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BVerwG - Entscheidung vom 08.07.2019

7 BN 5.18

Normen:
VwGO § 47 Abs. 2 S. 1 Alt. 2

BVerwG, Beschluss vom 08.07.2019 - Aktenzeichen 7 BN 5.18

DRsp Nr. 2019/12969

Rechtmäßige Festsetzung eines Wasserschutzgebiets; Antragsbefugnis einer Behörde im Normenkontrollverfahren

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 2. August 2018 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.

Normenkette:

VwGO § 47 Abs. 2 S. 1 Alt. 2;

Gründe

I

Die Antragstellerin, die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, ist Eigentümerin von Grundstücken, die vom Bundessortenamt genutzt werden, das dort vornehmlich Mais anbaut und dabei auch Herbizide einsetzt. Sie wendet sich als Eigentümerin und Behörde gegen eine Verordnung zur Festsetzung eines Wasserschutzgebiets, durch die erstmals auch die vom Bundessortenamt genutzten Flächen in die weitere Schutzzone III fallen.

Das Oberverwaltungsgericht hat den Normenkontrollantrag als unzulässig und unbegründet abgelehnt und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin.

II

Die auf die Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) zuzulassen.

Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO ) zu erwarten ist. Die Rechtsfrage und der Klärungsbedarf müssen gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO in der Beschwerdebegründung dargelegt werden (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Februar 2019 - 7 BN 2.18 - juris Rn. 6 m.w.N.).

Als rechtsgrundsätzlich bedeutsam wirft die Beschwerde die Frage auf:

"Reicht für die Antragsbefugnis einer Behörde im Normenkontrollverfahren nach § 47 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 VwGO im Rahmen der aufgabenbezogenen Beachtenspflicht aus, dass die streitgegenständliche Rechtsnorm auf die behördliche Aufgabenwahrnehmung anzuwenden und zu beachten ist? Oder ist die Antragsbefugnis der Behörde überdies davon abhängig, dass die Regelungen der streitgegenständlichen Rechtsnorm die behördliche Aufgabenwahrnehmung gegenwärtig und unmittelbar beschränken?".

Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die auch das Oberverwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, ist für die Antragsbefugnis einer Behörde nach § 47 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 VwGO erforderlich, aber auch ausreichend, dass die antragstellende Behörde die umstrittene Rechtsvorschrift bei der Aufgabenwahrnehmung zu beachten hat (BVerwG, Urteil vom 26. November 2015 - 7 CN 1.14 - Buchholz 445.4 § 51 WHG Nr. 2 Rn. 18; Beschlüsse vom 15. März 1989 - 4 NB 10.88 - insoweit in BVerwGE 81, 307 nicht abgedruckt = juris Rn. 4 und vom 3. Januar 2017 - 6 BN 2.16 - Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 191 Rn. 7). Einen darüber hinausgehenden allgemeinen Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf. Aus ihrem Vorbringen, das Berufungsgericht habe durch seine Bezugnahme auf die Bestandsschutzregelung des § 6 Abs. 3 RVO der Sache nach zusätzlich eine "gegenwärtige und unmittelbare Beschränkung der behördlichen Aufgabenwahrnehmung" verlangt, ergibt sich nichts anderes. Soweit das Oberverwaltungsgericht eine Beachtenspflicht wegen der Bestandsschutzregelung verneint hat, hat es weder abweichende noch weitergehende Anforderungen an die Antragsbefugnis einer Behörde formuliert. Seine Ausführungen haben keinen Rechtssatzcharakter, sondern betreffen lediglich die - möglicherweise fehlerhafte - Anwendung eines zutreffend erkannten Rechtsmaßstabs im Einzelfall.

Die weiteren als rechtsgrundsätzlich aufgeworfenen Fragen:

"Ist eine formell oder materiell fehlerhafte Rechtsverordnung nichtig, soweit und solange der Gesetzgeber Rechtsfehler einer Verordnung nicht für unbeachtlich erklärt hat?"

und

"Kann bei fehlenden Unbeachtlichkeits- und Heilungsvorschriften im betreffenden Fachgesetz der Rechtsgedanke der §§ 214 ff. BauGB herangezogen werden, um formelle oder materielle Rechtsfehler einer Verordnung für unbeachtlich zu erklären?"

rechtfertigen die Zulassung der Revision ebenfalls nicht. Die angesprochenen Rechtsfragen betreffen die Begründetheit des Normenkontrollantrags. Das Oberverwaltungsgericht hat den Normenkontrollantrag jedoch bereits entscheidungstragend als unzulässig abgelehnt. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Frage der Begründetheit des Normenkontrollantrags stellen danach nicht entscheidungserhebliche ergänzende Hinweise an die Parteien dar, die nicht geeignet sind, an der Rechtskraft des Urteils teilzunehmen. Schon aus diesem Grund kommt eine Zulassung der Revision insoweit nicht in Betracht (vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 3. November 2016 - 3 B 4.16 - juris Rn. 5 m.w.N.; Kraft, in: Eyermann, VwGO , 15. Aufl. 2019, § 132 Rn. 26).

2. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Die geltend gemachten Verfahrensfehler liegen, soweit sie sich auf die hier entscheidungstragende Abweisung des Normenkontrollantrags als unzulässig beziehen, nicht vor. Dem Oberverwaltungsgericht ist weder ein Gehörsverstoß (Art. 103 Abs. 1 GG , § 108 Abs. 2 VwGO ) unterlaufen, noch ist es seiner Verpflichtung zur Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO ) nicht gerecht geworden.

Die Beschwerde rügt, das Berufungsgericht habe die Beweisanträge der Antragstellerin unter Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör als unerheblich abgelehnt, weil es den spezifischen Kern des Sachvortrags der Antragstellerin zum Standort- und Raumnutzungskonflikt übergangen habe. Die rechtliche Auseinandersetzung drehe sich um die Sachfrage, ob die hoheitliche, widmungsgemäße und bestandsgeschützte Nutzung der Liegenschaft der Antragstellerin für den sortenamtlichen Prüfungsanbau von Mais unter intensivem Einsatz von Herbiziden, insbesondere Terbuthylazin, mit den Belangen der Trinkwasserbereitstellung vereinbar sei.

Das Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs gewährleistet jedem Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit, zu dem gesamten Stoff des gerichtlichen Verfahrens in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Stellung zu nehmen. Der Grundsatz rechtlichen Gehörs gebietet zudem, dass das Gericht den Vortrag der Beteiligten zur Kenntnis nimmt und in Erwägung zieht. Allerdings verwehrt es Art. 103 Abs. 1 GG den Gerichten nicht, das Vorbringen eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts außer Betracht zu lassen (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 7. Januar 2019 - 7 B 16.18 - juris Rn. 24 m.w.N.).

Vorliegend hat das Oberverwaltungsgericht die Beweisanträge der Antragstellerin deshalb als nicht entscheidungserheblich abgelehnt, weil das Herbizid Terbuthylazin nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts im Bereich der Liegenschaft der Antragstellerin weiterhin angewendet werden darf und die unter Beweis gestellten Tatsachen deshalb nichts an dessen rechtlicher Beurteilung der Antragsbefugnis änderten. Mit Blick auf diese Begründung ist nicht ersichtlich, dass das Berufungsgericht den von der Beschwerde als Kern des Sachvortrags hervorgehobenen Gesichtspunkt des Herbizid- bzw. Terbuthylazineinsatzes übergangen hätte. Dass das Oberverwaltungsgericht den zur Kenntnis genommenen und in Erwägung gezogenen Sachvortrag der Antragstellerin aus Gründen des materiellen Rechts im Ergebnis außer Betracht lässt, begründet keinen Gehörsverstoß.

Auch ein Verstoß des Berufungsgerichts gegen die gerichtliche Verpflichtung zur Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO ) ist nicht ersichtlich. Auf der Grundlage der maßgeblichen materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts war ein weiterer Aufklärungsbedarf in tatsächlicher Hinsicht nicht gegeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO . Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG .

Vorinstanz: OVG Rheinland-Pfalz, vom 02.08.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 1 C 11685/16