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BVerwG - Entscheidung vom 20.12.2019

3 B 20.19

Normen:
GG Art. 74 Abs. 1 Nr. 19
AMG § 3 Nr. 3
AMG § 5 Abs. 1
AMG § 5 Abs. 2
AMG § 13 Abs. 2b
AMG § 64 Abs. 2
VwGO § 86 Abs. 1 S. 1
VwGO § 98
ZPO § 411 Abs. 3
ZPO § 412 Abs. 1
GG Art. 74 Abs. 1 Nr. 19
AMG § 3 Nr. 3
AMG § 5 Abs. 1
AMG § 5 Abs. 2
AMG § 13 Abs. 2b
AMG § 64 Abs. 2
VwGO § 86 Abs. 1 S. 1
VwGO § 98
ZPO § 411 Abs. 3
ZPO § 412 Abs. 1
GG Art. 74 Abs. 1 Nr. 19
AMG § 3 Nr. 3
AMG § 5 Abs. 1
AMG § 5 Abs. 2
AMG § 13 Abs. 2b
AMG § 64 Abs. 2

Fundstellen:
DÖV 2020, 448
NVwZ-RR 2020, 539

BVerwG, Beschluss vom 20.12.2019 - Aktenzeichen 3 B 20.19

DRsp Nr. 2020/2463

Untersagung der Herstellung von Arzneimitteln (hier: Frischzellen) durch einen Arzt; Unterfallen der Herstellung von Arzneimitteln durch einen Arzt zur Anwendung bei seinen Patienten unter den Anwendungsbereich des Arzneimittelgesetzes

Die Herstellung von Arzneimitteln durch einen Arzt zur Anwendung bei seinen Patienten fällt in den Anwendungsbereich des Arzneimittelgesetzes .

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. Februar 2019 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 739 430,33 € festgesetzt.

Normenkette:

GG Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 ; AMG § 3 Nr. 3 ; AMG § 5 Abs. 1 ; AMG § 5 Abs. 2 ; AMG § 13 Abs. 2b ; AMG § 64 Abs. 2 ;

Gründe

Der Rechtsstreit betrifft eine arzneimittelrechtliche Untersagungsverfügung.

1. Der Kläger ist approbierter Arzt. Er war bis 2018 als Chefarzt einer Privatklinik tätig und praktiziert seit geraumer Zeit eine Behandlung von Menschen mit Zellen tierischer Herkunft (sog. Frischzellentherapie). Zur Herstellung der Zellpräparate werden trächtige Schafe geschlachtet und aus den Schafsföten lebende Zellen und Gewebeteile gewonnen; diese werden den Patienten später injiziert. Seit einiger Zeit friert der Kläger die Präparate vor der Anwendung ein. Im August 2014 erkrankten mehrere Personen an Q-Fieber, nachdem sie mit Frischzellen behandelt worden waren. Die Patienten waren nicht vom Kläger, sondern in einer anderen Einrichtung behandelt worden; diese bezog ihre Schafsföten aber von derselben Schäferei wie der Kläger.

Mit Bescheid vom 28. Dezember 2015 untersagte das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung dem Kläger daraufhin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung und Androhung eines Zwangsgeldes, weiterhin Gefrierzellen zur späteren Anwendung beim Menschen herzustellen sowie bereits hergestellte Gefrierzellen bei Menschen anzuwenden. Bei diesen Präparaten handele es sich um bedenkliche Arzneimittel. Ein Nutzen der Frisch- und Gefrierzellen sei nach derzeitigem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis nicht nachgewiesen, bedeutende Risiken seien dagegen dokumentiert und gutachterlich beschrieben.

Widerspruch, Klage und Berufung des Klägers sind erfolglos geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, bei den Gefrierzell-Präparaten handele es sich um bedenkliche Arzneimittel, deren Herstellung und Anwendung der Beklagte zur Vermeidung künftiger Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz untersagen könne. Aus den vorliegenden Gutachten des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte ergebe sich ein begründeter Verdacht schädlicher immunologischer und allergischer Wirkungen der Gefrierzell-Präparate, den der Kläger nicht erschüttert habe. Ein positiver Nachweis schädlicher Wirkungen sei entgegen der Auffassung des Klägers nicht erforderlich. Das Risiko einer Arzneimittelanwendung gehe über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinaus, weil es keine hinreichenden Belege für einen konkreten positiven Nutzen der Gefrierzell-Präparate in Bezug auf eine medizinische Indikation gebe. Die Anwendung bewirke zwar voraussichtlich eine unspezifische Stimulation des Immunsystems; dementsprechend habe der Kläger Bekundungen eines unspezifischen, subjektiv empfundenen Nutzens von Patienten vorgelegt. In Abwägung mit den jedenfalls möglichen, schwerwiegenden autoimmunologischen und allergischen Nebenwirkungen müsse das Arzneimittel aber als bedenklich eingestuft werden. Auf die Frage, ob sich der Kläger für seine praktizierte Vorratshaltung auf die Erlaubnisfreiheit ärztlicher Eigenherstellung patientenindividueller Arzneimittel berufen könne, komme es daher nicht an.

Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Die hiergegen erhobene Beschwerde des Klägers bleibt ohne Erfolg.

2. Die Beschwerde hat keine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage aufgezeigt (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ).

a) Die Herstellung von Arzneimitteln tierischer Herkunft durch einen Arzt zur Anwendung bei seinen Patienten fällt in den Anwendungsbereich des Arzneimittelgesetzes und damit auch in die Zuständigkeit der Arzneimittelüberwachungsbehörden. Die hierauf bezogenen Fragen der Beschwerde bedürfen keiner Klärung in einem Revisionsverfahren.

aa) Der Kläger möchte die von ihm hergestellten Präparate bei seinen Patienten zur Behandlung von Organerkrankungen, allergischen Erkrankungen, Herz- und Kreislaufstörungen u.a. einsetzen. Dass es sich bei den Erzeugnissen um Arzneimittel handelt (vgl. § 2 Abs. 1 i.V.m. § 3 Nr. 3 AMG ), stellt er nicht in Abrede. Er ist jedoch der Auffassung, die Herstellung von Arzneimitteln durch einen Arzt zur Anwendung bei seinen Patienten falle nicht in den Anwendungsbereich des Arzneimittelgesetzes . Eine Bundeskompetenz zur Einschränkung der ärztlichen Berufsausübungsfreiheit gebe es nicht. Dies trifft nicht zu.

Die als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage:

"Regelt Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes auch für die Heilberufsausübung?"

sowie die weiteren hierzu aufgeworfenen Fragen können, soweit dies im vorliegenden Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens hinreichend sicher anhand des Gesetzes beantwortet werden (vgl. zu diesem Maßstab BVerwG, Beschluss vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9 m.w.N.).

Nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG in der bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung war eine konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis des Bundes nur zur Regelung des Verkehrs mit Arzneimitteln vorgesehen. Das Bundesverfassungsgericht hat daher auf das Arzneimittelgesetz gestützte Regelungen, die nicht auf das Inverkehrbringen von Arzneimitteln, sondern deren Herstellung zur Anwendung durch den Arzt bezogen waren, beanstandet und das generelle Verbot der Herstellung von Frischzellen in § 1 Abs. 1 der Frischzellen-Verordnung für nichtig erklärt (BVerfG, Urteil vom 16. Februar 2000 - 1 BvR 420/97 [ECLI:DE:BVerfG: 2000:rs:20000216.1bvr042097] - BVerfGE 102, 26 ).

Durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 (BGBl. I S. 2034 ) ist Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG geändert worden und sieht nunmehr eine Regelungsbefugnis für das Recht der Arzneien vor. Die Neufassung nimmt ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs ausdrücklich auf die benannte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Bezug und bezweckt, die Gesetzgebungsbefugnis des Bundes auch auf die bislang nicht erfasste Herstellung solcher Arzneimittel zu erstrecken, die von Ärzten, Zahnärzten und Heilpraktikern zur unmittelbaren Anwendung bei eigenen Patienten hergestellt werden (BT-Drs. 16/813 S. 13). Mit den Änderungen sollte eine umfassende Regelung des Rechtsgebiets ermöglicht werden.

Anlass für die von der Beschwerde für erforderlich gehaltene verfassungskonforme Einschränkung der Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes hinsichtlich der von Ärzten für die Anwendung an eigenen Patienten hergestellten Arzneimittel besteht daher nicht. Dies gilt nicht nur in kompetentieller Hinsicht, vielmehr sind auch materiell keine Anhaltspunkte für eine mögliche Verfassungswidrigkeit entsprechender Regelungen erkennbar. Die ärztliche Therapiefreiheit und die Wahlfreiheit der Patienten erfassen zwar grundsätzlich auch neue, vom Stand der medizinischen Wissenschaft nicht anerkannte Behandlungsmethoden. Derartige Heilverfahren - und damit auch die Herstellung und Anwendung bedenklicher Arzneimittel - können vom Gesetzgeber aber im Interesse der Abwehr von Gesundheitsgefahren beschränkt werden (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 13. März 2018 - 9 S 1071/16 [ECLI:DE:VGHBW:2018: 0313.9S1071.16.00] - StoffR 2018, 124 Rn. 34 ff.; Laufs in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, 7. Aufl. 2015, I.43).

bb) Von der ihm durch Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG eingeräumten Möglichkeit hat der Bundesgesetzgeber Gebrauch gemacht und die Herstellung von Arzneimitteln durch Ärzte zur Anwendung bei ihren Patienten dem Regime des Arzneimittelrechts unterstellt.

Durch das Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17. Juli 2009 (BGBl. I S. 1990 ) ist § 4a Satz 1 Nr. 3 AMG in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3394 ) aufgehoben worden, der für Arzneimittel, die unter der unmittelbaren fachlichen Verantwortung des anwendenden Arztes zur Ausübung der Heilkunde hergestellt worden sind, das Arzneimittelgesetz für unanwendbar erklärt hatte. Mit der Neufassung war ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs bezweckt worden, die Regelungen des Arzneimittelgesetzes aus Gründen der Arzneimittelsicherheit auch auf die von Ärzten zur Anwendung bei eigenen Patienten hergestellten Arzneimittel zu erstrecken (BT-Drs. 16/12256 S. 42).

Durch § 13 Abs. 2b Satz 1 AMG in der Fassung des Gesetzes vom 17. Juli 2009 ist die Herstellung von Arzneimitteln unter der unmittelbaren fachlichen Verantwortung eines Arztes zum Zwecke der persönlichen Anwendung bei einem bestimmten Patienten aber von der hierfür grundsätzlich geltenden Erlaubnispflicht befreit worden. Die Ausnahme gilt gemäß Satz 2 Nr. 1 der Vorschrift aber nicht in Bezug auf die dort benannten Arzneimittel für neuartige Therapien und xenogene Arzneimittel. Da für derartige Arzneimittel bisher nur begrenzte Erfahrungen in der Herstellung und Anwendung vorhanden seien, schien dem Gesetzgeber hierfür eine Erlaubnispflicht erforderlich (vgl. BT-Drs. 16/12256 S. 46). Die Herstellung von Frischzellen, die lebende tierische Gewebe oder Zellen sind oder enthalten und zur Anwendung im oder am Menschen bestimmt sind (§ 4 Abs. 21 AMG ), bedarf daher in jedem Fall einer Erlaubnis.

cc) Bedenkliche Arzneimittel dürfen gemäß § 5 Abs. 1 AMG nicht in den Verkehr gebracht werden. Durch das Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17. Juli 2009 ist die Regelung um das Verbot, bedenkliche Arzneimittel bei einem anderen Menschen anzuwenden, erweitert worden. Damit sollten der Schutz von Patienten gestärkt und Strafbarkeitslücken geschlossen werden (BT-Drs. 16/12256 S. 43).

Die mit der Beschwerde vermisste Rechtsgrundlage für ein Verbot der Anwendung eines bedenklichen Arzneimittels ist in § 5 Abs. 1 AMG damit ausdrücklich vorgesehen. Zur Verhütung künftiger Verstöße hiergegen kann die zuständige Arzneimittelüberwachungsbehörde gemäß § 69 Abs. 1 Satz 1 AMG die notwendigen Anordnungen treffen.

b) Mit Recht weist die Beschwerde darauf hin, dass es für die Annahme der Bedenklichkeit eines Arzneimittels nicht ausreicht, dass der Nachweis einer therapeutischen Wirksamkeit nicht geführt worden ist (vgl. zur Berücksichtigung eines zumindest möglichen therapeutischen Nutzens im Rahmen der Bestimmung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses BVerwG, Urteil vom 1. Dezember 2016 - 3 C 14.15 [ECLI:DE:BVerwG:2016:011216U3C14.15.0] - BVerwGE 156, 345 Rn. 39).

Hiervon ist indes auch das Berufungsgericht ausgegangen. Entgegen dem Vorbringen der Beschwerde hat es auch die vom Kläger vorgebrachten Bekundungen eines subjektiv empfundenen Nutzens durch die Patienten berücksichtigt und bei der Abwägung "in die Waagschale geworfen". Das Berufungsgericht kam indes zu der Überzeugung, dass dieser Nutzen die mit der Anwendung verbundenen Risiken immunologischer oder allergischer Nebenwirkungen nicht überwiegt.

Die mit der Beschwerde als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage:

"Kann im Rahmen der Nutzen-Risiko-Abwägung die Bedenklichkeit eines im Wege der ärztlichen Eigenherstellung hergestellten Arzneimittels damit begründet werden, dass ein wissenschaftlicher Nutzennachweis nicht vorliegt und nur subjektiv empfundene Berichte von Patienten und ärztliche Erfahrungsberichte vorhanden sind?"

ist deshalb nicht entscheidungserheblich. Das Berufungsgericht hat die Annahme der Bedenklichkeit der Gefrierzell-Präparate nicht mit deren fehlender Nützlichkeit begründet, sondern mit dem begründeten Verdacht von den Nutzen überwiegenden schädlichen Wirkungen. Die Beschwerde zeigt hierzu keinen neuen oder zusätzlichen Klärungsbedarf auf.

c) Zur Beurteilung der Bedenklichkeit eines Arzneimittels dürfen die zuständigen Arzneimittelüberwachungsbehörden und die Gerichte auf Gutachten des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte oder anderer Bundesoberbehörden zurückgreifen. Auch zur Klärung dieser Frage bedarf es nicht der Zulassung einer Revision.

Die mit der Beschwerde bezeichnete Frage:

"Kann ein Gutachten einer Bundesoberbehörde, das in den entscheidenden Passagen erkennbar von reinen Vermutungen ausgeht, mit Unterstellungen arbeitet und zahlreiche unsichere und unbestimmte Behauptungen aufstellt, zur Begründung der Bedenklichkeit von Arzneimitteln herangezogen werden?"

ist bereits nicht entscheidungserheblich, weil sie sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen würde. Ob ein Gutachten inhaltlich eine tragfähige Grundlage für die gerichtliche Entscheidung darstellt oder dem entgegenstehende Mängel - wie etwa reine Vermutungen, Unterstellungen oder Behauptungen - enthält, ist eine Frage des Einzelfalls, die von den Beteiligten ggf. durch Verfahrensrügen geklärt werden kann. Grundsätzlich bedeutsam ist die Frage daher nur insoweit, als sie die generelle Verwertbarkeit der vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte oder anderen Bundesoberbehörden erstellten Gutachten betrifft. Diese Frage kann ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens bejaht werden.

Im Rahmen ihrer Sachaufklärungspflicht (§ 24 VwVfG ) haben die zuständigen Arzneimittelüberwachungsbehörden die für die Entscheidung relevanten Tatsachenfragen aufzuklären. Sie können hierzu von den Beteiligten vorgelegte Unterlagen oder im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten berücksichtigen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. September 2012 - 2 B 97.11 - juris Rn. 5; Urteil vom 5. Juni 2014 - 2 C 22.13 - BVerwGE 150, 1 Rn. 30), sie sind aber auch befugt, sachverständige Stellungnahmen anderer Behörden einzuholen oder beizuziehen (vgl. § 4 Abs. 1 , § 26 Abs. 1 VwVfG , Art. 35 Abs. 1 GG ). Für Stellungnahmen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte gilt dies in besonderer Weise, weil dieser Einrichtung als der für Fragen des Arzneimittelrechts zuständigen Bundesoberbehörde (§ 77 Abs. 1 AMG ) im Arzneimittelgesetz eine besondere Stellung eingeräumt ist. Unter anderem hat es gemäß § 62 Abs. 1 AMG die zur Verhütung einer unmittelbaren oder mittelbaren Gefährdung der menschlichen Gesundheit bei der Anwendung von Arzneimitteln auftretenden Risiken zentral zu erfassen und auszuwerten. Es wirkt hierbei unter anderem mit den Gesundheitsbehörden der Bundesländer zusammen. Des Weiteren haben sich die zur Durchführung des Arzneimittelgesetzes zuständigen Behörden des Bundes und der Länder bei Zuwiderhandlungen und bei Verdacht auf Zuwiderhandlungen gegen Vorschriften des Arzneimittelrechts bei der Ermittlungstätigkeit gegenseitig zu unterstützen (§ 68 Abs. 1 Nr. 2 AMG ). In Zweifelsfragen ist ihm oder - im Rahmen seiner Zuständigkeit unter anderem für xenogene Arzneimittel (vgl. 77 Abs. 2 AMG ) - dem Paul-Ehrlich-Institut auch in § 21 Abs. 4 AMG hinsichtlich der Zulassungspflicht für Arzneimittel eine abschließende Entscheidungskompetenz zugewiesen.

Die von der Beschwerde bemühte Regelung in § 64 Abs. 2 AMG , die einen Angehörigen und nicht die Behörde als solche benennt, steht dem nicht entgegen. Die Vorschrift nimmt die organisatorische Beteiligung einzelner Angehöriger als Sachverständige der Überwachungsbehörde in Bezug und betrifft daher eine anders gelagerte Konstellation. Aus der Bestimmung kann kein Verbot der Berücksichtigung von Gutachten abgeleitet werden, die das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte als Behörde erstellt hat. Die Überwachung der Einhaltung von Vorschriften des Arzneimittelgesetzes und dessen einheitliche Anwendung durch die nach Landesrecht zuständigen Behörden setzt vielmehr ein koordiniertes und kooperatives Zusammenwirken aller beteiligten Behörden voraus (vgl. Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Stand: April 2019, § 46 Rn. 1).

Auch aus der mit der Beschwerde benannten Vorschrift des § 25 Abs. 5 Satz 2 AMG folgt nichts Anderes. Der Umstand, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in den von der Regelung benannten Fällen auch zur Einholung von sachverständigem Rat befugt ist, bedeutet nicht, dass ein von ihr in eigener Verantwortung erstelltes Gutachten nicht auf ausreichender Sachkunde beruht.

d) Die von der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen zur Herstellungserlaubnis nach § 13 Abs. 2b AMG sind - wie sie selbst auch einräumt - nicht entscheidungserheblich.

Der zur Diskussion gestellte Zweckbezug der Arzneimittelherstellung des Arztes zur Anwendung bei einem bestimmten Patienten folgt indes bereits aus dem Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung (vgl. zur ähnlich gelagerten Herstellung auf ärztliche Verschreibung EuGH, Urteil vom 16. Juli 2015 - C-544/13 u.a. [ECLI:EU:C:2015:481], Abcur - Rn. 64).

3. Die Beschwerde hat auch keinen Verfahrensfehler dargelegt, auf dem das angegriffene Berufungsurteil beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ). Die Rügen zeigen keine verfahrensfehlerhafte Berücksichtigung der vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte und dem Paul-Ehrlich-Institut erstellten Gutachten auf.

a) Die Heranziehung der Gutachten durch das Berufungsgericht verstößt nicht gegen § 64 Abs. 2 AMG , weil diese Regelung für die vorliegende Fallgestaltung keine Aussage enthält (vgl. hierzu bereits unter Gliederungspunkt 2.c).

Soweit die Beschwerde meint, das Fehlen eines persönlich benannten Gutachters verstoße gegen die prozessualen Anforderungen aus § 98 VwGO i.V.m. § 406 und § 411 Abs. 3 ZPO , geht dies schon deshalb fehl, weil es sich bei dem Gutachten des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte nicht um ein gerichtlich bestelltes Sachverständigengutachten handelt. Im Übrigen ist es auch nicht ausgeschlossen, dass Behörden mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens betraut werden (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 1 JVEG ).

b) Das Beschwerdevorbringen lässt nicht den Schluss zu, dass die Ausführungen der vorliegenden Gutachten nicht geeignet gewesen wären, dem Berufungsgericht die für seine Entscheidung erforderliche Sachkunde zu vermitteln und daher ein weiteres Sachverständigengutachten hätte eingeholt werden müssen.

Nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO , der gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO auch im Berufungsverfahren Anwendung findet, hat das Gericht den entscheidungserheblichen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Fehlt dem Gericht die hierfür erforderliche Sachkunde, muss es sachverständige Hilfe in Anspruch nehmen. Für die hier entscheidungserheblichen arzneilichen Fachfragen gibt es keine eigene, nicht durch entsprechende Sachverständigengutachten vermittelte Sachkunde des Richters. Demgemäß hat das Berufungsgericht seine Feststellungen zum Verdacht schädlicher immunologischer und allergischer Wirkungen der Gefrierzell-Präparate des Klägers im Wege des Urkundsbeweises auf ein vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte erstelltes Gutachten gestützt.

Über die Einholung eines weiteren Gutachtens entscheidet das Gericht nach seinem Ermessen (§ 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO ). Die unterlassene Einholung zusätzlicher Gutachten kann deshalb nur dann verfahrensfehlerhaft sein, wenn die vorliegenden Gutachten ihren Zweck nicht zu erfüllen vermögen, dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts erforderliche Sachkunde zu vermitteln und ihm dadurch die Bildung der für die Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen. Liegen dem Gericht bereits sachverständige Äußerungen zu einem Beweisthema vor, muss es ein zusätzliches Gutachten nur einholen, wenn die vorhandene Stellungnahme von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, inhaltliche Widersprüche oder fachliche Mängel aufweist oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Gutachters besteht (BVerwG, Urteil vom 5. Juni 2014 - 2 C 22.13 - BVerwGE 150, 1 Rn. 31 m.w.N.)

Das Vorliegen eines solchen Mangels zeigt der Kläger, der die nunmehr vermisste Sachverhaltsaufklärung ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht (§ 105 VwGO i.V.m. § 160 Abs. 2 und § 165 ZPO ) im Verfahren vor dem Tatsachengericht nicht beantragt hat, nicht auf. Die Beschwerde begnügt sich in weiten Teilen vielmehr damit, ihre eigene Meinung an die Stelle der Würdigung des Gerichts zu setzen. Dies genügt den Anforderungen für die Darlegung eines Verfahrensmangels nicht. Die Einschätzung des Berufungsgerichts ist im Übrigen plausibel und in methodisch nicht zu beanstandender Weise auf die zitierten Gutachten gestützt. Es hat sich überdies gerade mit der vom Kläger problematisierten Unsicherheit des Erkenntnisstands und der Übertragbarkeit der Aussagen auf die Gefrierzell-Präparate des Klägers ausführlich auseinandergesetzt. Hinsichtlich der befürchteten Nebenwirkungen hat es sich entgegen der Auffassung der Beschwerde auch nicht mit nur theoretischen Möglichkeiten begnügt, sondern konkret auf die auch vom Kläger zugestandenen Nebenwirkungen bei seinen Patienten und vom Kläger vorgelegte statistische Auswertung von Dr. R. abgestellt.

Soweit die Beschwerde das Fehlen "objektiv nachweisbarer Tatsachen" rügt, verkennt sie im Übrigen den rechtlichen Maßstab. Bedenklich sind gemäß § 5 Abs. 2 AMG Arzneimittel, bei denen nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse der begründete Verdacht besteht, dass sie bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen haben, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen. Ein positiver Nachweis der befürchteten schädlichen Wirkungen ist deshalb nicht erforderlich (vgl. BVerwG, Urteile vom 26. April 2007 - 3 C 36.06 - Buchholz 418.32 AMG Nr. 46 Rn. 27 und vom 1. Dezember 2016 - 3 C 14.15 - BVerwGE 156, 345 Rn. 27, 41 ).

Zweifel an der verfahrensgemäßen Feststellung der Bedenklichkeit der vom Kläger hergestellten Gefrierzell-Präparate bestehen mithin nicht.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO . Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG .

Vorinstanz: VG Neustadt a.d.W., vom 19.12.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 5 K 903/16
Vorinstanz: OVG Rheinland-Pfalz, vom 19.02.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 6 A 10136/18
Fundstellen
DÖV 2020, 448
NVwZ-RR 2020, 539