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BVerwG - Entscheidung vom 28.02.2019

2 B 81.18

Normen:
TVFF 8 Abs. 2 S. 1 Alt. 2

BVerwG, Beschluss vom 28.02.2019 - Aktenzeichen 2 B 81.18

DRsp Nr. 2019/5235

Rechtmäßigkeit eines Ausschlusses aus der freiwilligen Feuerwehr; Verlust der für den Feuerwehrdienst erforderlichen Vertrauenswürdigkeit; Anforderungen an die Ausübung behördlichen Ermessens

Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 12. September 2018 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Normenkette:

TVFF 8 Abs. 2 S. 1 Alt. 2;

Gründe

Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) gestützte Beschwerde ist unbegründet.

1. Der 1963 geborene Kläger ist seit September 1988 Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr der Stadt T. Im August 2003 wurde er zum Oberbrandmeister befördert, seit Oktober 2012 hat er die Dienststellung des Führers der Ortswehr T.-Stadt inne.

Der Beklagte schloss den Kläger mit der Begründung aus der Freiwilligen Feuerwehr der Stadt T. aus, er habe Anordnungen nicht beachtet und genieße nicht mehr die erforderliche Vertrauenswürdigkeit im Feuerwehrdienst. Im Widerspruchsbescheid wies der Beklagte darauf hin, dass ein Ausschluss des Klägers aus diesem Grund nicht in Betracht komme, weil der Vorwurf der Nichtbeachtung von Anordnungen nicht habe belegt werden können. Allerdings führten bestimmte Handlungen des Klägers, wie etwa das lautstarke Auftreten bei vielen Einsätzen, Beleidigungen von Angehörigen der Feuerwehr oder das Werfen des Feuerwehrsicherheitsgurtes nach Angehörigen der Feuerwehr dazu, dass das im Feuerwehrdienst unbedingt erforderliche Vertrauen in den Kläger erschüttert sei. Dieses Verhalten habe zu Austritten anderer Mitglieder aus der Feuerwehr geführt. Damit liege eine nicht hinnehmbare Gefährdung des Bestandes der Feuerwehr vor. Es seien mit dem Kläger zahlreiche Gespräche geführt worden, die nicht zu einer anhaltenden Anpassung seines Verhaltens geführt hätten. Andere Disziplinarmaßnahmen seien bereits angewandt worden. Das Verwaltungsgericht hat die Bescheide mit der Begründung aufgehoben, sie genügten nicht den an Ermessensverwaltungsakte zu stellenden Anforderungen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Selbst wenn die gegen den Kläger erhobenen und von ihm bestrittenen Vorwürfe unterstellt würden, hätte der Beklagte nicht auf den Ausschluss des Klägers erkennen dürfen. Bei dem ihm eröffneten Ermessen habe der Beklagte die gesetzlichen Grenzen überschritten, weil er den allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht beachtet habe. Ein Ausschluss komme nur dann in Betracht, wenn keine ebenso geeignete, mildere Maßnahme ausreiche. Angesichts der fachlichen Kompetenz des Klägers und seiner über einen Zeitraum von 25 Jahren erbrachten ehrenamtlichen Leistungen hätte es ausgereicht, ihn zunächst mittels einer pflichtenmahnenden Disziplinarmaßnahme auf die möglichen rechtlichen Folgen weiterer Verfehlungen hinzuweisen. Der Beklagte hätte als mildere Maßnahme jedenfalls die zeitweise oder dauerhafte Enthebung des Klägers von der Dienststellung des Ortswehrführers in Betracht ziehen müssen.

2. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ), die ihr die Beschwerde beimisst.

Grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine - vom Beschwerdeführer zu bezeichnende - grundsätzliche, bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer Weiterentwicklung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf und die für die Entscheidung des Revisionsgerichts erheblich sein wird (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.>). Das ist hier nicht der Fall.

Der Beklagte sieht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in der Frage,

"ob es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet, für die Entscheidung über den Ausschluss eines Mitglieds aus der Freiwilligen Feuerwehr gesonderte Ermessenserwägungen anzustellen, wenn feststeht, dass die betroffene Person nicht mehr würdig erscheint, den Dienst der Freiwilligen Feuerwehr zu verrichten."

Diese Frage vermag die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nicht zu begründen, weil sie irrevisibles Recht betrifft.

Die Frage zielt auf die Auslegung und Handhabung von § 8 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 der Verordnung über Aufnahme, Heranziehung, Zugehörigkeit und Ausscheiden der ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen vom 4. Juli 2008 (GVBl. II S. 241 - TVFF) ab. Bei dieser auf Grund des § 49 Abs. 2 Nr. 1 des Brandenburgischen Brand- und Katastrophenschutzgesetzes vom 24. Mai 2004 (GVBl. I S. 197) erlassenen Rechtsverordnung handelt es sich um nicht revisibles Landesrecht. Die Revisibilität dieser landesrechtlichen Rechtsverordnung folgt auch nicht aus § 127 Nr. 2 BRRG und § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG . Denn es handelt sich nicht um eine Vorschrift des Landesbeamtenrechts.

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass es mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit um die Anwendung eines allgemeinen verfassungsrechtlichen Prinzips geht. In dem angestrebten Revisionsverfahren wäre die in Anwendung des irreversiblen Landesrechts vertretene Auffassung des Berufungsgerichts, dass § 8 Abs. 2 Satz 1 TVFF auch bei Vorliegen der Tatbestandsalternative der Unwürdigkeit des betroffenen Mitglieds, den Dienst in der Freiwilligen Feuerwehr zu verrichten, eine Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit geboten ist, nach § 560 ZPO i.V.m. § 173 VwGO für die Revisionsentscheidung bindend. Gerade dies ist aber Gegenstand der aufgeworfenen Frage. Das Bundesverwaltungsgericht hätte in einem Revisionsverfahren lediglich zu prüfen, ob die Vorschrift in der ihr vom Berufungsgericht gegebenen Auslegung mit dem bundesverfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit, insbesondere dem daraus abzuleitenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, vereinbar ist oder ob die angefochtene Entscheidung insoweit Bundesrecht verletzt (BVerwG, Urteil vom 6. September 1974 - 1 C 17.73 - BVerwGE 47, 31 <34> m.w.N.).

Zwar ist die gesetzliche Vorgabe für die Ausübung behördlichen Ermessens in § 1 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Brandenburg vom 7. Juli 2009 (GVBl. I S. 262) i.V.m. § 40 VwVfG selbst nach § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO revisibles Recht. Dies führt aber nicht dazu, dass die Anwendung einer dem irreversiblen Recht entstammenden Ermessensregelung als Verletzung revisiblen Rechts gerügt werden kann (BVerwG, Beschlüsse vom 4. Juli 1990 - 7 B 94.90 - Buchholz 310 § 137 VwGO Nr. 161 S. 12 und vom 13. Dezember 2010 - 7 B 64.10 - Buchholz 11 Art. 31 GG Nr. 2 Rn. 11).

Die Auflösung des evidenten Widerspruchs in § 8 Abs. 2 TVFF zwischen dem Tatbestand der Unwürdigkeit zur Verrichtung des Dienstes in der Freiwilligen Feuerwehr insgesamt - und nicht lediglich zur Verrichtung der konkret innegehabten Dienststellung innerhalb der Freiwilligen Feuerwehr - und der bloßen Möglichkeit des Ausschlusses des Betroffenen aus der Freiwilligen Feuerwehr im Ermessenswege - im Gegensatz zu § 8 Abs. 1 TVFF - ist Sache des Verordnungsgebers.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO . Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 sowie § 52 Abs. 2 GKG .

Vorinstanz: OVG Berlin-Brandenburg, vom 12.09.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 4 B 4.18