinerbin nach ihrem am 02.05.2014 verstorbenen Ehemann (Erblasser). Der Erblasser war u.a. Eigentümer eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs gewesen. Mit Vertrag vom 12.10.2013 hatte er diesen dem gemeinsamen Sohn, dem Beigeladenen, übertragen. Er hatte sich auf Lebensdauer ein unentgeltliches Nießbrauchrecht vorbehalten, das nach seinem Ableben der Klägerin auf deren Lebenszeit zustehen sollte.

Die Klägerin gab in ihrer Erbschaftsteuererklärung u.a. das Nießbrauchrecht als nach §§ 13a, 13b des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes ( ErbStG ) i.d.F. des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes vom 22.12.2009 —ErbStG a.F.— (BGBl I 2009, 3950 ) begünstigtes land– und forstwirtschaftliches Vermögen an. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) erfasste den Nießbrauch als nicht begünstigtes Vermögen mit dem nach § 14 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes ( BewG ) kapitalisierten Wert.

Nachdem das FA im finanzgerichtlichen Verfahren erklärt hatte, der Sohn habe seinerseits die Begünstigung erhalten, hat das Finanzgericht (FG) ihn nach § 174 Abs. 5 der Abgabenordnung ( AO ) beigeladen und die Klage abgewiesen. Das FA habe für den nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG steuerbaren Erwerb den Verschonungsabschlag zutreffend nicht gewährt. Die Klägerin habe kein begünstigtes land- und forstwirtschaftliches Vermögen, sondern lediglich ein Nutzungsrecht hieran erworben. Die Begünstigungsvorschriften des ErbStG a.F. knüpften für die Frage, ob land- und forstwirtschaftliches Vermögen vorliege, allein an bewertungsrechtliche Grundsätze an. Soweit Nießbrauchrechte an begünstigtem Betriebsvermögen begünstigt sein könnten, sei dies unerheblich.

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts, formell insbesondere das zur Beiladung des Sohnes führende Verfahren.

In der Sache habe das FG zu Unrecht einen Erwerb von Todes wegen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG angenommen. Es liege eine Schenkung unter Lebenden aufgrund des Übergabevertrages vom 12.10.2013 vor. Für die Auslegung von § 13a Abs. 1 ErbStG a.F. dürfe nicht auf § 13b ErbStG a.F. zurückgegriffen werden. Vielmehr sei der Begriff der Land– und Forstwirtschaft nach ertragsteuerlichen Kriterien auszulegen und der Nießbrauch nach den Grundsätzen des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 01.09.2011 – II R 67/09 (BFHE 239, 137 , BStBl II 2013, 210 ) als Betriebsvermögen zu bewerten. Eine Differenzierung zwischen dem Nießbrauch an einem Betriebsvermögen und an einem land– und forstwirtschaftlichen Betrieb sei —auch verfassungsrechtlich— nicht gerechtfertigt.

Die Klägerin beantragt,

die Vorentscheidung aufzuheben und den Erbschaftsteuerbescheid vom 09.12.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 08.09.2016 dahin zu ändern, dass die Erbschaftsteuer auf 0 € festgesetzt wird.

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Begünstigt sei der Wirtschaftsteil des allein nach bewertungsrechtlichen Grundsätzen zu bestimmenden land– und forstwirtschaftlichen Vermögens. Dieser umfasse die zur Erzielung land– und forstwirtschaftlicher Nutzungen notwendigen Wirtschaftsgüter. Die Bestandteile des land– und forstwirtschaftlichen Vermögens müssten auf den Erwerber übergehen, woran es im Streitfall fehle. Die Begünstigung des Nießbrauchrechts an begünstigtem Betriebsvermögen (nach dem BFH-Urteil in BFHE 239, 137 , BStBl II 2013, 210 ; dem folgend gleich lautender Erlass vom 02.11.2012, BStBl I 2012, 1101 ) könne nicht auf den land– und forstwirtschaftlichen Betrieb übertragen werden, da dort die Anknüpfung an das Ertragsteuerrecht fehle.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

II.

Die Revision ist begründet mit der Maßgabe, dass das FG-Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen ist (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Der Senat vermag auf Grundlage der Feststellungen des FG nicht abschließend zu beurteilen, ob und ggf. in welchem Umfang die Nießbrauchrechte der Klägerin zu dem nach §§ 13a, 13b ErbStG a.F. begünstigten Vermögen gehören.

1. Die Zuwendung der Nießbrauchrechte ist nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG auf den 02.05.2014 steuerbar und zu Recht in den Erbschaftsteuerbescheid auf den Todestag als Stichtag einbezogen worden. Der Vertrag vom 12.10.2013 hat die Zuwendung des Nießbrauchs an den Tod des Ehemannes der Klägerin geknüpft.

2. Die Begünstigungen u.a. für Betriebsvermögen sowie Betriebe der Land– und Forstwirtschaft richten sich nach §§ 13a, 13b ErbStG a.F. Diese Vorschriften sind ausweislich des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 17.12.2014 – 1 BvL 21/12 (BVerfGE 138, 136 , BStBl II 2015, 50 ) verfassungswidrig, galten jedoch bis zu einer Neuregelung fort. Die mittlerweile geänderten Vorschriften sind erst auf Erwerbe anzuwenden, für die die Steuer nach dem 30.06.2016 entsteht (§ 37 Abs. 12 Satz 1 ErbStG i.d.F. des Gesetzes zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom 04.11.2016, BGBl I 2016, 2464 ).

3. Welche Vermögenswerte Teil des begünstigten land– und forstwirtschaftlichen Vermögens sind, richtet sich nach bewertungsrechtlichen Maßstäben.

a) Nach § 13a Abs. 1 Satz 1 ErbStG a.F. bleibt —nach näherer Maßgabe der folgenden Vorschriften— der Wert von Betriebsvermögen, land– und forstwirtschaftlichem Vermögen und Anteilen an Kapitalgesellschaften i.S. des § 13b Abs. 4 ErbStG a.F. insgesamt außer Ansatz (Verschonungsabschlag). Nach § 13b Abs. 4 ErbStG a.F. sind begünstigt 85 % des in § 13b Abs. 1 ErbStG a.F. genannten Vermögens. Nach § 13b Abs. 1 Nr. 1 ErbStG a.F. gehören zum begünstigten Vermögen vorbehaltlich § 13b Abs. 2 ErbStG a.F. u.a. der inländische Wirtschaftsteil des land– und forstwirtschaftlichen Vermögens (§ 168 Abs. 1 Nr. 1 BewG ) mit Ausnahme der Stückländereien (§ 168 Abs. 2 BewG ) und selbst bewirtschaftete Grundstücke i.S. des § 159 BewG .

b) Mit dieser Verweisungstechnik stellt das ErbStG klar, dass der Umfang des begünstigten land- und forstwirtschaftlichen Vermögens sich aus dem Bewertungsrecht ergibt. Die Art des nach § 13a Abs. 1 Satz 1 ErbStG a.F. dem Verschonungsabschlag zugänglichen Vermögens wird in § 13b Abs. 1 ErbStG a.F. definiert. Bei einem anderen Verständnis wäre diese Vorschrift funktionslos. § 13a Abs. 1 Satz 1 ErbStG a.F. bezeichnet das begünstigte Vermögen ausdrücklich mit dem Zusatz "im Sinne des § 13b Abs. 4 ", wobei in dieser Vorschrift eine ausdrückliche Bezugnahme auf § 13b Abs. 1 ErbStG a.F. mit einer näheren Beschreibung des begünstigten Vermögens enthalten ist. § 13b Abs. 1 Nr. 1 ErbStG a.F. bestimmt den Umfang des land– und forstwirtschaftlichen Vermögens über Begriffe und Normen des BewG . Es sind folglich zunächst bewertungsrechtliche Grundsätze anzuwenden. Insbesondere ist der inländische Wirtschaftsteil des land– und forstwirtschaftlichen Vermögens, auf den § 13b Abs. 1 Nr. 1 ErbStG a.F. an erster Stelle verweist, eine bewertungsrechtliche Kategorie und nur mit Hilfe des dort ausdrücklich genannten § 168 Abs. 1 Nr. 1 BewG zu definieren.

4. Im Ergebnis finden gleichwohl ertragsteuerliche Kriterien Anwendung, da die bewertungsrechtliche Begriffsbestimmung des land– und forstwirtschaftlichen Betriebs eine entsprechende Öffnung enthält. Einen Betrieb der Land– und Forstwirtschaft hat derjenige inne, der Land– und Forstwirtschaft betreibt. Der Betriebsbegriff ist tätigkeitsbezogen. Zivilrechtlichen Eigentums an Grund und Boden oder Besatz bedarf es nicht.

a) Nach § 158 Abs. 1 Satz 1 BewG ist Land– und Forstwirtschaft die planmäßige Nutzung der natürlichen Kräfte des Bodens zur Erzeugung von Pflanzen und Tieren sowie die Verwertung der dadurch selbst gewonnenen Erzeugnisse. Diese Vorschrift knüpft an eine bestimmte Nutzung des Bodens, aber nicht an das Eigentum am Boden an.

b) Auch die Finanzverwaltung definiert die wirtschaftliche Einheit des land– und forstwirtschaftlichen Vermögens tätigkeitsbezogen nach den Grundsätzen der R 15.5 der Einkommensteuer-Richtlinien (R B 158.1 Abs. 1 Satz 2 der zum Zeitpunkt des Erbfalls geltenden Erbschaftsteuer-Richtlinien —ErbStR— 2011 sowie gleichlautend noch heute R B 158.1 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 2019 ). Der Rückgriff auf ertragsteuerliche Grundsätze entspricht dem Grunde nach einhelliger Auffassung (Bruschke in Stenger/Loose, Bewertungsrecht, § 158 BewG Rz 21; Kirnberger in Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG, § 158 BewG Rz 11 f., Stand 01.10.2009; Eisele in Rössler/Troll, BewG , § 158 Rz 2, und Grootens in von Oertzen/Loose, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz , 2. Aufl., § 158 BewG Rz 6).

c) Aus dem tätigkeits– und nicht objektbezogenen Verständnis des —bewertungsrechtlichen— land- und forstwirtschaftlichen Betriebs folgt, dass die Qualifikation einer wirtschaftlichen Einheit als Betrieb der Land– und Forstwirtschaft nicht von Art und Umfang der im Eigentum des Betriebsinhabers stehenden sächlichen Betriebsmittel abhängt. Ein land– und forstwirtschaftlicher Betrieb ist ohne jegliche im Eigentum des Betriebsinhabers stehende oder anderweit diesem zivilrechtlich zuzurechnenden Wirtschaftsgüter denkbar, solange er die Tätigkeitsanforderungen erfüllt. Für eine abweichende Sichtweise bietet § 158 BewG keine Grundlage.

aa) Der Betrieb der Land– und Forstwirtschaft (§ 158 Abs. 2 BewG ) setzt weder eine Mindestgröße noch einen vollen land– und forstwirtschaftlichen Besatz mit Wirtschaftsgebäuden, Betriebsmitteln usw. voraus (einhellige Auffassung, vgl. BFH-Urteil vom 28.06.1974 – III R 43/73, BFHE 113, 250 , BStBl II 1974, 702 , unter 1.; ebenso die Finanzverwaltung, R B 158.1 Abs. 2 Satz 1 ErbStR 2011 sowie gleichlautend ErbStR 2019 ; ebenso schließlich Bruschke in Stenger/Loose, a.a.O., § 158 BewG Rz 38; Kirnberger in Wilms/Jochum, a.a.O., § 158 BewG Rz 15, Stand 01.10.2009; Eisele in Rössler/Troll, BewG , § 158 Rz 4 und 5; Grootens in von Oertzen/Loose, a.a.O., § 158 BewG Rz 9; nur zur Mindestgröße —bei unproblematisch gegebenem Eigentumsland— BFH-Urteile vom 04.03.1987 – II R 8/86, BFHE 149, 71 , BStBl II 1987, 370 , und vom 09.08.1989 – II R 116/86, BFHE 158, 90 , BStBl II 1989, 870 ). Ein Betrieb der Land– und Forstwirtschaft kann auch vorliegen, wenn von einer im Eigentum des Betriebsinhabers liegenden Hof- und Gebäudefläche aus zugepachtete Flächen bewirtschaftet werden (als selbstverständlich vorausgesetzt im BFH-Urteil vom 14.05.2004 – II R 50/01, BFHE 206, 365 , BStBl II 2004, 818 ; so bereits der Reichsfinanzhof mit Urteil vom 12.03.1931 – III A 446/30, RStBl 1931, 627).

bb) Es bedarf aber auch nicht —wenigstens— teilweise des Eigentums an Grund und Boden oder Besatz. Der ausschließlich mit fremdem Eigentum wirtschaftende Betrieb kann land– und forstwirtschaftlicher Betrieb sein. Die Finanzverwaltung geht (im Rahmen der Berechnung des Besatzkapitals zur Ermittlung des Mindestwerts nach § 164 BewG ) folgerichtig selbst davon aus, dass auch der reine Pachtbetrieb, der nicht über eigene Flächen verfügt, ein Betrieb der Land– und Forstwirtschaft ist (H B 164 Abs. 3 ErbStR 2011 "Beispiel Pachtbetrieb"). Auch der gleichlautende Erlass zur Abgrenzung des land– und forstwirtschaftlichen Vermögens vom Betriebsvermögen vom 15.12.2011 (BStBl I 2011, 1213 ) fordert kein Eigentum des Betriebsinhabers am bewirtschafteten Boden. Der tätigkeitsbezogene Betriebsbegriff des § 158 Abs. 1 und 2 Satz 1 BewG lässt nicht erkennen, dass wenigstens Eigentum an der Hofstelle oder am Besatz zu fordern wäre. Jede andere Beurteilung bedürfte der Bestimmung einer Mindest-Eigentumsquote, die dem Gesetz nicht entnommen werden kann.

cc) Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die den bewirtschafteten Boden betreffende Nutzungsbefugnis über einen schuldrechtlichen Pachtvertrag oder über dingliche Nießbrauchrechte nach §§ 1030 , 1035 , 1068 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ( BGB ) vermittelt wird. Abgesehen davon, dass der Nießbraucher inhaltlich ähnliche und rechtlich wegen der dinglichen Sicherung sogar weitergehende Befugnisse besitzt als der Pächter, ist es für die nach § 158 Abs. 1 Satz 1 BewG maßgebende Tätigkeit (Nutzung des Bodens) nicht entscheidend, aufgrund welcher Rechtstitel diese erfolgt.

dd) Es entspricht diesen Grundsätzen, dass nach ständiger Rechtsprechung des BFH bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft durch die Bestellung eines Nießbrauchs (auch) ein (wirtschaftender) Betrieb in der Hand des Nießbrauchsberechtigten entsteht (vgl. BFH-Urteil vom 08.05.2019 – VI R 26/17, BFHE 265, 82 , BStBl II 2019, 660 , Rz 18, m.w.N.). Der Nießbraucher, der den Betrieb tatsächlich selbst bewirtschaftet, erfüllt zwar nicht durch das Nießbrauchrecht für sich genommen, wohl aber durch die Bewirtschaftung die Tätigkeitsmerkmale des § 158 Abs. 1 Satz 1 BewG . Die andere Frage, ob auch der Eigentümer des nießbrauchbelasteten Betriebs seinerseits (noch) einen bewertungsrechtlichen Betrieb der Land– und Forstwirtschaft innehat (vgl. dazu noch BFH-Urteil vom 28.03.2012 – II R 37/10, BFH/NV 2012, 1416 , Rz 14: "möglicherweise noch bestehenden ...", aber nunmehr BFH-Urteil in BFHE 265, 82 , BStBl II 2019, 660 , Rz 18: "ein ruhender Betrieb in der Hand des nunmehrigen Eigentümers (des Nießbrauchsverpflichteten)"), ist im Rechtsstreit der Klägerin nicht erheblich.

5. Besteht nach diesen Maßstäben ein bewertungsrechtlicher Betrieb der Land– und Forstwirtschaft —etwa in der Hand eines Nießbrauchers—, so gehören zum Wirtschaftsteil des land– und forstwirtschaftlichen Vermögens i.S. von § 168 Abs. 1 Nr. 1 BewG i.V.m. § 160 Abs. 2 BewG Nießbrauchrechte an Wirtschaftsgütern zumindest dann, wenn diese, wären sie dem Betriebsinhaber unmittelbar zuzurechnen, ihrerseits nach § 160 Abs. 2 BewG zum Wirtschaftsteil gehörten.

a) Klarzustellen ist, dass der Nießbrauch "an einem Betrieb" wegen des Spezialitätsgrundsatzes des Sachenrechts, der die dingliche Bestellung des Nießbrauchs nur an Einzelwirtschaftsgütern zulässt (vgl. Staudinger/Heinze (2017), BGB § 1085 Rz 2 f.), als Bestellung eines Nießbrauchs an einem Inbegriff von Sachen und ggf. Rechten nach §§ 1030 , 1035 , 1068 BGB zu verstehen ist. Das bedeutet, dass ein vermeintlicher Nießbrauch an einem Betrieb tatsächlich eine Vielzahl von Nießbrauchrechten an betrieblich genutzten Wirtschaftsgütern umfasst.

b) Zum land– und forstwirtschaftlichen Vermögen gehören nach § 158 Abs. 1 Satz 2 BewG alle Wirtschaftsgüter, die einem Betrieb der Land– und Forstwirtschaft zu diesem Zweck auf Dauer zu dienen bestimmt sind. Dazu gehört nach § 160 Abs. 1 Nr. 1 BewG u.a. der Wirtschaftsteil. Zu dem Wirtschaftsteil wiederum gehören nach § 160 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BewG u.a. die land– und forstwirtschaftlichen Nutzungen. Mit der missverständlichen Formulierung "Nutzung", die im Wortsinne kein Wirtschaftsgut ist oder enthält, sind alle Wirtschaftsgüter gemeint, die der jeweiligen Nutzung dienen (vgl. etwa für die landwirtschaftliche Nutzung R B 160.2 Abs. 1 Satz 1 ErbStR 2011 sowie gleichlautend ErbStR 2019 ; Bruschke in Stenger/Loose, a.a.O., § 160 BewG , Rz 22; Kirnberger in Wilms/ Jochum, a.a.O., § 160 BewG Rz 13, Stand 01.10.2009). Diese Wirtschaftsgüter gehören allerdings nur dann zu dem Wirtschaftsteil des Betriebs der Land– und Forstwirtschaft, wenn sie dem Betriebsinhaber zivilrechtlich zustehen. Nur dann sind sie diesem zuzurechnen. Wirtschaftliche oder ertragsteuerliche Betrachtungen haben in diesem Zusammenhang keinen Raum. Die Öffnung zum Ertragsteuerrecht bezieht sich lediglich auf den Betriebsbegriff.

c) Ein dem Betriebsinhaber zustehendes Nießbrauchrecht gehört gemäß § 158 Abs. 1 Satz 2 BewG jedenfalls dann als immaterielles Wirtschaftsgut nach § 158 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BewG zu den Nutzungen i.S. des § 160 Abs. 2 BewG und damit zum Wirtschaftsteil des Betriebs der Land- und Forstwirtschaft, wenn es sich auf ein Wirtschaftsgut bezieht, das zu diesen Nutzungen gehörte, wenn es unmittelbar dem Betriebsinhaber zivilrechtlich zuzurechnen wäre. Unter dieser Voraussetzung wird die land– und forstwirtschaftliche Tätigkeit mittels des Nießbrauchs betrieben. In Betracht kommen damit Nießbrauchrechte an denjenigen Wirtschaftsgütern, die in § 158 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 5 BewG (Grund und Boden, Wirtschaftsgebäude, stehende Betriebsmittel, normaler Bestand an umlaufenden Betriebsmitteln sowie immaterielle Wirtschaftsgüter) erfasst und nicht durch die Negativabgrenzung des § 158 Abs. 4 Nr. 1 bis 7 BewG (insbesondere Geschäftsguthaben sowie darüber hinausgehende Bestände an umlaufenden Betriebsmitteln) ausgeschlossen sind. Wurden Nießbrauchrechte an allen Wirtschaftsgütern einer funktionsfähigen land– und forstwirtschaftlichen betrieblichen Einheit bestellt, so ist es denkbar, dass der Wirtschaftsteil des in der Hand des Nießbrauchers befindlichen Betriebs der Land– und Forstwirtschaft ausschließlich die Nießbrauchrechte umfasst. Das Konzept des Nießbrauchrechts "an" einem land– und forstwirtschaftlichen Betrieb impliziert zu Unrecht ein objektbezogenes Verständnis des land– und forstwirtschaftlichen Betriebs.

6. Die Steuerbegünstigungen des §§ 13a, 13b ErbStG a.F. sind auch für land– und forstwirtschaftliches Vermögen nur zu gewähren, wenn das erworbene Vermögen durchgehend sowohl beim bisherigen als auch beim neuen Rechtsträger den Tatbestand des § 13b Abs. 1 Nr. 1 ErbStG a.F. erfüllt.

a) Bei inländischem Betriebsvermögen muss das von Todes wegen oder durch Schenkung unter Lebenden erworbene Vermögen durchgehend sowohl beim bisherigen als auch beim neuen Rechtsträger den Begünstigungstatbestand erfüllen (grundlegend BFH-Urteil vom 10.12.2008 – II R 34/07, BFHE 224, 144 , BStBl II 2009, 312 , unter II.2.b; ferner BFH-Urteil vom 06.11.2019 – II R 34/16, BFHE 267, 440 , BStBl II 2020, 465 , Rz 24, zu § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG i.d.F. des dortigen Streitjahres 2007).

b) Dies ist für den Erwerb land– und forstwirtschaftlichen Vermögens ebenso zu beurteilen. Die Begünstigungszwecke sowie die Anforderungen an eine gleichheitsgerechte Besteuerung (im Einzelnen dazu BFH-Urteil in BFHE 224, 144 , BStBl II 2009, 312 , unter II.2.b) entsprechen einander. Das bedeutet, dass sowohl in der Hand des Erblassers/Schenkers als auch in der Hand des Erwerbers das erworbene Vermögen den vollständigen Wirtschaftsteil eines land– und forstwirtschaftlichen Vermögens darstellen muss. Dafür müssen beide die tätigkeitsbezogenen Merkmale des bewertungsrechtlichen Betriebsbegriffs erfüllen.

c) Nicht erheblich ist nach diesen Maßstäben, ob die Wirtschaftsgüter, um die es geht, von dem Erblasser/Schenker auf den Erwerber übergegangen oder mit dem Erwerb neu begründet worden sind. Insbesondere ein Nießbrauch kann nicht Gegenstand der Universalsukzession nach § 1922 BGB sein, da er nach § 1061 Satz 1 BGB nicht vererblich ist. Es genügt, wenn das Nießbrauchrecht tauglicher Gegenstand eines steuerbaren Erwerbs ist, hier nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG , und das Betriebsvermögen, zu dem es gehört, die Kontinuitätsanforderungen nach Maßgabe der BFH-Urteile in BFHE 224, 144 , BStBl II 2009, 312 , und in BFHE 267, 440 , BStBl II 2020, 465 erfüllt. §§ 13a, 13b ErbStG sind nicht auf bestimmte Besteuerungstatbestände beschränkt.

7. Nach diesen Maßstäben war die Vorentscheidung aufzuheben, denn es ist möglich, dass der Klägerin für die erworbenen Nießbrauchrechte die Verschonung der §§ 13a, 13b ErbStG a.F. zusteht. Der Senat kann über Grund und Umfang der Begünstigung nicht abschließend entscheiden. Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen und hat —auf dieser Grundlage zu Recht— die erforderlichen Feststellungen nicht getroffen. Es liegen schon keine Feststellungen dazu vor, ob der Erblasser bis zu seinem Tode sowie anschließend die Klägerin nach den dargestellten tätigkeitsbezogenen Maßstäben einen Betrieb der Land– und Forstwirtschaft geführt haben. Offen ist auch die Frage, ob alle Nießbrauchrechte zum land– und forstwirtschaftlichen Vermögen, und zwar zum Wirtschaftsteil, gehören. Des Weiteren ist die nach §§ 162 ff. BewG vorzunehmende Bewertung des etwaigen land- und forstwirtschaftlichen Vermögens und damit der Wert des entsprechenden Erwerbs nicht verifizierbar. Davon hinge über die quotale Begünstigung des § 13b Abs. 4 ErbStG a.F. und die Höhe des Abzugsbetrags nach § 13a Abs. 2 ErbStG a.F. der Umfang der etwaigen Steuerbefreiung ab. Schließlich sind zu den weiteren Begünstigungsvoraussetzungen (Lohnsummengrenze nach § 13a Abs. 1 Sätze 2 bis 5 und Abs. 4 ErbStG a.F., Behaltensfrist nach § 13a Abs. 5 ErbStG a.F., Regelungen zum Verwaltungsvermögen § 13b Abs. 2 ErbStG a.F.) keine Feststellungen getroffen.

8. Soweit die Klägerin die Ordnungsmäßigkeit der Beiladung sowie des zur Beiladung führenden Verfahrens beanstandet, kann die Entscheidung im vorliegenden Verfahren hierauf nicht beruhen (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO ). Diese Fragen sind ggf. im Rahmen eines auf § 174 Abs. 5 AO gestützten, nachfolgenden Besteuerungsverfahrens bei dem Beigeladenen zu prüfen.

9. Die Übertragung der Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 2 FGO .

Vorinstanz: FG Münster, vom 29.11.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 3 K 3014/16
Fundstellen
BFH/NV 2021, 873
BStBl II 2021, 491
DStRE 2021, 740
ZEV 2021, 458