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BAG - Entscheidung vom 19.02.2020

5 AZR 191/18

Normen:
BGB § 151
BGB § 611 Abs.1
TVG § 2 Abs. 1
TVG § 3 Abs.1

BAG, Urteil vom 19.02.2020 - Aktenzeichen 5 AZR 191/18

DRsp Nr. 2020/7164

Betriebliche Übung als Anspruchsgrundlage im Arbeitsrecht Keine betriebliche Übung bei subjektivem Normenvollzug des Arbeitgebers

Nimmt ein Arbeitgeber an, zur Gewährung von Leistungen an die Arbeitnehmer aus einem Tarifvertrag verpflichtet zu sein, wird durch die wiederholte Leistung keine betriebliche Übung begründet. In einem solchen Fall liegt die erforderliche positive Kenntnis einer anderweitig fehlenden Verpflichtung zur Leistung nicht vor. Allein die Tatsache, dass der Arbeitgeber tarifvertragsschließende Partei des Haustarifvertrags ist, führt nicht dazu, dass die Grundsätze zur Begründung einer betrieblichen Übung keine Geltung beanspruchen.

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 23. Oktober 2017 - 4 Sa 478/15 - aufgehoben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 19. November 2015 - 9 Ca 375/15 HBS - zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen!

Normenkette:

BGB § 151 ; BGB § 611 Abs.1; TVG § 2 Abs. 1 ; TVG § 3 Abs.1;

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Höhe des Arbeitsentgelts und in diesem Zusammenhang über die Frage, ob die Beklagte nach dem zwischen ihr und der Gewerkschaft ver.di am 31. Januar 2006 abgeschlossenen und auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Haustarifvertrag für die Beschäftigten des A Klinikums (iF HausTV) oder aufgrund betrieblicher Übung verpflichtet ist, an die Klägerin dynamische Entgeltsteigerungen entsprechend den Entgelttabellen des TVöD weiterzugeben.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der HausTV enthalte eine dynamische Bezugnahme auf die Entgeltregelungen des TVöD . Die Beklagte sei daher verpflichtet, die entsprechenden Tariferhöhungen weiterzugeben. Im Übrigen ergebe sich der Anspruch aus betrieblicher Übung.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 916,68 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz in näher bestimmter Staffel zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Berufung der Klägerin zu Unrecht entsprochen. Deren Berufung war in Bezug auf einen Zahlungsanspruch aus dem HausTV mangels ausreichender Begründung bereits unzulässig. Aus betrieblicher Übung kann die Klägerin keinen Anspruch auf die begehrte Entgelterhöhung herleiten, insoweit ist die Klage unbegründet. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben und die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

I. Die Revision der Beklagten ist in Bezug auf einen Zahlungsanspruch aus dem HausTV bereits deshalb begründet, weil die Berufung der Klägerin insoweit unzulässig war (vgl. zB BAG 23. August 2017 - 10 AZR 376/16 - Rn. 32 - 34). Die Klägerin hat sich in ihrer Berufungsbegründung hinsichtlich dieses Streitgegenstands nicht ausreichend mit den Gründen des erstinstanzlichen Urteils auseinandergesetzt. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO ).

1. Die Zulässigkeit der Berufung ist Prozessvoraussetzung für das gesamte weitere Verfahren nach der Berufungseinlegung und deshalb vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen. Zu den Anforderungen an eine Berufungsbegründung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils in dem Parallelverfahren - 5 AZR 189/18 - vom heutigen Tag verwiesen (Rn. 12).

2. Die Berufungsbegründung der Klägerin genügt diesen Anforderungen nur in Bezug auf den Streitgegenstand eines Zahlungsanspruchs aus betrieblicher Übung. Das Arbeitsgericht hat auf S. 4 seines Urteils den HausTV ausgelegt und die Ablehnung eines Zahlungsanspruchs aus dem HausTV damit begründet, dass nach dem erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien andere Entgelttabellen als diejenigen des TVöD Anwendung finden sollen. Veränderungen der Tarifentgelte für den Bereich des TVöD -VKA wirkten sich deshalb für die Beschäftigten der Beklagten nicht aus. Die Berufungsbegründung hat sich mit der Auslegung des HausTV im arbeitsgerichtlichen Urteil nicht ausreichend auseinandergesetzt. Die Klägerin hat lediglich bestritten, dass der Tarifvertrag eine statische Festlegung der Entgelte enthalte, die Tarifauslegung des Arbeitsgerichts hat die Klägerin jedoch nicht einer inhaltlichen Kritik unterzogen. Es genügt insoweit nicht, dass sich die Klägerin die Begründung einer anderen Kammer des Arbeitsgerichts Magdeburg (Urteil vom 23. Juni 2015 - 1 Ca 3695/15 HBS -) zu eigen gemacht hat, weil sich das angeführte Zitat mit einer möglichen Zahlungspflicht aus betrieblicher Übung, nicht jedoch aus dem HausTV befasst.

II. Die Revision ist auch im Übrigen begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung aus betrieblicher Übung. Auch insoweit ist das Berufungsurteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO ). Der Senat kann in der Sache selbst endentscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO ). Die erforderlichen Feststellungen sind vom Landesarbeitsgericht getroffen. Ein Anspruch auf die begehrte Tarifsteigerung aus betrieblicher Übung besteht nicht, denn die Beklagte hat in den Jahren 2008 bis 2013 die in dieser Zeit erfolgten Tariferhöhungen an die Arbeitnehmer weitergegeben, weil sie sich hierzu nach dem HausTV verpflichtet fühlte (im Einzelnen BAG 19. Februar 2020 - 5 AZR 189/18 - Rn. 16).

III. Weitere Anspruchsgrundlagen für die geltend gemachten Zahlungsansprüche sind aufgrund der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen und dem in Bezug genommenen schriftsätzlichen Vorbringen der Parteien nicht ersichtlich. Die Klägerin hat insbesondere keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass der TVöD als vertraglich in Bezug genommener Tarifvertrag dem HausTV als günstigere Regelung vorgehen könnte (hierzu BAG 7. Juli 2010 - 4 AZR 1023/08 - Rn. 30). Auch die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts bieten hierfür keine Grundlage. Verfahrensgegenrügen hat die Klägerin in der Revision nicht erhoben.

IV. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu tragen.

Hinweise des Senats:

Parallelentscheidung zu führender Sache - 5 AZR 189/18 -

Vorinstanz: LAG Sachsen-Anhalt, vom 23.10.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 4 Sa 478/15
Vorinstanz: ArbG Magdeburg, vom 19.11.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 9 Ca 375/15