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BVerwG - Entscheidung vom 30.10.2019

4 B 37.18

Normen:
VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1-2
VwGO § 133 Abs. 3 S. 3

BVerwG, Beschluss vom 30.10.2019 - Aktenzeichen 4 B 37.18

DRsp Nr. 2020/1147

Voraussetzungen der Gesamtunwirksamkeit eines Bebauungsplans aufgrund der Unwirksamkeit von den Immissionsschutz betreffenden Festsetzungen; Folgen der Unwirksamkeit eines Teils einer Satzungsbestimmung; Grundsatz der Teilbarkeit; Anforderungen an die Darlegung einer Divergenz

Es ist geklärt, dass die Unwirksamkeit von den Immissionsschutz betreffenden Festsetzungen nicht stets zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans führt.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 17. April 2018 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 60 000 € festgesetzt.

Normenkette:

VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1 -2; VwGO § 133 Abs. 3 S. 3;

Gründe

Die auf die Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ), die ihr die Beschwerde beimisst.

Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zu Grunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO ) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, BVerwG, Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> und vom 9. April 2014 - 4 BN 3.14 - ZfBR 2014, 479 Rn. 2).

a) Als rechtsgrundsätzlich bedeutsam wirft die Beschwerde die Frage auf,

ob die Unwirksamkeit von den Immissionsschutz betreffenden Festsetzungen stets zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans führt.

Die Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Die Frage ist durch die Rechtsprechung des Senats geklärt. Sie ist zu verneinen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (z.B. BVerwG, Beschluss vom 8. August 1989 - 4 NB 2.89 - Buchholz 406.11 § 10 BauGB Nr. 17 S. 2; Urteile vom 3. April 2008 - 4 CN 3.07 - BVerwGE 131, 86 Rn. 30, vom 26. März 2009 - 4 C 21.07 - BVerwGE 133, 310 Rn. 30 und vom 11. September 2014 - 4 CN 3.14 - Buchholz 406.12 § 10 BauNVO Nr. 5 Rn. 26) hat die Unwirksamkeit eines Teils einer Satzungsbestimmung nur dann nicht die Gesamtunwirksamkeit zur Folge, wenn die Rechtsbestimmung auch ohne den unwirksamen Teil sinnvoll bleibt (Grundsatz der Teilbarkeit) und mit Sicherheit anzunehmen ist, dass sie auch ohne diesen Teil erlassen worden wäre (Grundsatz des mutmaßlichen Willens des Normgebers). An der objektiven Teilbarkeit des Plans fehlt es, wenn eine einzelne unwirksame Festsetzung mit dem gesamten Bebauungsplan in einem untrennbaren Zusammenhang steht (BVerwG, Urteil vom 19. September 2002 - 4 CN 1.02 - BVerwGE 117, 58 <61>). Ein solcher Fall liegt vor, wenn die Nichtigkeit der einzelnen Festsetzung das Planungskonzept in seinem Kerngehalt trifft, so dass nur noch ein Planungstorso übrig bleibt.

Nach diesen Maßstäben ist im jeweiligen Einzelfall zu bestimmen, ob die Unwirksamkeit von Festsetzungen, die den Immissionsschutz betreffen, zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans führt. Die Beschwerde meint, dass immissionsschutzrechtliche Festsetzungen immer Auswirkungen auf das gesamte Plangebiet entfalteten. Dies geht an den tatsächlichen Feststellungen des angegriffenen Urteils vorbei. Denn solche Auswirkungen auf das übrige Plangebiet, in dem sich das Baugrundstück der Klägerin befindet, hat das Oberverwaltungsgericht verneint. Ein gegenteiliger allgemeiner Erfahrungssatz ist weder seitens der Beschwerde dargetan und liegt auch nicht nahe, wenn es - wie hier - um unterschiedliche Teile eines Gewerbegebiets mit unterschiedlichen Lärmsituationen geht.

Entsprechendes gilt, soweit die Beschwerde meint, es könne in aller Regel nicht davon ausgegangen werden, dass die Gemeinde einen Bebauungsplan beschließen werde, der einen zutreffend erkannten Lärmkonflikt aufgrund der Unwirksamkeit der immissionsschutzrechtlichen Festsetzungen ungelöst lasse. Denn von Lärmkonflikten ist das Oberverwaltungsgericht nur hinsichtlich des Teils des Gewerbegebiets nördlich der Magdeburger Straße ausgegangen, auf den sich die Festsetzungen zum Immissionsschutz beziehen.

b) Die Beschwerde möchte ferner klären lassen,

ob die Unwirksamkeit von den Immissionsschutz betreffenden Festsetzungen stets zur Unwirksamkeit der festgesetzten Gebietsart führt.

Diese Frage wäre in einem Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Frage, ob die Rechtswidrigkeit der textlichen Festsetzung zur Lärmbeschränkung die Gebietsfestsetzung infiziert, ausdrücklich offengelassen (UA S. 30), weil es davon ausgegangen ist, dass diese nur das Gewerbegebiet nördlich der Magdeburger Straße, nicht aber die Festsetzung des übrigen Plangebiets als Gewerbegebiet berühre, in dem sich das Baugrundstück der Klägerin befindet. Für die Verpflichtungsklage spielt daher keine Rolle, ob die Unwirksamkeit der Lärmbeschränkung zur Unwirksamkeit der Gewerbegebietsfestsetzung nördlich der Magdeburger Straße führt.

2. Der Beschwerdevortrag zur Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ) genügt nicht den Darlegungsanforderungen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ).

Der Revisionszulassungsgrund der Divergenz liegt vor, wenn die Vorinstanz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz einem ebensolchen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts widerspricht (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 1995 - 6 B 35.95 - NVwZ-RR 1996, 712 ). § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt, dass der Tatbestand der Divergenz nicht nur durch die Angabe der höchstrichterlichen Entscheidung, von der abgewichen sein soll, sondern auch durch eine präzise Gegenüberstellung der miteinander unvereinbaren Rechtssätze dargelegt wird (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2010 - 8 B 38.10 - ZOV 2011, 45 und vom 17. Februar 2015 - 1 B 3.15 - juris Nr. 7). Daran fehlt es.

Die Beschwerde knüpft an die Rechtsprechung des Senats (BVerwG, Beschluss vom 8. August 1989 - 4 NB 2.89 - und Urteil vom 11. September 2014 - 4 CN 3.14 -) an, wonach die Nichtigkeit der Festsetzung eines Baugebiets regelmäßig alle übrigen Festsetzungen des Bebauungsplans mit erfasst. Sie wirft dem Oberverwaltungsgericht vor, diese Rechtsprechung in dem angegriffenen Urteil zwar erkannt und dargelegt, jedoch fehlerhaft angewendet zu haben. Eine die Zulassung der Revision rechtfertigende Divergenz lässt sich damit nicht begründen (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328 ).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO , die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 47 Abs. 1 und 3 , § 52 Abs. 1 GKG .

Vorinstanz: OVG Nordrhein-Westfalen, vom 17.04.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 2 A 911/16