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BVerwG - Entscheidung vom 31.01.2019

4 B 61.18

Normen:
VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1-2
VwGO § 133 Abs. 3 S. 3

BVerwG, Beschluss vom 31.01.2019 - Aktenzeichen 4 B 61.18

DRsp Nr. 2019/3284

Verwerfung einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision; Anforderungen an die Darlegung des Revisionszulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. September 2018 wird verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Normenkette:

VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1 -2; VwGO § 133 Abs. 3 S. 3;

Gründe

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde ist unzulässig. Sie genügt nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO .

1. Die Klägerin legt nicht dar, dass das angefochtene Urteil von den von ihr zitierten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts oder des Bundesverwaltungsgerichts abweicht.

Der Revisionszulassungsgrund der Abweichung (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ) liegt vor, wenn die Vorinstanz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem ihr Urteil tragenden Rechtssatz einem ebensolchen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts widersprochen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 1995 - 6 B 35.95 - NVwZ-RR 1996, 712 ; stRspr). § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt, dass der Tatbestand der Divergenz nicht nur durch die Angabe der höchstrichterlichen Entscheidung, von der abgewichen sein soll, sondern auch durch eine präzise Gegenüberstellung der miteinander unvereinbaren Rechtssätze dargelegt wird (stRspr, BVerwG, Beschlüsse vom 17. Dezember 2010 - 8 B 38.10 - ZOV 2011, 45 und vom 17. Februar 2015 - 1 B 3.15 - juris Rn. 7). Hieran lässt es die Beschwerde fehlen. Sie arbeitet bereits keinen Rechtssatz aus dem Berufungsurteil heraus, der auf eine Divergenz führen soll. Ihr Anknüpfungspunkt ist die Begründung des Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts vom 3. Juni 2017, mit dem die Berufung zugelassen worden ist. Zulassungsbeschlüsse sind jedoch nach dem Wortlaut des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht divergenzfähig. Abgesehen davon enthält die Begründung des Beschlusses vom 3. Juni 2017, die die Klägerin ohnehin nicht zutreffend referiert, keinen Rechtssatz, sondern informiert über den Grund, der aus Sicht des Oberverwaltungsgerichts zur Zulassung der Berufung führen musste.

2. Die Klägerin verfehlt auch die Anforderungen an die Darlegung des Revisionszulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ).

Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Beantwortung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zu Grunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO ) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt, also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>).

Die Grundsatzrüge scheitert hier schon daran, dass die Klägerin keine hinreichend konkret formulierte Rechtsfrage aufwirft. Die Frage, in welcher Art und Weise und in welchem graduellen und qualitativen Sinne einer Genehmigungsbehörde eine Einschätzungsprärogative/ein Beurteilungsspielraum bei der Auslegung und Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe zusteht (Beschwerdebegründung S. 2), ist so unbestimmt formuliert, dass sie für eine Vielzahl gedachter Fallgestaltungen einer Antwort zugänglich ist. Der Senat könnte sie deshalb nur im Stil eines Kommentars oder Lehrbuchs beantworten. Das ist nicht Aufgabe eines Revisionsverfahrens (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 11. Februar 2016 - 4 B 1.16 - ZfBR 2016, 372 Rn. 2).

Die Grundsatzrüge hätte aber auch keinen Erfolg, wenn die Klägerin die Frage geklärt wissen wollte, ob einer Genehmigungsbehörde bei der Prüfung des Rücksichtnahmegebots als unbenannter öffentlicher Belang im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB eine Einschätzungsprärogative/ein Beurteilungsspielraum zusteht. Die Frage ginge an dem Inhalt des angegriffenen Urteils vorbei. Das Oberverwaltungsgericht hat nicht angenommen, dass der Genehmigungsbehörde eine Einschätzungsprärogative/ein Beurteilungsspielraum zusteht. Es hat die Klägerin im Gegenteil darauf hingewiesen, dass deren Ausführungen zur verfassungsrechtlichen Problematik eines Beurteilungsspielraums im vorliegenden Zusammenhang unverständlich seien und das Gericht einen solchen Zusammenhang zu keiner Zeit - insbesondere nicht im Zulassungsbeschluss - angedeutet habe (UA S. 26).

Wegen Fragen zur Auslegung und Anwendung der GIRL könnte die Revision nicht zugelassen werden, weil sie kein revisibles Recht beträfen. Die Auslegung der GIRL ist keine Rechtsanwendung, sondern Tatsachenfeststellung (BVerwG, Beschlüsse vom 28. Juli 2010 - 4 B 29.10 - ZfBR 2010, 792 = juris Rn. 3 und vom 5. August 2015 - 4 BN 28.15 - BRS 83 Nr. 43 = juris Rn. 5).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 , § 162 Abs. 3 VwGO und die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 , § 52 Abs. 1 GKG .

Vorinstanz: OVG Nordrhein-Westfalen, vom 21.09.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 2 A 669/17