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BVerwG - Entscheidung vom 26.09.2019

1 WB 25.18

Normen:
WBO § 6 Abs. 1
WBO § 17 Abs. 1 S. 1
EltZSoldV § 1 Abs. 4

BVerwG, Beschluss vom 26.09.2019 - Aktenzeichen 1 WB 25.18

DRsp Nr. 2020/3102

Streit um die rückwirkende Aufhebung von Elternzeit eines Soldaten; Keine Rechtsverletzung durch den Ausschluss einer rückwirkenden Änderung bereits bewilligter und abgelaufener Elternzeit; Beginn der Beschwerdefrist nach § 6 Abs. 1 WBO ; Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung

1. Aufgrund von § 1 Abs. 4 EltZSoldV ist eine rückwirkende Änderung bereits bewilligter und abgelaufener Elternzeit ausgeschlossen.2. Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung im Sinne des § 17 Abs. 1 S. 1 WBO (hier i.V.m. § 21 Abs. 2 S. 1 WBO ) ist die inhaltliche Identität zwischen dem Gegenstand des gerichtlichen Antragsverfahrens und dem des vorgerichtlichen Beschwerdeverfahrens.

Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Normenkette:

WBO § 6 Abs. 1 ; WBO § 17 Abs. 1 S. 1; EltZSoldV § 1 Abs. 4 ;

Gründe

I

Der Antrag betrifft die rückwirkende Aufhebung von Elternzeit.

Der Antragsteller ist Berufssoldat und Stabsfeldwebel. Er ist verheiratet und Vater von drei Kindern.

Zur Betreuung seines am 30. Juni 2016 geborenen Sohnes war dem Antragsteller für zwei Monate Elternzeit gewährt worden: Mit Bescheid vom 26. Juli 2016 war ihm für den Zeitraum vom 30. Juli 2016 bis zum 29. August 2016 Elternzeit bewilligt worden. Zudem hatte er durch Bescheid vom 17. Oktober 2016 und Änderungsbescheid vom 19. Dezember 2016 für den weiteren Zeitraum vom 30. Juli 2017 bis einschließlich 29. August 2017 Elternzeit erhalten.

Ein im Juli 2017 beantragter Widerruf der Elternzeit für den Zeitraum im Jahr 2017 ist antragsgemäß mit Bescheid vom 24. Juli 2017, dem Antragsteller ausgehändigt am 22. August 2017, erfolgt. Der Antragsteller hatte den Antrag auf Widerruf der Elternzeit damit begründet, dass er wegen einer Verletzung und einer anstehenden Operation nicht in der Lage sei, die Kinderbetreuung zu übernehmen.

Daraufhin forderte der Landkreis im August 2017 das dem Antragsteller für die Betreuung des Kindes im Jahr 2016 gezahlte Elterngeld zurück. Elterngeld werde nur gewährt, wenn mindestens zwei Monate Elternzeit genutzt würden. Nunmehr beantragte der Antragsteller im November 2017 und Februar 2018 auch für den Zeitraum 30. Juli bis 29. August 2016 den Widerruf der genehmigten Elternzeit. Der Antragsteller hoffte, auf diese Weise anstelle des zurückgeforderten Elterngeldes nachträglich noch Dienstbezüge zu erhalten und so die finanziellen Nachteile der Rückforderung zu kompensieren. Den nicht geleisteten Dienst wollte er durch eine nachträgliche Verrechnung mit offenen Urlaubsansprüchen ausgleichen.

Diesen Antrag hat das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr mit Bescheid vom 27. März 2018 abgelehnt. Bewilligte Elternzeit könne nur vor Antritt widerrufen werden. Ein rückwirkender Widerruf sei ausgeschlossen. Der Bescheid ist dem Antragsteller am 9. April 2018 ausgehändigt worden.

Unter dem 20. Mai 2018, beim Disziplinarvorgesetzten des Antragstellers eingegangen am 22. Mai 2018, hat der Antragsteller hiergegen "Widerspruch" eingelegt. Vor der Entscheidung über den beantragten Widerruf seiner Elternzeit hätte er angehört oder auf die Auswirkungen hingewiesen werden müssen. Er führe vor dem Sozialgericht ... einen Rechtsstreit um die Rückforderung von Elterngeld für den Zeitraum 30. Juli 2016 bis 29. August 2016. Für diesen Zeitraum habe er weder Bezüge noch Lohnersatzleistungen erhalten. Die Rückzahlung des ausgezahlten Elterngeldes stelle für die Familie eine finanzielle Belastung dar. Die Klage gegen die Rückforderung des Elterngeldes habe nur geringe Erfolgsaussichten. Dagegen sei die beantragte Aufhebung der Elternzeit aufgrund der Fürsorgepflicht durchführbar.

Das Bundesministerium der Verteidigung hat den Rechtsbehelf des Antragstellers mit Beschwerdebescheid vom 27. Juli 2018, dem Antragsteller am 6. August 2018 ausgehändigt, als verfristet zurückgewiesen. Die Beschwerde vom 20. Mai 2018 sei erst nach Ablauf der Monatsfrist am 9. Mai 2018 verfasst worden. Umstände, die eine fristgerechte Beschwerdeeinlegung unmöglich gemacht hätten, gebe es nicht. Insbesondere habe der Bescheid keiner Rechtsbehelfsbelehrung bedurft. Es gebe auch keinen Anlass für dienstaufsichtliches Einschreiten.

Hiergegen hat der Antragsteller mit Schreiben vom 18. August 2018 die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt. Das Bundesministerium der Verteidigung hat den Antrag mit seiner Stellungnahme vom 29. August 2018 dem Senat vorgelegt.

Der Antragsteller hat keinen Sachantrag formuliert, hält an seinem Rechtsbehelf vom 20. Mai 2018 aber fest. Er verweist auf den vorgelegten Schriftverkehr mit dem Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr sowie seinen Vortrag im sozialgerichtlichen Verfahren. Seine Klage gegen die Rückforderung des Elterngeldes sei durch Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 11. April 2019 abgewiesen worden. Er leite aus Nr. 227 ZDv A-1420/29 und der Fürsorgepflicht die Pflicht des Dienstherrn ab, ihn über die Folgen eines Widerrufs der Elternzeit zu informieren. Nach einem Hinweis des Landkreises hätte er wegen seiner Erkrankung keinen Antrag auf Aufhebung der Elternzeit stellen müssen. Elterngeld hätte unter Anrechnung eines möglichen Krankengeldbezuges gezahlt werden können. Dies hätte ihm bereits das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr mitteilen müssen. Er wolle den ablehnenden Bescheid des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 27. März 2018 erneut prüfen lassen.

Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung sei unzulässig und wegen der verfristeten Einlegung der Beschwerde unbegründet. Der Widerrufsbescheid des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 24. Juli 2017 sei ebenfalls bestandskräftig geworden und könne wegen der Unzulässigkeit einer Antragsänderung auch nicht mehr Gegenstand dieses Verfahrens werden.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.

1. Der Antragsteller hat lediglich den prozessualen Antrag auf Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gestellt, ohne einen konkreten Sachantrag zu formulieren. Sein Rechtsschutzbegehren ist daher im Lichte seines Sachvortrages auszulegen (§ 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i.V.m. § 86 Abs. 3 VwGO ).

Hiernach verfolgt der Antragsteller in erster Linie seinen Antrag auf Widerruf der 2016 zur Betreuung seines 2016 geborenen Sohnes absolvierten Elternzeit weiter. Mithin ist seinem Vorbringen der Hauptantrag zu entnehmen, das Bundesministerium der Verteidigung unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 27. März 2018 und des Beschwerdebescheides vom 27. Juli 2018 zu verpflichten, den beantragten Widerruf des für den Zeitraum vom 30. Juli 2016 bis zum 29. August 2016 erteilten Erziehungsurlaubes auszusprechen bzw. über seinen Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senates erneut zu entscheiden. Der Antragsteller hat im gerichtlichen Verfahren den wirtschaftlichen Hintergrund seines Antrages erläutert und ausgeführt, seiner Rechtsauffassung nach sei sein Ziel alternativ durch eine Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 24. Juli "2018" (2017) zu erreichen, mit dem dieses die Elternzeit für den Zeitraum vom 30. Juli "2018" (2017) bis zum 29. August "2018" (2017) widerrufen habe. Diesem Vortrag entnimmt der Senat den Hilfsantrag, den Bescheid des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 24. Juli 2017 aufzuheben.

2. Der Hauptantrag ist weder zulässig noch begründet.

a) Für die Streitigkeiten um die Gewährung von Elternzeit für Soldaten (§ 28 Abs. 7 SG in Verbindung mit der Verordnung über die Elternzeit für Soldatinnen und Soldaten - EltZSoldV -) ist zwar der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten eröffnet (BVerwG, Beschlüsse vom 27. April 2010 - 1 WB 14.09 - Buchholz 449 § 28 SG Nr. 8 Rn. 20 f., vom 21. Mai 2015 - 1 WB 20.14 - BVerwGE 152, 144 Rn. 14 und vom 23. Februar 2017 - 1 WB 1.16 - juris Rn. 24). Der Verpflichtungs- bzw. Bescheidungsantrag ist nach § 21 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 WBO auch statthaft.

b) Dem Antragsteller fehlt es aber an der Antragsbefugnis, weil es noch nicht einmal möglich ist, dass er den von ihm geltend gemachten Anspruch hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senates kann nämlich die vorzeitige Beendigung der Elternzeit gemäß § 1 Abs. 4 EltZSoldV nur für die Zukunft, nicht aber - wie hier verlangt - rückwirkend begehrt werden (BVerwG, Beschlüsse vom 21. Mai 2015 - 1 WB 20.14 - BVerwGE 152, 144 Rn. 28 und vom 23. Februar 2017 - 1 WB 1.16 - juris Rn. 30). Der mit § 1 Abs. 4 EltZSoldV verbundene Ausschluss einer rückwirkenden Änderung bereits bewilligter und abgelaufener Elternzeit verletzt Rechte des Antragstellers nicht. Es entspricht vielmehr einem angemessenen Interessenausgleich, wenn der Normgeber die Möglichkeit einer vorzeitigen Beendigung der grundsätzlich verbindlichen und unwiderruflichen Festlegung der Elternzeit abschließend regelt und dafür auch eine rechtzeitige Antragsfrist festlegt.

c) Der Antrag ist zudem auch unbegründet, weil der Ablehnungsbescheid vom 27. März 2018 bestandskräftig geworden ist. Er ist nämlich nicht fristgerecht mit einer Beschwerde angegriffen worden.

Nach § 6 Abs. 1 WBO darf die Beschwerde frühestens nach Ablauf einer Nacht und muss innerhalb eines Monats eingelegt werden, nachdem der Beschwerdeführer von dem Beschwerdeanlass Kenntnis erhalten hat. Kenntnis vom Beschwerdeanlass hat ein Soldat, wenn ihm die Umstände bekannt sind, aus denen sich die von ihm empfundene Beeinträchtigung ergibt (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. November 2014 - 1 WB 61.13 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 91 Rn. 32 m.w.N.). Anders als § 17 Abs. 4 Satz 1 WBO , der den Beginn der gerichtlichen Antragsfrist an die Zustellung des zurückweisenden Beschwerdebescheids knüpft, setzt § 6 Abs. 1 WBO für den Beginn der Beschwerdefrist nur die tatsächliche, positive Kenntnis vom Beschwerdeanlass voraus. Etwas anderes gilt nur, wenn - was hier nicht der Fall ist - für eine truppendienstliche Maßnahme eine bestimmte Art der Bekanntgabe durch eine spezielle gesetzliche Regelung oder durch eine Verwaltungsvorschrift vorgeschrieben ist oder in ständiger Verwaltungspraxis durchgeführt wird; dann beginnt die Frist für die Einlegung des Rechtsbehelfs erst mit dieser förmlichen Bekanntgabe zu laufen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 2013 - 1 WB 43.12 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 87 Rn. 30).

Kenntnis vom Beschwerdeanlass hatte der Antragsteller durch die Aushändigung des Ablehnungsbescheides am 9. April 2018. Die Monatsfrist für die Einlegung der Beschwerde endete demgemäß mit Ablauf des 9. Mai 2018 (§ 23a Abs. 2 Satz 1 i.V.m.§ 57 Abs. 2 VwGO , § 222 Abs. 1 ZPO und § 188 Abs. 2 BGB ). Die Frist ist mit dem erst am 20. Mai 2018 abgefassten und am 22. Mai 2018 beim Disziplinarvorgesetzten des Antragstellers eingegangenen Rechtsbehelf nicht gewahrt.

Der Fristablauf wurde nicht durch Umstände gehemmt, die im Sinne von § 7 WBO als unabwendbarer Zufall zu werten sind. Es liegt kein Fall des § 7 Abs. 2 WBO vor; der Ablehnungsbescheid bedurfte als truppendienstliche Erstmaßnahme, gegen die nicht unmittelbar der Antrag auf gerichtliche Entscheidung eröffnet ist, keiner Rechtsbehelfsbelehrung, weil die Regelungen über die Beschwerdeeinlegung als jedem Soldaten bekannt vorausgesetzt werden können (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Oktober 2015 - 1 WDS-VR 1.15 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 80 Rn. 39 m.w.N. und Beschluss vom 1. März 2018 - 1 WB 27.17 - Buchholz 11 Art. 6 GG Nr. 189 Rn. 22).

3. Auch der Hilfsantrag ist unzulässig und unbegründet.

Unzulässig ist der Hilfsantrag, weil der Bescheid vom 24. Juli 2017 vom Antragsteller nicht zuvor mit einer Beschwerde zum Bundesministerium der Verteidigung angegriffen worden ist. Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO (hier i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO ) ist die inhaltliche Identität zwischen dem Gegenstand des gerichtlichen Antragsverfahrens und dem des vorgerichtlichen Beschwerdeverfahrens ist (BVerwG, Beschlüsse vom 27. Mai 2014 - 1 WB 59.13 - Buchholz 450.1 § 23a WBO Nr. 2 Rn. 36 vom 22. Juni 2017 - 1 WB 15.17 - juris Rn. 23 und vom 28. Juni 2018 - 1 WRB 1.18 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 101 Rn. 21 ff.). § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO stellt für die Zulässigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung ausdrücklich darauf ab, dass der Beschwerdeführer die Entscheidung des Truppendienstgerichts (nur dann) beantragen kann, wenn "seine Beschwerde" eine Verletzung seiner Rechte oder eine Verletzung von Pflichten eines Vorgesetzten ihm gegenüber zum Gegenstand hat, die im Zweiten Unterabschnitt des Ersten Abschnitts des Soldatengesetzes mit Ausnahme der §§ 24 , 25 , 30 und 31 geregelt sind. Mit dieser Anordnung in § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO wird der Inhalt des vorgerichtlichen Beschwerdeverfahrens des jeweiligen Antragstellers als Bezugs- und Streitgegenstand für die wehrdienstgerichtliche Überprüfung festgelegt und abgegrenzt.

Unbegründet ist er deswegen, weil auch dieser Bescheid mangels einer fristgerechten Beschwerde des Antragstellers bestandskräftig geworden ist. Der nunmehr erstmals mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung angegriffene Bescheid über den antragsgemäßen Widerruf der Elternzeit für den Zeitraum 30. Juli 2017 bis 29. August 2017 ist dem Antragsteller am 22. August 2017 zur Kenntnis gebracht worden. Die Beschwerdefrist lief damit entsprechend der oben genannten Regelung bis zum Ablauf des 22. September 2017. Innerhalb dieser Frist ist ein Rechtsbehelf nicht eingelegt worden.