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BVerwG - Entscheidung vom 17.10.2019

4 CN 8.18

Normen:
BauGB § 1 Abs. 7
BauGB § 3 Abs. 2 S. 2
BauNVO §§ 2 bis 10
BauNVO § 11 Abs. 1
BauNVO § 11 Abs. 2 S. 1
BauNVO § 11 Abs. 2 S. 2
BImSchG § 50 S. 1
BauGB § 1 Abs. 7
BauGB § 3 Abs. 2 S. 2
BauNVO § 2
BauNVO § 3
BauNVO § 4
BauNVO § 4a
BauNVO § 5
BauNVO § 6
BauNVO § 6a
BauNVO § 7
BauNVO § 8
BauNVO § 9
BauNVO § 10
BauNVO § 11 Abs. 1
BauNVO § 11 Abs. 2 S. 1-2
BImSchG § 50 S. 1
BauGB § 1 Abs. 7
BauGB § 3 Abs. 2 S. 2
BauNVO § 11 Abs. 1
BauNVO § 11 Abs. 2
BImSchG § 50 S. 1

Fundstellen:
BVerwGE 166, 378
BauR 2020, 215
DVBl 2020, 1205
DÖV 2020, 201
NVwZ 2020, 399

BVerwG, Urteil vom 17.10.2019 - Aktenzeichen 4 CN 8.18

DRsp Nr. 2020/921

Unwirksamkeit der Beschränkung der Zahl zulässiger Vorhaben in einem sonstigen Sondergebiet mangels Rechtsgrundlage; Voraussetzungen für die Festsetzung maximaler Verkaufsflächen für jeweils einzelne Grundstücke; Sondergebiet Einkaufszentrum; Verkaufsflächenbeschränkung; Trennungsgrundsatz; Abwägungsgebot; Auslegungsbekanntmachung

1. Eine Beschränkung der Zahl zulässiger Vorhaben in einem sonstigen Sondergebiet (§ 11 Abs. 1 BauNVO ) ist mangels Rechtsgrundlage unwirksam.2. § 11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO lässt es zu, die höchstzulässige Verkaufsfläche für die Grundstücke in einem Bebauungsplan in der Form festzusetzen, dass die maximale Verkaufsfläche für jeweils einzelne Grundstücke festgelegt wird, sofern dadurch die Ansiedlung bestimmter Einzelhandelsbetriebstypen und damit die Art der Nutzung im Sondergebiet geregelt werden soll.

Tenor

Auf die Revision der Antragsteller wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 25. April 2018 aufgehoben, soweit die Anträge abgelehnt worden sind.

Insoweit wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Normenkette:

BauGB § 1 Abs. 7 ; BauGB § 3 Abs. 2 S. 2; BauNVO § 11 Abs. 1 ; BauNVO § 11 Abs. 2 ; BImSchG § 50 S. 1;

Gründe

I

Gegenstand des Rechtsstreits ist der nach Durchführung eines ergänzenden Verfahrens beschlossene Bebauungsplan "M.straße, Änderung 2" der Antragsgegnerin in der Fassung der öffentlichen Bekanntmachung vom 21. Dezember 2017, der der Umsetzung der Einzelhandelskonzeption 2009 der Antragsgegnerin dient.

Der Bebauungsplan "M.straße" aus dem Jahr 1996, geändert 2009, setzt aneinander angrenzend von West nach Ost ein Sondergebiet für ein Einkaufszentrum und für großflächige Handelsbetriebe, ein Industriegebiet und, durch eine Straße getrennt, ein Gewerbegebiet fest. Im Osten grenzt das Plangebiet an das Wohngebiet F. Die Zulässigkeit von Einzelhandelsnutzungen im Industriegebiet und im Gewerbegebiet hat der Plan eingeschränkt. Der Bebauungsplan "M.straße, Änderung 2" (im Folgenden: Änderungsbebauungsplan) gliedert das Sondergebiet in die Sondergebiete SO 1 bis 3. In den Sondergebieten SO 1 und SO 2 ist jeweils ein (1) Einkaufszentrum mit zentrenrelevanten und nicht zentrenrelevanten Sortimenten zulässig. Für das Einkaufszentrum im Sondergebiet SO 1 ist eine Verkaufsfläche von mindestens 5 000 m2 und maximal 16 500 m2, für das Einkaufszentrum im Sondergebiet SO 2 eine maximale Verkaufsfläche von 16 600 m2 festgesetzt. Das Sondergebiet SO 3 dient der Aufnahme großflächiger, nicht zentrenrelevanter Handelsbetriebe. Im Industriegebiet und im Gewerbegebiet sind Einzelhandelsbetriebe aller Art ausgeschlossen. Ausnahmsweise können Einzelhandelsbetriebe mit nicht zentrenrelevantem Sortiment bis zur Grenze der Großflächigkeit zugelassen werden, wenn keine Beeinträchtigung der zentralen Einkaufsbereiche zu erwarten ist.

Die Antragsteller sind Eigentümer von Grundstücken im Geltungsbereich des Änderungsbebauungsplans, die teilweise von Einzelhandelsbetrieben genutzt werden.

Das Oberverwaltungsgericht hat den Änderungsbebauungsplan insoweit für unwirksam erklärt, als die Ausnahmeregelungen für das Industriegebiet und das Gewerbegebiet für Einzelhandelsbetriebe mit nicht zentrenrelevanten Sortimenten bis zur Grenze der Großflächigkeit von der Voraussetzung abhängig gemacht werden, dass keine Beeinträchtigung der zentrenrelevanten Einkaufsbereiche zu erwarten ist. Im Übrigen hat es die Normenkontrollanträge abgelehnt.

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Antragsteller das Ziel, dass der Änderungsbebauungsplan wegen eines formellen Fehlers und wegen materieller Mängel insgesamt für unwirksam erklärt wird. Die Antragsgegnerin verteidigt das angefochtene Urteil.

II

Die Revision ist begründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ). Eine abschließende Entscheidung des Senats lassen die tatrichterlichen Feststellungen nicht zu. Deshalb ist das angegriffene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO ).

1. Das Oberverwaltungsgericht hat die Festsetzungen des Änderungsbebauungsplans für die Sondergebiete SO 1 und SO 2 nicht beanstandet. Das ist nicht in jeder Hinsicht mit Bundesrecht vereinbar.

a) Zu Recht hat das Oberverwaltungsgericht allerdings die auf die Verkaufsflächen der Einkaufszentren bezogenen Beschränkungen gebilligt.

Rechtsgrundlage für diese Festsetzungen ist § 11 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 BauNVO . Danach sind als sonstige Sondergebiete solche Gebiete darzustellen und festzusetzen, die sich von den Baugebieten nach den §§ 2 bis 10 BauNVO wesentlich unterscheiden; die Zweckbestimmung und die Art der Nutzung sind darzustellen und festzusetzen. Als sonstige Sondergebiete kommen gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 BauNVO auch Gebiete für Einkaufszentren in Betracht.

Nach der Rechtsprechung des Senats ist es den Gemeinden erlaubt, in einem Bebauungsplan, in dem sie Sondergebiete für die in § 11 Abs. 2 Satz 2 BauNVO ebenfalls genannten großflächigen Einzelhandelsbetriebe ausweisen, nach Quadratmetergrenzen bestimmte Regelungen über die höchstzulässige Verkaufsfläche zu treffen (BVerwG, Urteile vom 27. April 1990 - 4 C 36.87 - Buchholz 406.12 § 11 BauNVO Nr. 17, vom 3. April 2008 - 4 CN 3.07 - BVerwGE 131, 86 Rn. 16 und vom 24. März 2010 - 4 CN 3.09 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 178). Solche Regelungen sind Vorschriften über die Art der baulichen Nutzung. Die Senatsrechtsprechung ist auf Einkaufszentren unabhängig davon übertragbar, ob in ihnen nur ein Handelsbetrieb oder mehrere Handelsbetriebe zulässig sind (a.A. OVG Münster, Urteil vom 24. März 2015 - 7 D 52/13.NE - DVBl 2015, 1325 ). Denn Einkaufszentren sind in § 11 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO genannt und bilden damit eine von sonstigen großflächigen Einzelhandelsbetrieben zu unterscheidende eigenständige Kategorie. Neben der Festsetzung von Höchstverkaufsflächen lässt die Senatsrechtsprechung auch die Festsetzung einer Mindestverkaufsfläche oder Mindestverkaufsflächen für bestimmte Sortimente zu.

Inhaltlich sind die Festsetzungen nicht zu beanstanden, weil sie städtebaulich begründet sind. Das ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Es ist weder etwas dagegen einzuwenden, dass die Antragsgegnerin zur Begrenzung des Beeinträchtigungspotentials für Innenstadtlagen Verkaufsflächenobergrenzen für die Einkaufszentren in den Sondergebieten SO 1 und SO 2 festgesetzt hat, noch ist etwas dagegen zu erinnern, dass sie für das Einkaufszentrum im Sondergebiet SO 1 eine Mindestverkaufsfläche beschlossen hat, um eine Grundversorgung in einem zusammenhängenden Einkaufszentrum zu konzentrieren.

b) Das vorinstanzliche Urteil verstößt dagegen gegen Bundesrecht, soweit das Oberverwaltungsgericht die Beschränkung der Zahl der zulässigen Einkaufszentren in den Sondergebieten SO 1 und SO 2 auf ein Zentrum je Gebiet als wirksam angesehen hat. Für die Beschränkung gibt es keine Rechtsgrundlage (offen gelassen von BVerwG, Beschluss vom 13. November 2012 - 4 BN 30.12 - juris Rn. 9). Sollte dem Urteil vom 10. November 2011 - 4 CN 9.10 - (BVerwGE 141, 144 Rn. 18) Gegenteiliges entnommen werden können, hält der Senat daran nicht fest.

aa) § 11 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 BauNVO scheidet als Rechtsgrundlage aus.

§ 11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO greift mit der Vorgabe, dass die Zweckbestimmung und die Art der Nutzung darzustellen und festzusetzen sind, das Regelungsmuster der §§ 2 bis 10 BauNVO auf. Darstellung und Festsetzung der Zweckbestimmung haben für die sonstigen Sondergebiete die gleiche Aufgabe, die für die Baugebiete nach den §§ 2 bis 10 BauNVO dem jeweiligen ersten Absatz dieser Vorschriften zukommt (BVerwG, Urteile vom 18. Februar 1983 - 4 C 18.81 - BVerwGE 67, 23 <24> und vom 28. Mai 2009 - 4 CN 2.08 - BVerwGE 134, 117 Rn. 14). Sie dienen dazu, die Funktion des Sondergebiets festzulegen. Welche Vorhaben im Sondergebiet konkret zulässig sein sollen, ist nach dem Vorbild der Absätze 2 ff. der §§ 2 bis 10 BauNVO als Art der Nutzung festzusetzen (vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB , Stand Mai 2019, § 11 BauNVO Rn. 29). Das Schema, das die §§ 2 bis 10 BauNVO prägt, darf die Gemeinde beim Zugriff auf § 11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO nicht verlassen.

(1) Eine Beschränkung der Zahl zulässiger Vorhaben lässt sich nicht als Festsetzung der Zweckbestimmung verstehen. Die Zweckbestimmung setzt den Rahmen für die Zulässigkeit von Nutzungen. Sie umschreibt den Zweck, dem ein bestimmtes Baugebiet dient. In welcher Anzahl der Art nach zulässige Vorhaben in einem solchen Gebiet verwirklicht werden, spielt für diesen Zweck keine Rolle und kann daher auch nicht im Wege der Zweckbestimmung festgesetzt werden. Dies gilt auch, wenn die Zweckbestimmung, wie dies bei Gebieten für Einkaufszentren nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BauNVO der Fall ist, einen Anlagen- und Betriebsbezug unmittelbar herstellt.

(2) Als Bestimmung der Art der Nutzung eines sonstigen Sondergebiets ist die Beschränkung der Zahl zulässiger Vorhaben ebenfalls nicht möglich.

Im Rahmen des § 11 BauNVO unterliegt die Gemeinde zwar geringeren Beschränkungen als bei der Festsetzung von Baugebieten nach den §§ 2 bis 10 BauNVO . Sie ist weder an bestimmte Nutzungsarten noch gemäß § 1 Abs. 3 Satz 3 BauNVO an die Vorschriften über besondere Festsetzungen nach den § 1 Abs. 4 bis 10 BauNVO gebunden. Vielmehr liegt die Definitionsmacht darüber, welche Anlagen zulässig oder ausnahmsweise zulassungsfähig sind, bei ihr (BVerwG, Urteil vom 3. April 2008 - 4 CN 3.07 - BVerwGE 131, 86 Rn. 16). Sie muss aber die vorhabenbezogene Typisierung beachten, die den §§ 2 bis 10 BauNVO zugrunde liegt. Die Absätze 2 und 3 der §§ 2 bis 9 BauNVO differenzieren danach, welche Vorhaben (Anlagen, Betriebe und sonstige Einrichtungen) auf den überplanten Flächen allgemein oder ausnahmsweise zulässig sind. Ähnliches gilt für die in § 10 BauNVO geregelten Sondergebiete, die der Erholung dienen (BVerwG, Urteil vom 3. April 2008 a.a.O. Rn. 15).

Die nummerische Beschränkung zulässiger Anlagen trägt zur Kennzeichnung der Art der zulässigen Nutzung nichts bei. Sie qualifiziert nicht einen Anlagentyp (hier: den Typ des Einkaufszentrums), sondern quantifiziert Nutzungsoptionen. Solche Kontingentierungen von Nutzungsmöglichkeiten lässt die Baunutzungsverordnung nur in wenigen, ausdrücklich geregelten und hier nicht einschlägigen Ausnahmefällen zu (BVerwG, Urteil vom 3. April 2008 - 4 CN 3.07 - BVerwGE 131, 86 Rn. 17).

bb) Andere Rechtsgrundlagen sind nicht ersichtlich. Die Beschränkung der Zahl der zulässigen Vorhaben ist nicht gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB i.V.m. §§ 16 ff. BauNVO als Bestimmung des Maßes der zulässigen Nutzung zulässig; denn sie ist nicht mit Hilfe einer der von § 16 Abs. 2 BauNVO zugelassenen Parameter, etwa der Grundfläche oder der Geschossfläche, vorgenommen worden.

2. Weitere Verstöße gegen Bundesrecht sind dem Oberverwaltungsgericht nicht unterlaufen.

a) Die Antragsteller beanstanden die im ergänzenden Verfahren vorgenommene Auslegungsbekanntmachung vom 31. August 2017, weil sie gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB in der Fassung des Gesetzes vom 11. Juni 2013 (BGBl. I S. 1548 ) einen Hinweis auf die Rechtsfolge des § 47 Abs. 2a VwGO - Unzulässigkeit eines Normenkontrollantrags unter den dort genannten Voraussetzungen - enthalten hat, obwohl beide Vorschriften zum 2. Juni 2017 außer Kraft getreten sind. Das Oberverwaltungsgericht ist dieser Kritik der Antragsteller zu Recht nicht gefolgt.

§ 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB in der seit dem 2. Juni 2017 geltenden Fassung ordnet an, dass Ort und Dauer der Auslegung sowie Angaben dazu, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind, mindestens eine Woche vorher ortsüblich bekannt zu machen sind und dass dabei darauf hinzuweisen ist, dass Stellungnahmen während der Auslegungsfrist abgegeben werden können und dass nicht fristgerecht abgegebene Stellungnahmen bei der Beschlussfassung über den Bauleitplan unberücksichtigt bleiben können. Diese Anforderungen erfüllt die Auslegungsbekanntmachung vom 31. August 2017. Der zusätzliche Hinweis auf die Rechtsfolge des § 47 Abs. 2a VwGO war zwar fehlerhaft, führt aber nicht zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans.

Der unzutreffende Hinweis auf die Rechtsfolge des § 47 Abs. 2a VwGO a.F. wäre beachtlich, wenn er geeignet war, bei Betroffenen einen rechtserheblichen Irrtum über Voraussetzungen oder Rechtsfolgen einer Einwendung hervorzurufen und sie davon abzuhalten, während des Planaufstellungsverfahrens Einwendungen zu erheben (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2010 - 4 CN 4.09 - BVerwGE 138, 84 Rn. 15). Das ist nicht der Fall. Auch die Antragsteller behaupten das nicht. Sie halten den Hinweis für geeignet, potentielle Normenkontrollkläger von der Erhebung einer Normenkontrolle abzuhalten. Dem Zweck des § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB , der darin besteht, die Öffentlichkeit an planerischen Entscheidungsprozessen teilhaben zu lassen und der Gemeinde zur Vorbereitung ihrer Entscheidung das für die Abwägung maßgebliche Material zu verschaffen (vgl. Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB , Stand Mai 2019, § 3 Rn. 11), läuft die von der Antragsgegnerin verwendete Belehrung jedoch nicht zuwider.

b) Die Antragsteller sind der Auffassung, dass die Überplanung des Gewerbegebiets den Trennungsgrundsatz des § 50 BImSchG und das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB verletze, indem die Antragsgegnerin die Lösung zu erwartender Immissionskonflikte mit dem benachbarten Wohngebiet F. unzulässig auf die Ebene der Vorhabenzulassung verlagert habe. Solche Konflikte sind in der Tat denkbar, weil die Antragsgegnerin mit dem Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben u.a. das Ziel verfolgt, klassische Gewerbebetriebe aus den Bereichen Handwerk, Dienstleistung und Produktion anzusiedeln.

aa) Nach der Rechtsprechung des Senats (BVerwG, Beschluss vom 8. März 2010 - 4 B 76.09 - juris Rn. 7) beansprucht § 50 Satz 1 BImSchG für die Überplanung einer bestehenden Gemengelage keine strikte Geltung und ist durchaus einer Durchbrechung fähig, wenn das Nebeneinander von Gewerbe und Wohnen schon seit längerer Zeit und ohne größere Probleme bestanden hat. Allerdings gilt auch hier der Grundsatz, dass die aufgrund der Festsetzungen eines Bebauungsplans bewältigungsbedürftigen Konflikte nicht ungelöst bleiben dürfen. Der Plangeber muss deswegen insbesondere die zu erwartenden immissionsschutzrechtlichen Nutzungskonflikte in den Blick nehmen und einer Lösung zuführen, sofern er dies nicht ausnahmsweise im Wege der "Nachsteuerung" dem Baugenehmigungsverfahren überlassen kann. Das setzt eine sorgfältige Analyse des Bestandes und eine Prognose der zukünftigen Entwicklung voraus. An dieser Rechtsprechung hat sich das Oberverwaltungsgericht orientiert und zutreffend angenommen, dass die Planung insoweit frei von Fehlern ist.

bb) Auch § 1 Abs. 7 BauGB ist nicht verletzt. Ein Abwägungsausfall liegt nicht vor. Nach den tatrichterlichen Feststellungen der Vorinstanz hat die Antragsgegnerin den Trennungsgrundsatz zum Gegenstand ihrer Abstimmung gemacht.

Zu Unrecht vermissen die Antragsteller eine sorgfältige Analyse des Bestandes und eine Prognose der zukünftigen Entwicklung. Nach den tatrichterlichen Feststellungen hat die Antragsgegnerin ermittelt, dass das Gewerbegebiet bereits weitgehend bebaut ist. Dabei ist sie aber nicht stehen geblieben. Durch die Aufzählung der einzelnen Nutzungen (Einzelhandels- und Großhandelsbetriebe, Verwaltungs- und Bürogebäude, Kfz-Betriebe mit Werkstätten und Verkaufsräumen, Baustoffzentren, Tankstellen, einige produzierende und verarbeitende Gewerbebetriebe) in der Planbegründung hat sie die vorhandene Nutzungsstruktur erfasst.

Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hat die Nachbarschaft zum benachbarten allgemeinen Wohngebiet F. schon längere Zeit keine erkennbaren Konflikte ausgelöst. Dieser Umstand sowie die Tatsache, dass das Gewerbegebiet schon weitgehend ausgenutzt und durch eine vielfältige Nutzungsstruktur geprägt ist, rechtfertigen die Einschätzung, dass auch in Zukunft keine Konflikte zu erwarten sind, die einer planungsrechtlichen Bewältigung bedürfen, und sich mögliche Interessenkonflikte auch in nachfolgenden Baugenehmigungsverfahren werden sachgerecht lösen lassen.

An die tatrichterliche Feststellung, dass es in der Vergangenheit nicht zu Nutzungskonflikten gekommen ist, ist der Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO gebunden, da die Antragsteller sie nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsgründen erschüttern. Ihre Aufklärungsrüge entspricht nicht den Erfordernissen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO . Wird die Verletzung des § 86 Abs. 1 VwGO geltend gemacht, muss der Rechtsmittelführer substantiiert darlegen, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären, welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der vermissten Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer ihm günstigeren Entscheidung hätte führen können. Weiterhin muss er aufzeigen, dass er im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben er nunmehr beanstandet, hingewirkt hat oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen. Diesen Anforderungen entspricht die Revisionsbegründung nicht. Die Antragsteller beschränken sich auf die Behauptung, schriftsätzlich mehrfach auf die bestehenden Nutzungskonflikte hingewiesen und im Einzelnen dargelegt zu haben, dass hier das Trennungsgebot des § 50 Satz 1 BImSchG keine hinreichende Beachtung gefunden habe, sowie auf die Einschätzung, insofern hätten sich dem Oberverwaltungsgericht weitere Ermittlungen aufdrängen müssen. Das reicht nicht aus.

3. Der Senat kann nicht beurteilen, ob die Unwirksamkeit der Beschränkung der Zahl zulässiger Einkaufszentren zur Gesamtunwirksamkeit oder zur Teilunwirksamkeit der Festsetzungen für die Sondergebiete SO 1 und SO 2 führt. Er kann sich auch nicht darauf festlegen, ob die Gesamt- oder Teilunwirksamkeit der Ausweisung der Sondergebiete SO 1 und SO 2 zur Unwirksamkeit des Änderungsbebauungsplans insgesamt führt oder auf die Sondergebiete SO 1 und SO 2 beschränkt bleibt. Diesen Fragen wird das Oberverwaltungsgericht nachgehen müssen.

a) Die Antragsteller sind der Auffassung, dass der Senat die Gesamtunwirksamkeit der auf die Sondergebiete SO 1 und SO 2 bezogenen Festsetzungen selbst feststellen könne. Die vorhabenbezogenen Verkaufsflächenbeschränkungen hätten sich wegen der Unwirksamkeit der Beschränkungen der Zahl zulässiger Einkaufszentren in baugebietsbezogene Verkaufsflächenbeschränkungen umgewandelt. Baugebietsbezogene Verkaufsflächenbeschränkungen seien nach der Rechtsprechung des Senats (BVerwG, Urteil vom 3. April 2008 - 4 CN 3.07 - BVerwGE 131, 86 Rn. 14 ff., Beschluss vom 11. November 2009 - 4 BN 63.09 - DVBl 2010, 124 und Urteil vom 24. März 2010 - 4 CN 3.09 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 178 Rn. 23) mangels Rechtsgrundlage grundsätzlich unzulässig. Eine Ausnahme habe der Senat zwar für den Fall anerkannt, dass im Sondergebiet lediglich ein einziger Handelsbetrieb zulässig sei; denn dann sei die gebietsbezogene mit der vorhabenbezogenen Verkaufsflächenbegrenzung identisch (BVerwG, Urteil vom 24. März 2010 a.a.O. Rn. 24). Der Ausnahmefall liege hier jedoch nicht vor. In einem Sondergebiet, in dem ein Einkaufszentrum mit einer maximalen Verkaufsfläche von 16 500 m2 zulässig sei, seien auch drei kleinere Einkaufszentren mit je 5 000 m2 Verkaufsfläche denkbar.

Die Berechnung der Antragsteller ist schlüssig, vor allem, wenn, wovon die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend ausgegangen sind, es rechtlich zulässig ist, mehrere Einkaufszentren in einem Gebäudekomplex, d.h. "unter einem Dach" unterzubringen. Dennoch hält es der Senat für möglich, dass die Unwirksamkeit der Beschränkung der Zahl zulässiger Vorhaben nicht zur Unwirksamkeit der Verkaufsflächenbeschränkungen führt.

§ 11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO eröffnet der Gemeinde die Möglichkeit, die höchstzulässige Verkaufsfläche für das jeweilige Grundstück im Bebauungsplan als Art der Nutzung in der Form festzusetzen, dass die maximale Verkaufsflächengröße im Verhältnis zur Grundstücksgröße durch eine Verhältniszahl (z.B. 0,3/0,5 etc.) festgelegt wird, soweit dadurch die Ansiedlung bestimmter Einzelhandelstypen und damit die Art der baulichen Nutzung im Sondergebiet geregelt werden soll (BVerwG, Urteil vom 3. April 2008 - 4 CN 3.07 - BVerwGE 131, 86 Rn. 16 unter Berufung auf OVG Koblenz, Urteil vom 11. Juli 2002 - 1 C 10098/02 - NVwZ-RR 2003, 93 <96>). Für die Art der Nutzung macht es freilich keinen Unterschied, ob die Gemeinde für einzelne Baugrundstücke im Plangebiet eine Verhältniszahl oder eine absolute Zahl festsetzt, die sich ihrerseits durch den Bezug auf die Grundstücksgröße auch als Verhältniszahl ausdrücken ließe. § 11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO lässt es deshalb auch zu, die höchstzulässige Verkaufsfläche für die Grundstücke im Bebauungsplan in der Form festzusetzen, dass die maximale Verkaufsfläche für jeweils einzelne Grundstücke festgelegt wird, sofern dadurch die Ansiedlung bestimmter Einzelhandelsbetriebstypen und damit die Art der Nutzung im Sondergebiet geregelt werden soll.

Der Antragsgegnerin geht es darum, dass in den Sondergebieten SO 1 und SO 2 nicht mehr als 16 500/16 600 m2 Verkaufsflächen für Einkaufszentren zur Verfügung stehen. Da die Beschränkung der Zahl zulässiger Einkaufszentren auf ein Zentrum je Sondergebiet unwirksam ist, hat die Antragsgegnerin ihr Ziel im Gewand einer grundstücksbezogenen Festsetzung erreicht, wenn es in den Sondergebieten SO 1 und SO 2 jeweils nur ein für die Art der Nutzung "Einkaufszentrum" geeignetes Baugrundstück gibt. Die unzulässige gebietsbezogene Verkaufsflächenbeschränkung lässt sich dann planerhaltend als zulässige grundstücksbezogene Verkaufsflächenbeschränkung auslegen. Die bisherige Rechtsprechung des Senats steht dem nicht entgegen. Der Senat hat es für die ausnahmsweise Zulässigkeit einer gebietsbezogenen Verkaufsflächenbeschränkung in der Vergangenheit nicht ausreichen lassen, wenn "das Grundeigentum" oder "alle" Grundstücke im Plangebiet im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Plan in einer Hand liegen (BVerwG, Beschluss vom 11. November 2009 - 4 BN 63.09 - DVBl 2010, 124 Rn. 3 und Urteil vom 24. März 2010 - 4 CN 3.09 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 178 Rn. 24). Hintergrund ist die Überlegung, dass beim Vorhandensein mehrerer vorhabengeeigneter Baugrundstücke im Plangebiet eine Kontingentierung der Verkaufsflächen das Tor für sogenannte Windhundrennen potentieller Investoren und Bauantragsteller mit der Möglichkeit öffnen kann, dass Grundeigentümer im Falle der Erschöpfung des Kontingents von der kontingentierten Nutzung ausgeschlossen sind, und dieses Ergebnis dem der Baugebietstypologie (§§ 2 bis 9 BauNVO ) zugrunde liegenden Regelungsgrundsatz widerspricht, demzufolge im Geltungsbereich eines Bebauungsplans jedes Baugrundstück für jede nach dem Nutzungskatalog der jeweiligen Baugebietsvorschrift zulässige Nutzung soll in Betracht kommen können (BVerwG, Urteil vom 3. April 2008 - 4 CN 3.07 - BVerwGE 131, 86 Rn. 17). Besteht das Plangebiet nur aus einem vorhabengeeigneten Baugrundstück, können sich die Eigentumsverhältnisse zwar auch ändern. Das Eigentum bleibt aber stets in der Hand eines Eigentümers. Er kann das Grundstück in den Grenzen der Verkaufsflächenbeschränkungen nutzen und muss nicht befürchten, durch andere Eigentümer Abstriche an seinen Nutzungsmöglichkeiten hinnehmen zu müssen. Der Möglichkeit einer Grundstücksteilung kommt rechtlich insoweit keine Bedeutung zu (BVerwG, Beschluss vom 11. November 2009 - 4 BN 63.09 - DVBl 2010, 124 Rn. 3).

Der Senat versteht die tatrichterlichen Feststellungen, die beiden Sondergebiete SO 1 und SO 2 bestünden im Wesentlichen aus einem Grundstück (UA S. 24), dahin, dass es keine anderen Grundstücke in den jeweiligen Plangebieten gibt, die für die Errichtung eines Einkaufszentrums in Betracht kommen. Ist die Festsetzung der Verkaufsflächenobergrenzen und der Verkaufsflächenuntergrenze wegen ihres Grundstücksbezugs wirksam, so können auf jedem Baugrundstück allerdings mehrere Einkaufszentren betrieben werden. Ob das dem Willen der Antragsgegnerin entspricht, wird das Oberverwaltungsgericht zu klären haben. Die Vorinstanz hat zwar festgestellt, dass die Antragsgegnerin in beiden Sondergebieten die Fixierung auf eine Grundversorgung in einem zusammenhängenden Einkaufszentrum erreichen will (UA S. 24). Diese Feststellung zwingt aber nicht zu dem Schluss, dass die Antragsgegnerin an der bisherigen Gestaltung des Sondergebiets festgehalten hätte, wenn sie gewusst hätte, dass die nummerische Beschränkung der Zahl zulässiger Einkaufszentren unwirksam ist.

b) Das Oberverwaltungsgericht wird auch die Auswirkungen der Teil- oder Gesamtunwirksamkeit der Festsetzungen für die Sondergebiete SO 1 und SO 2 auf die Festsetzungen für das Sondergebiet SO 3, das Industriegebiet und das Gewerbegebiet zu ermitteln haben.

Die Unwirksamkeit eines Teils einer Satzungsbestimmung hat nur dann nicht die Gesamtunwirksamkeit zur Folge, wenn die Restbestimmung auch ohne den nichtigen Teil sinnvoll bleibt (Grundsatz der Teilbarkeit) und mit Sicherheit anzunehmen ist, dass sie auch ohne diesen Teil erlassen worden wäre (Grundsatz des mutmaßlichen Willens des Normgebers) (BVerwG, Beschluss vom 8. August 1989 - 4 NB 2.89 - Buchholz 406.11 § 10 BBauGB/BauGB Nr. 17 S. 12; Urteil vom 3. April 2008 - 4 CN 3.07 - BVerwGE 131, 86 Rn. 30).

Der Senat ist davon überzeugt, dass der Änderungsbebauungsplan mit der Folge teilbar ist, dass die Fehlerhaftigkeit der Ausweisungen der Sondergebiete SO 1 und SO 2 nicht die Fehlerhaftigkeit der Festsetzungen für das Sondergebiet SO 3, das Industriegebiet und das Gewerbegebiet nach sich zieht. Obwohl für das gesamte Plangebiet die Zielsetzung gilt, dass künftig eine weitere Ausdehnung des zentrenrelevanten Einzelhandels und großflächiger Betriebe mit nicht zentrenrelevanten Sortimenten vermieden werden soll, tragen die Festsetzungen des Plans für das Sondergebiet SO 3, das Industriegebiet und das Gewerbegebiet jeweils für sich genommen zu einer sinnvollen städtebaulichen Ordnung bei. Der Senat kann aber nicht sicher prognostizieren, dass die Antragsgegnerin den Einzelhandel im Industriegebiet und im Gewerbegebiet auch dann ausgeschlossen hätte, wenn sie die Fehlerhaftigkeit der Festsetzungen für die Sondergebiete SO 1 und SO 2 gekannt hätte. Das wird das Oberverwaltungsgericht zu klären haben und dabei vermutlich das Einzelhandelskonzept 2009 der Antragsgegnerin auswerten müssen, dessen Umsetzung der Änderungsbebauungsplan dient. Dem Konzept mögen sich Gesichtspunkte dafür entnehmen lassen, ob und inwieweit die Festsetzungen für die einzelnen Gebiete aufeinander bezogen und voneinander abhängig sind.

Beschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 210 000 € (30 000 € je Antragsteller) festgesetzt.

Verkündet am 17. Oktober 2019

Vorinstanz: OVG Rheinland-Pfalz, vom 25.04.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 8 C 10812/17
Fundstellen
BVerwGE 166, 378
BauR 2020, 215
DVBl 2020, 1205
DÖV 2020, 201
NVwZ 2020, 399