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BVerwG - Entscheidung vom 07.11.2019

4 BN 31.19

Normen:
BauGB § 2 Abs. 3

BVerwG, Beschluss vom 07.11.2019 - Aktenzeichen 4 BN 31.19

DRsp Nr. 2020/621

Rechtmäßige Fürunwirksamerklärung eines Bebauungsplans; Hinreichende Ermittlung und Bewertung der Lärmauswirkungen auf das Grundstück; Darlegung der Geringfügigkeit vermehrter Verkehrslärmbeeinträchtigungen

1. Eine Beschwerde, der es ohne Formulierung einer bestimmten Rechtsfrage erkennbar allein um eine Korrektur der aus ihrer Sicht falschen vorinstanzlichen Entscheidung geht, lässt sich wegen Verfehlung der entsprechenden Darlegungsanforderungen nicht auf den Revisionszulassungsgrund der Grundsatzbedeutung stützen.2. Soweit nach § 165 S. 1 ZPO Beweis über die in der mündlichen Verhandlung zu beachtenden Förmlichkeiten nur durch das Protokoll erbracht werden kann, gehört der Inhalt von Erklärungen der Beteiligten nicht zu solchen nur durch das Protokoll zu beweisenden Förmlichkeiten.

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 13. Februar 2019 wird verworfen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 Euro festgesetzt.

Normenkette:

BauGB § 2 Abs. 3 ;

Gründe

Die auf die Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde ist unzulässig. Sie verfehlt die Darlegungsanforderungen nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO .

1. Fragen von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) wirft die Beschwerde nicht auf.

Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zu Grunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO ) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> und vom 9. April 2014 - 4 BN 3.14 - ZfBR 2014, 479 Rn. 2). Daran fehlt es hier.

a) Soweit die Beschwerde der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung "hinsichtlich der Anforderungen gemäß § 2 Abs. 3 BauGB an die Ermittlung des Abwägungsmaterials" beimisst, erschöpft sich ihr Vortrag in bloßer Urteilskritik.

Die Beschwerde wendet sich dagegen, dass das Oberverwaltungsgericht den streitgegenständlichen Bebauungsplan für unwirksam erklärt hat, weil die Antragsgegnerin unter Verstoß gegen § 2 Abs. 3 BauGB nicht hinreichend ermittelt und bewertet habe, welche Lärmauswirkungen die Planung auf das Grundstück der Antragstellerin habe. Das Gericht - so die Beschwerde - habe sich zwar auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Geringfügigkeit vermehrter Verkehrslärmbeeinträchtigungen sowie auf ein obergerichtliches Urteil bezogen, daraus jedoch die falschen Schlüsse gezogen. Vorliegend sei die planbedingte Verkehrszunahme ausschließlich anhand prognostizierter Verkehrszahlen bewertet worden. Auch die relativ geringe Schutzwürdigkeit der Kindertagesstätte der Antragstellerin, die Vorbelastung durch die A 27 und das relativ kleinräumige Bebauungsplangebiet seien berücksichtigt worden. Damit sei die Antragsgegnerin auch im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in der Lage gewesen, zu prognostizieren, dass die Lärmzunahme die Geringfügigkeitsschwelle unterschreiten werde. Diese Rechtslage sei über den vorliegenden Fall hinaus klärungsbedürftig.

Die Beschwerde lässt es damit bereits an der Formulierung einer bestimmten Rechtsfrage fehlen. Darüber hinaus räumt sie selbst ein, dass sich das Oberverwaltungsgericht auf die bisherige Rechtsprechung des Senats gestützt habe. Welche Rechtserkenntnisse im erstrebten Revisionsverfahren gleichwohl zu erwarten seien, lässt sie im Dunkeln. Ihr geht es erkennbar allein um eine Korrektur der aus ihrer Sicht falschen vorinstanzlichen Entscheidung. Auf den Revisionszulassungsgrund der Grundsatzbedeutung kann sie sich damit nicht stützen.

b) Gleiches gilt, soweit die Beschwerde "das Verhältnis von förmlicher Behördenbeteiligung nach § 4 Abs. 2 BauGB und der (besonderen) Verfahrensnorm des § 2 Abs. 3 BauGB " für klärungsbedürftig hält.

Die Beschwerde meint, die "dienende Funktion" der verfahrensrechtlich geregelten Behördenbeteiligung sei an sich von Amts wegen im Rahmen des § 2 Abs. 3 BauGB zu berücksichtigen. Das gelte umso mehr, als vorliegend keiner der relevanten Träger öffentlicher Belange Bedenken gegen die Planung geäußert habe.

Auch insoweit erschöpft sich der Beschwerdevortrag in bloßer Urteilskritik. Die Beschwerde ist - soweit erkennbar - der Auffassung, dass das Oberverwaltungsgericht im vorliegenden Fall auch angesichts der (teilweise) positiven Stellungnahmen der relevanten Behörden und Träger öffentlicher Belange nicht auf einen Verstoß gegen § 2 Abs. 3 BauGB hätte erkennen dürfen. Über den Einzelfall hinausgehende, verallgemeinerungsfähige und klärungsbedürftige Rechtsfragen wirft sie auch damit nicht auf.

2. Auch der Beschwerdevortrag zu den behaupteten Verfahrensfehlern (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ) verfehlt die Darlegungsanforderungen nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO .

Die Beschwerde rügt eine Verletzung rechtlichen Gehörs sowie eine aktenwidrige Feststellung. Zwar sei in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll genommen worden, dass sich das Immissionsschutzreferat des Umweltsenators nicht und das Gesundheitsressort positiv zur Planung geäußert hätten. Nicht zu Protokoll und damit (wegen der negativen Beweiskraft des Protokolls) letztlich nicht zur Kenntnis genommen worden sei jedoch die in der mündlichen Verhandlung vorgetragene "dienende Funktion" der Behördenbeteiligung. Ungeachtet dieses Gehörsverstoßes liege also wenigstens eine aktenwidrige Feststellung vor, die auch auf eine unvollständige Aufklärung des Sachverhalts führe.

Die Kritik entbehrt der rechtlichen Grundlage. Gemäß § 105 VwGO gelten für das Protokoll die §§ 159 bis 165 ZPO . Nach § 165 Satz 1 ZPO kann Beweis über die in der mündlichen Verhandlung zu beachtenden Förmlichkeiten nur durch das Protokoll erbracht werden. Keine nur durch das Protokoll zu beweisende Förmlichkeit ist der Inhalt von Erklärungen der Beteiligten (zutreffend z.B. Schübel-Pfister, in: Eyermann, VwGO , 15. Aufl. 2019, § 105 Rn. 30). Da die Beschwerde allein aus dem Umstand, dass der Vortrag der Antragsgegnerin zur "dienenden Funktion" der Behördenbeteiligung nicht protokolliert worden sei, zu begründen versucht, dass das Oberverwaltungsgericht diesen Rechtsvortrag nicht zur Kenntnis genommen habe, geht die Gehörsrüge ebenso ins Leere wie die Rüge der Aktenwidrigkeit. Der Vorwurf der unvollständigen Sachverhaltsaufklärung liegt auch deshalb neben der Sache, weil der von der Beschwerde vermisste Protokollinhalt Rechtsvortrag der Antragsgegnerin betrifft.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 , § 162 Abs. 3 VwGO , die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 47 Abs. 1 und 3 , § 52 Abs. 1 GKG .

Vorinstanz: OVG Bremen, vom 13.02.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 1 D 19/18