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BVerwG - Entscheidung vom 26.06.2019

2 B 80.18, 2 PKH 1.18

Normen:
VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 3
VwGO § 133 Abs. 3 S. 3

BVerwG, Beschluss vom 26.06.2019 - Aktenzeichen 2 B 80.18, 2 PKH 1.18

DRsp Nr. 2019/11025

Rechtmäßige Entfernung aus dem Beamtenverhältnis wegen eines sehr schwerwiegenden Dienstvergehens; Nichtvorliegen von Milderungsgründen für das Absehen von der disziplinaren Höchstmaßnahme; Darlegung der Berufungsgründe bei der Entfernung aus einem Beamtenverhältnis

1. Den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 S. 3 VwGO genügt es nicht, sich in der Art eines zulassungsfreien oder zugelassenen Rechtsmittels gegen das Berufungsurteil zu wenden und sich darin zu erschöpfen, eine abweichende Rechtsansicht gegen die des Berufungsgerichts zu setzen.2. Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt die Beweis- und Sachverhaltswürdigung einer Tatsacheninstanz nur insoweit, als es um Verfahrensfehler im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geht. Darn fehlt es, soweit lediglich der Sachverhalt abweichend vom Oberverwaltungsgericht gewürdigt wird.

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 31. Oktober 2018 wird verworfen.

Der Antrag der Beklagten, ihr Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Normenkette:

VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 3 ; VwGO § 133 Abs. 3 S. 3;

Gründe

1. Die 1967 geborene und in dritter Ehe verheiratete Beklagte trat 1988 in den Dienst der Klägerin ein. 1994 ernannte die Klägerin die Beklagte zur Postoberinspektorin (Besoldungsgruppe A 10 BBesO ). Das Amtsgericht verurteilte die Beklagte im November 2012 rechtskräftig zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten wegen des gewerbsmäßigen Betrugs in Tateinheit mit Urkundenfälschung. Nach den Feststellungen des Strafurteils reichte die Beklagte in der Zeit von September 2007 bis März 2012 in eigener Sache in 109 Fällen zuvor an ihrem Arbeitsplatz in der Geschäftsstelle der Postbeamtenkrankenkasse selbst gefertigte Arztrechnungen zur Erstattung bei dieser Krankenkasse ein. Den Arztrechnungen lagen keine ärztlichen Behandlungen zugrunde. Durch die zu Unrecht gewährten Leistungen entstand der Krankenkasse ein Gesamtschaden in Höhe von 31 989,27 €.

Im April 2012 untersagte der Dienstherr der Beklagten die weitere Führung der Dienstgeschäfte. Die von ihm erhobene Disziplinarklage auf Entfernung der Beklagten aus dem Beamtenverhältnis hat in den Vorinstanzen Erfolg gehabt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil mit der Begründung zurückgewiesen, die Beklagte sei wegen eines sehr schwerwiegenden Dienstvergehens aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.

Von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannte Milderungsgründe, die zum Absehen von der disziplinaren Höchstmaßnahme führen könnten, lägen nicht vor. Insbesondere greife der Milderungsgrund der verminderten Schuldfähigkeit nicht ein. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass die Beklagte während des Tatzeitraums nicht vermindert schuldfähig gewesen sei. Dies ergebe sich aus den fachlich fundierten und überzeugenden Ausführungen des fachpsychiatrischen Sachverständigen Prof. Dr. Dr. T., nach denen bereits die Eingangsvoraussetzungen für eine Minderung der Schuldfähigkeit in der Person der Beklagten nicht vorgelegen hätten und denen das Gericht folge. Danach sei während des Tatzeitraums von September 2007 bis März 2012 keine psychiatrische Erkrankung entsprechend der internationalen Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation (ICD 10) bei der Beklagten festzustellen gewesen. Die vom behandelnden Arzt Dr. N. gestellte Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung sei nicht nachvollziehbar. Die bei der Beklagten vorhandenen psychischen Beeinträchtigungen infolge ihres gewalttätigen zweiten Ehemanns könnten eine verminderte Schuldfähigkeit nicht begründen.

2. Die Beschwerde der Beklagten ist bereits unzulässig. Sie legt keinen Grund dar, die Revision zuzulassen. Vielmehr wendet sie sich in der Art eines zulassungsfreien oder zugelassenen Rechtsmittels gegen das Berufungsurteil und erschöpft sich darin, ihre abweichende Rechtsansicht gegen die des Berufungsgerichts zu setzen. Dies genügt nicht den von § 69 BDG i.V.m. § 132 Abs. 2 und § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO aufgestellten Darlegungsanforderungen (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14 f., vom 4. Januar 2017 - 2 B 23.16 - Buchholz 11 Art. 140 GG Nr. 91 Rn. 8 und vom 12. September 2017 - 2 B 39.17 - Buchholz 235.1 § 64 BDG Nr. 4 Rn. 4). Weder bezeichnet die Beschwerde eine fallübergreifende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) noch formuliert sie einen entscheidungstragenden Rechtssatz des Berufungsgerichts, mit dem dieses von einem gegenteiligen (ebenfalls von der Beschwerde zu benennenden) Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts oder eines anderen divergenzfähigen Gerichts abgewichen wäre (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ) noch bezeichnet die Beschwerde in der gebotenen Weise einen Verfahrensmangel, auf dem das Berufungsurteil beruhen könnte (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ).

Den von der Beschwerde benannten und aus dem Recht der Berufungszulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO herrührenden Zulassungsgrund "ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils" kennt das Revisionszulassungsrecht der §§ 132 ff. VwGO nicht (BVerwG, Beschlüsse 9. April 2014 - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 3 und vom 6. Mai 2015 - 2 B 19.14 - juris Rn. 5).

Die von der Beschwerde am Berufungsurteil geübte Kritik rechtfertigt - ungeachtet ihrer Einzelfallbezogenheit - auch deshalb keine Zulassung der Revision, weil sie auch der Sache nach keinen Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO entsprechend den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO darlegt. Die Beschwerde trägt nur ihre Sicht zum Vorliegen des Milderungsgesichtspunkts verminderter Schuldfähigkeit bei der Beklagten während der Tatbegehung vor, den sie an die Stelle der tatrichterlichen Würdigung durch das Oberverwaltungsgericht setzt. Die Beweis- und Sachverhaltswürdigung einer Tatsacheninstanz ist der Beurteilung des Revisionsgerichts indes nur insoweit unterstellt, als es um Verfahrensfehler i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geht. Rügefähig ist damit nicht das Ergebnis der Beweiswürdigung, sondern nur das verfahrensrechtliche Vorgehen auf dem Weg dorthin. Derartige Mängel liegen insbesondere vor, wenn das angegriffene Urteil von einem falschen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, also etwa entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder auf einer aktenwidrigen Tatsachengrundlage basiert (BVerwG, Beschluss vom 13. Februar 2012 - 9 B 77.11 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 73 Rn. 7).

Daran fehlt es im Fall der Beklagten. Sie legt nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO weder einen berufungsgerichtlichen Sachaufklärungsmangel (§ 86 Abs. 1 VwGO ) noch einen Überzeugungsmangel (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO ) in einer den Anforderungen nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Art und Weise dar. Ihre Rügen erschöpfen sich darin, den Sachverhalt abweichend vom Oberverwaltungsgericht zu würdigen.

3. Aus den vorstehenden Darlegungen zu 2. ergibt sich zugleich, dass auch der Antrag der Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten unbegründet ist. Die Rechtsverfolgung der Beklagten bietet auch unter Berücksichtigung des insoweit geltenden niedrigeren Maßstabs (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. März 1990 - 2 BvR 94/88 - BVerfGE 81, 347 <357>) keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO und § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ).

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 77 Abs. 1 BDG , § 154 Abs. 2 VwGO .

Einer Festsetzung des Streitwerts bedarf es nicht, weil für das Beschwerdeverfahren Festgebühren nach dem Gebührenverzeichnis der Anlage zu § 78 BDG erhoben werden.

Vorinstanz: OVG Nordrhein-Westfalen, vom 31.10.2018 - Vorinstanzaktenzeichen BDG