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BVerwG - Entscheidung vom 21.02.2019

2 C 24.17

Normen:
LBeamtVG BE § 14 Abs. 4
LBeamtVG BE § 52 Abs. 2
LBeamtVG BE § 57
BGB § 195
BGB § 199 Abs. 1
VAHRG § 9 Abs. 4
VersAusglG § 4 Abs. 2
GG Art. 33 Abs. 5
LBeamtVG BE § 14 Abs. 4
LBeamtVG BE § 52 Abs. 2
LBeamtVG BE § 57
BGB § 195
BGB § 199 Abs. 1
VAHRG § 9 Abs. 4
VersAusglG § 4 Abs. 2
GG Art. 33 Abs. 5
LBeamtVG BE § 14 Abs. 4
LBeamtVG BE § 52 Abs. 2
LBeamtVG BE § 57
BGB § 195
BGB § 199 Abs. 1
VAHRG § 9 Abs. 4
VersAusglG § 4 Abs. 2
GG Art. 33 Abs. 5

Fundstellen:
DÖV 2019, 667
ZBR 2019, 389

BVerwG, Urteil vom 21.02.2019 - Aktenzeichen 2 C 24.17

DRsp Nr. 2019/7694

Verpflichtung eines Ruhestandsbeamten zur Rückzahlung von überzahlten Versorgungsbezüge; Kürzung der Versorgungsbezüge nach einer Ehescheidung

1. Liegt kein überwiegendes behördliches Mitverschulden für die Überzahlung von Besoldungs- oder Versorgungsbezügen vor, genügt die Einräumung von angemessenen Ratenzahlungsmöglichkeiten regelmäßig den Erfordernissen einer im Rahmen des Rückforderungsbescheids zu treffenden Billigkeitsentscheidung.2. Eine Unterschreitung der amtsunabhängigen Mindestversorgung aufgrund der Kürzung der Bezüge um den familienrechtlichen Versorgungsausgleich oder durch Zahlungspflichten infolge der Rückforderung überzahlter Bezüge ist auch bei einem vermögenslosen Ruhestandsbeamten verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 19. April 2017 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Normenkette:

LBeamtVG BE § 14 Abs. 4; LBeamtVG BE § 52 Abs. 2; LBeamtVG BE § 57; BGB § 195 ; BGB § 199 Abs. 1 ; VAHRG § 9 Abs. 4 ; VersAusglG § 4 Abs. 2 ; GG Art. 33 Abs. 5 ;

Gründe

I

Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung überzahlter Versorgungsbezüge.

Der 1937 geborene Kläger ist ein seit 1991 nach langjähriger Ehe geschiedener Ruhestandsbeamter, der seit seinem Eintritt in den Regelaltersruhestand für Polizeivollzugsbeamte im Jahre 1997 auf seinen Antrag hin ungekürzte Versorgungsbezüge bezog. In seinem Antrag bei dem für die Festsetzung der Versorgungsbezüge zuständigen Landesverwaltungsamt erklärte der Kläger: "Meine geschiedene Frau erhält keine Rentenbezüge. Sofern das der Fall sein sollte, werde ich Sie unverzüglich benachrichtigen".

Ein Erläuterungsschreiben zum Versorgungsfestsetzungsbescheid für den Kläger aus dem Jahr 1997 enthielt den Vorbehalt, dass die Versorgungsbezüge ab dem Tag zu kürzen seien, an dem die geschiedene Ehefrau aus dem Versorgungsausgleich eine Rente erhalte oder keinen Unterhaltsanspruch mehr gegen den Kläger habe; Versorgungsbezüge, die zuviel gezahlt würden, seien zurückzuzahlen. Der Kläger zeigte der Versorgungsbehörde den Beginn des Rentenbezugs seiner geschiedenen Ehefrau im Oktober 2002 nicht an.

Anfang 2005 wandte sich die Versorgungsbehörde an den Rentenversicherungsträger mit der Bitte um Rentenauskunft zu der geschiedenen Ehefrau. Dieses Schreiben blieb unbeantwortet. Auf erneute Nachfrage im Februar 2009 teilte der Rentenversicherungsträger mit, dass die geschiedene Ehefrau des Klägers seit Oktober 2002 Altersrente beziehe. In der Folge forderte die Versorgungsbehörde im Jahr 2009 um den Familienzuschlag und die Versorgungsanwartschaften der geschiedenen Ehefrau im Zeitraum von Oktober 2002 bis April 2009 überzahlte Bezüge in Höhe von 47 093,67 € unter Einräumung monatlicher Ratenzahlung von 350 € zurück. Den dagegen gerichteten Widerspruch wies die Versorgungsbehörde zurück.

In einem ersten Klageverfahren hob das Verwaltungsgericht die Bescheide mit der Begründung auf, dass zwar die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Rückforderung der überzahlten Bezüge vorlägen, jedoch die zu treffende Billigkeitsentscheidung ermessensfehlerhaft sei, weil der Beklagte sich darauf beschränkt habe festzustellen, dass der Kläger seine Anzeigepflicht verletzt habe.

Auf die gegen den erneuten und betragsgleichen Rückforderungsbescheid der Versorgungsbehörde aus dem Jahre 2012 nach Durchführung eines abermals erfolglosen Vorverfahrens gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht den Rückforderungsbescheid mit der Begründung aufgehoben, die Entscheidung der Versorgungsbehörde leide wieder unter einem Ermessensfehler. Sie beachte nicht hinreichend, dass die Überzahlung auf ein überwiegendes Fehlverhalten der Behörde zurückzuführen sei. Deshalb sei der Rückforderungsbetrag entsprechend der dazu vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Maßstäbe zu ermäßigen. Das Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage unter Hinweis darauf abgewiesen, dass sich die Billigkeitsentscheidung als noch ermessensgerecht erweise, weil dem Kläger zur Tilgung des Rückforderungsbetrags Ratenzahlung gewährt worden sei.

Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision des Klägers, der beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 19. April 2017 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 27. September 2013 zurückzuweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II

Die Revision ist unbegründet. Das Urteil des Berufungsgerichts verstößt nicht gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO , § 127 Nr. 2 BRRG , § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG ).

Der Kläger hat im Zeitraum von Oktober 2002 bis April 2009 in Höhe des Rückforderungsbetrags überzahlte Versorgungsbezüge nach § 52 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über die Versorgung der Beamtinnen und Beamten sowie der Richterinnen und Richter des Landes Berlin (Landesbeamtenversorgungsgesetz - LBeamtVG BE) vom 21. Juni 2011 (GVBl. BE S. 266) erlangt. Der - tatbestandlich zweifelsfrei und unstreitig gegebene - Rückforderungsanspruch ist nicht entsprechend §§ 195 und 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB verjährt (1.). Die Billigkeitsentscheidung des Beklagten gemäß § 52 Abs. 2 Satz 3 LBeamtVG BE ist nicht zu beanstanden (2.). Die Kürzung der Versorgungsbezüge nach der Ehescheidung aufgrund des familienrechtlichen Versorgungsausgleichs nach § 57 LBeamtVG BE oder die ratenweise Tilgung eines infolge überzahlter Bezüge entstandenen Rückforderungsbetrags nach § 52 Abs. 2 LBeamtVG BE können einfachrechtlich wie verfassungsrechtlich unbedenklich zu einer Unterschreitung der amtsunabhängigen Mindestversorgung gemäß § 14 Abs. 4 Satz 2 LBeamtVG BE führen (3.).

1. Der Rückforderungsanspruch ist nicht verjährt. Die regelmäßige Verjährungsfrist für Rückforderungsansprüche des Dienstherrn gegen den Beamten gemäß § 52 Abs. 2 LBeamtVG BE beträgt entsprechend § 195 BGB drei Jahre (vgl. BVerwG, Urteile vom 26. April 2012 - 2 C 15.10 - Buchholz 240 § 12 BBesG Nr. 35 Rn. 20 <zu § 12 BBesG> und vom 15. November 2016 - 2 C 9.15 - Buchholz 239.1 § 55 BeamtVG Nr. 30 Rn. 24 <zum mit § 52 LBeamtVG BE insoweit wortlautgleichen § 52 BeamtVG>). Nach § 199 Abs. 1 BGB beginnt die Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (Nr. 1) und der Dienstherr von den den Rückforderungsanspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt hat oder grob fahrlässig nicht erlangt hat (Nr. 2).

Der Rückforderungsanspruch des Beklagten ist in der Zeit vom 1. Oktober 2002 bis zum 1. April 2009 jeweils monatlich im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB entstanden (vgl. BVerwG, Urteile vom 26. April 2012 - 2 C 15.10 - Buchholz 240 § 12 BBesG Nr. 35 Rn. 19 und - 2 C 4.11 - Schütz BeamtR ES/C V 5 Nr. 84 Rn. 13).

Der den Rückforderungsanspruch begründende Umstand ist die in der Zeit vom 1. Oktober 2002 bis zum 1. April 2009 unterbliebene Kürzung der Versorgungsbezüge gemäß § 57 LBeamtVG BE. Der Beklagte muss sich für die Zeit vor Oktober 2007 keine grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB von der unterbliebenen Anrechnung entgegenhalten lassen.

Grobe Fahrlässigkeit im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB setzt einen objektiv schwerwiegenden und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Sie liegt nur vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis deshalb fehlt, weil er ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Ihm muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung ("Verschulden gegen sich selbst") vorgeworfen werden können, weil sich ihm die den Anspruch begründenden Umstände förmlich aufgedrängt haben, er davor aber letztlich die Augen verschlossen hat. Dabei trifft den Gläubiger generell keine Obliegenheit, im Interesse des Schuldners an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist Nachforschungen zu betreiben; vielmehr muss das Unterlassen von Ermittlungen nach Lage des Falles als geradezu unverständlich erscheinen, um ein grob fahrlässiges Verschulden des Gläubigers bejahen zu können (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 2011 - VI ZR 135/10 - NJW 2011, 3573 Rn. 10 m.w.N. und BVerwG, Urteil vom 15. November 2016 - 2 C 9.15 - Buchholz 239.1 § 55 BeamtVG Nr. 30 Rn. 28).

An diesen Grundsätzen gemessen kann dem Beklagten - wie vom Oberverwaltungsgericht im Berufungsurteil zutreffend ausgeführt - erst für die Zeit ab Oktober 2007 der Vorhalt grober Fahrlässigkeit gemacht werden. Denn im Oktober 2007 vollendete die geschiedene Ehefrau des Klägers das 65. Lebensjahr mit der Folge, dass sie nach der damals geltenden Rechtslage nach § 35 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI - vom 18. Dezember 1989 (BGBl. I S. 2261 ) in der Fassung des Gesetzes vom 19. Februar 2002 (BGBl. I S. 754 ) bei Erfüllung der allgemeinen Wartezeit Anspruch auf Regelaltersrente hatte.

Mit Erlass des ersten Rückforderungsbescheids vom 7. September 2009 hemmte der Beklagte den Verlauf der entsprechend § 195 BGB dreijährigen Verjährungsfrist gemäß § 1 Abs. 1 VwVfG BE i.V.m. § 53 Abs. 1 VwVfG . Im Übrigen nimmt der Senat Bezug auf die Ausführungen des Berufungsurteils zum Nichteintritt der Verjährung, die vom Kläger im Revisionsverfahren nicht in Frage gestellt worden sind.

2. Die von dem Beklagten nach § 52 Abs. 2 Satz 3 LBeamtVG BE getroffene Billigkeitsentscheidung, von der Rückforderung nicht ganz oder teilweise abzusehen, ist nicht zu beanstanden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats bezweckt diese Billigkeitsentscheidung, eine allen Umständen des Einzelfalles gerecht werdende, für die Behörde zumutbare und für den Beamten tragbare Lösung zu ermöglichen, bei der auch Alter, Leistungsfähigkeit und sonstige Lebensverhältnisse des Herausgabepflichtigen eine maßgebende Rolle spielen. Sie ist Ausdruck des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben und stellt eine sinnvolle Ergänzung des ohnehin von dem gleichen Grundsatz geprägten Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung dar, sodass sie vor allem in Fällen der verschärften Haftung von Bedeutung ist. Dabei ist jedoch nicht die gesamte Rechtsbeziehung, aus welcher der Bereicherungsanspruch erwächst, nochmals unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zu würdigen, sondern auf das konkrete Rückforderungsbegehren und vor allem auf die Modalitäten der Rückabwicklung und ihre Auswirkungen auf die Lebensumstände des Beamten abzustellen (stRspr, zuletzt BVerwG, Urteile vom 26. April 2012 - 2 C 15.10 - Buchholz 240 § 12 BBesG Nr. 35 Rn. 24 m.w.N. und vom 15. November 2016 - 2 C 9.15 - Buchholz 239.1 § 55 BeamtVG Nr. 30 Rn. 28).

Bei der Billigkeitsentscheidung ist von besonderer Bedeutung, wessen Verantwortungsbereich die Überzahlung zuzuordnen ist und in welchem Maße ein Verschulden oder Mitverschulden hierfür ursächlich war. Ein Mitverschulden der Behörde an der Überzahlung ist in die Ermessensentscheidung nach § 52 Abs. 2 Satz 3 BeamtVG einzubeziehen (BVerwG, Urteile vom 21. April 1982 - 6 C 112.78 - Buchholz 237.7 § 98 NWLBG Nr. 10 S. 4 f., vom 27. Januar 1994 - 2 C 19.92 - BVerwGE 95, 94 <97>, vom 26. April 2012 - 2 C 15.10 - Buchholz 240 § 12 BBesG Nr. 35 Rn. 25 und vom 15. November 2016 - 2 C 9.15 - Buchholz 239.1 § 55 BeamtVG Nr. 30 Rn. 33).

Deshalb ist aus Gründen der Billigkeit in der Regel von der Rückforderung teilweise abzusehen, wenn der Grund für die Überzahlung in der überwiegenden behördlichen Verantwortung liegt. In diesen Fällen, in denen der Beamte zwar entreichert, sich aber auf den Wegfall der Bereicherung nicht berufen kann, muss sich die überwiegende behördliche Verantwortung für die Überzahlung in der Billigkeitsentscheidung niederschlagen. Das ist auch unter Gleichheitsgesichtspunkten geboten. Ein Beamter, der nur einen untergeordneten Verursachungsbeitrag für die Überzahlung gesetzt hat, muss besser stehen als ein Beamter, der die Überzahlung allein zu verantworten hat. Angesichts dessen erscheint ein Absehen von der Rückforderung in der Größenordnung von 30 % des überzahlten Betrags im Regelfall angemessen. Bei Hinzutreten weiterer Umstände, etwa besonderer wirtschaftlicher Probleme des Beamten, kann auch eine darüber hinausgehende Ermäßigung des Rückforderungsbetrags in Betracht kommen (BVerwG, Urteile vom 26. April 2012 - 2 C 15.10 - Buchholz 240 § 12 BBesG Nr. 35 Rn. 26 und vom 15. November 2016 - 2 C 9.15 - Buchholz 239.1 § 55 BeamtVG Nr. 30 Rn. 34).

Liegt kein überwiegendes behördliches Mitverschulden für die Überzahlung von Besoldungs- oder Versorgungsbezügen vor, genügt die Einräumung von angemessenen Ratenzahlungsmöglichkeiten regelmäßig den Erfordernissen einer im Rahmen des Rückforderungsbescheids zu treffenden Billigkeitsentscheidung (vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Mai 1997 - 2 C 26.95 - Buchholz 240 § 8 BBesG Nr. 10 S. 11 und vom 8. Oktober 1998 - 2 C 21.97 - Buchholz 239.1 § 55 BeamtVG Nr. 25 S. 14; zustimmend Wilhelm, in: Fürst u.a., GKÖD, Stand August 2018, § 52 BeamtVG Rn. 14). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest.

Im Fall des Klägers lässt sich kein überwiegendes Verschulden des Beklagten feststellen. Beide müssen sich vielmehr wechselseitig fahrlässiges Verhalten im Hinblick auf ihre jeweiligen Pflichten vorhalten lassen: der Kläger, weil er im September 1997 dem Beklagten zugesichert hat, er werde ihn über den Beginn eines Rentenbezugs seiner ehemaligen Ehefrau informieren; der Beklagte, weil er ab Oktober 2007 seiner Pflicht zur ordnungsgemäßen Feststellung der Versorgungsbezüge bei nach Aktenlage offensichtlichem Erreichen der gemäß der gesetzlichen Rentenversicherung regelmäßigen Altersgrenze der geschiedenen Ehefrau nicht nachgekommen ist.

Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag des Klägers, sich bereits im Verwaltungsverfahren darauf berufen zu haben, dass er zu seiner geschiedenen Frau lange keinen Kontakt mehr gehabt und deshalb nichts über deren Bezug einer mit Vollendung des 60. Lebensjahres einsetzenden Altersrente für Frauen nach § 237a Abs. 1 SGB VI ab Oktober 2002 gewusst habe.

Zum einen hat sich der Kläger in seinem Antrag vom September 1997, ihm einstweilen bis zum Renteneintritt seiner um fünf Jahre jüngeren geschiedenen Ehefrau ungekürzte Versorgungsbezüge zu gewähren, selbst verpflichtet, seine Versorgungsbehörde von einem Rentenbezug seiner geschiedenen Frau unverzüglich zu benachrichtigen. Zum anderen hat der Gesetzgeber Regelungen geschaffen, die es dem Kläger auch im Fall des fehlenden Kontakts zu seiner geschiedenen Frau erlaubt hätten, seinen Auskunftspflichten gegenüber der Versorgungsbehörde nachzukommen. § 9 Abs. 4 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich ( VAHRG ) vom 25. Juli 1991 (BGBl. I S. 1606 ) sah einen eigenen hilfsweisen Auskunftsanspruch jedes Ehegatten gegen den Versorgungsträger des anderen Ehegatten vor, wenn er erforderliche Auskünfte von diesem nicht erhält oder erhalten kann. Auch die Nachfolgevorschrift des § 4 Abs. 2 des Gesetzes über den Versorgungsausgleich ( VersAusglG ) vom 3. April 2009 (BGBl. I S. 700 ) sieht einen entsprechenden Auskunftsanspruch vor. Dieser Auskunftsanspruch gilt zeitlich unbegrenzt, er umfasst gerade auch Änderungsansprüche im Nachgang zur rechtskräftigen Entscheidung über den Versorgungsausgleich (vgl. Brudermüller, in: Palandt, BGB , 75. Aufl. 2016, § 4 VersAusglG Rn. 3). Von diesen familienrechtlichen Möglichkeiten hat der Kläger keinen Gebrauch gemacht. Der Einwand des Klägers, diese Möglichkeit nicht gekannt zu haben, geht ins Leere, denn den Beklagten als seinen Dienstherrn trifft insoweit keine Belehrungspflicht.

Im Übrigen hat es der Senat selbst in einem Fall, in dem der versorgungsausgleichspflichtige Beamte ohne eigenes Zutun verspätet von dem Versterben des geschiedenen Ehegatten erfährt, als nicht unverhältnismäßig angesehen, dass die gesetzliche Regelung eine Aufhebung der Kürzung der Versorgungsbezüge nach § 57 BeamtVG zeitlich erst nach der Antragstellung ermöglicht. Der Beamte steht aufgrund der eingegangenen Ehe in größerer Nähe zu den maßgeblichen Umständen beim geschiedenen Ehegatten als der Dienstherr. Deshalb obliegt es ihm, sich über das weitere Lebensschicksal des geschiedenen Ehegatten zu erkundigen und dem Dienstherrn daraus die für die Höhe seiner Versorgungsbezüge folgenden Umstände mitzuteilen (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 2015 - 2 C 48.18 - Buchholz 239.1 § 57 BeamtVG Nr. 15 Rn. 29). Dies gilt auch und erst recht im Fall des Klägers, der die Gefahr einer späteren Überzahlung von Versorgungsbezügen durch seinen Antrag vom September 1997 selbst gesetzt hat.

Schließlich weist der Senat darauf hin, dass es dem Kläger auch ohne konkrete Kenntnis vom Rentenbezug seiner geschiedenen Ehefrau möglich gewesen wäre, die entstandene Überzahlung der Versorgungsbezüge zwischen Oktober 2002 und April 2009 zu vermeiden oder zumindest erheblich zu vermindern. Hierzu hätte er gegenüber seiner Versorgungsbehörde lediglich erklären müssen, ab 2002 (Erreichen des 60. Lebensjahres seiner geschiedenen Ehefrau, möglicher Eintritt in den Bezug einer gesetzlichen Rente) oder jedenfalls und spätestens ab 2007 (Erreichen des 65. Lebensjahres seiner geschiedenen Ehefrau, damaliger Eintritt des Regelbezugs der gesetzlichen Rente) auf um den familienrechtlichen Versorgungsausgleich ungekürzte Versorgungsbezüge zu verzichten. In diesem Fall wäre es zu keiner oder nur zu einer geringeren Überzahlung der Versorgungsbezüge gekommen. Das Geburtsdatum seiner geschiedenen Ehefrau und damit deren Vollendung des 60. und 65. Lebensjahres waren dem Kläger bekannt.

3. Selbst wenn die amtsunabhängige Mindestversorgung nach § 14 Abs. 4 Satz 2 LBeamtVG BE zum maßgeblichen Zeitpunkt des zweiten Rückforderungsbescheids in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Juni 2012 infolge der Kürzung der Bezüge um den familienrechtlichen Versorgungsausgleich gemäß § 57 LBeamtVG BE (a) und/oder die monatlichen Rückzahlungsraten (b) bei einem im Übrigen vermögenslosen Ruhestandsbeamten, der zur sofortigen Forderungstilgung außer Stande ist, unterschritten worden wäre, wäre dies weder einfachrechtlich noch verfassungsrechtlich zu beanstanden.

a) Nach § 57 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 LBeamtVG BE werden die Versorgungsbezüge des versorgungsausgleichspflichtigen Beamten nach Anwendung von Ruhens-, Kürzungs- und Anrechnungsvorschriften in Höhe des Monatsbetrags der durch die Entscheidung des Familiengerichts begründeten Anwartschaften oder übertragenen Rechte gekürzt. Das heißt gesetzessystematisch, dass zunächst die Versorgungsbezüge auch unter Berücksichtigung von § 14 Abs. 4 Satz 2 LBeamtVG BE zu berechnen sind und sich erst dann die Kürzung nach § 57 LBeamtVG BE anschließt (so bereits OVG Münster, Beschluss vom 12. Februar 1998 - 6 A 2127/96 - juris Rn. 20; ebenso Tegethoff, in: Plog/Wiedow, BBG , Kommentar, Stand August 2015, § 57 BeamtVG Rn. 19; Leihkauff, in: Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht, Kommentar, Stand Juni 2015, § 57 BeamtVG Rn. 91). Die volle Kürzung ist darin begründet, dass dem Versicherungsträger entstandene Aufwendungen vom Dienstherrn als Träger der Versorgungslast nicht erstattet werden müssen, dieser aber wiederum nicht doppelt belastet werden darf: zum einen mit der Versorgung des Beamten, zum anderen mit der Alterssicherung der geschiedenen Ehefrau. Er muss sich daher bei dem Leistungspflichtigen, d.h. dem geschiedenen und ausgleichspflichtigen Ehemann wegen seiner Aufwendungen entlasten können.

Das System des Versorgungsausgleichs, also des hälftigen Ausgleichs der während der Ehezeit erworbenen Renten- und Versorgungsanwartschaften, wird seit seinem Bestehen vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als mit Art. 33 Abs. 5 GG vereinbar angesehen. Das gilt gleichermaßen für das alte, bis zum 31. August 2009 geltende System des Splittings oder Quasisplittings wie für das seither durchgeführte System, in dem wesentlich umfänglicher verschiedene Versorgungsarten beider Ehegatten jeweils hälftig dem anderen Ehegatten übertragen werden (stRspr, vgl. BVerfG, Urteile vom 28. Februar 1980 - 1 BvL 17/77 u.a. - BVerfGE 53, 257 <289 ff.> und vom 5. Juli 1989 - 1 BvL 11/87 u.a. - BVerfGE 80, 297 <310>; Beschluss vom 6. Mai 2014 - 1 BvL 9/12, 1 BvR 1145/13 - BVerfGE 136, 152 Rn. 35 ff.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 11. Februar 2015 - IV ZR 276/14 - NJW-RR 2015, 711 Rn. 5.). Die in diesem Rahmen vorgenommenen Eingriffe in Art. 33 Abs. 5 GG werden durch Art. 6 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 2 GG gerechtfertigt (BVerfG, Urteil vom 5. Juli 1989 - 1 BvL 11/87 u.a. - BVerfGE 80, 297 <310 ff.>; Beschluss vom 6. Mai 2014 - 1 BvL 9/12, 1 BvR 1145/13 - BVerfGE 136, 152 Rn. 37, 61 ff.).

Einen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums nach Art. 33 Abs. 5 GG , der den Dienstherrn verpflichten könnte, die Folgen einer Ehescheidung für den Beamten bei einem Unterschreiten der amtsunabhängigen Mindestversorgung nach § 14 Abs. 4 Satz 2 LBeamtVG BE infolge des familienrechtlichen Versorgungsausgleichs nach § 57 LBeamtVG BE abzufedern, gibt es nicht (vgl. in diesem Sinn VG Wiesbaden, Urteil vom 12. Juni 2007 - 6 E 478/07 - juris Rn. 18 ff.; VG Düsseldorf, Urteil vom 25. Januar 2013 - 13 K 5627/12 - juris Rn. 29, 31; ebenso Tegethoff, in: Plog/Wiedow, BBG , Kommentar, Stand August 2015, § 57 BeamtVG Rn. 23; Leihkauff, in: Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht, Kommentar, Stand Juni 2015, § 57 BeamtVG Rn. 94; a.A. wohl VG Hamburg, Urteil vom 3. Juni 1997 - 2 VG 3858/94 - juris Rn. 16). Mit den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG ist der Kernbestand von Strukturprinzipien gemeint, die allgemein oder doch ganz überwiegend während eines längeren, traditionsbildenden Zeitraums, insbesondere unter der Reichsverfassung von Weimar, als verbindlich anerkannt und gewahrt worden sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. April 2018 - 2 BvL 10/16 - NVwZ 2018, 1044 Rn. 33, Urteil vom 12. Juni 2018 - 2 BvR 1738/12 u.a. - NVwZ 2019, 223 Rn. 118 und Beschluss vom 28. November 2018 - 2 BvL 3/15 - NVwZ 2018, 1121 Rn. 24). In diesem traditionsbildenden Zeitraum gab es keine Regelungen zu einem familienrechtlichen Versorgungsausgleich, sodass schon aus diesem Grund einer entsprechenden Kürzung von Bezügen ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums nicht entgegenstehen kann.

Darüber hinaus zwingt die Alimentationspflicht den Dienstherrn nicht dazu, den Beamten von solchen finanziellen Belastungen freizustellen, die ihre Ursache allein in dessen Risiko- und Verantwortungssphäre haben. Es ist nicht Aufgabe des in Art. 33 Abs. 5 GG garantierten Schutzes, dem Beamten jedes Lebensrisiko (hier: die finanziellen Auswirkungen der Scheidung nach langjähriger Ehe) abzunehmen. Deshalb sind Versorgungsbezüge auch dann um den Betrag nach § 57 Abs. 2 LBeamtVG BE zu kürzen, wenn dadurch die Mindestversorgung nach § 14 Abs. 4 LBeamtVG BE unterschritten wird.

b) Schließlich führt auch eine Unterschreitung der Mindestversorgung nach § 14 Abs. 4 Satz 2 LBeamtVG BE aufgrund von angemessenen Zahlungspflichten zur ratenweisen Tilgung von Rückforderungsbeträgen, die infolge Überzahlung von Versorgungsbezügen entstanden sind, zu keiner Rechtsverletzung beim Ruhestandsbeamten. Ist es dem Ruhestandsbeamten unzumutbar, die Rückforderung überzahlter Bezüge sofort im Wege der Einmalzahlung zu tilgen und eröffnet ihm der Dienstherr deshalb die ratenweise Tilgung durch den Einbehalt eines bestimmten monatlichen Betrags seiner Versorgungsbezüge, kann sich der Ruhestandsbeamte nicht auf die amtsunabhängige Mindestversorgung als absolute Grenze bei der Bemessung der monatlichen Rückführungsraten berufen. Andernfalls könnten bei Ruhestandsbeamten, die nur die amtsunabhängige Mindestversorgung beziehen, überzahlte Versorgungsbezüge nicht zurückgefordert werden. Dies würde zu deren nicht gerechtfertigter Privilegierung gegenüber Ruhestandsbeamten mit die amtsunabhängige Mindestversorgung übersteigenden Versorgungsbezügen führen.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO .

Beschluss:

Der Wert des Streitgegenstands wird für das Revisionsverfahren auf 47 093,67 € festgesetzt (§ 47 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG ).

Verkündet am 21. Februar 2019

Vorinstanz: OVG Berlin-Brandenburg, vom 19.04.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 4 B 15.15
Vorinstanz: VG Berlin, vom 27.09.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 36 K 283.12
Fundstellen
DÖV 2019, 667
ZBR 2019, 389