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BVerwG - Entscheidung vom 10.10.2019

3 C 16.17

Normen:
HeilprG § 1 Abs. 2
HeilprG § 2 Abs. 1

BVerwG, Urteil vom 10.10.2019 - Aktenzeichen 3 C 16.17

DRsp Nr. 2020/3420

Streit um eine auf den Bereich der Osteopathie beschränkte - sektorale - Heilpraktikererlaubnis; Einordnung der eigenverantwortlichen osteopathischen Heiltätigkeit als Ausübung der Heilkunde; Fehlen der für die Erteilung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis erforderlichen Ausdifferenziertheit und Abgrenzbarkeit des Tätigkeitssektors der Osteopathie

Die für die Erteilung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis erforderliche Ausdifferenziertheit und Abgrenzbarkeit des Tätigkeitssektors ist gegeben, wenn sich der Umfang der erlaubten Heiltätigkeit klar bestimmen und von anderen Bereichen der Heilkundeausübung abgrenzen lässt. Dies trifft im Moment auf den Bereich der Osteopathie nicht zu.

Normenkette:

HeilprG § 1 Abs. 2 ; HeilprG § 2 Abs. 1 ;

[Tatbestand]

Der Kläger begehrt von dem beklagten Land eine auf den Bereich der Osteopathie beschränkte - sektorale - Heilpraktikererlaubnis.

Zur Begründung seines im März 2015 gestellten Erlaubnisantrages führte er aus, er habe in den vergangenen fünf Jahren auf Verordnung durch einen Arzt oder Heilpraktiker osteopathische Behandlungen durchgeführt. Zukünftig wolle er diese Tätigkeit selbstständig ohne ärztliche Verordnung ausüben. Er besitze einen Abschluss als Physiotherapeut sowie in Manueller Therapie und habe eine sechsjährige Zusatzausbildung zum Osteopathen absolviert. Zudem verfüge er über einen Studienabschluss in Osteopathie. Aufgrund seiner beruflichen Ausbildung und Tätigkeit sehe er sich als qualifiziert an, eine Diagnose im Rahmen der Osteopathie zu stellen.

Das Landratsamt Heilbronn lehnte den Antrag mit Bescheid vom 13. April 2015 ab. Das Heilpraktikergesetz ( HeilprG ) kenne nur die einheitliche Berufsbezeichnung "Heilpraktiker/in". Die Verwaltungsvorschrift des Landes zur Durchführung des Heilpraktikergesetzes sehe die ausnahmsweise Erteilung einer sektoralen Erlaubnis nur für die Gebiete der Psychotherapie, Physiotherapie und Podologie vor. Den dagegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies das Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg im Regierungspräsidium Stuttgart mit Widerspruchsbescheid vom 17. November 2015 zurück. Die Osteopathie sei in Deutschland nicht gesetzlich geregelt und habe kein eigenständiges Berufsbild. Damit sei auch ihr Tätigkeitsumfang nicht hinreichend definiert und abgrenzbar. Nach ihrem Selbstverständnis gehe die Osteopathie von einem ganzheitlichen Behandlungsansatz aus und könne bei einer Vielzahl von gesundheitlichen Beschwerden und in praktisch allen medizinischen Fachbereichen Anwendung finden. Aufgrund ihres breit gefächerten Einsatzes sei eine klare Abgrenzung wie bei der Physiotherapie oder Podologie wirklichkeitsfern. Die osteopathische Ausbildung sei derzeit nicht einheitlich geregelt. Es gebe diverse Berufsverbände, die unterschiedliche Voraussetzungen für die Mitgliedschaft aufstellten. Die Anforderungen variierten zwischen 300 und 1 350 Stunden in der Weiterbildung.

Die dagegen erhobene Klage mit dem Antrag, die Bescheide aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger die Heilpraktikererlaubnis beschränkt auf den Bereich der Osteopathie und ohne Kenntnisüberprüfung zu erteilen, hat das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Urteil vom 26. Januar 2017 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die begehrte Erlaubnis. Die von ihm beabsichtigte Anwendung osteopathischer Behandlungsmethoden ohne ärztliche Verordnung sei zwar eine erlaubnispflichtige heilkundliche Tätigkeit im Sinne des Heilpraktikergesetzes . Die Osteopathie erfülle aber nicht die Voraussetzungen für eine sektorale Heilpraktikererlaubnis, da sie nicht hinreichend ausdifferenziert und abgrenzbar sei. Um von anderen heilkundlichen Gebieten abgrenzbar zu sein, bedürfe es einer verbindlichen Festlegung auf einheitliche Inhalte der Tätigkeit. Es müsse klar sein, was Osteopathie sei, welche Behandlungsmethoden und -formen sie umfasse, zur Behandlung welcher Krankheiten sie eingesetzt werde und wo ihre Grenzen lägen. Diese Festlegung müsse für alle Anwender verpflichtend sein und bundesweit gelten. Daran fehle es hier. Es existiere für den Bereich der Osteopathie bislang kein normativer Rahmen, der den Tätigkeitsumfang definiere. Ob sich die erforderliche einheitliche und verbindliche Festlegung des Tätigkeitsbereichs auch aus der Vorgabe von Standards durch die Berufsverbände ergeben könne, bedürfe keiner abschließenden Entscheidung. Es gebe (derzeit) keine allgemeinverbindlichen Standards. Es existiere noch nicht einmal eine einheitliche Definition der Osteopathie, die allgemein anerkannt und verbindlich wäre.

Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Sprungrevision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend: Das angefochtene Urteil verstoße gegen § 1 Abs. 1 HeilprG i.V.m. § 2 Abs. 1 der Ersten Durchführungsverordnung zu diesem Gesetz. Es habe die Abgrenzbarkeit der Osteopathie zu Unrecht verneint. Dass es kein gesetzlich fixiertes Berufsbild und keine staatlich geregelte Ausbildungs- und Prüfungsordnung gebe, sei unschädlich. Auch die Chiropraktik sei nicht staatlich geregelt. Gleichwohl hätten mehrere Verwaltungsgerichte ihre hinreichende Abgrenzbarkeit bejaht. Betrachte man die Ausbildungsangebote für Osteopathie und die Anforderungen der Berufsverbände, ergebe sich hinsichtlich der Ausbildungsinhalte ein einheitliches Bild. Danach bestehe auch eine ausreichende Abgrenzungsmöglichkeit zu anderen Therapieformen. Das Verwaltungsgericht habe zudem die Bedeutung der Weiterbildungs- und Prüfungsordnung für Osteopathie des Landes Hessen verkannt. Die Regelung setze voraus, dass der Verordnungsgeber die Osteopathie für hinreichend abgrenzbar halte. Gegen das Erfordernis eines Berufsgesetzes spreche auch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur sektoralen Heilpraktikererlaubnis für den Bereich der Psychotherapie. Als die Entscheidung ergangen sei, habe es noch kein Psychotherapeutengesetz gegeben. Eine normative Grundlage sei für die Abgrenzung zwar hilfreich. Fehle sie, könnten aber andere Kriterien herangezogen werden, wie beispielsweise die Vorgaben der Berufsverbände. Im Übrigen entspreche eine Abgrenzung anhand gesetzlich fixierter Ausbildungen nicht dem Heilpraktikergesetz . Es erfasse ein heilkundliches Berufsfeld, ohne nach Aus- und Vorbildung oder fest umrissenen Berufsbildern zu differenzieren. Dem Gesichtspunkt der Kostenübernahme osteopathischer Behandlungsleistungen durch die Krankenkassen habe das Verwaltungsgericht nicht die richtige Bedeutung beigemessen. Das Gleiche gelte hinsichtlich der von den Berufsverbänden festgelegten Standards für die osteopathische Tätigkeit, die sich inhaltlich glichen. Das Verwaltungsgericht habe außerdem gegen den Grundsatz der Amtsermittlung verstoßen, weil es zu der Frage, was Osteopathie sei und wie die Tätigkeit von anderen Bereichen abzugrenzen sei, kein Sachverständigengutachten eingeholt habe.

Der Beklagte tritt der Revision entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil.

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht teilt die Rechtsauffassung des Beklagten. Es bestünden grundlegende Bedenken, die Rechtsprechung zur sektoralen Heilpraktikererlaubnis für das Gebiet der Physiotherapie auf andere Bereiche zu übertragen. Darüber hinaus lägen die in der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen für eine Teilbarkeit der Heilpraktikererlaubnis hier nicht vor, weil das Gebiet der Osteopathie nicht hinreichend ausdifferenziert und abgrenzbar sei. In Übereinstimmung mit dem Bundesministerium für Gesundheit sei anzumerken, dass die Grenzen zulässiger Gesetzesauslegung überschritten würden, wenn eine sektorale Erlaubnis für ein Gebiet anerkannt würde, für das der Gesetzgeber bewusst keine berufsrechtliche Regelung getroffen habe.

[Entscheidungsgründe]

Die zulässige Sprungrevision des Klägers ist unbegründet. Das angefochtene Urteil beruht nicht auf der Verletzung revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO ). Das Verwaltungsgericht hat ohne Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, dass der Kläger keine auf den Bereich der Osteopathie beschränkte Heilpraktikererlaubnis beanspruchen kann.

Anspruchsgrundlage für sein Begehren sind § 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 des Gesetzes über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung ( Heilpraktikergesetz - HeilprG ) vom 17. Februar 1939 (in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 2122-2, veröffentlichten bereinigten Fassung) in Verbindung mit der Ersten Durchführungsverordnung zum Heilpraktikergesetz (1. DVO- HeilprG ) vom 18. Februar 1939 (in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 2122-2-1, veröffentlichten bereinigten Fassung), jeweils zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3191 , 3219 ). Danach bedarf der Erlaubnis, wer die Heilkunde ausüben will, ohne als Arzt bestallt zu sein. Auf die Erteilung der Erlaubnis besteht ein Rechtsanspruch, wenn kein - rechtsstaatlich unbedenklicher - Versagungsgrund nach § 2 Abs. 1 Satz 1 der 1. DVO- HeilprG eingreift (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 13. Dezember 2012 - 3 C 26.11 - BVerwGE 145, 275 Rn. 11 und vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - BVerwGE 134, 345 Rn. 9 m.w.N.). Eine sektorale Erlaubnis ist nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig (BVerwG, Urteil vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - BVerwGE 134, 345 Rn. 18 m.w.N.). Danach hat der Kläger keinen Anspruch auf die beantragte Erlaubnis. Zwar ist die von ihm beabsichtigte Anwendung osteopathischer Behandlungsmethoden ohne ärztliche Verordnung eine heilkundliche Tätigkeit, die ohne Erlaubnis nicht ausgeübt werden darf (1.). Jedoch liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer sektoral beschränkten Heilpraktikererlaubnis in Bezug auf das Gebiet der Osteopathie nicht vor (2.).

1. Ausübung der Heilkunde nach § 1 Abs. 2 HeilprG ist jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden beim Menschen. Wegen der mit dem Erlaubniszwang verbundenen Beschränkung der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG fallen darunter nur solche Heilbehandlungen, die heilkundliche Fachkenntnisse erfordern und gesundheitliche Schäden verursachen können, wobei ein nur geringfügiges Gefährdungspotential nicht ausreicht (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 26. August 2010 - 3 C 28.09 - Buchholz 418.04 Heilpraktiker Nr. 25 Rn. 18 m.w.N.).

Die eigenverantwortliche Anwendung osteopathischer Methoden zur Krankenbehandlung ist danach Ausübung der Heilkunde. Sie setzt nach den bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO ) heilkundliche Fachkenntnisse voraus und kann auch nennenswerte gesundheitliche Schäden verursachen. Es bedarf einer umfassenden Untersuchung und Differentialdiagnose, um insbesondere bei Patienten mit einer vorgeschädigten Struktur Komplikationen durch die osteopathische Befunderhebung und Therapie zu vermeiden. Diese unmittelbare Gesundheitsgefährdung begründet bereits die Einordnung der eigenverantwortlichen osteopathischen Heiltätigkeit als Ausübung der Heilkunde im Sinne von § 1 Abs. 2 HeilprG . Es kommt deshalb nicht darauf an, ob von der Tätigkeit auch eine nennenswerte mittelbare Gefährdung ausgeht (BVerwG, Urteile vom 26. August 2010 - 3 C 28.09 - Buchholz 418.04 Heilpraktiker Nr. 25 Rn. 18 und 28 ff. und vom 10. Oktober 2019 - 3 C 10.17 [ECLI:DE:BVerwG:2019:101019U3C10.17.0] -).

2. Das Verwaltungsgericht hat auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen auch zu Recht angenommen, dass dem Kläger keine auf den Bereich der Osteopathie beschränkte Heilpraktikererlaubnis erteilt werden kann.

a) In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass die Heilpraktikererlaubnis teilbar ist. Das Heilpraktikergesetz enthält weder dem Wortlaut nach noch nach seinem Sinn und Zweck ein Verbot der Erteilung einer inhaltlich beschränkten Erlaubnis. Seit Inkrafttreten des vorkonstitutionellen Gesetzes haben sich die Berufsbilder auf dem Sektor der Gesundheitsberufe in damals nicht vorhersehbarer Weise ausdifferenziert. Die Vorschriften des Heilpraktikergesetzes müssen daher im Lichte der Freiheit der Berufswahl aus Art. 12 Abs. 1 GG durch Auslegung an die gegenwärtigen Gegebenheiten angepasst werden. Danach ist eine uneingeschränkte Heilpraktikererlaubnis mit der Folge einer umfassenden Kenntnisüberprüfung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Buchst. i der 1. DVO- HeilprG zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und der Patienten nicht erforderlich und deshalb unverhältnismäßig, wenn ein Antragsteller die Heilkunde nur auf einem abgrenzbaren Gebiet ausüben will, dessen Tätigkeitsumfang hinreichend ausdifferenziert ist. In einem solchen Fall reicht es aus, eine auf dieses Gebiet beschränkte Erlaubnis zuzusprechen, solange sichergestellt ist, dass der Antragsteller die Grenzen seines Könnens kennt und beachtet. Dies hat der Senat für die Bereiche der Psychotherapie (BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1993 - 3 C 34.90 - BVerwGE 91, 356 <361>) und der Physiotherapie bereits entschieden (BVerwG, Urteil vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - BVerwGE 134, 345 Rn. 18).

Die durch Gesetz vom 23. Dezember 2016 vorgenommenen Änderungen des Heilpraktikerrechts führen zu keiner anderen Beurteilung. Die Anerkennung sektoraler Beschränkungen der Heilpraktikererlaubnis beruht darauf, dass im Bereich der Gesundheitsberufe durch den Gesetzgeber einerseits Berufsbilder mit erheblichen Qualifikationsanforderungen festgelegt werden und andererseits über das Heilpraktikergesetz die Möglichkeit aufrechterhalten bleibt, allein aufgrund einer Kenntnisüberprüfung durch das Gesundheitsamt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Buchst. i der 1. DVO- HeilprG ) eigenverantwortlich Patienten zu behandeln. Darin liegt eine systematische Unstimmigkeit, die sich dadurch jedenfalls abmildern lässt, dass der Zugang zu abgrenzbaren heilkundlichen Betätigungsfeldern durch entsprechend beschränkte Heilpraktikererlaubnisse eröffnet wird (BVerwG, Urteil vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - BVerwGE 134, 345 Rn. 20). Die Änderungen des Heilpraktikergesetzes und der Ersten Durchführungsverordnung durch Art. 17e und 17f des Dritten Pflegestärkungsgesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3191 , 3219 ) haben an dieser systematischen Unstimmigkeit nichts Grundlegendes geändert. Der neu gefasste § 2 Abs. 1 Satz 1 Buchst. i der 1. DVO- HeilprG sieht wie bisher eine Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Antragstellers durch das Gesundheitsamt vor, um festzustellen, ob die Ausübung der Heilkunde durch den Betreffenden eine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung bedeuten würde. Neu ist der Zusatz, dass die Überprüfung auf der Grundlage von Leitlinien zur Überprüfung von Heilpraktikeranwärtern durchzuführen ist. Zudem ist die Regelung dahingehend ergänzt worden, dass bei der Gefahrenabwehrprüfung auch die einzelnen Patientinnen und Patienten, die den Heilpraktiker aufsuchen, in den Blick zu nehmen sind (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zum Entwurf des Dritten Pflegestärkungsgesetzes, BT-Drs. 18/10510 S. 142). Das Bundesministerium für Gesundheit hat gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 der 1. DVO- HeilprG unter dem 7. Dezember 2017 die Heilpraktikerüberprüfungsleitlinien bekannt gemacht, die zum 22. März 2018 in Kraft getreten sind (BAnz AT 22.12.2017 B5). Dabei handelt es sich um eine Weiterentwicklung der Leitlinien für die Überprüfung von Heilpraktikeranwärtern, die das Ministerium im September 1992 veröffentlicht hatte und die seither als Grundlage der Kenntnisüberprüfung dienten (BT-Drs. 18/10510 S. 141 f.; Leitlinien vom 7. Dezember 2017, Präambel). Die Neufassung des § 2 Abs. 1 der 1. DVO- HeilprG wird flankiert durch eine Änderung des § 2 Abs. 1 HeilprG (vgl. BT-Drs. 18/10510 S. 141 f.). Danach ist der Rechtscharakter der Kenntnisüberprüfung unverändert geblieben. Sie fragt weiterhin keinen bestimmten Ausbildungsstand ab, sondern dient der Abwehr von Gefahren im konkreten Einzelfall (BVerwG, Urteil vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - BVerwGE 134, 345 Rn. 22 m.w.N.). Entsprechend orientieren sich auch die Heilpraktikerüberprüfungsleitlinien vom 7. Dezember 2017 am Ziel der Gefahrenabwehr. Sie sollen die Feststellung ermöglichen, ob der Antragsteller die Grenzen seiner Kenntnisse und Fähigkeiten zuverlässig einschätzt, sich der Gefahren bei Überschreitung dieser Grenzen bewusst sowie bereit ist, sein Handeln angemessen daran auszurichten (vgl. Leitlinien vom 7. Dezember 2017, Absatz 5 der Präambel).

b) Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass die Voraussetzungen für eine auf den Bereich der Osteopathie beschränkte Heilpraktikererlaubnis nicht vorliegen, weil er nicht hinreichend ausdifferenziert und abgrenzbar ist. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

aa) Die für die Erteilung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis erforderliche Ausdifferenziertheit und Abgrenzbarkeit des beantragten Tätigkeitssektors ist gegeben, wenn sich der Umfang der erlaubten Heiltätigkeit klar bestimmen und von anderen Bereichen der Heilkundeausübung abgrenzen lässt. In der Praxis dürfen keine Unklarheiten darüber bestehen, ob eine konkrete Behandlungsmaßnahme zu dem betreffenden Tätigkeitsgebiet zählt oder nicht (BVerwG, Urteil vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - BVerwGE 134, 345 Rn. 19). Es muss eindeutig sein, welche Behandlungsmethoden und Therapieformen von dem Gebiet umfasst werden und zur Behandlung welcher Krankheiten, Leiden und Beschwerden sie eingesetzt werden. Die Zuerkennung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis ist daher nur möglich, soweit sich auf dem Gebiet der Heilkunde ein eigenständiges und abgrenzbares Berufsbild herausgebildet hat (BVerwG, Urteil vom 28. April 2010 - 3 C 22.09 - BVerwGE 137, 1 Rn. 14).

bb) Im Unterschied zu den Gesundheitsfachberufen des Physiotherapeuten (BVerwG, Urteil vom 26. August 2009 - 3 C 19.08 - BVerwGE 134, 345 Rn. 19) und des Logopäden (BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2019 - 3 C 8.17 [ECLI:DE:BVerwG:2019:101019U3C8.17.0] -) ist das Berufsbild des Osteopathen bislang nicht gesetzlich festgelegt. Es gibt kein entsprechendes Berufsgesetz, das das Führen der Berufsbezeichnung "Osteopathin/Osteopath" regelt, und keine gesetzliche Ausgestaltung der Ausbildung zum Osteopathen. Damit fehlt ein normativer Rahmen, anhand dessen sich der Tätigkeitsumfang der Osteopathie bestimmen und von anderen Behandlungsmethoden und Therapieformen abgrenzen ließe.

Die hessische Verordnung einer Weiterbildungs- und Prüfungsordnung im Bereich der Osteopathie ( WPO -Osteo) vom 4. November 2008 (GVBl. I S. 949) i.d.F. der Verordnung vom 23. Juli 2013 (GVBl. S. 526) führt zu keiner anderen rechtlichen Bewertung. Die Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen ist gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung, von der der Bundesgesetzgeber unter anderem durch die Gesetze über die Berufe in der Physiotherapie und über den Beruf des Logopäden Gebrauch gemacht hat. Regelungen über die Weiterbildung der ärztlichen und anderen Heilberufe (einschließlich der Gesundheitsfachberufe) fallen demgegenüber als Berufsausübungsregeln in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder nach Art. 70 GG (BVerwG, Beschluss vom 20. November 2009 - 3 BN 1.09 - juris Rn. 3). Danach wird durch die hessische Verordnung kein Berufsbild für das Gebiet der Osteopathie geschaffen, sondern lediglich eine Weiterbildung für Personen geregelt, die eine Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 des Masseur- und Physiotherapeutengesetzes oder nach § 1 HeilprG besitzen (vgl. § 1 Abs. 1 WPO -Osteo; VGH Kassel, Urteil vom 18. Juni 2009 - 3 C 2604/08.N [ECLI:DE:VGHHE:2009:0618.3C2604.08.N.0A] - juris Rn. 22). Abgesehen davon ist die Verordnung mit Ausnahme einer Übergangs- und Überleitungsvorschrift mit Wirkung vom 1. Januar 2019 aufgehoben worden (vgl. Zweite Verordnung zur Änderung der Verordnung einer Weiterbildungs- und Prüfungsordnung im Bereich der Osteopathie vom 13. August 2018, GVBl. S. 372).

cc) Anders als bei der Physiotherapie und der Logopädie handelt es sich bei der Osteopathie auch nicht um ein gesetzlich vorgesehenes und durch Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses vorgegebenes Heilmittel in der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. § 124 Abs. 1 SGB V , § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 , Abs. 6 SGB V i.V.m. § 2 Abs. 1 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Heilmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung <Heilmittel-Richtlinie/HeilM-RL> i.d.F. vom 19. Mai 2011 <BAnz Nr. 96 S. 2247>, zuletzt geändert am 21. September 2017 <BAnz AT 23.11.2017 B1>). Soweit die Kosten für osteopathische Leistungen von einer Krankenkasse nach deren Satzungsrecht auf freiwilliger Basis übernommen werden, genügt dies - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - nicht, um eine hinreichende Ausdifferenziertheit und Abgrenzbarkeit der Osteopathie zu bejahen.

dd) Es kann hier dahingestellt bleiben, ob die für die Erteilung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis erforderliche Ausdifferenziertheit und Abgrenzbarkeit des betreffenden Gebiets der Heilkundeausübung auch ohne ein gesetzlich fixiertes Berufsbild gegeben sein kann.

Die Zuerkennung einer sektoralen Erlaubnis beruht - wie schon ausgeführt - darauf, dass sie eine systematische Unstimmigkeit abmildert, die sich ergibt, weil einerseits Berufsbilder mit erheblichen Qualifikationsanforderungen geschaffen werden und andererseits über das Heilpraktikergesetz die Möglichkeit einer eigenverantwortlichen Heilbehandlung allein aufgrund einer Kenntnisüberprüfung aufrechterhalten bleibt. Dem entspricht, die Zuerkennung einer sektoralen Erlaubnis an die Voraussetzung zu knüpfen, dass für den fraglichen Sektor ein gesetzlich bestimmtes Berufsbild vorliegt (VGH Mannheim, Urteil vom 24. Juli 2019 - 9 S. 1460/18 [ECLI:DE:VGHBW:2019:0724.9S1460.18.00] - Sasse, GesR 2013, 641 <646>).

Allerdings ist der Schutz der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht auf gesetzlich festgelegte Berufsbilder beschränkt. Er erfasst auch traditionell fixierte Berufsbilder sowie Berufe, die aufgrund einer fortschreitenden technischen, sozialen oder wirtschaftlichen Entwicklung neu entstanden sind (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - BVerfGE 145, 20 Rn. 120 m.w.N.). Die Anerkennung eines Berufs hängt nicht davon ab, dass der Gesetzgeber bereits ein Berufsbild entwickelt hat (BVerfG, Beschluss vom 29. Oktober 1997 - 1 BvR 780/87 - BVerfGE 97, 12 <33 f.>). Dieser ist im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 GG befugt, Berufsbilder zu fixieren und dabei den Umfang der beruflichen Tätigkeit in bestimmter Weise festzuschreiben (BVerwG, Urteil vom 28. April 2010 - 3 C 22.09 - BVerwGE 137, 1 Rn. 13 m.w.N.). Er verfügt über einen weiten Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum, ob er von dieser Befugnis Gebrauch macht oder von einer Normierung absieht. Eine gesetzliche Berufsbildbestimmung mit der Festlegung berufsrechtlicher Zugangsvoraussetzungen greift in die Berufsfreiheit ein. Das Bundesverfassungsgericht hat daher ein Recht auf "strengere" Berufszulassungsvorschriften im Grundsatz verneint (BVerfG, Beschluss vom 10. Mai 1988 - 1 BvR 482/84 u.a. - BVerfGE 78, 179 <193, 195 f.>). Dieser verfassungsrechtliche Rahmen könnte einem generellen Ausschluss nicht gesetzlich fixierter Berufsbilder von der Zuerkennung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis entgegenstehen (VG München, Urteil vom 18. Januar 2018 - M 27 K 17.693 [ECLI:DE:VGMUENC:2018:0118.M27K17.693.00] - juris Rn. 30; VG Frankfurt a.M., Urteil vom 27. Mai 2014 - 4 K 2714/12.F [ECLI:DE:VGFFM:2014:0527.4K2714.12.F.0A] - juris Rn. 27 f.).

Die Frage bedarf keiner abschließenden Klärung. Auch wenn die Zuerkennung einer sektoralen Erlaubnis kein gesetzlich fixiertes Berufsbild voraussetzen sollte, muss sich der Umfang der erlaubten Tätigkeit jedenfalls anhand eines in vergleichbarer Weise fest umrissenen, abgrenzbaren Berufsbildes bestimmen lassen können. Das ist hier nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts für den Bereich der Osteopathie nicht der Fall. Es gibt keine einheitliche Definition der Osteopathie, die allgemein anerkannt und verbindlich ist. Auch fehlt es an einheitlichen Vorgaben für die Ausbildung zum Osteopathen. Die Feststellungen sind für das Revisionsverfahren bindend (§ 137 Abs. 2 VwGO ). Auf die geltend gemachten Verfahrensmängel kann die Sprungrevision nicht gestützt werden (§ 134 Abs. 4 VwGO ).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO .

Vorinstanz: VG Stuttgart, vom 26.01.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 4 K 5923/15