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BVerwG - Entscheidung vom 21.11.2019

1 WB 63.19

Normen:
(ZE) B-1300/46 Nr. 201 Punkt 1
WBO § 17 Abs. 3 S. 2

BVerwG, Beschluss vom 21.11.2019 - Aktenzeichen 1 WB 63.19

DRsp Nr. 2020/814

Versetzung eines Soldaten an einen anderen Standort durch Vorliegen eines erforderlichen dienstlichen Bedürfnisses

1. Für die Annahme eines der Versetzung eines Soldaten entgegenstehenden schwerwiegenden persönlichen Grundes reicht es nicht aus, dass mit der Versetzung eine räumliche Trennung von einer Verlobten verbunden ist. Aus dem personalpolitischen Programmsatz einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Dienst in den Streitkräften lassen sich nach den einschlägigen Dienstvorschriften insoweit keine darüber hinausgehenden subjektiven Rechtspositionen ableiten.2. Ob und in welchem Umfang Offiziere bestimmter Ausbildungs- und Verwendungsreihen bei der Unteroffiziersausbildung eingesetzt werden, ist eine dem Stellenbesetzungsverfahren vorausgehende organisatorische Grundentscheidung, für die allein die Einschätzung des Dienstherrn maßgeblich ist.

Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Normenkette:

(ZE) B-1300/46 Nr. 201 Punkt 1; WBO § 17 Abs. 3 S. 2;

Gründe

I

Das Verfahren betrifft die Versetzung eines Soldaten an einen anderen Standort.

Der Antragsteller ist voraussichtlich bis Juli 2023 Soldat auf Zeit im Dienstgrad eines Hauptmanns (Besoldungsstufe A 11). Er ist unverheiratet, kinderlos und lebt mit seiner Verlobten im Raum F. Dort wurde er zuletzt als ...offizier in der ... eingesetzt. Nach vorheriger Anhörung und Beteiligung der Vertrauensperson wurde der Antragsteller mit Kommandierungs- und Versetzungsverfügung vom 26. September 2018, eröffnet am 15. Oktober 2018, auf den Dienstposten eines Hörsaalleiters zur ... nach ... versetzt. Auf seine beim Disziplinarvorgesetzten am 9. November 2018 eingegangene Beschwerde wurde mit Korrekturverfügung vom 15. Januar 2019 der Dienstbeginn auf den 2. Mai 2019 abgeändert, um die sechsmonatige Schutzfrist einzuhalten.

Mit Entscheidung des Bundesministeriums der Verteidigung vom 21. Februar 2019 wurde die Beschwerde gegen die Versetzung zurückgewiesen. Für die Versetzung gebe es ein dienstliches Bedürfnis, weil der Dienstposten eines ... bei der ... in ... zu besetzen sei. Der Beschwerdeführer sei dafür geeignet. Da der Unteroffizierschule vom Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr 500 zusätzliche Soldaten zur Ausbildung zugewiesen worden seien, habe der Kommandeur der Unteroffizierschule angezeigt, ohne personelle Verstärkung den Hörsaal stilllegen zu müssen. Daher habe dieser Personalbedarf besondere Priorität. Gegenüber diesem hohen dienstlichen Interesse müsse das private Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib im Standort F. zurücktreten. Die angestrebte Familienplanung sowie der Wunsch des Antragstellers, mit der bisherigen Einheit in die Auslandsverwendung zu gehen und im Luftsportverein K. Flugstunden als Vorbereitung für eine zivile Berufstätigkeit zu nehmen, rechtfertigten keine andere Entscheidung. Der Bescheid wurde dem Soldaten am 26. Februar 2019 eröffnet.

Mit seinem am 20. März 2019 eingegangenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung macht der Antragsteller geltend, seine Versetzung an die Unteroffizierschule in ... sei nicht erforderlich gewesen. Für diesen Dienstposten sei die Vorqualifikation als Heeresaufklärungsoffizier nach seiner Einschätzung nicht unbedingt notwendig. Auf vergleichbaren Dienstposten würden dort auch Panzer- und Artillerieoffiziere als Ausbilder eingesetzt. Das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr habe nicht intensiv genug nach besser geeigneten Offizieren gesucht. Ihm selbst fehle die Qualifikation für die in seiner Inspektion durchgeführte Ausbildung zum "Schießausbilder Landoperationen". Zur Abdeckung des Ausbildungsbedarfs seien in genügendem Umfang qualifizierte Oberstabsfeldwebel vorhanden. Er habe gehört, dass ohnedies eine Reorganisation geplant werde, wonach künftig die Offiziersdienstposten entfielen. Auch seien seine persönlichen Gründe, am Dienstort F. zu verbleiben, nicht genügend berücksichtigt worden. Er habe gerade wegen seiner Verlobten eine Verwendung an diesem Dienstort angestrebt und erhalten. Seine Wegversetzung nehme keine Rücksicht auf das von der Bundesverteidigungsministerin ausgegebene Ziel der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

die Versetzungsverfügung des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 26. September 2018 in der Fassung der Korrektur vom 15. Januar 2019 und der Beschwerdeentscheidung des Bundesministeriums der Verteidigung vom 21. Februar 2019 aufzuheben.

Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Es führt im Vorlageschreiben vom 20. September 2019 im Wesentlichen aus, dass die Versetzung rechtmäßig sei. Es bestehe ein hoher dienstlicher Bedarf für die Verwendung des Antragstellers bei der ... Gegebenenfalls in der Zukunft liegende Änderungen von organisatorischen Grundentscheidungen hätten bei der Stellennachbesetzung nicht berücksichtigt werden können. Der Antragsteller sei auch für den Dienstposten als Heeresaufklärungsoffizier voll geeignet. Die Ausbildung zum "Schießlehrer Handwaffen" und "Schießlehrer neues Schießausbildungskonzept" sei nach den Anforderungen des Dienstpostens nicht erforderlich. Die dem Zuschnitt der Dienstposten entsprechende Zuteilung der einzelnen Aufgaben innerhalb der Unteroffizierschule falle nicht in die Verantwortung der Personalführung. Da nach der Soll-Organisation auf dem Dienstposten ein Heeresaufklärungsoffizier benötigt werde, wäre die Heranziehung eines truppengattungsfremden Offiziers nicht ermessensgerecht. Ferner lägen keine schwerwiegenden persönlichen Gründe vor, die der Versetzung des Antragstellers entgegenstünden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakte des Antragstellers lagen dem Senat bei der Beratung vor.

II

Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats hat ein Soldat grundsätzlich keinen Anspruch auf eine bestimmte örtliche oder fachliche Verwendung. Ein dahingehender Anspruch lässt sich auch nicht aus der Fürsorgepflicht ableiten. Über die Verwendung eines Soldaten entscheidet der zuständige Vorgesetzte oder die zuständige personalbearbeitende Stelle nach pflichtgemäßem Ermessen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. September 2002 - 1 WB 30.02 - Buchholz 236.1 § 3 SG Nr. 30 S. 24 m.w.N.). Diese Ermessensentscheidung kann vom Wehrdienstgericht nur darauf überprüft werden, ob der Vorgesetzte oder die personalbearbeitende Stelle den Soldaten durch Überschreiten oder Missbrauch dienstlicher Befugnisse in seinen Rechten verletzt (§ 17 Abs. 3 Satz 2 WBO ) bzw. die gesetzlichen Grenzen des ihm bzw. ihr zustehenden Ermessens überschritten oder von diesem in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i.V.m. § 114 VwGO ). Die gerichtliche Überprüfung richtet sich auch darauf, ob die vom Bundesministerium der Verteidigung im Wege der Selbstbindung in Erlassen und Richtlinien festgelegten Maßgaben und Verfahrensvorschriften eingehalten sind (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 27. Februar 2003 - 1 WB 57.02 - BVerwGE 118, 25 <27>), wie sie sich insbesondere aus dem Zentralerlass B-1300/46 "Versetzung, Dienstpostenwechsel, Kommandierung" ergeben.

2. Nach diesen Maßstäben ist die Versetzung des Antragstellers rechtlich nicht zu beanstanden.

a) Das gemäß Nr. 201 Punkt 1 ZE B-1300/46 erforderliche dienstliche Bedürfnis für die Versetzung ist gegeben. Der Dienstposten eines Hörsaalleiters der Bundeswehr, Heeresaufklärungsoffizier, bei der ... (...) ist frei und zu besetzen (Nr. 202 Buchst. a ZE B-1300/46). Der Antragsteller ist hierfür nach seiner Ausbildung und bisherigen Verwendung geeignet; eine ihm nach seinem Vortrag fehlende Schießlehrerausbildung ist nicht Voraussetzung für diesen Dienstposten. Darüber hinaus liegt auch ein dienstliches Bedürfnis für die Versetzung darin, dass der bisherige Dienstposten des Antragstellers zur ausbildungs- und dienstgradgerechten Verwendung eines anderen Soldaten benötigt wird (Nr. 202 Buchst. d ZE B-1300/46). Der Antragsteller war von vornherein nur bis zum 31. März 2019 auf den bisherigen Dienstposten versetzt worden, weil das ... den Dienstposten für die sogenannte Regenerationsplanung angemeldet hatte. Anschließend sollte ein Oberleutnant den Dienstposten zum planmäßigen Verwendungsaufbau erhalten. Dies wurde auch vom Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr entsprechend eingeplant.

b) Es sind auch keine Ermessensfehler bei der Entscheidung über die Versetzung ersichtlich. Schwerwiegende persönliche Gründe im Sinne von Nr. 203 bis 206 ZE-B 1300/46, bei denen von einer Versetzung abgesehen werden kann, liegen nicht vor. Dass die Verlobte des Soldaten am Standort F. eingesetzt ist und dass dementsprechend mit der Versetzung eine räumliche Trennung verbunden ist, reicht für die Annahme eines schwerwiegenden persönlichen Grundes nicht aus. Auch die übrigen privaten Lebensumstände des Antragstellers stehen - wie in der Beschwerdeentscheidung ausgeführt - einer Versetzung nicht zwingend entgegen. Insbesondere kann Flugunterricht auch im Raum L. genommen werden. Außerdem trägt der Dienstherr dem Wiedereingliederungsinteresse des Antragstellers in das zivile Berufsleben durch den Beginn des Berufsförderungsdienstes im Juni 2021 ausreichend Rechnung.

Das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr hat auch das dienstliche Interesse an einer Versetzung nicht fehlerhaft gewichtet. Der Antragsteller bestreitet nicht, dass durch die Anzeige von 500 zusätzlich auszubildenden Soldaten ein erheblicher Personalbedarf an der ... entstanden ist. Diesem Personalbedarf durfte der Dienstherr im Rahmen des ihm zustehenden weiten organisatorischen Ermessens durch eine Priorisierung der Nachbesetzung des vakanten Hörsaalleiterpostens an der Unteroffizierschule Rechnung tragen. Bei der Nachbesetzung des für einen Heeresaufklärungsoffizier vorgesehenen Hörsaalleiterpostens musste das Bundesamt keine Offiziere mit einer anderen Ausbildungs- und Verwendungsreihe in die Betrachtung einbeziehen, solange ein den Anforderungen entsprechend qualifizierter Offizier zur Verfügung stand. Die Nachbesetzung konnte sich ermessensfehlerfrei an der bestehenden Soll-Organisation orientieren. Allein der Umstand, dass Planungen zu einer Reorganisation der Ausbildungsstrukturen im Gange sind, ändert daran nichts. Soweit der Antragsteller vorträgt, dem gestiegenen Ausbildungsbedarf könne seines Erachtens effektiver durch den Einsatz erfahrener Feldwebeldienstgrade begegnet werden, wird ein Ermessensfehler nicht aufgezeigt. Ob und in welchem Umfang Offiziere bestimmter Ausbildungs- und Verwendungsreihen bei der Unteroffiziersausbildung eingesetzt werden, ist eine dem Stellenbesetzungsverfahren vorausgehende organisatorische Grundentscheidung, für die nicht die Einschätzung des Antragstellers, sondern des Dienstherrn maßgeblich ist.

Der Einwand des Antragstellers, an seinem bisherigen Standort in F. sei eine ausbildungsgerechte Weiterverwendung auf einem anderen Dienstposten möglich gewesen und von seinen Vorgesetzten im ... befürwortet worden, kann gleichfalls keinen Erfolg haben. Denn das Bundesamt für Personalmanagement der Bundeswehr konnte - wie ausgeführt - ermessensfehlerfrei der Nachbesetzung des Dienstpostens in der ... die höhere Priorität gegenüber einer Nachbesetzung anderer Dienstposten einräumen. Dass das Ziel der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf für eine Weiterverwendung am bisherigen Standort gesprochen hätte, ist in der Ermessensentscheidung berücksichtigt worden. Das Bundesministerium der Verteidigung hat die trennungsbedingten Erschwernisse des Antragstellers in der Beschwerdeentscheidung nicht in Abrede gestellt und in die Abwägung mit den dienstlichen Interessen eingestellt. Soweit es dabei dem dienstlichen Interesse den Vorzug gegeben hat, sind Ermessensfehler nicht ersichtlich. Aus dem personalpolitischen Programmsatz einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Dienst in den Streitkräften lassen sich nach den einschlägigen Dienstvorschriften keine darüber hinausgehenden subjektiven Rechtspositionen ableiten (BVerwG, Beschluss vom 21. Oktober 2019 - 1 WDS-VR 12.19 - Rn. 24).