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BVerwG - Entscheidung vom 19.12.2019

7 VR 5/19

Normen:
VwGO § 80 Abs. 5 S. 1
VwGO § 80a Abs. 3 S. 2
AEG § 18e Abs. 2 S. 1

BVerwG, Beschluss vom 19.12.2019 - Aktenzeichen 7 VR 5/19

DRsp Nr. 2020/1646

Streit um einen Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes zum Ausbau einer Eisenbahnstrecke; Abwägung von Vollzugs- und Suspensivinteresse in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes; Einschränkung der Rügebefugnis des als Anwohner nur mittelbar betroffenen Antragstellers; Lärmbetroffenheit des Antragstellers

Im Zusammenhang mit einem Planfeststellungsbeschluss ist die Rügebefugnis eines nur mittelbar betroffenen Anwohners auf die ordnungsgemäße Abwägung seiner eigenen Belange wie die Beeinträchtigung durch Lärm oder eine etwaige Gefährdung seiner persönlichen Sicherheit beschränkt.

Normenkette:

VwGO § 80 Abs. 5 S. 1; VwGO § 80a Abs. 3 S. 2; AEG § 18e Abs. 2 S. 1;

[Gründe]

I

Der Antragsteller wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 5. Juli 2019 zum Ausbau der Eisenbahnstrecke 1522 Oldenburg-Wilhelmshaven von Bahn-km 0,841 bis 9,722 (PFA 1). Er beantragt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der hiergegen erhobenen Klage.

Der Antragsteller wohnt in etwa 130 m Entfernung zu der Eisenbahnstrecke und sieht sich durch zu erwartende Verkehrsbehinderungen, den Baustellenverkehr, längere Schrankenschließzeiten und insbesondere eine größere Lärmbelastung durch ein erhöhtes Zugaufkommen beeinträchtigt. Die Verkehrsprognose sei fehlerhaft, Rettungskonzept bzw. Rettungsvorsorge seien defizitär.

Mit seiner Klage (BVerwG 7 A 8.19) begehrt der Antragsteller die Aufhebung, hilfsweise die Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses, weiter hilfsweise dessen Ergänzung um Schutzauflagen zum Rettungskonzept und zur Rettungsvorsorge.

II

1. Der Antrag ist zulässig.

1.1. Das Bundesverwaltungsgericht ist als Gericht der Hauptsache nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO i.V.m. lfd. Nr. 7 der Anlage 1 zu § 18e Abs. 1 AEG für die Entscheidung über den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Klage gemäß § 80a Abs. 3 , § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zuständig. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss ist nach § 18e Abs. 2 Satz 1 AEG kraft Gesetzes sofort vollziehbar. Für das Vorhaben ist nach § 1 des Gesetzes über den Ausbau der Schienenwege des Bundes (Bundesschienenwegeausbaugesetz - BSWAG) vom 15. November 1993 (BGBl. I S. 1874 ), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3221 ), in Verbindung mit Abschnitt 1 lfd. Nr. 28 der Anlage zu § 1 BSWAG der vordringliche Bedarf festgestellt.

1.2. Der Antragsteller ist antragsbefugt. Nach ständiger Rechtsprechung reicht es für die Annahme einer Klage- bzw. Antragsbefugnis aus, wenn eine Betroffenheit in abwägungsrelevanten Belangen nicht von vornherein nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen werden kann (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 28. November 2017 - 7 A 17.12 - BVerwGE 161, 17 Rn. 16 m.w.N.). Jedenfalls im Hinblick auf die Lärmbetroffenheit des Antragstellers ist eine Antragsbefugnis hiernach gegeben.

2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet.

2.1. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den nach § 18e Abs. 2 Satz 1 AEG sofort vollziehbaren Planfeststellungsbeschluss anordnen.

In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht auf der Grundlage einer eigenen Abwägung der widerstreitenden Vollzugs- und Suspensivinteressen. Wesentliches Element dieser Interessenabwägung ist die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, die dem Charakter des Eilverfahrens entsprechend nur aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erfolgen kann. Ist es - wegen der besonderen Dringlichkeit einer alsbaldigen Entscheidung oder wegen der Komplexität der Sach- und Rechtsfragen - nicht möglich, die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache wenigstens summarisch zu beurteilen, so sind allein die einander gegenüberstehenden Interessen unter Berücksichtigung der mit der Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einerseits und deren Ablehnung andererseits verbundenen Folgen zu gewichten (vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 2015 - 7 VR 6.14 - NVwZ-RR 2015, 250 Rn. 8 m.w.N.).

Im Rahmen einer Abwägung von Vollzugs- und Suspensivinteresse ist schließlich auch zu berücksichtigen, dass dem Vollzugsinteresse bereits durch den gesetzlich angeordneten Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage nach § 18e Abs. 2 Satz 1 AEG erhebliches Gewicht zukommt (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 14. April 2005 - 4 VR 1005.04 - BVerwGE 123, 241 <244>, vom 6. März 2014 - 9 VR 1.14 - juris Rn. 7 und vom 5. Juli 2018 - 9 VR 1.18 - NVwZ 2018, 1653 Rn. 10). Eine längere Dauer des vorangegangenen Planfeststellungsverfahrens schmälert das Gewicht dieses Vollzugsinteresses nicht.

2.2. Vorliegend ergibt diese Interessenabwägung, dass wegen der fehlenden Erfolgsaussichten des in der Hauptsache verfolgten Haupt- und ersten Hilfsantrags das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin und der Beigeladenen das Suspensivinteresse des Antragstellers überwiegt. Schon nach einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage wird der Antragsteller weder die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses noch die Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit verlangen können.

Die Rügebefugnis des als Anwohner nur mittelbar betroffenen Antragstellers ist eingeschränkt und bezieht sich auf die ordnungsgemäße Abwägung seiner eigenen Belange (vgl. § 18 Abs. 1 Satz 2 AEG ) wie die Beeinträchtigung durch Lärm oder eine etwaige Gefährdung seiner persönlichen Sicherheit (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2015 - 7 C 11.12 - BVerwGE 151, 213 Rn. 44 m.w.N.). Auf Belange der Allgemeinheit - wie Verkehrsbehinderungen, die Beeinträchtigung des Stadtbilds, der Wohnqualität im Quartier allgemein oder die öffentliche Sicherheit - kann sich der Antragsteller demgegenüber nicht berufen.

Der Schutz des Antragstellers vor Immissionen, insbesondere Lärmeinwirkungen, und die Gewährleistung seiner Sicherheitsbelange kann - sollten sich im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung im Hauptsacheverfahren insoweit Defizite ergeben - jedoch durch eine Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses um Schutzauflagen bewältigt werden. Die fachplanerische Abwägung wird hierdurch nicht insgesamt infrage gestellt, so dass es zur Wahrung der Rechtsposition des Antragstellers einer Aufhebung oder Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses nicht bedarf (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Dezember 2014 - 7 VR 5.14 - juris Rn. 12 und 18).

Zudem soll die Entscheidung des Senats in der Hauptsache vor Ablauf des Jahres 2020 und mithin während der laufenden Ausbaumaßnahmen erfolgen, so dass dem planfestgestellten Ausbau zuzurechnende betriebsbedingte Beeinträchtigungen des Antragstellers vor einer Entscheidung über seine Klage auch aus diesem Grund nicht zu erwarten sind. Eine Stellungnahme des Antragstellers zum Schriftsatz der Beigeladenen vom 28. November 2019 war nicht abzuwarten. Auf die Darlegungen der Beigeladenen im Schriftsatz vom 28. November 2019 kam es für diese Eilentscheidung nicht an.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO . Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG .