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BVerwG - Entscheidung vom 11.04.2019

3 C 19.16

Normen:
AEG § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 1
AEG § 5 Abs. 1
AEG § 5a Abs. 2
AEG § 11
EBO § 48

Fundstellen:
DÖV 2019, 971
NVwZ 2020, 397
VRS 2019, 332

BVerwG, Urteil vom 11.04.2019 - Aktenzeichen 3 C 19.16

DRsp Nr. 2019/12916

Verpflichtung der Eisenbahninfrastrukturunternehmen nur nach den Rechtsvorschriften über den Zugang zur Eisenbahninfrastruktur zum Betrieb der Stellwerke in dem für die Durchführung des bestellten Verkehrs erforderlichen Umfang; Aufsichtsverfügung des Eisenbahn-Bundesamtes wegen einer Verletzung der eisenbahnrechtlichen Betriebspflicht

Eisenbahninfrastrukturunternehmen sind nur nach den Rechtsvorschriften über den Zugang zur Eisenbahninfrastruktur verpflichtet, Stellwerke in dem für die Durchführung des bestellten Verkehrs erforderlichen Umfang zu betreiben; eine entsprechende, vom Eisenbahn-Bundesamt durchzusetzende Pflicht ergibt sich weder aus § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AEG noch aus § 11 AEG .

Normenkette:

AEG § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 ; AEG § 5 Abs. 1 ; AEG § 5a Abs. 2 ; AEG § 11 ; EBO § 48;

[Tatbestand]

Die Klägerin wendet sich gegen eine Aufsichtsverfügung des Eisenbahn-Bundesamtes wegen einer Verletzung der eisenbahnrechtlichen Betriebspflicht.

Die Klägerin betreibt als bundeseigenes Eisenbahninfrastrukturunternehmen das Stellwerk am Hauptbahnhof Mainz. Der Stellwerksbereich ist hochbelastet und von überregionaler Bedeutung. Zwischen Mai und August 2013 schränkte die Klägerin den Zugverkehr ein, weil das Stellwerk krankheitsbedingt nicht mehr mit einer ausreichenden Zahl von Mitarbeitern besetzt werden konnte. Es kam zu Zugverspätungen, Zugausfällen und Umleitungen, ab Anfang August 2013 im Bereich des Mainzer Hauptbahnhofs in erheblichem Umfang. Ab dem 31. August 2013 wurde das Stellwerk wieder planmäßig betrieben.

Die Besetzungsprobleme wurden dem Eisenbahn-Bundesamt im Mai/Juni 2013 bekannt. Mit Bescheid vom 12. August 2013 gab es der Klägerin auf, unverzüglich den sicheren, für die Durchführung des planmäßigen Verkehrs erforderlichen, uneingeschränkten Betrieb des Stellwerkes Mainz wieder aufzunehmen und besetzungsbedingte Ausfälle oder besetzungsbedingte Nutzungseinschränkungen des Stellwerkes zu verhindern. Die Klägerin wurde ferner verpflichtet, alle zwei Wochen schriftlich über die getroffenen und geplanten Maßnahmen zu berichten. Die Berichtspflicht wurde mit Bescheid vom 21. November 2013 darauf beschränkt, nur noch Änderungen mitzuteilen.

Bereits 2012 hatte die Bundesnetzagentur nach Beschwerden von Eisenbahnverkehrsunternehmen ein Netzzugangsverfahren eingeleitet und gegen die Klägerin unter dem 15. August 2013 einen auf die Gewährleistung des Netzzugangs abzielenden Bescheid erlassen. Diesen Bescheid hat die Klägerin mit der Rücknahme des Widerspruchs bestandskräftig werden lassen.

Den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 12. August 2013 wies das Eisenbahn-Bundesamt mit Bescheid vom 9. April 2014 zurück.

Der Anfechtungsklage der Klägerin hat das Verwaltungsgericht stattgegeben und den Bescheid vom 12. August 2013 mit Urteil vom 19. August 2015 aufgehoben. Der Bescheid sei mangels Zuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamtes für die aufgegebenen Maßnahmen formell rechtswidrig.

Die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 8. Juni 2016 zurückgewiesen und die Auffassung des Verwaltungsgerichts bestätigt. Der angefochtene Bescheid sei noch nicht vollständig erledigt, weil die Berichtspflicht fortbestehe. Dem Eisenbahn-Bundesamt fehle die Zuständigkeit für die verfügten Maßnahmen. Zuständig sei allein die Bundesnetzagentur. Deren Kompetenzbereich sei von demjenigen des Eisenbahn-Bundesamtes strikt abzugrenzen. Die Anordnungen des Eisenbahn-Bundesamtes zielten auf die Beachtung der netzzugangsrechtlichen Bereitstellungspflicht nach § 14 Abs. 1 Satz 3 AEG , die in die ausschließliche sachliche Zuständigkeit der Bundesnetzagentur falle. Vorübergehende Betriebseinschränkungen infolge krankheits- und urlaubsbedingter Ausfälle des Personals seien der Bereitstellungspflicht und nicht der vom Eisenbahn-Bundesamt zu wahrenden allgemeinen Betriebspflicht zuzuordnen. Eine parallele Zuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamtes wegen eines Verstoßes gegen die allgemeine Betriebspflicht bestehe nicht.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verteidigt die Beklagte den angefochtenen Bescheid und macht geltend: Die Zuständigkeiten der Bundesnetzagentur und des Eisenbahn-Bundesamtes bestünden parallel nebeneinander. Die Bundesnetzagentur sei als sektorspezifische Wettbewerbsbehörde für einen Wettbewerb auf der Schiene zuständig, das Eisenbahn-Bundesamt als Sicherheitsbehörde für ein sicher betriebenes Netz. Daher seien in § 14b AEG a.F. Eisenbahnsicherheit und Gefahrenabwehr gerade nicht erwähnt. Die Parallelzuständigkeit löse der Gesetzgeber bewusst nicht auf. Das bestätige die verfahrensrechtliche Koordinierungs- und Abstimmungspflicht nach § 14b Abs. 2 AEG . Welche Zuständigkeit im Einzelfall bestehe, hänge vom Sachverhalt ab, der geregelt werden solle. Überschneidungsfreie Zuständigkeiten gäbe es dabei nicht, sodass beide Behörden zuständig sein könnten. Sich widersprechende Entscheidungen seien nicht zu befürchten, weil keine Behörde etwas Gesetzwidriges auferlegen könne. Mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs im Eisenbahnbereich habe der Gesetzgeber diese Zuständigkeitsordnung bestätigt. Das Berufungsgericht marginalisiere die allgemeine Betriebspflicht aus § 11 und § 4 AEG als reines Gegenstück zur "kalten [betrieblichen] Stilllegung". Dabei übersehe es, dass die Funktionsfähigkeit heutiger Eisenbahninfrastruktur neben dem physischen Zustand der Schienen von einer Vielzahl nicht-physischer Faktoren wie Zugsteuerung und -kommunikation abhänge. Außerdem verkenne es, dass Sicherheit und Betrieb in unzertrennbarem Zusammenhang stünden. Der Betrieb sei zwingend und gesetzlich vorgegeben. Insofern sei es fehlerhaft, bei der Bestimmung der Zuständigkeit allein auf die Sicherheit abzustellen. Auch bei der Beurteilung, ob ein Verstoß gegen die Betriebspflicht gegeben sei, lege das Berufungsgericht einen unzutreffenden Maßstab zugrunde. Die Betriebspflicht sei nicht allein bei einer dauerhaften Einstellung des Betriebs verletzt, sondern - was § 11 AEG zeige - auch bei Kapazitätsänderungen. Wie das Bundesverwaltungsgericht im Hunsrück-Urteil vom 25. Oktober 2007 - 3 C 51.06 - (BVerwGE 129, 381 ) entschieden habe, erlaube die Betriebspflicht Einschränkungen des Betriebs nur, wenn die Unterbrechung der Wiederherstellung der Befahrbarkeit diene und eine Wiederinbetriebnahme in kurzer Frist zu erwarten sei. Eine Verletzung der Betriebspflicht, die das Eisenbahn-Bundesamt zum Einschreiten ermächtige, liege daher vor, wenn ein sicherer Betrieb der Schieneninfrastruktur nicht oder nicht mit der gebotenen Kapazität gewährleistet sei.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren und tritt in Übereinstimmung mit dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur der Auffassung der Beklagten bei. Es könne Sachverhalte geben, für die sowohl das Eisenbahn-Bundesamt als auch die Bundesnetzagentur zuständig seien.

[Entscheidungsgründe]

Die Revision ist nicht begründet. Zwar verletzt das Urteil des Berufungsgerichts Bundesrecht, soweit es die Zuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamtes für den Erlass des angefochtenen Bescheides, der weiterhin Wirksamkeit entfaltet (1.), verneint (2.). Das Urteil stellt sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO ). Die vom Berufungsgericht bestätigte Aufhebung des Bescheides ist rechtens, weil die materiellen Voraussetzungen für ein aufsichtliches Einschreiten des Eisenbahn-Bundesamtes gegen die Klägerin nicht vorlagen (3.).

1. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass sich die im angefochtenen Bescheid verfügten Maßnahmen nicht erledigt haben. Bei dem Bescheid handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, dessen Wirkungen nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern während eines bestimmten, hier sogar in die Zukunft nicht begrenzten Zeitraums eintreten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Januar 2012 - 8 B 62.11 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 39 Rn. 13). Nicht nur die im Bescheid begründete Berichtspflicht dauert an, sondern auch die Verpflichtung, besetzungsbedingte Ausfälle oder besetzungsbedingte Nutzungseinschränkungen des Stellwerkes Mainz zu verhindern. Es steht der Klägerin daher frei, an dem Begehren einer vollständigen Aufhebung des Bescheides festzuhalten.

2. Das Eisenbahn-Bundesamt ist für die verfügten Maßnahmen zuständig, dessen Bescheid insofern formell rechtmäßig. Es hat seinen Bescheid auf § 5a Abs. 1 , § 5 Abs. 1a des Allgemeinen Eisenbahngesetzes ( AEG ) gestützt und eine Verletzung der Pflichten der Klägerin aus § 2 Abs. 3, § 4 Abs. 3 Satz 1 und 2 , § 11 Abs. 2 Satz 3 AEG , §§ 47 , 48 der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) angenommen, wie der Widerspruchsbescheid (S. 6 f.) klarstellt. Für die Überwachung, ob diese Vorschriften beachtet werden, ist das Eisenbahn-Bundesamt gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Eisenbahnverkehrsverwaltung des Bundes ( Bundeseisenbahnverkehrsverwaltungsgesetz - BEVVG) sachlich zuständig. Die Rechtsvorschriften, die das Eisenbahn-Bundesamt für die Begründung des Einschreitens in Anspruch nimmt, betreffen nicht den Zugang zur Eisenbahninfrastruktur, deren Einhaltung die Bundesnetzagentur zu überwachen hat (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 BEVVG). Bei einer solchen Lage fehlt der Behörde nicht - wie das Berufungsgericht angenommen hat - die Zuständigkeit, wenn die von der Behörde bejahten Voraussetzungen für das Einschreiten (hier nach § 5a Abs. 2 AEG ) nicht vorliegen, wohl aber diejenigen einer Ermächtigungsgrundlage, die in die Zuständigkeit einer anderen Behörde fällt.

3. Das angefochtene Urteil ist aber aus anderen Gründen im Ergebnis richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO ). Der Bescheid des Eisenbahn-Bundesamtes ist materiell rechtswidrig. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass sich das Eisenbahn-Bundesamt für seine Anordnungen nicht auf eine Ermächtigungsgrundlage stützen kann. Eisenbahninfrastrukturunternehmen sind nur nach den Rechtsvorschriften über den Zugang zur Eisenbahninfrastruktur verpflichtet, Stellwerke in dem für die Durchführung des bestellten Verkehrs erforderlichen Umfang zu betreiben; eine entsprechende, vom Eisenbahn-Bundesamt durchzusetzende Pflicht ergibt sich weder aus § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AEG noch aus § 11 AEG .

a) Maßgeblich für die revisionsgerichtliche Beurteilung des angefochtenen Dauerverwaltungsakts ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Oberverwaltungsgerichts. Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens sind allerdings zu beachten, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. März 2019 - 1 C 9.18 [ECLI:DE:BVerwG:2019:280319U1C9.18.0] - NJW 2019, 2042 Rn. 9 m.w.N.). Anzuwenden sind hiernach die eisenbahnrechtlichen Vorschriften, namentlich das Allgemeine Eisenbahngesetz (zuletzt geändert durch Art. 1 des Fünften Gesetzes zur Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes vom 20. März 2019 <BGBl. I S. 347>), in der Fassung, die sie durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs im Eisenbahnbereich vom 29. August 2016 (BGBl. I S. 2082 ) erhalten haben. Relevante sachliche Abweichungen gegenüber dem im Berufungsurteil zugrunde gelegten Rechtsstand ergeben sich daraus allerdings nicht.

b) Die angeordneten Maßnahmen waren nicht - wie es § 5a Abs. 2 AEG voraussetzt - zur Beseitigung eines festgestellten Verstoßes und zur Verhütung künftiger Verstöße gegen eine in § 5 Abs. 1 AEG genannte Vorschrift erforderlich. In Betracht kommen insoweit nur Vorschriften, die nicht den Zugang zur Eisenbahninfrastruktur regeln, insbesondere also Sicherheitsvorschriften. Das ergibt sich aus der Zuständigkeitsabgrenzung in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BEVVG. Danach obliegt dem Eisenbahn-Bundesamt die Eisenbahnaufsicht nur, soweit nicht die in § 4 Abs. 1 BEVVG bezeichnete Bundesnetzagentur zuständig ist. Dieser wiederum obliegt die Aufgabe, die Einhaltung der Rechtsvorschriften über den Zugang zur Eisenbahninfrastruktur zu überwachen.

c) Das Eisenbahn-Bundesamt hat zur Begründung seines Einschreitens keine Situation in Anspruch genommen, die einen der ihr zur Überwachung zugewiesenen Tatbestände nach § 5 Abs. 1 AEG ausfüllt.

In Betracht kommt zunächst § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AEG . Diese Vorschrift verpflichtet Eisenbahnen (§ 2 Abs. 1 AEG ) wie die Klägerin, ihren Betrieb sicher zu führen. Besteht die Gefahr, dass das Eisenbahnunternehmen diese Pflicht verletzt, ist die zuständige Aufsichtsbehörde, für Eisenbahnen des Bundes das Eisenbahn-Bundesamt (§ 5 Abs. 1a AEG , § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BEVVG), berechtigt, die für die Gewährleistung der Sicherheit erforderlichen Maßnahmen zu treffen (§ 5a Abs. 1 und 2 AEG ).

Die im Bescheid angeordneten Maßnahmen waren jedoch nicht darauf gerichtet - und auch nicht dazu geeignet -, etwaige Gefahren für die Betriebssicherheit zu beseitigen, die sich aus einer unzureichenden Personalausstattung des Stellwerkes Mainz hätten ergeben können. Angeordnet war lediglich, den sicheren, für die Durchführung des planmäßigen Verkehrs erforderlichen, uneingeschränkten Betrieb des Stellwerkes wieder aufzunehmen und besetzungsbedingte Ausfälle zu verhindern. Ziel dieser Anordnungen war es sicherzustellen, dass die bestellten Eisenbahnverkehre, die personalausfallbedingt eingeschränkt oder behindert worden waren, fortan unbeeinträchtigt abgewickelt werden können, mithin den Netzzugang zu gewährleisten. Zu der Frage, welche Anforderungen erfüllt sein müssen, insbesondere wieviel Personal erforderlich ist, damit das Stellwerk die Verkehre sicher steuern kann, verhält sich der Bescheid nicht. Hierzu bestand auch kein Anlass, weil die Sicherheit der über das Stellwerk abgewickelten Verkehre niemals zur Diskussion stand. Im Konflikt, den bestellten Verkehr mit zu wenig Stellwerkspersonal vollständig, aber mit gesteigerten Risiken oder nur teilweise im Umfang der verfügbaren personellen Ressourcen durchzuführen, hatte die Klägerin zugunsten der Sicherheit und zulasten der Besteller entschieden. Entsprechend hat die Beklagte im Widerspruchsbescheid betont, die Klägerin habe trotz unzureichender Personalausstattung stets für die Sicherheit gesorgt (Widerspruchsbescheid S. 7).

Nichts anderes folgt aus der Berichtspflicht. Sie besteht akzessorisch zur Hauptpflicht und geht daher inhaltlich nicht über diese hinaus. Ihr Zweck ist demgemäß, dem Eisenbahn-Bundesamt fortlaufend eine Erkenntnisgrundlage darüber zu verschaffen, ob stellwerksbedingte Ausfälle zu besorgen sind.

d) Eine Pflicht, Stellwerke zu betreiben - zu den vertraglich vereinbarten und nachgefragten Zeiten oder überhaupt -, begründet § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AEG nicht. Der Betrieb eines Stellwerkes ist nur geboten, soweit Zugverkehr mit Eisenbahnverkehrsunternehmen vereinbart ist und von diesen nachgefragt wird. Ob das der Fall ist, ergibt sich aus dem Zugangsrecht. Das folgte zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides und der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts aus § 14 Abs. 1 Satz 3 AEG i.d.F. des Achten Gesetzes zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften vom 12. September 2012 (BGBl. I S. 1884 ) - AEG a.F. -, § 3 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Anlage 1 Nr. 1 Buchst. c der Verordnung über den diskriminierungsfreien Zugang zur Eisenbahninfrastruktur und über die Grundsätze zur Erhebung von Entgelt für die Benutzung der Eisenbahninfrastruktur vom 3. Juni 2005 (BGBl. I S. 1566 ), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I S. 3044 ). Hieran hat sich in der Sache nichts geändert (vgl. § 11 Abs. 1 i.V.m. Anlage 2 Nr. 1 Buchst. d des Eisenbahnregulierungsgesetzes <ERegG> vom 29. August 2016 <BGBl. I S. 2082>). Mithin bestimmt das Zugangsrecht, ob und in welchem Umfang Stellwerke zu betreiben sind. Das allgemeine Eisenbahnrecht enthält dazu keine Vorgaben. Dementsprechend regelt § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AEG lediglich - wie schon der amtlichen Überschrift ("Sicherheitspflichten") zu entnehmen ist -, dass ein tatsächlich stattfindender Betrieb sicher zu führen ist.

e) Ebenso wenig lässt sich aus § 11 AEG die Pflicht herleiten, Stellwerke mit dem erforderlichen Personal für einen vertraglich vereinbarten Verkehr bereitzuhalten. § 11 AEG verpflichtet Eisenbahninfrastrukturunternehmen, die ihnen genehmigten Eisenbahninfrastruktureinrichtungen - den gesetzlichen Vorgaben entsprechend - zu betreiben (Abs. 1 Satz 1) und macht die in Satz 2 formulierten Stilllegungstatbestände von einer Genehmigung abhängig. Die personalbedingte Reduzierung eines Stellwerkbetriebs erfüllt keinen dieser Tatbestände.

In Betracht kommt insoweit allein eine mehr als geringfügige Verringerung der Kapazität einer Strecke. Die Kapazität einer Strecke (zu diesem Begriff BVerwG, Urteil vom 25. Mai 2016 - 3 C 2.15 [ECLI:DE:BVerwG:2016:250516U3C2.15.0] - BVerwGE 155, 218 Rn. 17) ergibt sich daraus, was auf den sie bildenden Gleisen und zugehörigen Bahnbetriebsanlagen technisch an Eisenbahnverkehr abgewickelt werden kann. Diese technische Leistungsfähigkeit der Gleisanlage wird nicht deshalb vermindert, weil die Anlage tatsächlich in einem geringeren Umfang genutzt wird als möglich und mit den Zugangsberechtigten vereinbart. Die Stilllegungstatbestände des § 11 Abs. 1 Satz 2 AEG sollen verhindern, dass die Eisenbahninfrastrukturunternehmen jederzeit unwirtschaftliche Infrastruktureinrichtungen schließen können (BVerwG, Urteil vom 25. Mai 2016 - 3 C 2.15 - BVerwGE 155, 218 Rn. 16); es geht um den Erhalt der physischen Infrastruktur. Dieses Ziel wird nicht berührt, wenn einem Eisenbahninfrastrukturunternehmen Personal fehlt und es deshalb den Betrieb eines Stellwerkes einschränkt.

Der Betriebspflicht nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AEG kommt eine weitergehende Bedeutung nicht zu. Sie wurde durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs im Eisenbahnbereich vom 29. August 2016 (BGBl. I S. 2082 ) in § 11 Abs. 1 AEG eingefügt. In den Gesetzgebungsmaterialien findet sich kein Hinweis, dass dadurch die sich bereits zuvor aus § 11 AEG ergebenden Pflichten erweitert werden sollten (vgl. BT-Drs. 18/8334 S. 254, BT-Drs. 18/9099).

f) Zu einer anderen Betrachtung nötigen auch nicht Erwägungen der Effektivität der Aufsicht über die Eisenbahninfrastrukturunternehmen bei der Bereitstellung ihrer Infrastruktur für den öffentlichen Eisenbahnverkehr. Die Durchsetzung der zugangsrechtlichen Bereitstellungspflicht wird auch ohne Flankierung durch eine entsprechende allgemeine eisenbahnrechtliche Betriebspflicht nicht privaten Entscheidungsträgern überlassen; eine Lücke entsteht insoweit nicht. Die Bundesnetzagentur als Regulierungsbehörde kann Verstöße gegen die Vorschriften des Eisenbahnrechts über den Zugang zur Eisenbahninfrastruktur, wie sie hier in Rede stehen, auch im öffentlichen Interesse durchsetzen (§ 14c Abs. 1 AEG a.F., § 67 Abs. 1 ERegG). Ihr sachfremde Sicherheitsbestimmungen muss sie hierfür nicht anwenden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO .

Vorinstanz: OVG Rheinland-Pfalz, vom 08.06.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 8 A 10912/15
Vorinstanz: VG Mainz, vom 19.08.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 3 K 604/14
Fundstellen
DÖV 2019, 971
NVwZ 2020, 397
VRS 2019, 332