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BVerwG - Entscheidung vom 13.05.2019

8 B 32.18

Normen:
VermG § 1 Abs. 1a
VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1-2

BVerwG, Beschluss vom 13.05.2019 - Aktenzeichen 8 B 32.18

DRsp Nr. 2019/9208

Zustehen eines Anspruchs einer Erbengemeinschaft auf Entschädigung für deren Gesellschafteranteil; Rücknahme der Feststellung der Entschädigungsberechtigung; Bewertung des Vorliegens einer Enteignung

Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 25. April 2018 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Normenkette:

VermG § 1 Abs. 1a ; VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1 -2;

Gründe

Die Klägerin ist Mitglied der Erbengemeinschaft nach Erich K., der ab 1939 mit einem Gesellschaftsanteil von einem Drittel Gesellschafter der Johann August K. OHG in G. war. Die weiteren Gesellschafter waren sein Bruder Georg K. und seine Mutter Hulda K., denen ebenfalls jeweils ein Gesellschaftsanteil von einem Drittel zustand. Der Gesellschaftsvertrag regelte, dass beim Tode eines Gesellschafters die Gesellschaft mit den Erben fortgesetzt wird. Der Gesellschaftsanteil der Erben sollte ihrem Erbanteil am Kapitalanteil des Verstorbenen entsprechen. Hulda K. verstarb am 15. April 1945. Die Erbfolge blieb zunächst ungeklärt. Ein im Oktober 1996 erteilter Erbschein benennt Erich und Georg K. zu gleichen Teilen als ihre Erben. Das Unternehmen wurde 1946 sequestriert. Der Anteil des Georg K. wurde enteignet und das Unternehmen im Übrigen im November 1946 den früheren Eigentümern zurückgegeben. Im Januar 1949 wurde das Unternehmen insgesamt in die Verwaltung einer Vereinigung Volkseigener Betriebe übernommen und in der Folge darin eingegliedert. Im November 1951 wurde die Firma im Handelsregister gelöscht. 1969 setzte der Rat des Bezirkes Leipzig gegenüber Erich K. eine Entschädigung wegen der Enteignung fest, deren Höhe 1975 errechnet wurde. Mit Bescheid vom 25. November 1999 stellte das Sächsische Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen unter anderem fest, dass der Erbengemeinschaft nach Hulda K. dem Grunde nach ein Anspruch auf Entschädigung für deren Gesellschafteranteil zustehe. Der Anteil der Hulda K. sei noch bis 1958 als langfristige Verbindlichkeit in der Bilanz des VEB Schamottewerk G. ausgewiesen worden. Die anschließende Ausbuchung dieser Verbindlichkeit stelle eine entschädigungslose Enteignung dar. Mit Bescheid vom 10. Mai 2016 nahm die Landesdirektion Sachsen die Feststellung der Entschädigungsberechtigung zurück. Das Verwaltungsgericht hat die dagegen gerichtete Klage abgewiesen.

Die auf die Zulassungsgründe der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

1. Die Revision ist nicht wegen der von der Klägerin behaupteten Abweichung der angegriffenen Entscheidung von der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum faktischen Enteignungsbegriff zuzulassen. Eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt voraus, dass die angegriffene Entscheidung auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der im Widerspruch zu einem Rechtssatz steht, den das Bundesverwaltungsgericht oder ein anderes in dieser Vorschrift genanntes Gericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Die Klägerin meint, das Verwaltungsgericht habe sinngemäß folgenden, ihres Erachtens von ihr näher bezeichneten, von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum faktischen Enteignungsbegriff abweichenden Rechtssatz aufgestellt:

Bei der Bewertung, ob eine Enteignung im Sinne des § 1 Abs. 1a VermG vorliegt, ist nicht darauf abzustellen, ob in faktischer Hinsicht durch staatliche Zwangsmaßnahmen ein zu diesem Zeitpunkt noch vorhandener und nicht vorher geschädigter Vermögenswert dem Eigentümer oder seinem Rechtsnachfolger entzogen wurde, sondern alleine darauf, ob der fragliche staatliche Zugriffsakt sich in rechtlicher Hinsicht schädigend auf den Vermögensgegenstand des Eigentümers, auf den die Enteignung abzielte, ausgewirkt hat.

Dieser Vortrag trifft jedoch nicht zu. Einen solchen Rechtssatz hat das Verwaltungsgericht weder ausdrücklich noch sinngemäß aufgestellt.

Ausdrücklich hat es lediglich auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum faktischen Enteignungsbegriff verwiesen und insoweit ausgeführt, dieser diene der Beurteilung, wann der frühere Eigentümer durch hierauf gerichtete staatliche Maßnahmen vollständig und endgültig aus seinem Eigentum verdrängt wurde und diese Verdrängung greifbar zum Ausdruck gekommen ist. Damit hat es den bundesverwaltungsgerichtlich entwickelten Anforderungen an eine faktische Enteignung nur Bedeutung für die Beurteilung der enteignenden Wirkung des Zugriffs auf einen Vermögenswert beigemessen, nicht jedoch - auch - für die Bestimmung des Enteignungsobjekts oder des Enteignungsbetroffenen. Darin kann allenfalls eine unzutreffende Anwendung der höchstrichterlichen Rechtssätze zum faktischen Enteignungsbegriff liegen, die keine Divergenz begründet.

Das Verwaltungsgericht hat den von der Klägerin formulierten Rechtssatz auch nicht sinngemäß aufgestellt. Es hat die in Ziffer 5 des Bescheides des Beklagten vom 25. November 1999 getroffene Feststellung der Entschädigungsberechtigung der Erbengemeinschaft nach Hulda K. für deren Gesellschafteranteil an der ehemaligen Johann August K. OHG als rechtswidrig angesehen, weil dieser Gesellschaftsanteil mit ihrem Tod am 15. April 1945 je zur Hälfte auf ihre beiden Söhne Erich und Georg als Erben übergegangen und mit deren bisherigen Anteilen verschmolzen sei. Daraus hat es gefolgert, Gegenstand der Anteilsenteignungen könnten nur die jeweils um den ererbten Teil der früheren Beteiligung Hulda K.s vergrößerten Gesellschaftsanteile der beiden Söhne Georg und Erich gewesen sein, nicht jedoch die diesen zugewachsenen, in ihren Gesellschaftsanteilen aufgegangenen Teile. Dem ist kein divergierender Rechtssatz zur faktischen Enteignung im Sinne des § 1 VermG zu entnehmen. Insbesondere hat das Verwaltungsgericht nicht, wie die Klägerin meint, für das Vorliegen einer Schädigung verlangt, dass ein staatlicher Zugriffsakt sich in rechtlicher Hinsicht schädigend ausgewirkt hat. Es hat vielmehr in Anwendung der von ihm zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum faktischen Enteignungsbegriff zum Ausdruck gebracht, dass dieser die Frage eines schädigenden Zugriffs auf einen Vermögenswert im Sinne des Vermögensgesetzes betrifft, nicht aber die Frage, ob ein Vermögenswert auch vorhanden war.

Zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Juli 1994 - 7 C 14.94 - (BVerwGE 96, 253 <257 f.>) besteht ebenfalls kein Rechtssatzwiderspruch. Es geht davon aus, dass die Enteignung eines fortexistierenden Vermögenswertes eines Vorverstorbenen (betroffen war seinerzeit ein Grundstück) eine vermögensrechtliche Berechtigung des Rechtsnachfolgers begründen kann. Diesem Rechtssatz widerspricht das angegriffene Urteil nicht. Es hält ihn nur im konkreten Fall nicht für einschlägig, weil es annimmt, der in Ziffer 5 des Bescheides vom 25. November 1999 als enteignet betrachtete Vermögenswert - der Anteil Hulda K.s an der OHG - habe im Enteignungszeitpunkt nicht mehr fortbestanden, sondern sei kraft Erb- und Gesellschaftsrechts bereits mit dem Erbfall in den Anteilen der Mitgesellschafter aufgegangen. Damit stellt das Verwaltungsgericht nicht in Abrede, dass die zugewachsenen Teile des früheren Anteils Hulda K.s jeweils von der Enteignung der verbliebenen Anteile ihrer beiden Söhne mitumfasst waren. Es geht lediglich davon aus, dass eine vermögensrechtliche Berechtigung nur an den beiden enteigneten hälftigen Beteiligungen bestehen und nur dem jeweiligen Anteilsinhaber selbst sowie dessen Rechtsnachfolgern zustehen kann, nicht jedoch der aus den Rechtsnachfolgern beider Anteilsinhaber bestehenden Erbengemeinschaft nach Hulda K. Gegen die dem zugrundeliegenden erb- und gesellschaftsrechtlichen Annahmen hat die Klägerin keine wirksamen Rügen gemäß § 132 Abs. 2 VwGO erhoben.

2. Die Revision ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) zuzulassen. Die Grundsatzrüge setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Die Klägerin möchte wissen, ob

in Fällen, in denen eine Enteignung rechtlich auf Entziehung des Gesellschaftsanteils eines vor dem Enteignungszeitpunkt Verstorbenen zielte, eine faktische Enteignung desjenigen Erben vorliegt, dem dieser Unternehmensanteil durch Erbschaft zugewachsen war, oder ob in solchen Fällen eine Schädigung des Unternehmensanteils im Sinne des VermG alleine deswegen ausscheidet, weil der Gesellschaftsanteil, auf den die Enteignung abzielte, mit dem Tod des vor der Enteignung verstorbenen Gesellschafters in dessen Person nicht mehr besteht.

Die Frage würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Das Verwaltungsgericht ist nicht davon ausgegangen, dass die Schädigung eines Unternehmensanteils eines bereits zuvor Verstorbenen schon deshalb ausscheidet, weil der Anteil nicht mehr dem Verstorbenen zustehen kann. Es verneint die Möglichkeit einer solchen Schädigung auch nicht allein wegen des Rechtsübergangs auf dessen Rechtsnachfolger. Vielmehr stellt es darauf ab, dass bei Personengesellschaften eine anteilig auf andere Gesellschafter übergegangene Beteiligung deren Geschäftsanteilen anteilig zuwächst und in ihnen aufgeht. Erst daraus folgert es, dass in solchen Fällen die übergegangene Beteiligung nicht mehr als Vermögenswert fortbesteht und dass auch ihre in den übrigen Anteilen aufgegangenen Teile keine Vermögenswerte darstellen, bezüglich deren eine vermögensrechtliche Berechtigung bestehen kann.

Die Richtigkeit dieser Annahme wäre im angestrebten Revisionsverfahren nicht zu klären, weil sich das angegriffene Urteil jedenfalls im Ergebnis als richtig erweisen würde (§ 144 Abs. 4 VwGO ).

Im Übrigen wäre Ziffer 5 des Bescheides vom 25. November 1999 auch dann als rechtlich fehlerhaft anzusehen, wenn mit dem Tod der Hulda K. zwei rechtlich selbständige und damit auch eigenständig schädigungsfähige Gesellschaftsanteile an der ehemaligen Johann August K. OHG von jeweils einem Sechstel entstanden wären. Denn diese Anteile wären dann aufgrund der vom Verwaltungsgericht festgestellten Regelungen des Gesellschaftsvertrags jeweils Erich bzw. Georg K. in Alleininhaberschaft und nicht in gemeinsamer Erbengemeinschaft nach Hulda K. zugefallen. Berechtigter infolge eventueller Schädigungsmaßnahmen an diesen Anteilen könnte daher allenfalls die Erbengemeinschaft nach Erich bzw. Georg K. jeweils für sich sein, nicht aber die Erbengemeinschaft nach Hulda K.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO . Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 , § 52 Abs. 2 GKG .

Vorinstanz: VG Dresden, vom 25.04.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 6 K 937/16